Aragorn ging auf die große Haustür zu. Bevor der Wächter ihn sehen konnte zog er seine Kapuze tief in sein Gesicht und schlürfte die drei Treppenstufen hinauf.
"Guten Morgen." begrüßte ihn der edel gekleidete Mann. "Aber der Herr ist nicht im Hause."
Aragorn kramte in seiner Manteltasche und hielt der Wache die kleine Kugel, die er vor einigen Tagen erhalten hatte entgegen.
"Ich bin hier um das Personal dieses Hauses zu prüfen..." murmelte er sich zusammen. "Euer Herr hat mir berichtet, dass er heute nicht anwesend sein würde und er hat mir die Erlaubnis gegeben, sein Haus zu betreten."
Der Wächter war noch immer etwas skeptisch, doch das Wappen i Aragorns Hand überzeugte ihn schließlich.
"Tretet ein, mein Herr. Und verzeiht mir meine Zweifel. Heutzutage kann man nicht vorsichtig genug sein, ihr versteht?"
Aragorn blieb noch einen Moment stehen.
"Ihr verrichtet hier eine ausgezeichnete Arbeit. Ich werde ein gutes Wort bei eurem Herrn für euch einlegen, wenn ihr möchtet..."
"Vielen Dank, mein Herr. Geht nur. Eines der Dienstmädchen wird euch empfangen."
Aragorn nickte kurz und ging an dem Wächter vorüber in die riesige Eingangshalle. Sofort kam eines der Mädchen auf ihn zugeeilt.
"Guten Morgen." schallte es in Aragorns Kopf. Er stutzte, doch er schien zu verstehen, warum das Mädchen nicht normal mit ihm sprach, denn sie drehte sich um und machte dem Wächter einige Handzeichen.
"Was kann ich für euch tun?"
"Bringt mich zu der Frau die hier gef... lebt!"
"Ja, Herr."
Das Mädchen führte Aragorn die breite Treppe hinauf und auf die Tür zu. Sie wollte gerade die Klinke hinunter drücken, als Aragorn sie zurück hielt.
"Vielen Dank..."
Das Dienstmädchen nickte, machte einige nichts sagende Handbewegungen und verschwand hinter einer Säule.
Aragorn wandte sich wieder der Tür zu und drückte sie langsam auf.

Aysha hatte sich von dem Balkon abgewandt und starrte sehnsüchtig, aber auch ein wenig ängstlich zur Tür.
Was, wenn sie sich nicht öffnen würde? Wenn jemand in diesem Haus Aragorn aufgehalten hatte? Was, wenn...
Doch Ayshas Befürchtungen waren umsonst.

Aragorn öffnete die Tür nun ganz. Kaum, dass er etwas erkennen konnte warf Aysha sich um seinen Hals.
Er stieß dir Tür mit seinem Fuß zu und hielt Aysha fest.
"Aragorn!"
"Ich bin so froh, dass ich dich gefunden habe!" flüsterte er und strich über ihr Haar. "Keine Angst. Ich hole dich hier raus..."

"Schönes Gefängnis..." murmelte Merry und trat an eine der Wände heran. Vorsichtig berührte er sie. "Autsch!"
"Vorsicht, junger Hobbit!" rief Gimli und zog ihn zurück. "Diese verdammte Magie! Wenn ich hier lebendig rauskomme, frage ich die Herren Wächter, wie sie das machen!"
Mergon dachte nach.
"Wenn wir hier wirklich mit Magie festgehalten werden, wurde uns in diesem Moment der letzte funken Hoffnung zur Flucht genommen."
Die drei Gestalten unter ihm sahen zu ihm hinauf und nickten.

