Ich verdiene kein Geld mit dem Schreiben dieser Geschichte, Mittelerde und die von Tolkien geschaffenen Figuren habe ich mir nur ausgeliehen – Laietha, ihre Kinder und einige Verbündete sind meinem Geist entsprungen.
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Der geschenkte TagSie sah Rauch aufsteigen. Minas Tirith lag in dieser Richtung und kalte Furcht umklammerte ihr Herz. Aragorn, dachte sie. Sie musste sich beeilen. Noch schneller rannte sie, als ginge es um ihr Leben. Schon konnte sie die Geräusche der Schlacht hören. „Schlaft nicht ein!" brüllte sie den Männern zu, die ihr folgten.
Wer ihr das Kommando übertragen hatte, wusste keiner so recht, aber niemanden kümmerte es. Sie folgten ihr bereitwillig. Einen Augenblick später war Boromir an ihrer Seite. Auch er sah besorgt aus. Der Lärm der Schlacht wurde lauter. Sie hörten die Aufschreie der Verwundeten, Schmerzensschreie, Schreie voller Angst, Pein, Agonie und die Geräusche der aufeinanderprallenden Waffen. Der Gestank von Blut hing in der Luft. Tod war allgegenwärtig.
Selbst aus der Entfernung konnten sie den Weißen Turm der Stadt sehen. Der Schweiß strömte über ihr Gesicht. Die Zeit lief ihnen davon. Sie hörte ihren Mann, der den Soldaten Befehle zubellte und die Männer überholten sie. Sie überquerten den letzten Hügel und waren mitten im Schlachtgeschehen.
Es sah in der Tat schlecht für Aragorn und seine Männer aus. Viele von ihnen lagen bereits tot am Boden und noch immer schienen die Reihen der Feinde ungelichtet zu sein. Laietha erkannte viele der Toten. Mit einem wilden Schrei hob sie ihr Schwert und rannte auf einen der Feinde zu. Nun hatte der Krieg auch für sie begonnen.
Neben ihr ging einer der Männer, die ihr gefolgt waren, zu Boden. Sie stieß einen wütenden Schrei aus und enthauptete seinen Mörder. Die Kriegerin tauchte ihr Schwert tief ins Blut ihrer Feinde, aber sie ließen sie nicht zu Atem kommen und begannen, sie zurückzutreiben. Aragorns Männer waren am Ende ihrer Kräfte und wären ihre Freunde nicht zu Hilfe gekommen, wäre die Schlacht entschieden gewesen.
Laietha sah, wie sich ihr Mann unter dem Hieb eines feindlichen Schwertes duckte und sie eilte ihm zur Seite und trieb den Angreifer mit gezielten Schlägen zurück. Ein Ruf drang an ihr Ohr. „Elendil!" Sie wirbelte herum und versuchte die Richtung auszumachen, aus der er gekommen war. Es war ihr Bruder gewesen.
Dort war er – umzingelt von Feinden. Er kämpfte verzweifelt gegen sie an, aber er würde den Kampf verlieren. Laietha unterdrückte die Panik, die sie zu erfassen drohte. Sie begann zu rennen, musste ihm helfen. Viele Feinde tötend oder verwundend, bahnte sie sich ihren Weg zu ihm. Halte durch, Dunai, dachte sie. Dann sah sie den Pfeil, der durch die Luft sauste – und ihn in die Brust traf. Sie blieb wie versteinert stehen. Aragorn sah sie an und starrte ungläubig auf den Pfeil, der aus seiner Brust ragte. Dann brach er zusammen.
„Nein! Aragorn! La!1"
„Laietha! Laietha!" Boromir schüttelte sie verzweifelt. „Nein! Dunai! Nein!" schrie sie. „Laietha, Liebes, wach auf!" Sie stieß einen Schrei des Entsetzens aus. „Aragorn!" Boromir wusste sich nicht mehr anders zu helfen und schlug ihr hart ins Gesicht. „Verflucht, Laietha, wach doch auf!"
