Dreiundvierzig
Höhenplateau, Tibet
Halle der Seelen
5. Januar 2005
15:23 Uhr
Der Sturz war nicht lang, Lara versank im Loch und im nächsten Moment lag sie am Boden. So merkwürdig war ihr Flug noch nie gewesen, aber sie war wieder im Freien. Chase neben ihr. Und hinter ihnen baute sich die Wand wieder auf, dass Loch war weg und mit ihm auch Indy. Lara sprang mit dem ganzen Körper gegen den massiven Fels und flog wieder zurück. Schmerz durchzog ihre Schulter. Indy war weg, daran musste sie sich gewöhnen. „Nein.", sie robbte noch mal zu der Wand und begann damit die Wand mit der Faust zu bearbeiten. Indy war weg, er ist weg...Lara fühlte eine Hand auf ihrer Schulter, die zu ihren Fäusten wanderte und sie öffnete. Chase ging neben ihr in die Hocke. Seine Augen waren gefüllt mit Tränen: „Lass es, Red.", er schluckte: „Das hat keinen Sinn."
Sie wusste es ja selber, aber sie wollte es nicht akzeptieren. Diese Reise hatte Lara so viel Kraft gekostet, Kraft die für immer verloren war. Menschen waren gestorben, Freunde waren gestorben und Indy war sicher auch schon tot. Es war vorbei. Wenn alles gut ging in der Halle, dann war es vorbei. Lara hatte keine Gewalt mehr über den Ausgang dieses Kampfes. Es lag nun alles in Indys Hand, wenn überhaupt. Simon durfte einfach nicht gewinnen. Und Lara musste sich irgendwie darum kümmern. Sie konnte Indiana doch nicht allein lassen, er brauchte sie. Und schließlich kam ihr die Erkenntnis!
Sie wusste, warum sie so betroffen darüber war, was mit Indy geschah. Die Erkenntnis war so plötzlich gekommen, dass sie erstmal zusammenzuckte. Chase machte einen Satz zurück und blickte sie fragend an. Indy war was besonderes, die gemeinsame Zeit. Lara hatte sich noch nie so gut gefühlt, wenn sie in der Nähe von irgendwem gestanden hatte. Sie liebte Indiana Jones. Und sie würde nicht die Chance bekommen, ihm das zu sagen. „Das kann nicht sein.", murmelte sie und ließ den Kopf hängen. „Lara?", eine Frauenstimme drängte sich auf. Lara blickte auf und sah Sara und Madeline zusammen auf sie zulaufen.
„Wo ist der Eingang?", wollte Sara wissen, sie schwenkte dabei etwas in ihrer Hand. „Da.", Chase deutete auf die massive Wand. Sara blickte ihn an, als würde sie ihn für bescheuert halten. „Mickey Mouse hat das Ding zugemacht.", erklärte er. Sara wirkte noch immer verwirrt, dann fiel ihr auf, dass einer fehlte: „Wo ist Indiana?", fragte sie in die Runde. Chase sah betroffen zur Seite und Lara lehnte sich an die Wand, die eben noch ein Eingang gewesen war.
Eine Minute des Schweigens legte sich über die Gruppe. Dann allerdings fiel Saras Blick auf die blinkende, runde Scheibe in der Hand ihres Freundes: „Ist das die Scheibe der Sonne?", wunderte sie sich. „Ja.", Chase warf sie ihr rüber: „Die Macht ist verbraucht. Du kannst damit nichts mehr anfangen." „Oh doch, dass kann ich.", Sara grinste ihre Freunde breit an. Ein Funke der Hoffnung erwachte in ihrem Herzen. Lara sprang regelrecht auf die Beine und stürmte auf ihre Freundin zu: „Was denn?"
Sara hielt den kreuzartigen Schlüssel in ihrer flachen Hand und sah alle der Reihe nach an: „Ein Mönch hat ihn mir gegeben. Er meinte, dass ich damit das Artefakt zerstören könnte." „Dann könnten wir ihn vielleicht retten.", schoss Lara vor und ein Lächeln zauberte sich wie aus dem Nichts auf ihr Gesicht. „Vielleicht. Wir könnten ihn aber genauso gut töten.", erklärte Chase und wieder trat Stille ein, während alle die Folgen ihrer Tat abwogen. „Aber wenn wir es nicht tun, dann ist er auf jeden Fall verloren. Egal ob er gewinnt oder nicht, er bleibt in der Halle der Seelen gefangen.", warf Madeline, die bisher schweigsam gewesen war, ein.
Damit hatte sie auf jeden Fall Recht. Lara besah sich ihre ehemalige Angestellte. Sie wirkte entschlossen, sicher und vollkommen am Ende. Und das alles in einem einzigen Moment. Lara war fasziniert von dieser Frau. „Also dann tun wir's?", Sara wirkte einwenig skeptisch und Chase wand sich ab. Auch er hatte Indy auf seine Weise gemocht, sie hatten gekämpft, gelacht und gelitten.
