Liebe Ginny,
es tut mir Leid, dass es nur schon wieder eine ganze Weile her ist, dass ich Dir geschrieben habe, und ich mich so noch gar nicht für den schönen Abend bei Dir bedanken konnte.
Es hat wirklich mal wieder gut getan, in Hogwarts zu sein und Dich zu sehen.
An dem Abend vor zwei Wochen habe ich erstmal wieder gemerkt, wie sehr mir das alles gefehlt hat.
Schade, dass meine Große ausgerechnet an dem Abend mal ausgegangen ist – obwohl ich immer noch glaube, dass sie die Verabredung nur vorgeschoben hat, um in Ruhe in Oxford in der Bibliothek zu sitzen und zu lernen.
Oder meinst Du nicht?
Dafür hat das Essen in der Großen Halle mit Euch allen zusammen sehr viel Spaß gemacht. Wie gut, dass Jeremy Rincewind zufälligerweise auch nicht anwesend war – ich glaube, er hätte die friedliche Stimmung noch gestört.
Was macht er eigentlich mittlerweile? Hat er sich Dir und Severus gegenüber beruhigt oder ist er immer noch so unfreundlich zu Euch?
Und wie läuft es zwischen Dir und Severus? Warst Du noch einmal eifersüchtig und wütend auf ihn?
Weißt Du, als ich Deinen Brief zum ersten Mal gelesen habe, musste ich ja schon lachen, aber ich glaube, mittlerweile kann ich Dich verstehen …
Hier ist alles beim Alten – na ja, zum größten Teil eben.
Deinem Draco geht es gut und ich soll Dir viele Grüße bestellen. Er arbeitet mittlerweile fast soviel wie der Chefarzt persönlich – so, als würde auf ihm die ganze Verantwortung der Klinik lasten. Richtig süß, wie sehr er sich ins Zeug legt …
Tja, apropos lange arbeiten …
Weißt Du, nach meinem Besuch bei Dir, hatte ich mich – was die Eifersucht betrifft – eigentlich wieder ganz gut unter Kontrolle.
Es hat gut getan, mit Dir darüber zu reden und Du hast mir die Augen geöffnet, dass ich einfach wieder viel zu viel denke und mir zu viele Gedanken über Dinge mache, die man am Besten einfach nur so akzeptiert, wie sie sind – ohne immer einen Grund oder Hintergedanken zu suchen …
Das hat auch eigentlich wunderbar funktioniert. In den letzten zwei Wochen haben Draco und ich uns auch wieder prima verstanden und er hat sich sogar das letzte Wochenende frei genommen, um mit mir in die Berge zu fahren.
Erinnerst Du Dich an die kleine Berghütte?
Er hatte sie für das Wochenende gemietet. Wir sind Freitagmittag los (so richtig altmodisch mit der Seilbahn) und erst Sonntagabend wieder gekommen. Ginny, das waren die schönsten zwei Tage seit langem, sag ich Dir.
Diese Ruhe in den Bergen, die Abgeschiedenheit, die Natur … einfach nur wir beide. Es war so schön wie schon seit Jahren nicht mehr.
Das letzte Mal, als wir dort gewesen sind, war bevor Jane geboren wurde – also schon so ewig her, dass es schon fast nicht mehr wahr ist.
Wir haben das ganze Wochenende nur geredet, lange Spaziergänge gemacht und uns wirklich nur um uns (und nicht um die Arbeit oder den Alltag) gekümmert.
Das ist wirklich entspannend. Kann ich Euch beiden, Severus und Dir, nur empfehlen.
Tja, eigentlich sollte es mir dann jetzt richtig gut gehen, oder?
Würde es auch, wenn der gestrige Tag nicht wieder alles kaputt gemacht hätte…
Draco hatte mir morgens beim Frühstück schon gesagt, dass er lange arbeiten müsste, weil einige Konferenzen auf der Tagesordnung ständen und er noch einen Haufen Berichte schreiben müsste.
Soweit, so gut.
