Bäume, Wald, Feuer... Was geschieht? Die Bäume brennen... Der Weg wird immer länger... Das Feuer kommt näher... Weiter laufen... Die Zeit hat keine Bedeutung mehr... Der Wald wir dichter... Das Feuer kommt näher... Immer näher... Eine dunkle Gestalt in den Flammen... Bäume, Wald, Feuer...
"Legolas!"

Langsam schlug Aysha die Augen auf. Das erste, was sie sah war Daynics Gesicht über ihrem Kopf. Seine warme Hand ruhte auf ihrer Stirn.
Sofort versuchte die Heiligelbe Daynic von sich zu stoßen. Für den Bruchteil einer Sekunde berührte seine Hand ihr Gesicht nicht und in diesem Moment durchfuhr Aysha wieder der harte Schmerz, den sie gefühlt hatte, als sie noch in der Gefängniszelle gelegen hatte.
"Pass auf!" rief Daynic schnell und legte seine Finger zurück auf Ayshas Stirn. "Wenn ich dich loslasse, wirst du sterben."
"Was? Wieso?" Sie versuchte sich auf zu richten, doch sie hatte nicht genug Kraft dazu.
"Du bist tot, Aysha."
"Aber ich bin doch hier, oder etwa nicht?"
"So lange ich mein Leben mit deinem teile, bist du es nicht."
"Ich will lieber sterben, als das Leben mit dir teilen zu müssen!"
"Wenn du meinst... Dann nehme ich jetzt meine Hand von dir und du wirst in das Reich der Schatten verschwinden. Deine kleinen Freunde werden dich sicher vermissen. Besonders dieser "Waldelb" hat es dir angetan, nicht wahr? Thranduils Sohn. Aber was soll das ganze? Du wolltest doch lieber sterben..."
"Warte!" rief Aysha. "Was hast du mit ihnen gemacht?"
"Nichts. Sie suchen dich. Oder besser: Sie haben dich gesucht. Sie sahen, wie du von ihnen gegangen bist. Sie werden die Suche nach dir aufgegeben haben. Bald wirst du vergessen sein..."
"Nein!"
"Oh, doch, Aysha. Diesmal bist du allein..."

Aragorn löschte das Feuer. Der helle Rauch entfloh in die dunkle Nacht.
Legolas sah zu den blinkenden Fackeln hinüber. Aragorn ließ sich neben dem Elben nieder:
"Ein weiser Mann sagte einmal: Wir sehen alle in denselben Himmel, doch vor jedem von uns erstreckt sich ein anderer Horizont... Ich denke, Ayshas Horizont erstreckt sich in ganz andere Richtungen, als wir es bis jetzt vermutet hatten."
"Elemmíre."
"Elemmíre? Er schrieb das Klagelied um die Zwei Bäume vor einigen tausend Jahren."
"Ja, als sie Silmaril geschaffen wurden. Und er war ein Heilgelb."
"Ich erinnere mich. Er war der einzige der Aina Edhel der den Frieden wollte. Woher weißt du, dass er einer von ihnen war, Aragorn?"
"Aysha erzählte mir von ihm. Sie sagte, sie wollte als sie noch jünger war
lieber zu einem Ork werden als Elemmíre zu gleichen. Doch mit der Zeit begann sie ihn immer mehr in sich wieder zu erkennen."
Legolas sah Aragorn ein wenig verwundert an.
"Das hat sie dir alles erzählt? Sonst sprach sie nie von sich selbst."
"Vielleicht hat sie nur dir nichts gesagt... Mein Versprechen, das ich ihr damals gab, ließ uns mehr voneinander verstehen."
Dann wartete er einen Moment.
"Legolas, irgendetwas sagt mir, dass sie noch am Leben ist."
Der Elb murmelte, mit den Gedanken immer bei Aysha, zurück:
"Das ist der letzte Funken Hoffnung, der uns nie verlassen wird..."
Aragorn nickte kurz.
"Sie muss noch leben!"
"Und warum bist du dir da so sicher? Wer sagt uns, dass sie noch am Leben ist?"
"Sie wäre nie von uns gegangen..." begann Aragorn wieder. "...ohne sich nicht wenigstens von dir verabschiedet zu haben."

