Disclaimer: siehe Kapitel (1-3)

Wie angekündigt etwas weniger Action, nur ein paar Entschlüsse und winzige Informationsfitzelchen, die für den Rest der Geschichte wichtig sein werden. (Wer denkt, eine Ahnung zu haben, wohin es geht, kriegt 'nen Riesenschokokeks und ein schnelleres Upload!!!)

5. Erwachen

Es war schwerer, als er gedacht hatte, den Weg bis in die Küche zurückzulegen. Bei jedem Schritt stach seine linke Seite mehr und so seufzte er erleichtert auf, als er endlich auf einem Stuhl an dem großen, runden und unglaublich schwarzen Küchentisch Platz nehmen konnte. Hermine kämpfte noch immer um ihre Selbstbeherrschung, während Ron ihn keinen Moment aus den Augen ließ und Mrs. Weasley bereits hastig alles nur irgendwie Essbare – zumindest kam es Harry so vor – auf den Tisch zauberte. Eine seltsame Stille war inzwischen eingetreten, in der niemand etwas sagen zu wollen schien.

Nur langsam begriff Harry, dass sie auf ein Zeichen von ihm warteten. Dachten sie, er würde sofort bewusstlos zusammenklappen, wenn sie ihn auch nur mit einem einzigen Wort zu sehr anstrengten? Was erwarteten sie von ihm? Eine feierliche Ansprache? Ungeduldig griff er nach einem Becher Kürbissaft, nippte vorsichtig daran und versuchte in den Gesichtern seiner Freunde eine Antwort auf seine eigenen Fragen zu finden. Allerdings sah es nicht so aus, als würden sie den ersten Schritt machen. Nun gut … „Ähm … Dobby meinte, ich wäre fast zwei Wochen bewusstlos gewesen? Was für ein Tag ist heute?"

„Der 31. Juli."

Harry prustete und verteilte den Kürbissaft wie einen feinen Regen über den halben Tisch. „Der …? Ach du Scheiße!" Sein Geburtstag! Plötzlich musste er grinsen. „Okay, wo sind meine Geschenke?"

Ehe noch jemand antworten konnte, flammte der Kamin grün auf und Professor Dumbledore kurz darauf gefolgt von Madame Pomfrey erschienen. Der Schuldirektor lächelte ihn fröhlich an, doch konnte Harry den Ausdruck der Erleichterung in seinen Augen trotzdem erkennen. „Offensichtlich hast du dir den richtigen Tag zum Erwachen ausgesucht, Harry. Wie geht es dir?"

„Gut."

„Das sollte doch wohl lieber ich entscheiden, Mr. Potter!", mischte sich Madame Pomfrey energisch ein und marschierte auf ihn zu. „Sie müssen noch untersucht werden."

„Aber Poppy!" Harry bedachte sie mit einem hinreißenden Lächeln. „Jetzt flicken Sie mich seit über fünf Jahren zusammen, da können Sie doch endlich Harry sagen."

Die Heilerin schien einen Moment sprachlos, ehe sie mit zuckenden Mundwinkeln meinte: „Um die Untersuchung kommen Sie trotzdem nicht herum, … Harry."

Im Salon untersuchte sie ihn gründlich und seufzte als sie ihre Analyse bei seinem Kopf mal wieder abbrechen musste. „Mr. Potter … ähm … Harry, würden Sie endlich diese Okklumentikschilde abbauen, damit ich die Diagnose abschließen kann!"

„Oh …" Harry war etwas verwirrt, er hatte nicht mitbekommen, dass die geistigen Wände noch immer standen. Wie war das denn passiert? Er war doch völlig am Ende gewesen, nachdem Voldemort ihn ewig lang traktiert hatte. Hmm, wie bekam man diese Dinger jetzt wieder weg? Nachdenklich konzentrierte er sich darauf, sah sie vor seinem inneren Auge und stellte sich vor, wie sie langsam zerschmolzen.

Als er seine Augen wieder öffnete, lächelte ihn die Heilerin an und nickte. „Gut, ich kann keine bleibenden Schäden feststellen. Zumindest nicht in Ihrem Kopf. Die Wunden sind alle gut verheilt, allerdings was die Narben betrifft …"

„Narben?" Harry folgte ihrem Blick und sah das erste Mal an seinem nun nackten Oberkörper hinab. Er hatte das Gefühl, jeden Moment in Ohnmacht fallen zu müssen. Quer über seine Brust bis hin zum Hosenbund zog sich ein silbrig glänzendes Narbengeflecht. Ungläubig betastete er einige der Linien. Sie waren echt! „Aber … aber sonst hat es doch nie … ich meine, es sind nie …"

„Nun, normalerweise ist es auch kein Problem, Wunden magisch zu verschließen, ohne dass Spuren bleiben. Allerdings musste ich alles aufwenden, um Ihren Körper zusammen und am Funktionieren zu halten. Noch mehr Magie und ich hätte Sie überladen. Aber machen Sie sich keine Sorgen. Es gibt einige Methoden, die Narben auf Brust und Rücken verschwinden …"

„Auf dem Rücken auch?", fragte Harry, ehe ihm einfiel, welchen Fluch Bellatrix Lestrange angewandt hatte. „Oh ja." Er riss sich zusammen und hielt seine Stimme neutral, leicht interessiert. „Also, kann man die Narben entfernen?"

„Ja, allerdings ist die Prozedur etwas … schmerzhaft und …."

Harry wollte gerade zynisch bemerken, dass er darin ja wohl ausreichend Erfahrung hatte, als er den besorgten Blick von Madame Pomfrey sah. „Und?", fragte er daher nur.

„Zuerst müssen Sie körperlich wieder in Form kommen. Ich gebe Ihnen Nährtränke, die Sie zusätzlich zu den normalen Mahlzeiten einnehmen sowie diese Pillen, die Ihren natürlichen Appetit anregen als auch dafür sorgen, dass die Gewichtszunahme an den richtigen Stellen einsetzt." Sie händigte ihm eine Flasche mit dem Trank und eine Dose mit Pillen aus und wandte sich zur Tür. „Gut, der Direktor möchte noch mit Ihnen sprechen. Und überanstrengen Sie sich die nächsten zwei Wochen nicht. Verstanden!"

Harry nickte kurz, zog sich das T-Shirt wieder an und starrte nachdenklich vor sich hin. Bislang hatte er noch nie äußerliche Zeichen seiner … nun ja … Auseinandersetzungen mit Voldemort bekommen, abgesehen von seiner Stirnnarbe. Er verdammte sie, weil sie ihn als den Jungen, der lebt, auswies und jeder ihn sofort erkannte, er mochte sie, weil sie seine Verbindung zu seinen Eltern und ihrem Tod war. Sie erinnerte ihn stetig an das, was er war: ein Gezeichneter. Nicht im Sinne von etwas Besonderem oder eines Helden – Wie er diesen Gedanken hasste! – sondern als jemand, der seinem Schicksal nicht entgehen konnte. Seit dem Ende des vergangenen Schuljahres, als Professor Dumbledore ihm den Inhalt der Prophezeiung mitgeteilt hatte, fragte er sich immer wieder, woher er die Kraft dafür nehmen sollte. Bei Merlin, er sollte eines Tages Voldemort, den mächtigsten Schwarzmagier der Gegenwart, gegenübertreten! Womöglich brauchte er mehr Mahnungen, disziplinierter und geduldiger zu sein, als eine einzelne Narbe an seiner Stirn. Er hatte Sirius versprochen, mit allen Mitteln zu kämpfen. Noch hatte er keine Ahnung wie, doch die Narben auf seinem Oberkörper würden ihn stets Ansporn und Erinnerung sein. Vielleicht …

Dumbledore trat ein und Harry wurde aus seinen Gedanken gerissen. Einem Wink des alten Mannes folgend ließ er sich ihm gegenüber in einem Sessel nieder. Eine Weile trat vollkommene Stille ein, als erwarte Dumbledore, dass Harry zu reden anfangen würde. Doch der wusste einfach nicht, was er sagen sollte.

Leise stellte der Professor schließlich die eine Frage, die Harry momentan am wenigsten beantworten konnte. „Wie geht es dir?"

„Ich…" Sein Magen knurrte merklich und Harry biss sich auf die Unterlippe, ehe er kleinlaut meinte: „Sieht aus, als hätte ich Hunger."

Kaum hatte er ausgesprochen, wuselte Dobby eifrig mit einem Tablett Essen herein und stellte es vor ihnen auf einen Tisch. Harry lächelte ihn dankbar an und schon verschwand der Hauself wieder. Der Junge griff nach einem Sandwich und kaute versonnen. Es schmeckte besser als alles, was er je zu sich genommen hatte. Zufrieden entspannte er sich ein wenig.

Erneut war es Dumbledore, der die Stille durchbrach. „Ich bedaure, dass ich dich das fragen muss, aber an was kannst du dich erinnern, Harry?"

Das hatte er sich selbst noch nicht einmal gefragt. Wann auch? Vorsichtig nippte Harry an einer Tasse Tee und antwortete schließlich wahrheitsgemäß: „Ich denke, an fast alles. Zum Ende hin wird es etwas … verschwommen."

„Was wollte Voldemort von dir?"