Aysha wollte Aragorn gar nicht mehr freigeben. Doch schließlich schob er sie doch von sich.
"Du solltest mir einiges erklären, glaube ich."
"Daynic hatte alle Türen vor mir verschlossen. Aber wir haben keine Zeit! Wir müssen hier raus! Sofort! Ich..." Aysha hielt inne und horchte. "Aragorn, da ist jemand! Schnell! Versteck dich irgendwo!"
Aragorn sah sich um. Das Fenster! Er sah in die Tiefe. Springen konnte er nicht.
"Schnell!" flüsterte Aysha hastig.
Aragorn schwang sich über das Geländer und hielt sich am Boden des Balkons fest. Die Heiligelbe stellte sich vor seine Hände. Da wurde die Tür auch schon geöffnet.
Gaya und Ireth traten ein.
"Klopfen kennt ihr nicht wie?" fragte Aysha laut.
"Entschuldigung, my Lady. Es wird nicht wieder vorkommen." entgegnete Gayacuien und legte einige Kleidungstücke auf das Bett. Dabei entdeckte sie ein zerrissenes Bild neben dem Kopfkissen, dass Aysha und Daynic zeigte.
"Warum habt ihr es zerrissen?"
"Das geht euch nichts an." antwortete die Heiligelbe giftig.
"Sagt es wenigstens mir..." schallte Ireths Stimme in Ayshas Kopf. Doch die Heiligelbe rührte sich nicht.
"Ich weiß, dass ihr mich hören könnt, my Lady. Ich weiß sogar, dass ihr mir auf demselben Weg antworten könnt. Unser Herr hat mir davon berichtet..."
Aysha sah vorsichtig zu dem Dienstmädchen hinüber. Gaya hatte den Raum bereits verlassen.
"My Lady?"
"Also gut..." schallte es nun in Ireths Kopf. "Ich... hasse ihn, wenn ich ehrlich sein soll..."
"Weshalb? Zu uns war er immer freundlich. Er sagt, er liebt euch! Als er das letzte Mal bei euch war, war er doch auch sehr nett, oder nicht?"
"Habt ihr gelauscht?"
Ireth antwortete nicht.
"Raus!" schrie Aysha und das Mädchen verstand sie sehr wohl, auch ohne sie hören zu können.
Ireth schloss die Tür hinter sich und die Heiligelbe zog Aragorn zu sich in das Zimmer zurück.
"Du gehst jetzt auch besser. Der Wächter an der Vordertür wird Verdacht schöpfen, wenn u dich solange nicht blicken lässt."
"In Ordnung. Ich komme so bald wie möglich zurück. Bis dahin habe ich auch einen Weg gefunden dich hier raus zu holen. Versprochen."
Aragorn schloss Aysha ein letztes Mal in seine Arme, bevor das Zimmer vorsichtig verließ.
Als die Tür hinter ihm in ihr Schloss fiel sank die Heiligelbe auf die Knie und begann leise zu weinen...

Lanjaniel und Legolas ließen sich von den Rücken ihrer Pferde gleiten.
"Und was machen wir jetzt?" fragte die Elbe und sah zu Legolas hinüber. "Allein kommen sie jetzt auf keinen Fall frei und wir können ihnen leider auch so gut wie gar nicht helfen. Zu viele Wachen, zu viel Magie."
Legolas nickte.
"Wir haben drei Möglichkeiten: Erstens: Wir könnten versuchen unbemerkt zu ihnen zu gelangen. Zweitens: Wir könnten einen offenen Kampf wagen und versuchen sie zu befreien, wenn wir auf keinen Wächter mehr acht geben müssen, oder drittens: Wir könnten zurück reiten und versuchen Aragorn zu finden und uns gemeinsam eine andere Lösung überlegen."
"Ich finde alle drei Möglichkeiten nicht überzeugend."
"Ich auch nicht. Aber eine davon werden wir nehmen müssen. Wartet..." Der Elb bückte sich und hob drei kleine Äste vom Boden auf.
"Hier. Der kleinste das erste, der mittlere das zwei und der längst das dritte."
Lanjaniel überlegte kurz.
"Ich hasse solche Spiele..."
Dann griff sie nach einem der Äste.
"Der Mittlere..." stellte Legolas fest.
"Dann los... Gebt mir eine eurer Waffen."
Der Elb reichte Lanjaniel seine Messer und zog selbst einen seiner Pfeile. Dann nickte er ihr kurz zu und gemeinsam schlichen sie auf die Gefangenen zu. Nach einigen Minuten richteten beide sich auf und Lanjaniel hob ihre Waffen. Legolas spannte seinen Bogen und zielte.
"Für Aysha..."

Aragorn ging die lange Treppe hinunter. In der großen Halle angekommen sah er sich um. Von Gaya und Ireth war nichts zu sehen. Kurzerhand beschloss er einige der Räume zu erkunden und ging zielstrebig auf eine der Türen zu.
Der Schlüssel knackte im Schloss, als Aragorn ihn herumdrehte. Links und rechts von ihm standen etwa ein dutzend Kerzenleuchter.
Doch rasch schloss er die Tür wieder, denn irgendjemand stand hinter ihm...

