4. Kapitel
EINSAMKEIT
„Seraphim, wach doch auf, wir müssen los!" Armon rüttelte ihn an der Schulter. Es brauchte eine Weile bis er wusste wo er war, doch dann war er hellwach. Schnell stand er auf und machte sich fertig. Dann sah er Armon zu wie er seine wichtigsten Sachen in einem alten blauen Rucksack verstaute und seinen Schlafsack aus dem Schrank nahm. Außerdem brachte er noch eine kleine Tasche mit Zeltteilen zum Vorschein. „Also dann." Sagte er ruhig und ging leise voraus in die Küche. Ohne ein Geräusch zu verursachen nahm er die Fresspakete vom Tisch und drückte seinem neuen Freund das Seine in die Hand. „Hier, mach schnell, sonst verpassen wir die Fähre!" Instinktiv wollte er nach seinem Schlüssel greifen, doch dann schüttelte er den Kopf und verließ mit Seraphim das Haus ohne sich noch einmal umzudrehen.
Am Hafen angekommen wartete ihre Fähre bereits. Ohne zu zögern stieg der blonde Junge ein, er schien es ziemlich eilig zu haben. „Warte doch! Was ist denn los mit dir?" Seraphim hielt ihn fest. „Ich will nur schnell hier wegkommen." Antwortete Armon wahrheitsgemäß. Da sich ein schöner Tag ankündigte entschlossen die Jungen sich dazu sich aufs Deck zu setzen nachdem sie die Rucksäcke in ihre Kajüte gebracht hatten. Zwei Tage auf einem Schiff, mit Riona ein Traum… Traurig blickte Seraphim über das endlose Meer und sah dann gemeinsam mit Armon zu, wie Bashin immer kleiner wurde, bis es schließlich ganz am Horizont verschwand. Jetzt wirkte alles so ruhig und friedlich… „Seraphim?" Armon stupste ihn an. „Was ist?" er drehte den Kopf in seine Richtung. „Woran denkst du?" Der Blondschopf griff nach einem Brot dass seine Mutter ihm gemacht hatte. „Ich weiß nicht." Seraphim sah verträumt über die sich leicht kräuselnden Wellen. „Wunderschön, nicht wahr? Nichts weiter als kristallklares Wasser." Armon schloss die Augen. Das Wasser hatte etwas beruhigendes, auch Seraphim schloss seine Augen. Die Sonne spendete eine angenehme Wärme. Und plötzlich war er wieder auf dieser Wiese, doch etwas war anders, die Blumen! Seraphim erinnerte sich, beim letzten Mal waren die Blüten rosa gewesen, die hier waren von einem so intensiven Gelb wie er es noch nie gesehen hatte. Er blinzelte einige Male gegen die hellen Strahlen der Sonne, dann sah er seine Freundin auf sich zu laufen. „Riona!" Er blieb auf der Stelle stehen, aus Angst sie könnte wieder verschwinden. „Seraphim…" sie streckte eine Hand nach ihm aus. Zögernd nahm er sie in die Seine und hielt sie fest. Doch auf einmal schienen sich die Umrisse des Mädchens zu bewegen, vor seinen Augen zerfloss ihr Körper zu Wasser. „Riona, Nein!" Verzweifelt fiel er auf die Knie. Es begann zu regnen. „Lasst sie nicht alleine…" wisperte ihre Stimme immer wieder.
„Riona, komm zurück! Lass mich nicht alleine, bitte!" Eine Träne löste sich aus seinem Augenwinkel und lief seine Wange herab. „Seraphim, beruhige dich, du hast schlecht geträumt!" „Armon!" erschrocken riss der Junge die Augen auf. „Wer denn sonst? Es ist alles okay, wir werden deine Riona schon finden, davon bin ich überzeugt." Beruhigend legte der Blondschopf seinem Freund eine Hand auf die Schulter. „Ich hatte diese Art Traum schon einmal, irgendwas hat er zu bedeuten." Überzeugt setzte er sich auf. „Und?" gespannt sah Armon ihn an. „Wenn ich das wüsste…" kopfschüttelnd betrachteten die Jungen das Meer welches jetzt im Sonnenuntergang golden schimmerte.