Laietha öffnete die Augen und schrak hoch, schwer atmend. Sie sah sich gehetzt im Raum um. Boromir seufzte erleichtert und nahm sie beschützend in den Arm. Sanft strich er ihr über die Wange. „Alles in Ordnung, Liebes. Es war nur ein Albtraum." Tränen strömten ihr übers Gesicht und sie vergrub ihren Kopf an seiner Schulter. Sie schluchzte so sehr, dass sie kaum Luft bekam. „Aragorn..." flüsterte sie. Boromir küsste sie auf die Stirn. „Scht...Laietha, es war nur ein Traum. Nur ein Traum." Langsam beruhigte sie sich wieder.
Die Tür zu ihrem Schlafzimmer öffnete sich und ein siebzehnjähriges Mädchen trat ein. „Was ist los?" fragte sie besorgt, die Augen weit aufgerissen. Laietha beeilte sich, die Tränen aus den Augen zu wischen, als wären sie nie dort gewesen. Langsam fand sie wieder zu sich selbst. „Nichts, mein Liebes. Ich hatte nur einen schlimmen Traum, das ist alles. Geh wieder schlafen, Luthawen, und weck deinen Bruder nicht auf." Das Mädchen warf Boromir einen neugierigen Blick zu, aber er zuckte nur hilflos mit den Schultern. „Geh ins Bett, Schatz. Deiner Mutter fehlt nichts." Luthawen seufzte und verließ den Raum. Auf dem Flur traf sie ihren zwölfjährigen Bruder.
„Was ist denn los?" gähnte er verschlafen. „Hatte Mama wieder einen schlechten Traum?" Luthawen nickte. Dann nahm sie ihren Bruder bei der Hand und brachte ihn zurück in sein Zimmer. Als er ins Bett gegangen war, setzte sie sich zu ihm. „Ich habe gehört, wie sie nach Onkel Aragorn gerufen hat," sagte er schüchtern. Luthawen nickte. „Hab ich auch gehört. Vater sagt, dass sie, seit er sie kennt, immer von Albträumen heimgesucht wird. Sie hat zu viele schlimme Dinge im Krieg gesehen."
Der Junge nickte langsam, obwohl Luthawen bezweifelte, dass er verstanden hatte. Sie war fünf Jahre älter und verstand es selbst kaum. Sanft strich sie ihm über die strohblonden Haare. „Du solltest dir keine Sorgen machen, Aiglos. Du wirst sehen, morgen ist sie wieder ganz die Alte." Einen Moment lang herrschte Schweigen. Dann begann der Junge zögerlich.
„Luthawen..." Sie sah ihn an, als wäre sie selbst grade erst aus einem Traum erwacht. „Ja, Bruder." Er schmiegte sich an ihre Seite, wie er es schon lange nicht mehr gemacht hatte, nicht seitdem er entschieden hatte, dass er kein Kind mehr war. „Singst du mir bitte das Lied von Nimrodel vor?" Luthawen lächelte ihn sanft an. Sie nickte und er legte seinen Kopf in ihren Schoß. Auch sie hatte sich gefürchtet, als sie die gellenden Schreie ihrer Mutter gehört hatte. Mit ihrer klaren Stimme begann sie das Lied zu singen, das sie als Kind von ihrer Mutter gelernt hatte.
Boromir küsste die Wange seiner Frau dort, wo er noch immer die Abdrücke seiner Hand sehen konnte. Es tat ihm schrecklich leid, dass er sie geschlagen hatte, aber er hatte sich einfach keinen anderen Ausweg mehr gewusst. Boromir hatte sich so hilflos gefühlt. Laietha drückte sich fest an ihn. Ihr Atem ging wieder ruhiger, aber noch immer wagte sie es nicht, zu sprechen. Also ergriff er das Wort.
„Willst du mir nicht erzählen, was du geträumt hast?" Sie antwortete nicht. Es war alles so wirklich gewesen! Und sie hatte gedacht, sterben zu müssen, als sie den Pfeil aus seiner Brust hatte ragen...sie schüttelte den Kopf, um den Gedanken zu verjagen, als sie bemerkte, wie sich die Tränen zurück in ihre Augen schlichen. Boromir presste seine Lippen gegen ihren Scheitel. Er konnte sich schon denken, wovon sie geträumt hatte.