Lanjaniel spürte, wie Legolas Pfeil dicht an ihrem Gesicht vorbeirauschte und ihre Haare mitzog. Sie packte seine Messer fester und stürmte auf einige Wachen zu.
Legolas Pfeile zischten immer wieder an ihr vorbei. Die Männer kamen nacheinander auf sie zugelaufen.
Lanjaniel schloss für einen Moment die Augen und erhob die Klingen in ihrer Hand ein weiteres Mal.
Zu zweit kämpften sie sich so durch die Reihen der Angreifer.

Langsam drehte Aragorn sich um. Er ließ seine Hand zum Griff seines Schwertes wandern. Sollte er Daynic vor sich sehen würde er ihn mit einem Schlag töten.
Doch es war nicht Daynic. Es war jedoch auch weder Gaya noch Ireth...

Merry und Gimli lehnten sich gegen einen großen Felsen. Mergon und Pippin setzten sich auf einen Baumstamm. Doch die vier schrecken sofort wieder auf.
"Was ist das?" rief Gimli und sprang auf. Das Geräusch klirrender Schwerter lag in der Luft. Sofort liefen sie quer durch ihr Gefängnis zu einer der Wände und starrten über die Ebene.
"Legolas!" grölte Gimli und sah zu seinem Freund hinüber. "Können wir ihnen irgendwie helfen?"
Mergon überlegte kurz. Dann sah er sich um.
"Ja, können wir. Gimli, ihr kommt mit mir. Die Halblinge warten hier auf uns!"
"Aber..." rief Pippin, doch Gimli und Mergon waren schon verschwunden.

"Was machst du noch hier?" zischte Aysha Aragorn an, der langsam sein Schwert sinken ließ.
"Ich dachte, ich sehe mich hier noch ein wenig genauer um, bevor ich gehe. Was kann mir passieren?"
"Du warst noch nie in diesem Teil der Welt! Du hast keine Ahnung, was dir hier alles passieren kann. Ich rate dir, jetzt zu gehen, Aragorn. Wenn du hier nicht lebendig raus kommst, werde ich mich immer dafür verantwortlich fühlen..."
Aragorn legte seine Hand auf Ayshas Schulter und flüsterte:
"Mach dir darüber keine Sorgen. Du kannst dir noch um andere Personen Gedanken machen."
Aysha stutzte.
"Ja... Legolas ist ebenfalls hier. Und er setzt hier sein Leben auf´s Spiel um dich zu retten!"
"Legolas..."
"Vertrau mir. Und wenn es das letzte Mal ist!"
Aysha nickte und ging die lange Treppe hinauf.
Aragorn durchsuchte noch einige Zimmer, verschwand dann aber doch schließlich durch die große Eingangstür.

Aysha hörte noch, wie Aragorn die Halle verließ. Gedankenversunken betrat sie den Raum.
"Legolas..." An ihn hatte sie schon lange nicht mehr gedacht. Sie hatte ihn einfach vergessen...

"Was hast du vor?" fragte Gimli und lief so schnell er konnte hinter Mergon her, er ihn bereits als Freund akzeptiert hatte.
"Pass auf!" Mergon hielt an und zog den Zwerg hinter einige Felsen. "Du gehst jetzt zu dem Wächter dort hinten und lenkst ihn ab."
"Wie denn?"
"Denk dir was aus!" Dann stieß Mergon Gimli unsanft auf den großen Mann zu und verschwand selbst hinter einem Baum.
"Oh, Herr..." grummelte Gimli hilflos.
"Ja? Was ist?"
"Habt ihr schon von der großen Katastrophe gehört? Die im Westen? Also die von ähmmm... den Elben und äääähhh..."
Plötzlich stürmte Mergon hinter dem Wächter hervor und schlug ihm mit einem großen Stein gegen den Kopf.
Gimli wich erleichtert zurück. Doch sofort kamen drei weitere Wächter auf sie zu.
Der Zwerg nahm einen großen Knüppel und Mergon griff nach dem Schwert, des ohnmächtigen Mannes.
"War das nicht ein wenig voreilig?" fragte Gimli zu Mergon hinauf.
Dieser antwortete nicht.
"Na dann: Viel Glück." Und der Zwerg rannte auf den ersten Angreifer zu.