So was schweißte Menschen zusammen, egal ob Freund oder Feind. Sie mussten es versuchen und Indy von diesem Gefängnis befreien. Also ließ Sara das Artefakt zu Boden gleiten, nachdem sie eine kleine Öffnung in der Mitte gefunden hatte und stieß nun mit dem Schlüssel hinab. Artefakt und Schlüssel trafen sich und verschmolzen regelrecht zu einem.
Er lebte noch. Indy konnte es nicht fassen. Der Laser hatte ihn nur gestreift, aber es hatte geschmerzt wie Feuer auf der Haut. Mictlantecuhtli hatte Simons Arm weiter gerissen. Aber der Laser war noch intakt und er schoss noch immer, einen dünnen, roten Strahl ab, der sich wie ein Messer in warme Butter schnitt.
Dagegen musste er was unternehmen. Angriff, dachte er. Und Quezacotl gehorchte. Trotz Schmerzen und einem zerstörten Flügel bewegte sich die Schlange noch immer mit gleicher Präzision. Der Arm, befahl Indy und Quezacotl folgte seinem Befehl. Er schoss vor, erwischte den Arm und riss ihn ab. Mictlantecuhtli entrang ein grollender, gutturaler Schrei und auch sein Arm verabschiedete sich, sank zu Boden. „Chancengleichheit.", rief Indy seinem Feind hin.
Sein Blick wanderte noch einmal zu dem Loch, was jetzt keines mehr war, und er spürte, wie er Lara vermisste. Allein die Frau in seiner Nähe zu haben, hatte ihn vergessen lassen, dass er Heimweh hatte, dass er hier nicht hingehörte. Sie war der einzige Grund, warum er lachte...in dieser Zeit. Lara...
Er
hatte sich wirklich in sie verliebt. Das war erstaunlich. Und sie war
immerhin kein Bösewicht, sonst hatte er nämlich immer das
Glück einen Fiesling zu mögen. Oder eine Zicke. Er dachte
an die Frau zurück, die er durch Zufall in China kennengelernt
hatte, damals als Shorty und er sich mit der Mafia getroffen hatten.
Er merkte, dass er schon ihren Namen vergaß. All seine Gedanken
kreisten nur um eine Frau...er konnte nicht anders. Und das war sein
Fehler. Simon schoss wie wild geworden vor und bohrte seinen gesunden
Arm in die Schulter von Quezacotl. Der Abenteurer spürte ein
leichtes stechen, sonst nichts, denn er hatte die Schlange nicht
komplett erwischt.
Quezacotls Siegeswille hatte ihn von alleine
ausweichen lassen. Angriff, dachte Indy und schon schoss
Quezacotls Kopf vor, bohrte sich in eine der Adern Mictlantecuhtlis
und schickte eine Blutfontäne durch die Luft. Die Gottheit
schrie vor Schmerz und auch Simon litt darunter. Doch er blieb ganz,
bis auf den Muskelstrang, der noch immer durch die Luft peitschte.
Zwar übertrugen sich die Schmerzen aufeinander, aber nur durch Vernichtung des Wirtes ließ sich die Gottheit verletzen. Indy stürmte vor, griff immer und immer und immer wieder an. Er trieb Mictlantecuhtli zurück, verletzte ihn. Dann aber schoss eine riesige Faust vor und hämmerte gegen Quezacotls Kopf. Indy war für einen Moment betäubt, doch dann war er wieder da, wich einem Hieb aus und peitschte mit dem Schwanz nach der Gegner. Mictlantecuhtli stieß sich von der Mauer ab, segelte auf ihm zu. Indy tat es ihm gleich, er musste es beenden, hier und jetzt. Denn langsam ging ihm die Kraft aus.
Töten, dachte er. Und schoss ebenfalls vor. Die Götter flogen durch den Raum aufeinander zu. Dann spürte Indy, wie sich Simons Klauen in seine Schulter bohrten, während die Schwanzspitze der Schlange nach Simons Gesicht schlug. Und er traf. Mictlantecuhtli schrie, als sein Gesicht davonflog, von der Macht des Hiebes abgerissen. Der Totenkopf segelte durch die Luft und zerbrach an der Wand. Die Augäpfel, ihrer Höhlen beraubt, klatschten auf Muskelstränge und ähnliches und explodierten wie reife Tomaten. Was ist passiert? Indy hörte Quezacotl antworten. Wir haben ihn besiegt, sprach er. Indy folgte der Flügelspitze, die sich in den Brustkorb des Wirtkörpers bohrte. Quezacotl hatte erneut von selbst gehandelt und nun war Mictlantecuhtli besiegt. Der Körper des Gottes löste sich langsam auf und Simons lebloser Körper fiel klatschend zu Boden. Und auch Indy spürte, wie sich Quezacotl langsam auflöste. Danke, dachte Indy und Quezacotl lächelte innerlich. Dann wurde er von einem weißen Licht erfasst. Einen Wunsch...hörte er den Gott sprechen. Du hast genau einen. Indy überlegte kurz und dann fasste er den Wunsch, er kam aus seinem Herzen und er spürte, wie er in Erfüllung ging.