Den Rest der Schiffsreise verbrachten sie mit einem von Armons alten Kartenspielen. So waren sie wenigstens von den Gedanken abgelenkt die ihre Ungewissheit immer wieder aufkommen ließ.
Erst als sie längst im Zug nach Torania saßen sprach Armon das Thema wieder an. „Was glaubst du, wie schlimm ist es in Torania?" Abwesend betrachtete Seraphim die am Fenster vorbeiziehende Landschaft. „Ich weiß es nicht, es kommt wohl darauf an wie Torania sich verhält." Er fing an in seinem Rucksack nach einer Karte dieses Gebietes zu kramen, die er am Bahnhof extra mitgenommen hatte. „Wenn sie schon die Hilfe Bashins brauche!" nachdenklich stützte Armon den Kopf in die Hände. „Du hast Recht, sie werden Abraxxia höchstwahrscheinlich unterschätzen." Seraphim versuchte mittels der Karte den noch zu verbleibenden Reiseweg abzuschätzen. „Glaubst du denn…" fing Armon an, doch sein Freund ließ ihn nicht aussprechen. „Sie wird nicht eine Sekunde zögern, sie ist doch quasi unverwundbar, und sie hat Kyron hinter sich, wie auch immer sie das angestellt haben mag. Die Frau ist eiskalt!" „Hexe!" korrigierte Armon ihn und deutete dann aus dem Fenster um Seraphim auf ein Schild aufmerksam zu machen. „Torania 25km" stand darauf. Etwas beschämt faltete der Junge den Plan zusammen und steckte ihn wieder in die Seitentasche seines Rucksacks.
Bald fuhr der Zug im Hauptbahnhof Torania ein. Den Jungen bot sich ein schreckliches Bild, überall lagen Verletzte herum, hauptsächlich Soldaten aus Bashin und Torania selbst, aber auch Zivilisten waren betroffen. Frauen und Kinder wurden von Kyronesischen Truppen aus ihren Häusern getrieben wie Vieh. Die Straßen waren voll mit weinenden Familien. „Mein Gott…" Armon war nahezu sprachlos. Solche Bilder kannte er nur aus Mythis. Dieser Kontinent war in einem 10 Jahre währenden Krieg untergegangen, die Kontinentalmacht Serenity hatte ihn völlig verwüstet. Bis heute war Mythis unbewohnbar. Die Leute erzählten sich schauerliche Geschichten über diesen Ort, jedoch hatte nach diesem Krieg kein Mensch Mythis mehr betreten. „Komm!" Seraphim zerrte den blonden Jungen weg von der Hauptstraße. Sie waren zu auffällig wenn sie sich so frei zwischen den kämpfenden Massen bewegten. Aus der Ferne waren Maschinengewehre zu hören. „Das kann doch nicht wahr sein!" Armon schüttelte den Kopf. „Innerhalb von ein paar Tagen brechen überall Kämpfe aus als wären wir im Krieg…" Seraphim spähte um eine Ecke, dann drehte er sich um und sah dem anderen direkt ins Gesicht. „Armon, wir sind im Krieg." Gab er zurück und fuhr sich mit einer Hand durchs Haar. „Und das hier wird weiß Gott nicht einfach werden." Fügte er dann hinzu. Plötzlich hörten sie in der Nähe Schüsse, sie schienen aus einer Nebenstraße zu kommen. Gleich darauf hörten sie ein Mädchen schreien: „Mama, Papa, nein!" Dann nichts mehr. Armon rannte gleich los. „Hey, warte, bist du verrückt geworden!" wollte Seraphim ihn zurückhalten, doch es war bereits zu spät, also folgte er dem Jungen in eine schmale Parallelstraße. Auf dem Weg dorthin hörten die Beiden erneut die Stimme des Mädchens. Sie weinte und schrie, versuchte wohl vergeblich sich gegen die Männer zu wehren.