"Pippin!" flüsterte Merry ihm zu. "Aragorn und Legolas. Glaubst du sie folgen uns?"
Der Hobbit sah auf. Sein Gesicht war noch immer Tränen verschmiert und er bemerkte, dass es Merry nicht viel anders erging als ihm, der mit seiner Frage nur versucht hatte sie von Ayshas Tod abzulenken.
"Vielleicht." Ging Pippin dann doch darauf ein. "Aber wir würden sie ja doch nicht entdecken. Sie leben mit dem Wald."
"Unsere Sklaventreiber, die uns hier festhalten aber auch nicht." fügte Merry hinzu. "Hoffentlich sind sie wirklich irgendwo hinter uns. Komm mit. Lass uns Gimli und die anderen suchen."
Pippin rappelte sich auf und gemeinsam schlichen sie durch die Reihen der Gefangenen. Die meisten von ihnen, so weit es keine Elben waren, lagen oder saßen auf dem harten, steinigen Boden und versuchten zu schlafen. Und so war es nicht schwierig Lanjaniel zu finden, die mit ihrem Mantel versuchte den Schein einer kleinen Kerze von den Wächtern fern zu halten.
Mergon lag zusammen gekauert neben ihr auf dem Boden und wachte aus seinem Halbschlaf auf, als der die beiden Hobbits erblickte.
"Da seid ihr ja. Habt ihr euren Freund schon gefunden?"
Merry schüttelte den Kopf.
"Nein..." Im selben Moment kam Gimli auf sie zu.
"Endlich habe ich euch gefunden. Bei diesen ganzen großen Leuten verliere ich immer den Überblick."
"Gimli!" flüsterte Merry glücklich. "Legolas und Aragorn sind da draußen. Glauben wir zumindest. Wir glauben, dass sie uns verfolgen."
"Gut, gut, sehr gut..." murmelte der Zwerg leise.
"Alles schön und gut." flüsterte Mergon in die Runde. "Vielleicht sind sie da draußen. Aber zu uns herein kommen können sie nicht und uns herausholen noch weniger. Wir werden hier sicherer bewacht als der Schatz der Könige von Gondor."
Die beiden Hobbits nickten und auch Gimli stimmte zu. Lanjaniel hatte sich bis jetzt überhaupt nicht geäußert. Sie starrte noch immer in das Licht der kleinen, grellen Flamme und murmelte in sich hinein. Schließlich stand sie auf und drückte Merry die Kerze in die Hand.
"Was hast du vor?" fragte Mergon schnell und sah zu ihr hinauf.
"Ich werde fliehen!"

Ayshas Körper schmerze, als sie die Augen aufschlug. Daynic war verschwunden. Sie musste wieder in einen tiefen Schlaf gesunken sein. Sie wollte sich aufrichten, doch ihre Hände brannten zu sehr um sich abzustützen.
Außerdem waren ihre Beine starr und ihre Arme zitterten vor Kälte, da sie nur mit einem dünnen Hemd bekleidet war.
So zwang sie sich dazu liegen zu bleiben und erst einmal ihre Kräfte zu sammeln. Doch am liebsten wäre sie aufgesprungen und hätte Daynic zur Rede gestellt.
Die Heiligelbe war verzweifelt. Wenn wirklich niemand mehr daran glaubte sie noch lebend zu finden, wäre sie nun ganz auf sich alleine gestellt.
Früher war sie zwar auch immer allein gewesen. Doch diesmal war es anders...

"Du kannst nicht einfach fliehen!" wollte Merry Lanjaniel zurück halten.
"Doch das kann ich, Herr Meriadoc! Diese verdammten Kerle schaffen es ja noch nicht einmal ein paar entflohene Zauberer wieder einzufangen. Es dürfte dann nicht so schwierig sein aus diesem... Ding zu entkommen!"
"Niemand hat es bis jetzt geschafft aus dem Gefängnis zu fliehen!" Mergon versuchte die Heiligelbe auf den Boden zurück zu ziehen. Sie schüttelte sich frei und zog ihr Kleid zurecht.
"Ist das hier das Gefängnis? Hier gibt es weder Mauer noch Zaun. Und die Wächter können nicht jeden kleine Fleck bewachen!"
"Wenn sie dich finden töten sie dich!" warf Pippin ein. "Und was ist mit dieser komischen Mauer hier drum?"
"Ob sie mich nun durch Sklavenarbeit oder durch die Klinge eines Schwertes töten, macht das einen Unterschied? Und die Mauer... ich bin auch eine von ihnen, schon vergessen? Ich komme hier raus! Und wenn ich es geschafft habe befreie ich euch."
"Nimm das mit..."murmelte Merry leise und drückte ihr den Beutel in die Hand, den er von Gandalf bekommen hatte.
"Was ist das?" fragte Lanjaniel schnell.
"Ich weiß nicht. Keine Ahnung..."
"Gut, Macht euch keine Sorgen um mich. Ich bin bald zurück. Namaríë..."
Und mit diesen Worten sah sie sich ein letztes Mal um und schlich dann in die Dunkelheit davon.

Aysha starrte zur schneeweißen Decke hinauf.
"Aragorn..." flüsterte sie fast unhörbar, doch ihre Stimme hallte immer wieder in den Wänden des Saales wider. Langsam schloss sie ihre Augen und versuchte Daynic aus ihren Gedanken zu vertreiben, doch sein Bild hatte sich in ihr fest gebrannt.
"Hast du mir nicht ein Versprechen gegeben?"
Selbst die Erinnerung an Aragorns Stimme bereitete ihr Schmerzen. Sie bekam kaum Luft und nun zitterte ihr ganzer Körper.
"Legolas..."