Schlüssel und Artefakt trafen sich und ein kurzes Klicken war zu vernehmen, dann zerbrach das Artefakt in Millionen Staubpartikel und wurde von einem nicht vorhandenen Wind davon geweht, keine Lichtblitze, keine Explosionen, keine einstürzenden Mauern, keine Sounds. Einfach nichts. Lara war einwenig enttäuscht von diesem Ende. Doch dann hörte sie, wie Stein brach. Der Eingang öffnete sich wieder, die Zeit schien wieder ihren Lauf zu nehmen, sämtliche Löcher waren wieder frei.
Lara lachte vor Freude auf und stürmte los, sie sprang durch das Loch und wollte das gleiche Manöver durchführen, wie letztes Mal. Aber dieses Mal spürte sie keinen Wechsel der Schwerkraft. Die Halle der Seelen war wieder ein einfacher Raum. Und Lara hing über Bodenlosem Nichts. „Lara!", rief Sara erschrocken auf und eilte zu ihrer Freundin. Chase half ihr und gemeinsam hievten sie die Archäologin wieder hinauf.
Zu viert standen sie nun vor dem Eingang und blickten in die Leere Halle. Simon und Indy waren weg, keine Götter, keine Magie mehr. Auch der Schlüssel in Saras Hand löste sich in Asche auf und rieselte zu Boden. Der letzte Rest Magie, in den Lara alle Hoffnungen legte, erschien im nächsten Augenblick. Aus dem Zentrum der Halle erstrahlte ein helles Licht und Milliarden von Kugeln und Gestalten lösten sich aus diesem Punkt.
Die Geister, erkannte Lara. Jetzt wo der Zauber aufgehoben war, hatten sie wieder die Chance nach Hause zu gehen. Lara sah wieder einige bekannte Gesichter und sie sah auch ein weiteres Gesicht, dass ihr vorher nicht aufgefallen war. Indy, er schwebte im Strudel der Toten und segelte direkt auf sie zu. Ein Lächeln erschien auf seinem bleichen Gesicht, als er Lara erkannte.
„Ich hab dich bis zum Ende geliebt.", seine Hand wanderte in Richtung Lara und sie erwiderte diese Geste, die Finger trafen sich, überschnitten sich und...
...flogen durcheinander hindurch. Indy war tot, dass erkannte sie jetzt: „Schön dich wieder zusehen." Erklärte ihr Indiana. Dann schwebte er davon und die Halle tauchte wieder in Dunkelheit. Laras Augen füllten sich mit Tränen und sie weinte. In diesem Moment blieb kein Auge trocken, sogar Chase wand sich ab und lehnte sich an die Wand, versteckte seine Tränen vor den Mädels. Sein Ruf wäre dahin, wenn sie es sahen. Aber beide wussten es. Lara und Sara umarmten sich. Und Sara begann die Haare ihrer Freundin zu streicheln und sie zu beruhigen. Doch Lara ließ sich nicht beruhigen. Indy war weg, er war ihr genommen worden. Und sie hatte ihm nicht einmal auf wieder sehen sagen können.
Sie war eine schlechte Freundin. Schön dich wieder zusehen. Das waren die letzten Worte gewesen, die Indy zu ihr gesagt hatte. Sie hatte sich auch gefreut ihn noch mal zusehen, wenn sie es sicher aber auch anders vorgestellt hatte. Doch die wahre Bedeutung dieser Worte sollten Lara erst viel später klar werden.
Schließlich raffte Chase sich auf und stellte sich auf, überkreuzte die Arme: „Lasst uns gehen." „Und was ist mit Simon? Was wenn er noch lebt?", wollte Lara wissen und trocknete ihre feuchten Augen mit einem Taschentuch. „Dann hätte er sich sicher bemerkbar gemacht, oder?", und tatsächlich. Im nächsten Moment rief eine Stimme: „Hallo?"
Lara konnte es nicht fassen. Er hat überlebt. Wut stieg in ihr auf und sie blickte hinab in die Tiefe der Halle. Es war unverwechselbar Simons Stimme. Und sie konnte ihn auch sehen. Er leuchtete noch immer wegen dem Zauber, dem er ausgesetzt worden war. Sein einer Arm hing in Fetzen hinab und er würde sicher verbluten. Lara gönnte es ihm. Er wirkte verängstig und wütend. Und doch empfand sie kein Mitleid. Stattdessen hob sie ihre Waffen vom Boden auf und zielte nach Simon. Sie schoss. Die Kugel sauste durch die Luft, erwischte ihr Ziel!
Direkt in die Stirn. Eine kleine Blutfontäne schoss hervor, als Simon schweigend nach hinten kippte und liegen blieb.
„Du hast ihm viel Leid erspart, wusstest du das?", erklärte Chase, während sie sich alle abwandten. Dieser Teil ihres Lebens sollte nun abgeschlossen sein. „Hab ich nicht. Böse Jungs kommen in die Hölle.", erwiderte Lara kess und gemeinsam stiegen sie die Stufen hinauf, die sie wieder ins Tageslicht führen sollten.
Fortsetzung folgt:
