Liebe Ginny,
als allererstes muss ich Dir sagen, wie sehr ich mich darüber freue, dass Du erstens den Trank nimmst und zweitens den Mut hattest, mit Deinem Mann darüber zu sprechen.
Ich bin mir sicher – und glaube aus Deinen Zeilen herauslesen zu können –, dass Dir das nicht leicht gefallen ist. Beides.
Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass der Trank nicht gerade gut schmeckt und Du ihn am Liebsten direkt wieder loswerden möchtest.
Aber warte mal ab – wenn Dein Körper sich erst einmal daran gewöhnt hat und ihn nicht mehr als Fremdkörper abstoßen will, dann wird das schon gehen; die Übelkeit wird aufhören und der Trank wird irgendwann so selbstverständlich werden wie der Becher Kürbissaft am morgen.
Du wirst sehen …
Und bis dahin drücke ich Dir ganz feste beide Daumen, dass Du es durchstehst!
Du schaffst das schon, meine Süße! Ganz sicher! Du hast doch schon einiges an Schmerzen aushalten müssen (erinnere Dich nur an die Geburt der Zwillinge – Du meintest, Du würdest sterben, als Du in den Wehen gelegen hast. Und Du bist es nicht, Du hast es überstanden und vor allem überlebt!).
Ich schicke Dir alle Kraft der Welt!
Und dass Severus an dieser Studie teilnehmen möchte, finde ich wunderbar! Ich bin mir sicher, dass es ihm helfen wird. Und natürlich drücke ich auch ihm die Daumen! (Sagst Du ihm das bitte?)
Wegen des Buches: Ich verstehe gar nicht, warum Du so verstimmt deswegen reagiert hast. Ich hatte das Manuskript doch extra dupliziert, magisch verkleinert und der Eule mit ans Bein gebunden. Ob sie es unterwegs verloren hat? Ich hoffe doch nicht … Wenn das in die falsche Hände kommt, dann … erinnerst Du Dich noch an Rosamunde McCornwall, diese … diese unmögliche Frau aus England, die immer von anderen abschreibt und es als ihr eigenes Werk verkauft? Hat sie doch tatsächlich letztens einen Artikel in „Zaubertränke aktuell" veröffentlicht und ihren Namen drunter gesetzt und Lob eingeheimst – und weißt Du was? Ich kannte den Essay schon drei Monate vorher, er stammte von einer Bekannten von mir (Christine Wohlfahrt. Ich glaube, ich habe Dir mal von ihr erzählt). Sie hatte ihn für ihr Examen geschrieben, aber noch nicht veröffentlicht. Irgendwie muss diese McCornwall wohl an die Notizen gekommen sein …
Also, wenn das mit dem Buch passiert, dann bin ich erledigt, sag ich Dir …
Aber was soll's! Auf ein Unglück mehr oder weniger kommt es auch nicht mehr an, oder? – Wobei wir dann auch schon beim Thema wären.
Du fragtest nach Tonks.
Ja, sie war hier und sie war ziemlich fertig, sag ich Dir. Wir haben fast bis zum Morgen geredet und zusammen geweint.
Stell Dir vor! Remus ist ausgezogen! Er hat seine Sachen gepackt und ist gegangen. Einfach so …
Kannst Du Dir das vorstellen?
Ich meine, Remus und Tonks, die beiden waren doch immer unser Vorbild, was eine gute Ehe angeht; drei wohlerzogene Kinder, immer strahlend, immer glücklich, immer so frisch verliebt wie am ersten Tag … und nun so etwas.
Ich sag Dir, das hat mich echt umgehauen. Ich war geschockt und total fertig. Es war, als hätte mich ein Klatscher mitten in den Magen getroffen und mich in fünfzig Meter Höhe vom Besen katapultiert.
Freier Fall auf harten Boden …
Ich habe fast drei Stunden gebraucht, bis Tonks mir den Grund für diesen plötzlichen Wandel nennen wollte. Sie hat rumgedruckst und versucht auszuweichen, aber schließlich hat sie mir gestanden, dass Remus eine Affäre hatte, mit seiner Sekretärin.
