Kapitel 4

Liebe Ginny,

ich hoffe, es geht Euch allen gut.

Draco hat sich scheinbar prima eingelebt. Er und sein Namensvetter apparieren jeden morgen gemeinsam ins Krankenhaus und kommen auch meistens abends zusammen zurück.

Mein Draco meint, dass Dein Draco schon der Liebling der Station wäre. Die älteren Patienten (vornehmlich weibliche) verlangen quasi schon nach ihm und die Schwesternschülerinnen sind auch ganz vernarrt in ihn. Ich denke, wenn das so weiter geht, braucht Ihr Euch um Enkelkinder nicht so sorgen.

Es freut mich, dass Jane sich eingelebt hat (dass muss sie wohl, wenn sie schon wieder fleißig lernt). Danke noch mal, dass Ihr Euch um alles gekümmert habt.

Die Schweiz ist zwar schön und man kann hier auch gut leben, aber es ist nicht gerade die Hochburg der Hexen und Zauberer, so dass unsere Möglichkeiten hier schon stark eingegrenzt sind.

Ich weiß, dass ich in meinen letzten Brief etwas unglücklich gewirkt habe. Das wollte ich nicht. Du brauchst Dir keine Sorgen zu machen. Wirklich nicht. Es ist im Großen und Ganzen alles in Ordnung.

Ich stecke momentan wohl nur irgendwie in einem Loch. Du kennst das ja. Es gibt so Tage, da läuft einfach gar nichts. Mein Buch will und will nicht vorankommen, dann das große leere Haus, ein abgesagtes Essen, das graue Haar (es sind schon drei dazugekommen – ich werde später mal einen Haarfärbezauber nachschlagen. Ich komme mir wirklich schon so furchtbar alt vor, wenn ich in den Spiegel schaue …). Na ja, all diese Dinge eben, die einen in Zeiten, wo man psychisch sowieso schon angeschlagen ist, eben doppelt und dreifach schlimm sind. Dazu noch die Sorge wegen Narzissa und diese Hilflosigkeit, weil wir nichts für sie tun können.

Na ja, es wird schon wieder.

Mit Dracos Arbeit habe ich gar keine Probleme. Ich verstehe und finde es gut, dass er viel Zeit für seine Patienten aufbringen muss und kann es auch akzeptieren, wenn die Familie mal zurückstecken muss. Bisher hat das auch immer gut funktioniert. Nur in letzter Zeit habe ich eben das Gefühl, dass die Zeit, die er nicht zu Hause verbringt immer weiter ausgedehnt wird. Und dazu kommt noch, dass wir uns – wenn er denn mal zuhause ist – kaum noch etwas zu sagen haben.

Du kennst doch die zwei Arten von Anschweigen?

Es gibt diese angenehme Art des Anschweigens, bei der man sich entspannt, weil man genau weiß, dass man nichts sagen muss, und dann gibt es noch dieses unangenehme Schweigen, bei dem man weiß, dass man etwas sagen sollte, aber nicht weiß, was.

Du weißt ja, dass ich eigentlich ein Mensch bin, der direkt ist und sagt, wenn ihn etwas stört. Aber ich halte mich in letzter Zeit extrem damit zurück, weil die Situation bisher fast jedes Mal eskaliert ist und wir zu streiten begonnen haben. Und das will ich ja auch nicht. Da halte ich dann lieber meinen Mund, verstehst Du?

Aber genug von mir.

Erzähl mal. Wie geht es Dir bzw. Euch denn? Hast Du das Unterrichten noch nicht satt? Gerade jetzt, wo Du auch noch Deine drei jüngsten im Unterricht sitzen hast? Das ist doch sicherlich schwer, die Mutter zurückzustellen und sich ganz auf die Aufgaben eines Lehrers zu konzentrieren, ohne den eigenen Nachwuchs zu bevorzugen. Ich stelle mir das ziemlich schwer vor.

Severus hat da sicherlich keine Probleme – ok, bei seinen zwei Nesthäkchen vielleicht schon -, aber Du …

Wie schon gesagt: Ich glaube, ich könnte das nicht. Entweder würde ich meine beiden bevorzugen oder schonungslos streng zu ihnen sein, weil ich einfach mehr von ihnen verlangen würde als von anderen Kindern.