Ich habe mittags spontan beschlossen, ihm sein Lieblingsessen zu kochen, um es ihm zusammen mit seinen Lieblingskuchen ins Krankenhaus zu bringen. Du weißt ja, wie er ist – vor lauter Arbeit vergisst er ja öfters mal das Essen.
Ich bin dann also nachmittags (ich glaube, es war so gegen fünf Uhr) zum Krankenhaus appariert, habe mich noch ein wenig mit den Stationsschwestern unterhalten und Deinen Draco getroffen und bin dann gegen sechs zu Dracos Büro gegangen, wo ich von seiner Sekretärin erfahren musste, dass der Chef sich einen halben Tag frei genommen hätte und schon mittags gegangen wäre.
Du kannst Dir sicher vorstellen, wie ich mich da gefühlt habe. Freier Fall aus fünfzig Meter nach unten …
Gut, zunächst habe ich noch gedacht, dass Draco mich vielleicht wieder überraschen wollte und etwas für den Abend geplant hatte.
Ich bin also auf direktem Wege nach Hause, habe mich schon innerlich auf eine Überraschung vorbereitet und mich bemüht, im Falle eines Falles auch wirklich überrascht zu tun, und als ich die Haustüre aufschließe, ist alles noch so wie vorher.
Kein Draco, keine Überraschung, nur Kater Fiete, der mich maunzend begrüßt und um Futter bettelt.
Ich habe mich so elend gefühlt, Ginny. Ich wusste echt nicht, was ich tun sollte. Fast wäre ich in den Kamin gehüpft und zu Dir gekommen. Aber da ich ja wusste, dass Du auf diesem Seminar in Cambridge warst, habe ich es gelassen.
Ich möchte Dich ja außerdem auch nicht laufend mit meinen Problemen belasten …
Also habe ich alleine gegessen, den Rest an die Katze verfüttert oder weggeworfen (Strafe muss ja sein) und auf dem Sofa gesessen und gewartet und gewartet und gewartet …
Bis kurz nach Mitternacht, als der Schlüssel im Schloss gedreht wurde und Draco gut gelaunt hereinkam.
Er war ziemlich überrascht, dass ich auf ihn gewartet hatte und es schien ihm gar nicht so Recht gewesen zu sein. Aber das ist ja auch verständlich, oder?
Ich hatte mir in den ganzen Stunden schön das zurecht gelegt, was ich ihm an den Kopf werfen wollte, dass ich ihm sagen wollte, was für ein Schwein er doch ist, ihn fragen, warum er mich anlügt und so weiter …
Aber ich habe es doch gelassen.
Irgendwie hat mich der Mut verlassen. Ich weiß, dass ist normalerweise nicht meine Art, aber ich konnte es in dem Moment einfach nicht.
Hätte ich es mal getan …
Wir sind dann auch schnell ins Bett gegangen und eingeschlafen – zumindest habe ich so getan, als würde ich schlafen und ihn schön mit Ignoranz bestraft.
Als ich heute Morgen aufgewacht bin, war er schon weg – dringende Termine, wie er mir auf einen Zettel geschrieben hatte.
Ich habe mich also – blöd wie ich bin – um den Haushalt und die Wäsche gekümmert. Als ich Dracos Hemd, das er am Vorabend anhatte, in die Waschmaschine stecken wollte, kam dann allerdings der nächste Hammer: Es hat gerochen, als wäre er damit den ganzen Abend in einem Puff gewesen – nach billigem Fusel und Parfum.
Ginny, was soll ich nur tun?
Glaubst Du, ich bin Draco nicht mehr gut genug, wenn er sich in einem Freudenhaus vergnügen muss?
Bin ich so eine schlechte Ehefrau?
Am Liebsten würde ich ja meine Sachen packen und nach England zurückkehren. Soll er doch mit seinen Huren oder Geliebten glücklich werden.
Ach, Ginny, ich weiß einfach nicht mehr weiter…
Was soll ich nur tun?
Traurige Grüße
Hermine
