Meine liebe, liebe Hermine!

Also als allererstes: Du belastest mich nicht mit Deinen Problemen ... Ich glaube, dass habe ich Dir schon ein paar Mal gesagt, oder? Wenn was ist, sag Bescheid ... Und wenn ich etwas auf dem Herzen habe, bin ich dafür dann ganz schnell bei Dir auf der Matte. Wie immer und für immer, OK?

Also, und zweitens muss ich Dir jetzt zum wiederholten Mal den Kopf abreißen. Wie ich Dir schon bei unserem Weiberabend gesagt habe: Es gibt keinen Grund für Deine Eifersucht, glaub mir. Oder viel mehr: glaube Draco – meinem Draco, nicht Deinem – der in einem fort davon berichtet, dass Dein Mann jedem und allem gegenüber nur ein Gesprächsthema hat: seine Frau. Dass er den Krankenschwestern Bilder von Dir zeigt, weil er so stolz auf seine Frau ist und dass er gegenüber den Patienten von seiner Familie schwärmt.

Im Gegensatz zu den anderen Oberärzten, die ja wirklich teilweise nichts anbrennen lassen, gerade was die Schwestern angeht ...

Und ich kann mir nicht vorstellen, dass mein Sohn mir da etwas vormacht, er hat ja eigentlich keine Veranlassung dazu.

Ich meine, es gibt viele Gründe für einen Mann, nach Alkohol und Parfum zu riechen ... vielleicht war er ja nur bei einem Geschäftsessen (ich erinnere mich dunkel, wie Du Dich mal über eine dieser Außendienstmitarbeiterinnen der Spickoskopfirmen aufgeregt hast, weil sie nicht nur affig war, sondern gestunken hat wie eine ganze Parfumfabrik und weil sie versucht hat, ihre Geräte zusammen mit ihren Reizen zu verkaufen. Du erinnerst Dich? OK, ich gebe zu, diese Vorstellung ist auch nicht gerade beruhigend, aber besser als ein Puff, oder?)

Also ich denke, Deine Sorgen passen nicht zu dem Bild, dass ich von Draco habe und auch nicht zu dem, was mein Sohn so erzählt ... Aber ich weiß, das ist alles kein rechter Trost und deswegen mein üblicher Rat: Geh hin. Frag ihn. Sprich mit ihm darüber, frage wo er war. Das ist sicher besser, als sich irgendwelche krausen Gedanken zu machen oder so. Frag ihn, dann geht es Dir besser ... und ihm auch, jedenfalls langfristig gesehen.

Und Euer Wochenende, von dem Du schreibst, spricht ja auch für sich ... das klingt ja so romantisch!

Wenn es Dir schlecht geht, denke an diese Tage ...

Wir haben so etwas schon lange nicht mehr gemacht.

OK, ich weiß, Du hast ja recht – eigentlich noch nie.

Severus ist auch einfach nicht der Typ für so etwas, das ist er noch nie gewesen ... er ist einfach nur froh, wenn er ein schönes Zuhause hat. Er sagt immer, er hat schon genug erlebt und war in seinem Leben genug unterwegs und habe jetzt ein Recht auf einen Hafen, wo er sich in Ruhe niederlassen kann. Ich kann Dir noch nicht einmal sagen, wann wir zum letzten Mal auch nur gemeinsam Essen waren ...

Aber ich habe dieses Verhalten immer als eine Form, oder besser: als seine ganz besondere Form der Liebeserklärung aufgefasst. Ich weiß dadurch, dass ich hier alles richtig mache und dass er sich wohl fühlt ...

Und das ist mir sehr, sehr wichtig.

Auch wenn ich zugebe, dass dadurch der Alltag einen ganz besonderen Wert erhält, und dass vielleicht gerade dadurch solche kleinen Spinnereien wie meine grundlose Eifersucht noch mehr gefördert werden.

Man hat mehr Zeit zum Nachdenken und zum Grübeln.

Zumal wir wie gesagt momentan an einem Punkt sind, an dem der Alltag weniger aus Gemeinsamkeiten als aus einem Beieinander besteht ...

Gestern habe ich beim Zubereiten des Abendessens meinem Mann fast zehn Minuten lang von einen bestimmten Trank erzählt, in der Gewissheit, dass er mir zuhört, und anschließend festgestellt, dass er in Gedanken ganz woanders gewesen sein muss, oder nichts von dem umgesetzt hat, was ich ihm erzählt habe ... er hat einfach nicht zugehört, und das wäre uns früher nie passiert ...

Gut, ich nehme das nicht so ernst, aber ich habe mich auf einmal zumindest für eine ganz kurze Zeit sehr, sehr alt gefühlt.

Früher war ich davon überzeugt, dass diese ... Regelmäßigkeit, dass der Alltag ein Zeichen ist, dass alles gut läuft. Jetzt habe ich auf einmal Angst davor, dass die Gewohnheit irgendwann einmal zur Gleichgültigkeit wird. Er nimmt mich auch nicht mehr so häufig in den Arm wie früher...

Gut, weißt Du, ich verstehe meinen Mann ja auch: ich gebe ja auch zu, dass ich nicht mehr so jung bin wie früher.

Ich meine, ich weiß nicht, natürlich bin ich immer noch deutlich jünger als er ... aber vielleicht doch schon zu alt für ihn? Ich meine, die vier Kinder beziehungsweise die drei Geburten sieht man mir ja schon an, zumindest ein bisschen. Und irgendwie merke ich jetzt wirklich, dass ich in die Wechseljahre komme.