Etwa fünf Meter trennten die Jungen noch von den Soldaten als Armon auf einmal wie angewurzelt stehen blieb. Vor ihnen auf dem Boden lagen die Körper zweier Menschen. Eine Frau und ein Mann im mittleren Alter. Es war offensichtlich dass sie nicht mehr lebten. Von der kleinen Truppe war ein dreckiges Lachen zu hören. Es waren sechs Männer in Kyronesischer Uniform. Sie standen im Halbkreis um eine helle Hauswand gedrängt. Sie schienen an irgendetwas ihren Spaß zu haben. Dann hörte Armon das Mädchen wieder. „Nein, nicht! Bitte, tut mir nichts! Lasst mich, hört endlich auf!" Er bekam mit wie einer der Männer ihr ins Gesicht schlug um sie zum Schweigen zu bringen. Sie schrie auf. Voller Wut ballte der Blondschopf die Fäuste. „Wenn du still bist lassen wir dich leben." Fauchte einer der Männer. Die anderen lachten hämisch. Armon hatte genug gehört. Er rannte auf die Gruppe Soldaten zu, griff sich den erstbesten heraus und schlug ihm mit aller Kraft ins Gesicht. Stöhnend ging er zu Boden. Jetzt wurde auch der Rest der Gruppe auf die zwei Jungen aufmerksam. Seraphim schaffte es endlich sich aus seiner Erstarrung zu lösen. „Armon, pass auf, hinter dir!" Einer der Soldaten wollte auf den Jungen losgehen, doch er war schneller. Mit einem gekonnten Schlag brachte er ihn zu Fall. Seraphim zog sein Schwert und stellte sich vor das Mädchen, das nun schutzlos an der Wand lehnte. Mit einer Handbewegung erzeugte er eine Feuerwand, die die nähenden Männer fernhalten sollte. Armon grinste breit als die Kyronesen verdattert stehen blieben. Dann griff auch er zur Elementarmagie. Die sechs Männer schrieen in Panik auf, als er anfing sie mit grellen Blitzen zu bombardieren. Brüllend jagten sie davon.
„Ihr feigen Schweine!", rief Armon ihnen hinterher, „Lasst euch hier nie wieder sehen!" Dann drehte er sich um. Seraphim hatte die Feuerwand bereits verschwinden lassen. Jetzt sahen sie beide das Mädchen an. Sie war kaum älter als 16 Jahre. Sie weinte. Die Träger ihres gelben Kleides hingen herunter und in ihren Augen stand noch immer die Angst. Sie schaute scheu an den Jungen vorbei. Plötzlich brach sie weinend zusammen. Sie saß nun am Boden, die Knie eng angezogen. Die Arme hatte sie darum geschlungen, während sie den Kopf gesenkt hielt. Hilflos sah Seraphim seinen Freund an. Langsam ging der dem Mädchen entgegen. Als er sich ihr bin auf etwa einen Meter genähert hatte, hockte er sich vor sie hin. „Hey…" vorsichtig streckte er eine Hand aus und berührte sachte ihre Schulter. Sie zuckte zusammen, sagte aber nichts. „Ist alles okay?" Er ging noch einen Schritt auf sie zu. Sie schüttelte stumm den Kopf. Tränen tropften vor ihr auf den Asphalt. Ganz sanft legte der Junge eine Hand unter ihr Kinn und hob ihren Kopf etwas an. „Haben sie dir wehgetan?" Vertrauensvoll sah er sie an. Anstatt ihm zu antworten fing sie an zu schluchzen. „He…" Jetzt kniete er direkt vor ihr. Langsam schob er die Träger ihres Kleides wieder nach oben und legte ihr beruhigend beide Arme um den schmalen Körper. „Nicht weinen." Flüsterte er und strich ihr leicht über das glänzende braune Haar. Das Mädchen schlang beide Arme um ihn, so als wollte sie sich an ihm festhalten. Sie bebte am ganzen Körper und ihre Tränen durchnässten seine Jacke, doch es war ihm egal. „Wie ist dein Name?" fragte Armon leise während er ihr beruhigend über den Rücken strich. „Sephina, Sephina Virgo…" sie musste sich ein paar Mal wiederholen, denn dadurch dass sie weinte konnte er sie kaum verstehen. „Sind das deine Eltern?" fragte er mitfühlend nachdem er sich und Seraphim, der noch immer tatenlos herumstand vorgestellt hatte. Sephina nickte. Dicke Tränen kullerten über ihre Wangen. „Diese verdammten Dreckskerle!" der Junge war geschockt. Vorsichtig half er dem Mädchen dann auf. „Hast du irgendwelche Freunde oder Verwandten wo du unterkommst?" fragte Seraphim der bis jetzt geschwiegen hatte sie daraufhin. „Nein." Antwortete sie mit Tränen erstickter Stimme.