Das muss wohl so ein ganz hübsches Ding sein; jung, gut gebaut, perfekte Rundungen, der Schwarm aller Männer – aber strohdumm, wie Tonks sagt.
Kannst Du Dir das vorstellen? Ausgerechnet Remus, der immer soviel Wert darauf gelegt hat, dass ihm egal ist, wie man aussieht, wo man herkommt … Hauptsache der Charakter stimmt …
Und nun so etwas.
Ich weiß nicht, was ich davon halten soll, Ginny. Ich meine, mal soll niemanden nur anhand eines Gerüchtes verurteilen und sich immer beide Seiten anhören, bevor man ein Urteil fällt. Aber Tonks war so fertig mit sich und der Welt - sie hat mir nur noch Leid getan.
Seit sie da war, hasse ich Remus richtig. Ich weiß, dass ist falsch und ungerecht, aber ich kann einfach nicht anders.
Männer sind doch alle gleich … sobald sie was Hübsches sehen, rutscht ihnen der Verstand in die Hose und sie verwandeln sich in gehirnlose Trolle, die nur noch ihrem Urinstinkt folgen …
Seit ich das weiß, fühle ich mich wieder richtig schlecht.
Ich hatte gerade angefangen, Draco wieder zu vertrauen, mir einzureden, dass er nicht zu dieser Art von Mann gehört und mir treu ist, dass es ihm egal ist, wie man aussieht … aber da habe ich mich wohl getäuscht…
Stell Dir vor, wir waren gestern zusammen einkaufen, in diesem riesigen Muggelladen, der hier neu eröffnet hat (Waltmarkt oder so, heißt er – habe den Namen vergessen). An der Kasse saß so ein Blondchen Marke „Ich bin nur da um schön zu sein".
Du hättest Draco sehen sollen, er hat sie die ganze Zeit, die wir an der Kasse warten mussten (und wir mussten lange warten, da die Tussi nur mit ihrem Fingern zählen konnte und entsprechend lange gebraucht hat) diese Frau angestarrt. Dass ihm die Zunge nicht bis zu den Füßen raus hing lag wohl nur daran, dass das anatomisch unmöglich ist …
Ich war so wütend auf ihn, ich habe ihn auf dem Rückweg vollkommen ignoriert, die Lebensmittel in den Kühlschrank gepackt und bin ins Bett gegangen (ohne ihm sein Abendessen zu machen).
Später tat mir mein Verhalten Leid und ich bin wieder aufgestanden, um mich zu entschuldigen, aber Draco war verschwunden. Ich weiß nicht, wo er ist und wann er wiederkommt (wenn denn überhaupt).
Und nun sitze ich hier, mit Deinem Sprössling, der mir versichert hat, dass mein Mann in der Klinik ist, um ein bisschen aufzuarbeiten, esse Chips und Schokolade, trinke Wein (ich hoffe, es ist in Ordnung, dass Dein Ältester mittrinkt!) und schreibe Dir diesen Brief …
Am liebsten würde ich ja meine Sachen packen und per Flohpulver zu Tonks reisen, damit wir uns gegenseitig im Selbstmitleid ertränken können …
Aber ich werde es nicht tun, Ginny!
Erstens bin ich schon viel zu betrunken, um noch per Flohpulver zu reisen und zweitens ist das sicher der falsche Weg, oder?
Weglaufen ist immer einfach – aber auch falsch.
Ich darf nicht mehr weglaufen, ich muss mich meinen Problemen stellen.
Ich bin nun Mitte Vierzig und damit definitiv zu alt, um mich wie ein unglücklicher Teenager zu benehmen …
Nein, ich werde hier sitzen bleiben, noch eine Flasche Wein aufmachen und warten … warten … und warten … und warten …
Prost, Ginny!
Ich trink auf uns Frauen.
Wir sind das starke Geschlecht! Nieder mit den Männern!
Deine Hermine
- gggg – und auch heute wieder die Frage ... Tbc? Schreibt uns, ob Ihr mehr wollt ...