Ja, ich weiß, ich bin früher als Du, obwohl ich fast zwei Jahre jünger bin ... aber irgendwie habe ich in letzter Zeit doch deutliche Stimmungsschwankungen, wie ich sie sonst nur durch die Hormonschwankungen in der Schwangerschaft kenne. Und auch andere Dinge bleiben langsam aber sicher aus ... Ich glaube, ich sollte mal zum Heiler hier gehen, damit er mal einen kleinen Blick werfen kann. Vielleicht hat er ein oder zwei Mittel wenigstens gegen die Hormonschwankungen.

Es wäre also kein Wunder, wenn Severus mich nicht mehr ganz so attraktiv findet wie früher ... aber wir werden ja alle älter.

Irgendwie wechselt die Beziehung von Leidenschaft zu Vertrautheit.

Das ist zwar grundsätzlich nicht negativ, aber ich fühle mich doch momentan sehr, sehr alt.

Ach, meine Hermine ... Du hast mir einen Brief geschrieben, der nach Trost gefragt hat und jetzt komme ich nur mit meinen eigenen Problemen...

Ob das auch ein Zeichen dafür ist, dass man langsam zur alten Schachtel wird?

Ich finde, Du solltest mal wieder vorbei kommen ... dann quatschen wir uns einfach nur gründlich aus, wie früher, ja?

Morgen ist Lehrerkonferenz, aber anschließend ist auch noch Besprechung des Schulrates mit dem Ministerium, wo Severus als Konrektor sicher den ganzen Abend verbringen wird ...

Was hältst Du davon, wenn ich mich einfach direkt in den Kamin schwinge?

Du fragst nach Rincewind ... ja, wir haben uns dann irgendwann auf niedrigem Niveau stabilisiert, also wir reden schon normal miteinander, aber ohne großes Interesse. Ehrlich gesagt ist er mir verdammt egal.

Sag mir nur kurz Bescheid, ob Du Zeit und Lust zu einem Treffen morgen Abend hast ... wir können ja auch mal ausgehen, im Kino waren wir auch schon ewig nicht mehr und vielleicht anschließend in eine Kneipe ...

Melde Dich einfach.

Ich drücke Dich feste,

Deine Ginny


Liebe Ginny,

vielen Dank für Deinen Brief und die aufmunternden Worte!

Du bist wirklich eine wahre Freundin und hast immer die richtigen Worte für mich parat! Ich danke Dir dafür.

Du schreibst, dass es keinen Grund für meine Eifersucht gibt. Ich würde es Dir gerne glauben, liebe Ginny, aber ich klappt nicht …

Ich rede mir zwar immer und immer wieder ein, dass es so ist, wie Du schreibst, dass Draco wirklich nur von mir spricht, dass er ein Bild von mir in seinem Büro hat, dass er mich wirklich liebt und dass es auch wahr ist, was Dein Draco erzählt.

Aber dennoch … irgendwie funktioniert das nicht mehr. Immer und immer wieder steigt mir dieser Parfumgeruch in die Nase und meine Gedanken schweifen zu irgendeinem billigen Bordell ab – oder noch schlimmer: zu dieser Frau Schmalfuß von der Spickoskopfirma.

Ach, Ginny. Was soll ich nur tun?

Ich würde Dir ja so gerne glauben …

Du schreibst, dass Eure Beziehung mehr auf Vertrauen als auf Leidenschaft basiert. Ich freue mich wirklich für Euch, dass es funktioniert und ich wünschte, dass es mit Draco und mir auch so wäre.

Sicherlich, die Leidenschaft ist in all den Jahren nicht mehr so stark wie am Anfang – meine Falten werden ja auch immer tiefer und machen mich nicht gerade hübscher – aber dennoch war sie es bisher immer, die unsere Ehe über Wasser gehalten hat; sie und das Vertrauen, das wir uns gegenseitig geschenkt haben.

Weißt Du, jemandem zu vertrauen, den man nur für ein paar Stunden pro Tag sieht, ist nicht so einfach, wie es vielleicht bei Euch ist. Severus und Du, ihr wohnt und arbeitet unter einem Dach, ihr bekommt mit, wenn der eine etwas hat, eigene Wege geht oder plötzlich verschwindet.

Bei mir und Draco ist das anders. Wenn er morgens das Haus verlässt, dann muss ich ihm einfach glauben, dass er ins Krankenhaus fährt, wenn er abends länger weg ist, muss ich ihm glauben, dass das einen beruflichen Hintergrund hat.

Ich muss es ihm glauben, verstehst du?

Dieser Glaube hängt eng mit der Liebe zusammen, die ich für ihn empfinde.

Liebe, Glaube, Vertrauen, das alles hängt zusammen. Und du weißt ja, wie das mit dem schwächsten Glied in der Kette ist.

Ich liebe Draco nach wie vor – vielleicht sogar mehr als zu Beginn unserer Beziehung, doch der Glaube ist seit jenem Abend weg. Verstehst Du? Und mit dem Glauben in ihn hat auch das Vertrauen gelitten.

Ich weiß einfach nicht mehr, ob ich ihm glauben und vertrauen kann, wenn er morgens das Haus verlässt …

Und morgen Abend hat er schon wieder einen Termin, was mich zu meiner Bitte bringt: Ginny, würdest Du vorbeikommen? Ich weiß, Du hast es geschrieben und angeboten, aber vielleicht haben sich Deine/Eure Pläne schon wieder geändert.

Ich würde mich freuen, wenn wir morgen etwas zusammen machen könnten. Mir fällt sonst noch die Decke auf den Kopf …

Und bei Gelegenheit kann ich dann auch gleich mal schauen, ob Du wirklich so alt geworden bist, wie Du Dich fühlt… - war nur ein Scherz. Ginny, Du siehst einfach immer nur toll aus. Warum machst Du Dir da solche Gedanken? Und Severus liebt Dich so, wie Du bist.

Ich hoffe, wir sehen uns morgen Abend, Ginny!

Liebe Grüße

Hermine


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