Lanjaniel und Legolas bemerkten den Kampf im Inneren des Gefängnisses und nutzten die Unruhe aus.
Sie drangen immer weiter vor. Dabei achteten sie nicht mehr aufeinander. Plötzlich schnellten auch von der Seite der Gefangenen Pfeile auf die beiden zu. Lanjaniel wurde sofort von einem der Geschosse am Arm getroffen. Sie taumelte kurz und fiel zu Boden.
"Lanjaniel!" rief Legolas und lief noch immer schießend zu der Heiligelbe hinüber.
"Keine Sorge!" schallte ihr Stimme zurück. "Es geht mir gut!" Legolas warf sich neben ihr auf den Boden.
"Macht weiter! Es geht mir gut! Wirklich!"
Und mit diesen Worten schlug sie den Arm des Elben von sich und stand auf. Genauso hart wie vorher kämpfte sie weiter.
Legolas spannte seinen Bogen und zielte wieder an ihr vorbei und traf einen gerade auf Lanjaniel zu rennenden Angreifer.
"Danke!" rief die Elbe ihm zu ohne ihn anzuschauen.
"Bitte!" Dann schoss Legolas noch einige weitere Pfeile ab, die bis auf einige wenige ihr Ziel nie verfehlten.
Bald hatten sie, trotz Lanjaniels Verletzung, alle Gegner besiegt und liefen auf Merry und Pippin zu, die die ganze Zeit ungeduldig zu ihnen gestarrt hatten. Gimli und Mergon hatten es geschafft die Gefangenen zum Kampf zu motivieren und waren so spielend mit den Wächtern fertig geworden. Mergon hatte sich bei dem Gefecht, ebenso wie Lanjaniel, verletzt und war dabei sein blutendes Bein mit einem Stofffetzen zu umwickeln.
"Holt uns hier raus!" riefen Merry und Pippin wie aus einem Mund, doch ihre Stimmen drangen nicht zu Legolas und Lanjaniel hinaus.
Merry suchte nach einem geeigneten Gegenstand um etwas in den trockenen Sand zu ritzen.
Legolas und Lanjaniel sahen sich immer wieder um, denn ihr Kampf konnte nicht unbemerkt geblieben sein.
Nach kurzer Zeit war Merry fertig:
Mann, roter Mantel, hat uns hier rein gebracht, Schlüssel?
Legolas nickte ihm zu. Dann begann er mit der Elbe die Umgebung abzusuchen.
"Hier ist nichts." bemerkte er nach einiger Zeit.
"Ihr habt Recht." antwortete Lanjaniel und sah vom Boden auf.
Merry malte ein großes Fragzeichen in den Boden.
"Ja." sagte Legolas, den die anderen in ihrem Gefängnis anscheinend verstehen konnten. Die beiden Elben sahen sich ein weiteres Mal um. Nichts.
"Da!" rief Lanjaniel plötzlich und zeigte in die blau schimmernde Kugel. "Dort ist er! Mergon! Such nach einem Schlüssel oder so was!"
Sofort rannten die beiden Hobbits auf den toten, am Boden liegenden Mann zu. Einige Momente später hielt Pippin tatsächlich einen kleinen Schlüssel in die Höhe.
Und wieder malte Merry ein Fragezeichen.
"Haltet es so weit wie möglich zu mir!" befahl Lanjaniel. Pippin tat was sie sagte. Die Elbe betrachtete den Schlüssel kurz. Dann murmelte sie etwas in sich hinein und überlegte.
"Wir haben ein Problem."
"Und das wäre?" fragte Legolas langsam.
"Diese Schlüssel haben leider die Angewohnheit, dass man sie von innen benutzen muss, soweit ich das von hier sehen kann.
Enttäuscht sahen die vier Gefangenen zu Boden. Legolas bückte sich kurz. Er hatte am Boden etwas blinken sehen. Oder nicht?
Doch. Seine Hand fuhr über das Gras. Kurz darauf hielt er Ayshas Amulett in der Hand, das ihm beim suchen herunter gefallen sein musste.
Vorsichtig strich er darüber, wie Lanjaniel es getan hatte und einen Augenblick später glitt die schwarze Schlange mit ihren roten Augen über den Boden. Sie schlängelte sich zu den Gefangenen hinein.
"Nimm das weg!" schrie Pippin und war kurz davor auf den Kopf des langen Wesens zu treten, als Gimli ihn aufhielt.
"Ganz ruhig, junger Hobbit. Gib mir den Schlüssel." Pippin drückte dem Zwerg den Schlüssel in die Hand und ging schnell einige Schritte zurück.
Gimli hängte ihn an den Hals der Schlange, die ohne Probleme zu Lanjaniel und Legolas zurück kroch.
Die Elbe nahm ich entgegen, machte jedoch kein glückliches Gesicht.
"Ich hatte Recht. Den Zauber kann man nur von innen brechen."
Legolas sah hilflos zu der Schlange hinunter, die ihn mit ihren roten Augen anstarrte und hoffte darauf, dass Aysha ihm irgendein Zeichen geben würde...