„Abgesehen davon den Jungen, der lebt, zu dem Jungen, der endlich stirbt und seine Pläne nicht mehr durchkreuzt, zu machen?", entgegnete Harry mit einem ihm inzwischen wohlbekannten Anflug von Zynismus. Gleichzeitig wusste er jedoch, wie wichtig es für den Orden war, alles zu erfahren. „Er will noch immer den gesamten Inhalt der Prophezeiung wissen und wo das Hauptquartier des Ordens ist. Ich denke nicht, dass ich ihm irgendetwas verraten oder einen Anhaltspunkt gegeben habe. Er war am Ende etwas frustriert und … ungehalten deswegen." Wenn man es so bezeichnen wollte, wenn man als Spielzeug an seine verfluchten Todesser weitergereicht wurde. Harry räusperte sich. „Ich weiß nicht genau, was geschehen ist, aber bei seinem Legilimens-Angriff konnte ich ihn plötzlich abblocken. Es war, als würde sich eine Wand um meinen Verstand, meine Erinnerungen legen. Madame Pomfrey meinte vorhin, dass es sich dabei um Okklumentikschilde handelt. Aber wie? Ich meine, vergangenes Schuljahr habe ich es nicht einmal geschafft Sna… ähm … Professor Snape von meinen Erinnerungen fernzuhalten."

„An was hast du bei den Angriffen gedacht?"

„Daran, dass ich meine Freunde nicht verraten darf, weil sie sonst alle sterben würden. An Lupin, Tonks, Mad Eye und all die anderen." Und an Sirius, fügte er in Gedanken hinzu. Doch das wollte er nicht erwähnen, denn dann würde Dumbledore wahrscheinlich auch sehen können, wie gleichgültig ihm sein eigenes Leben gewesen war. … Oder noch immer war?

Der Schulleiter antwortete ihm bedächtig, ohne etwas von Harrys trüben Gedanken zu bemerken. „Nun, obwohl es allem, was man allgemein über Okklumentik weiß, denn normalerweise beruhen starke, geistige Abwehrschilde auf der völligen Abwesenheit von Emotionen, so haben dich auch hier deine Gefühle gerettet. Ebenso wie zu dem Zeitpunkt, als du von dort disappariert bist. Dieses Phänomen, das natürliche Disapparieren in großer Notlage eines Zauberers, ist bereits mehrfach in der Geschichte aufgetreten."

„Hmm. Aber wie bin ich durch den Bann gekommen? Voldemort selbst hat darauf hingewiesen, dass man an jenem Ort nicht apparieren kann. In Hogwarts geht es ja auch nicht, also …"

„Ich kann nur auf meine vorige Antwort verweisen. Die Intensität deiner Gefühle hatte wohl auch darauf Einfluss."

Prüfend musterte Harry das Gesicht Dumbledores, denn irgendwo aus seinem Inneren kam der vage Verdacht, dass dies nicht alles war. Inzwischen kannte er das Gefühl, wenn ihm etwas vorenthalten wurde, bestens und dementsprechend sensibel waren seine Sinne darauf ausgerichtet. Tja, da waren sie wohl mal wieder dort angelangt, wo sie bereits vor einem Jahr gestanden hatten. Er wurde weiterhin als kleiner Junge behandelt, dem man nicht zuviel mitteilen durfte. Ausnahmsweise ließ er sich ob dieser Sachlage nichts anmerken, doch insgeheim fragte er sich, wie weit sie gehen würden, um sein Leben zu bestimmen. Was heißt ‚sie'? Es war ein Mann, der bestimmte. Ein einzelner Mann, der sagte, wo es lang ging. Ein alter Mann, der bereits einmal gravierende Fehler eingestanden hatte. Harry stritt mit sich selbst, schließlich war ihm nur zu bewusst, dass kein Mensch allwissend, allmächtig oder einfach nur fehlerfrei war und dennoch … Würde dieser Mann den gleichen Fehler noch einmal machen? Würde Dumbledore sich dazu entschließen, ihm, Harry, wichtige Informationen vorzuenthalten, um ihn zu beschützen, obwohl er das nicht konnte. Das hatten die Ereignisse bei den Dursleys nur zu deutlich gezeigt.

Harry schrak bei dem Gedanken an seine Verwandten aus seinen Grübeleien. „Die Dursleys …"

„Es tut mir leid. Sie sind alle drei tot.", ergänzte Dumbledore mit trauriger Stimme Harrys Satz.

Der fragte sich allerdings, ob er das gleiche Bedauern empfand. Ja, sie waren seine letzten Blutsverwandten und trotzdem konnte er für sie nicht die Trauer aufbringen, die der Verlust Sirius' oder gar Cedrics in ihm ausgelöst hatte. „Was war mit den Schutzbannen im Ligusterweg?"

„Darauf haben wir leider keine Antworten. Wir suchen noch nach einer Erklärung, aber bislang sind wir auf nichts gestoßen."

Hmm, das hörte sich tatsächlich ehrlich an, befand Harry und beließ es dabei. Er würde sich wohl selbst in die Materie einlesen müssen. Ohnehin würde er viel lesen müssen. Wenn man ihm keine Fragen beantwortete geschweige denn von selbst Informationen, die ihn ganz direkt betrafen, lieferte, würde er selbst sich auf die Suche machen. Schweigend griff er nach einem weiteren Sandwich und in seinem Kopf begann ein Plan zu reifen.

Ja, es wurde Zeit, dass er die Sache selbst in die Hand nahm.

Wird fortgesetzt …

Please R&R