„Was machen wir denn jetzt mit ihr?" ratlos schaute er zu Armon, der das Mädchen noch immer beruhigend in den Armen hielt. „Wir nehmen sie mit, was denn sonst?" Für ihn war die Sache klar. „Das geht nicht!", protestierte Seraphim, „Das hier ist kein Spiel Armon, es ist bitterer Ernst und es ist lebensgefährlich!" Armon drehte den Kopf etwas, sodass er Seraphim ansehen konnte. „Hier ist es viel gefährlicher!", behauptete er, „Außerdem traue ich uns zu dass wir sie beschützen können." Er zwinkerte seinem Kumpel zu. „Aber wir können doch nicht jeden mitnehmen." Versuchte der es erneut. „Sie hat hier niemanden mehr, ihr Zuhause ist wahrscheinlich längst zerstört, die Schweine haben ihre Eltern vor ihrer Nase erschossen, wer weiß was sie noch alles mit ihr angestellt hätten wenn wir ihr nicht geholfen hätten! Du willst sie doch wohl nicht allen Ernstes hier alleine lassen!" vorwurfsvoll schaute Armon ihm in die Augen.
Die letzten Worte des Jungen lösten ein seltsames Gefühl in ihm aus. Er hatte so was Ähnliches schon gehört, nur wo? Angestrengt dachte Seraphim nach. Dann fiel es ihm ein! Auf dem Schiff hatte er diesen Traum gehabt. Wieder hörte er Rionas Stimme, wie sie immerzu flüsterte: „Lasst sie nicht alleine!" Er sah das Mädchen jetzt direkt an, noch immer hielt sie sich an Armon fest. Das Gelb ihres Kleides war von derselben Intensität wie die vielen Blumen in seinem Traum! „Ist was?" verwundert bemerkte Armon dass er sie anstarrte. „Nein, es ist nur…" Seraphim schwieg. „Sag schon!" Ungeduldig verdrehte der Blondschopf die Augen. „Du hast Recht." Gab sein Freund dann zu, „Nehmen wir sie mit."
„Danke." Schüchtern blickte Sephina ihn an. „Schon gut, lasst uns sehen ob wir etwas über Abraxxia erfahren und dann sehen wir zu dass wir hier schleunigst verschwinden!" Seraphim wollte schon voraus gehen, da erklärte Sephina leise dass Abraxxia längst fort war. „Sie hat die Hauptstadt Kyrons zu ihrem Hauptsitz erklärt." Erzählte sie leise weiter, „Torania sollte sich ihr geschlagen geben, aber die Regierung hat abgelehnt", der Rest des Satzes war kaum noch zu hören, weil das Mädchen jetzt flüsterte. „Wenn Torania bis morgen Sonnenaufgang nicht kapituliert werden sie am Abend Lenkraketen losschicken." Erneut kämpfte sie mit den Tränen. „Scheiße!" Was Besseres fiel dem blonden Jungen einfach nicht ein, es war einfach zu schockierend. „Um so eher sollten wir hier verschwinden." Meinte Seraphim trocken. „Gehen wir nach Kyron?" fragte Armon, obgleich er die Antwort schon kannte. „Ja, was anderes bleibt uns nicht übrig, wir haben keinerlei Hinweise sonst." Gab Seraphim zurück. „Was macht ihr eigentlich hier?" fragte Sephina mit einem Anflug von Neugier und schniefte. Seraphim überlegte kurz was er ihr sagen sollte. Er hatte sich schon gewundert dass sie ihn noch nicht nach dem plötzlichen Feuer gefragt hatte. Er war zu dem Schluss gekommen, dass sie es in der ganzen Aufregung wahrscheinlich nicht einmal wahrgenommen hatte. Das