Lanjaniel schlich durch die Reihen der Gefangenen. Es ging ihr zu einfach. Niemand achtete auf sie.
Bald hatte sie offenes, unbewachtes Gelände erreicht. Sie lief immer weiter. Plötzlich stieß sie gegen etwas Hartes. Die Mauer!
"Verdammt!" fluchte sie und sah sich um. Hinter ihr kamen zwei Wächter auf sie zugestürmt. Verzweifelt griff sie in ihre Tasche. Das einzige, was sie zu fassen bekam war der kleine Lederbeutel, den Merry ihr anvertraut hatte.
Die Männer kamen immer näher. Ohne eine Hoffnung auf Erfolg holte Lanjaniel aus und schmetterte den Beutel gegen die unsichtbare Wand.
Ein lautes Klirren erschallte und für einen kurzen konnte man tausende feine Glassplitter durch die Luft fliegen sehen.
Verwundert aber auch beeindruckt hob die Geflohene eine Hand der Scherben auf und warf sie direkt in die Gesichter der beiden Männer.
"Was soll das? Stehen bleiben!" rief einer von ihnen Lanjaniel zu, doch sie war schon verschwunden.
Sie lief immer weiter über die trostlose Ebene. Drei weitere Wachen verfolgten sie.
Ohne jegliche Orientierung rannte sie weiter.
"Bringt das Weib zurück!" schrie jemand hinter ihr, doch Lanjaniel reagierte nicht darauf.
Sie warf sich hinter den nächsten Felsen und einige Moment später hetzten zwei Männer an ihr vorüber. Einige Meter von ihr entfernt blieben sie stehen.
"Die finden wir nicht wieder. Die ist weg." rief der eine.
"Ja..." keuchte der andere. "Es hat keinen Sinn. Lass uns die Mauer wieder herstellen, bevor noch mehr Gefangene fliehen können."
Die Schritte entfernten sich wieder. Plötzlich wurde der Elbe der Mund zugehalten. Zwei weitere Hände packten sie an der linken Schulter und zogen sie zurück.

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Aragorn hielt die Gestalt fest.
"Ich nehme jetzt die Hand von eurem Mund, wenn ihr anfangt zu schreien habt ihr mein Schwert an der Kehle. Und jetzt sagt mir, wer ihr seid und woher ihr kommt!"
Aragorn gab sie frei, machte Legolas jedoch ein Zeichen ihre Arme noch festzuhalten.
Lanjaniel schlug Aragorn von sich und sah ihm tief in die Augen. Kein Mensch konnte dem Blick ihrer Familie lange standhalten, doch Aragorn regte sich kein bisschen.
"Das könnte ich euch genau so gut fragen!"
Legolas gab sie langsam frei.
"Wir sind Freunde von einigen der Gefangenen. Und ihr? Sprecht!"
"Mein Name ist Lanjaniel. Tochter von Thorondor. Des Königs der tausend Flüsse. Ihr habt mich mit Respekt zu behandeln!"
Legolas grinste nur.
"Leider müsst ihr euch geirrt haben. Thorondor war einer der Anführer der Adler in früheren Zeitaltern. Und wie ein Vogel seht ihr nicht aus..."
Lanjaniel war sichtlich überrascht diese Worte zu hören. Nie hatte jemand ihre Lüge bemerkt. Und nun kamen einfach so zwei nächtliche Wanderer und wussten alles über Thorondor! Das konnte sie nicht auf sich sitzen lassen.
"Ihr seid keine Heiligelben!"
"Ja?" begann Aragorn. "Und woher wisst ihr das?"
"Ich habe die Gabe nur durch meinen Blick alle Elben voneinander zu unterscheiden. Und das ist diesmal keine Lüge."
Legolas und Aragorn tauschten einige Blicke.
Lanjaniel wartete einen Moment.
"Sind eure Freunde ein Zwerg und zwei Hobbits?"
Aragorn nickte. Er konnte sie nicht ausstehen. Sie war genauso, wie man ihm Heiligelben beschrieben hatte. Stur, egoistisch und wichtigtuerisch. Doch seine Freude über die Nachricht ließ ihn all das vergessen.
"Habt ihr sie etwa gesehen?"
"Das habe ich. Und eine Elbe habe ich getroffen, die anscheinend auch zu euch gehört hat."
"Aysha..." flüsterte Legolas schnell.
"Ja, das war ihr Name."
"Sie ist tot." Der Elb sah zu Boden.
"Meiner Meinung nach ist sie das nicht. Ich denke, dass sie noch am Leben ist..."