Oh, gerade hat es geklingelt. Das sind sicher Tonks und Remus, die sich heute angekündigt haben. Remus ist auf Stippvisite bei der Werwolfgemeinschaft oben in den Bergen.

Ich hoffe, bald von Dir zu hören.

Hab Dich lieb!

Deine Hermine


Meine liebe Hermine!

Nein, mach Dir keine Sorgen – ich denke, ich habe Deinen Brief schon richtig aufgefasst. Dazu kennen wir uns denke ich schon lange genug.

Und ich denke, wenn Du tiefere Probleme hättest, dann wüsste ich schon länger davon – oder Du wärst schon längst einmal hier eingeschlagen.

Aber ich kann das nachvollziehen, was Du schreibst ... Gut, ja, bei uns ist das ein Unterschied, weil wir mehr Zeit gemeinsam verbringen können, aber die beiden Sorten des Schweigens sind mir durchaus bekannt.

Ich meine, gut, Severus war nie der Gesprächigste aller Männer, aber seit seine Zwillinge auch nicht mehr in unseren Räumen wohnen, spürt man eben doch, dass wir nicht mehr die früheren, häufigen und erfreulichen Gesprächsthemen haben ... und wer will sich schon nach zehn Stunden Lehramt noch über Schüler und Schule und Unterricht unterhalten?

Das Lachen ist seltener geworden, weißt Du?

Wir erledigen unsere Korrekturen, lesen etwas ... ich denke schon, dass wir so langsam aber sicher die nächste, die letzte Phase einer Ehe erreichen. Weißt Du, die Phase, in der eine gewisse Sicherheit und Gewohnheit erreicht ist ...

Nun – Du fragst, was wir dazu sagen, unseren eigenen Nachwuchs zu unterrichten? Severus macht – wie erwartet – nach wie vor keinen Unterschied. Ich wundere mich auch, bei seiner Lotte und seiner Lena hätte ich wirklich etwas anderes erwartet, aber irgendwie schafft er es und bleibt konsequent.

Aber die zwei sind ihm charakterlich sehr ähnlich, sie nehmen alles sehr ernst und sind auch am Tag vor der Einschulung – schon im zarten Alter von elf Jahren – abends noch zu uns gekommen und wollten von uns das feierliche Versprechen, nie bevorzugt zu werden. Es war zu süß, die beiden – wie immer im gleichen Schlafanzug – wie sie barfuss im Kaminzimmer standen und mit ganz ernsten Gesichtern verkündet haben, sie wollten das nur einmal besprechen, dass sie ab dem nächsten Tag unsere Schüler seien. Wir haben es ihnen versprochen und versuchen uns daran zu halten.

Und ob Dein Draco wirklich mehr Zeit im Krankenhaus verbringt? Ich meine, es ist Sommer, und die Hochsaison bei Euch ist und bleibt doch nun mal der Winter! Gut, er ist ja kein Spezialist für Unfälle, aber Davos ist doch im Sommer eher ruhig ... egal in welcher Beziehung.

Aber schließlich hat er seit fast einem Jahr die Stelle des leitenden Oberarztes, und er soll doch die Chefarztnachfolge antreten ... das wird sicherlich auch eine Menge ausmachen, was seine Zeiteinteilung betrifft.

Hat er eigentlich die Feier von neulich nachgeholt? Oder weißt Du, um was es gehen sollte? Hat er etwas erzählt?

Und unser Draco macht das Krankenhaus unsicher? Ich weiß, er kommt in dieser Hinsicht eher nach meiner Familie – sprich nach Fred und George – und nimmt alles nicht so ernst. Aber was soll es, ich denke, Dein Mann wird schon ein Auge auf ihn haben.

Was macht Narcissa? Richte ihr auf alle Fälle liebe Grüße von mir aus!

Deine Zwei halten sich nach wie vor gut. Jane arbeitet immer noch zu viel, aber wir haben sie mittlerweile dazu überredet, wenigstens abends und am Wochenende mit uns in der großen Halle zu essen.

Virg hat heute gesagt, sie wollte Dir schreiben – hat sie es getan? Sie hat heute als Beste die Prüfung in alten Runen abgelegt.

Ich grüße Dich ganz lieb, fühle Dich gedrückt und grüße meinen Sohn, Deinen Mann und Narcissa von uns

Deine Ginny


Tbc ?