Mädchen deutete das Schweigen anders als er dachte. „Ihr sucht doch nach Abraxxia, dann seid ihr so was wie Revolutionäre?" „So ungefähr!" antwortete Armon schnell. Dann griff er sanft nach ihrer Hand und folgte Seraphim der bereits auf dem Weg stadtauswärts war. „Wohin willst du?" wunderte sich Armon, der erwartet hatte dass der andere den Weg zum Bahnhof einschlug. „Wir brauchen einen sicheren Ort wo wir übernachten können." Erklärte der, „Morgen geht's dann weiter nach Kyron." Dann wanderten sie schweigend einen schmalen Pfad entlang. Um die Stadt herum war es recht felsig. Links von ihnen ragte eine braune Felswand meterweit in den Himmel, während sich zu ihrer Rechten ein tiefer Abgrund auftat. Sephina hielt noch immer die Hand des großen blonden Jungen umklammert. Ihre Hände waren eiskalt und feucht. Offensichtlich hatte sie Angst, immer wieder schaute sie mit Ehrfurcht die tiefe Schlucht herab. Beruhigend drückte Armon die Hand des Mädchens. „Hier können wir bleiben." Entschied Seraphim nach einer Weile und deutete auf eine recht ebene Fläche die von hohem Buschwerk umschlossen wurde. Armon nickte. Er ließ seinen Rucksack fallen und nahm die Tasche mit dem Zelt zur Hand. „Mach du Feuer!" forderte er seinen Kameraden auf. Der machte sich auf den Weg um trockenes Holz und Reisig zu sammeln. Warum machte er es nur so umständlich? Armon wunderte sich, doch dann dachte er an Sephina. Sie würde Fragen stellen, es war noch zu früh sie in diese Dinge einzuweihen.
Sephina setzte sich auf einen Stein und beobachtete Armon dabei wie er ein kleines dunkelrotes Zelt aufbaute. Es dämmerte bereits und am Himmel zeichnete sich schon blass die Sichel des Mondes ab. Das Mädchen sah zum Himmel auf und Tränen liefen über ihr schmales Gesicht. „Mama, Papa…" sie zog die Nase hoch. Armon, der inzwischen seine Arbeit beendet hatte setzte sich leise neben sie. Auch Seraphim war mittlerweile mit ein wenig Holz zurückgekehrt. Allerdings hatte er keine Ahnung wie er daraus ein Feuer bekommen sollte, das Holz war feucht. Er bedeutete Armon das Mädchen irgendwie abzulenken. Dann hielt er die Hände über die modrigen Äste und brachte sie so zum glimmen. Außerdem würde dieses Feuer die ganze Nacht lang brennen. Der Junge grinste. Dann setzte er sich neben Armon, der einen Arm um Sephina gelegt hatte und ihr sanft die Tränen wegwischte. „Sie fehlen mir so…" flüsterte sie und kuschelte sich an Armon. Er strahlte soviel Sicherheit und Stärke aus. „Ich kann dich verstehen." Versuchte Seraphim sie zu trösten. Er konnte nachempfinden wie sie sich fühlen musste, Riona fehlte ihm genauso. Armon drückte sie leicht an sich, er spürte wie sie trotz der Wärme des Feuers begann zu zittern. Also stand er auf und holte seinen Schlafsack. Vorsichtig wickelte er sie darin ein und nahm sie in die Arme. Sephina schmiegte sich an ihn und schloss die Augen. Lautlos rannen die Tränen über ihre Wangen, doch der Junge wischte sie jedes Mal sanft wieder weg.
„Schon komisch." Seraphim stocherte mit einem Zweig in den Flammen herum, nur um überhaupt etwas zu tun. „Was?" Armon sah ihn fragend an. „Ich hab es mir immer romantisch vorgestellt von zu Hause fort zu gehen und um die Welt zu reisen, aber jetzt möchte ich am liebsten umkehren." Er schüttelte den Kopf. „Geht mir genauso." Armon sah auf Sephina herab, im flackernden Licht des Feuers sah sie jünger aus als sie wirklich war, irgendwie zerbrechlich. Beruhigt stellte er fest dass sie längst eingeschlafen war. „Irgendwie tut sie mir Leid." Murmelte Armon als er die Decke ein wenig fester um ihren Körper zog. „Ich kann sie verstehen.", Seraphim schluckte, „Es ist ein komisches Gefühl plötzlich feststellen zu müssen ganz alleine auf dieser Welt zu sein, völlig einsam." „Nun lass mal nicht gleich den Kopf hängen, Riona werden wir finden, ihre Eltern sind für immer verloren, irgendwo hast du ja noch einen Zipfel Glück erwischt." Versuchte Armon ihn aufzuheitern. „Wie man's nimmt." Seraphim erhob sich um schlafen zu gehen. „Was ist mit euch Zwei?" fragte er beiläufig. „Sie schläft, ich will sie nicht wecken." Gab Armon leise zurück. „Gut, dann schlafe ich bei euch draußen." Er verschwand kurz im Zelt um seinen Schlafsack zu holen, dann legte er sich neben die beiden anderen und verkroch sich tief unter der Decke. Bald darauf war er eingeschlafen. Armon hielt Sephina noch immer fest. Langsam wurde auch er müde. Im Halbschlaf spürte er wie das Mädchen sich in seinen Armen leicht bewegte. Sie schien sich wohl zu fühlen, irgendwie machte ihn das glücklich.
„Nein! Nicht! Aufhören!" Erschrocken wachte Armon auf. Auch Seraphim saß mit blassem Gesicht neben ihm. „Sephina!" Vorsichtig drückte Armon das Mädchen an sich. Sie zitterte und versuchte sich loszureißen. „Sephina, ich bin's doch nur!" Er lockerte den Griff ein wenig. Das Mädchen sah ihn im schwachen Schein der Flammen an. „Armon..." Erneut schimmerten Tränen in ihren Augen. „Ist ja schon gut, du hattest einen Albtraum." Beruhigte der Junge sie leise. Sie schloss die Augen und drückte ihren Kopf leicht an seine Schulter. Er streichelte ihr freundschaftlich durchs Haar und legte ihr die Decke wieder richtig um die Schultern. „Es wird alles gut, schlaf jetzt besser." Flüsterte er dann. „Wir sollten lieber rein gehen." Gab Seraphim mit Blick zum Himmel zu bedenken. Dicke Wolken schoben sich vor die bleiche Sichel des Mondes. „Du hast Recht." Langsam half er Sephina auf und zu dritt kletterten sie dann in das kleine Zelt. Es reichte gerade für sie alle. Das Mädchen lag zwischen den Jungen. Müde rollte sie sich zusammen. Da deckte Armon sie mit seinem Schlafsack zu. Sie schüttelte den Kopf und schob die Decke weg. „Und du?" fragte sie leise. „Ich komm schon klar!" behauptete er. „Komm schon, es ist kalt." Erneut legte er ihr die Decke um. „Eben." Sie hob ein Stück der Decke an und bedeutete ihm sich damit zuzudecken. „Aber…" er sah sie lange an, „Ich kann doch nicht…" Sephina legte ihm die Hälfte seines Schlafsackes über und kuschelte sich leicht an ihn. Vorsichtig legte er einen Arm um das Mädchen, er spürte ihren warmen Körper dicht neben seinem, jede ihrer Bewegungen konnte er fühlen. „Wie spät ist es?" Seraphim gähnte. Armon drückte auf den Knopf seiner beleuchteten Uhr. In dem weichen bläulichen Licht fielen die Gesichtszüge des Mädchens noch zarter aus. „Armon!" sein Kumpel verdrehte die Augen. „Was? Äh… Ach so, kurz vor zwei." Er wurde rot und grinste verlegen. Glücklicherweise war es in dem kleinen Zelt dunkel genug! „Na dann gute Nacht." Seraphim drehte ihm den Rücken zu. „Gute Nacht." Der Blondschopf lag jedoch noch eine Weile wach. Er lauschte auf den ruhigen Atem Sephinas, die in seinen Armen ab und an ein wenig zuckte. Dann schloss auch er die Augen und schlief ein.