„Er ist in Sicherheit und es geht ihm gut, Laietha. Sieh nur, wir haben Frieden, es hat schon seit vielen Jahren keinen Krieg mehr gegeben. Sorge dich nicht. Sieh mal, wenn Gefahr im Verzug wäre, hätte er es dich wissen lassen."
„Ich weiß," murmelte sie. „Ich weiß, dass es nur ein böser Traum war." Sie hob den Kopf und er blickte in ihre grünen Augen. Seine Frau rang sich ein Lächeln ab. „Es geht mir gut. Du solltest versuchen, noch etwas zu schlafen. Mach dir keine Sorgen um mich."
Boromir hob eine Braue. „WIR sollten etwas Schlaf bekommen." Er ließ ihr keine Zeit zu widersprechen und presste sie fest an sich. Er küsste ihre Schulter. „Sieh mal, das Schlimmste was ihm passieren könnte wäre doch, dass Pippin ihm einen Besuch abstattet und ihn bittet, auf seinen Sohn Faramir aufzupassen, nicht wahr?" Er sah ihr ins Gesicht und – hey! – das war ja fast ein Lächeln! Boromir fühlte sich erleichtert.
Sie hatte sich beruhigt und nun wusste er, dass er ruhig einschlafen konnte, ohne am nächsten Morgen aufzuwachen und seine Frau völlig erschöpft mit ihrem Schwert in der Hand im Hof vorzufinden – bereit, nach Minas Tirith aufzubrechen.
„Lass mich doch einfach in Ruhe, Halaf. Ich habe deine dummen Scherze satt!" rief Luthawen ärgerlich. Der junge Mann stellte sich herausfordernd vor sie. Er grinste das Mädchen an. „Ach komm schon, Lutha, nur ein Kuss! Was kann denn daran so schlimm sein? Ich habe gehört, dass sich deine Mutter in deinem Alter nicht so spröde angestellt hat!" Luthawen verpasste ihm eine schallende Ohrfeige.
„Du solltest deine Zunge besser im Zaum halten, Halaf. Ich habe gehört, dass dein Vater das erste menschliche Wesen war, das deine Mutter geküsst hat." Die anderen Jungs, die sie umringten, brachen in Gelächter aus. Halaf wurde knallrot. Er packte das Mädchen bei den Schultern und begann sie heftig zu schütteln.
„Was hast du grad gesagt?" Luthawen kniff die Lippen zusammen. „Wasch dir mal die Ohren. Ich werde es nicht noch mal sagen!" Jetzt war der junge Mann völlig außer sich. „Deine Mutter ist doch nur ne Elbenschlampe und dein Vater..." Luthawen trat ihm gegen das Schienbein. „Halt den Mund, ja?"
Sie waren so in ihren Streit vertieft, dass sie gar nicht bemerkten, wie jemand die Straße entlang kam.
„Du bist doch so hässlich, Lutha! Kein Mann wird sich je in dich verlieben und dann wirst du wie deine Mutter in den Krieg ziehen müssen und hoffen, dass sich jemand für dich findet, der so blind wie dein Vater ist!" Das Mädchen war drauf und dran, ihm einen kräftigen Tritt ins Gemächt zu verpassen, als sie hinter sich ein dröhnendes Lachen vernahmen. Sie drehten sich um und sahen einen exotisch aussehenden Mann auf einem prächtigen Pferd hinter ihnen.
Die Jungs wurden still und die Mädchen hielten erstaunt den Atem an. Der Reiter glitt vom Pferd und ging auf Luthawen zu. „Wenn mich meine Augen nicht trügen, dann ist das doch meine liebe Lutha!" rief er fröhlich. Luthawen lachte laut und warf sich in seine Arme. „Olbern! Wie lange ist es her, dass wir uns nicht gesehen haben? Es müssen bestimmt zwei Jahre sein! Wie geht es dir? Was führt dich hierher?"
Der junge Beorninger wirbelte sie herum und grinste sie breit an. „Ich habe mir einfach gedacht, dass es nett wäre, dich mal wiederzusehen. Meine Güte, du wirst von Tag zu Tag schöner!" Er umarmte das Mädchen heftig. „Wie geht es deinen Eltern? Komm, lass uns zu ihnen reiten. Ich kann es kaum erwarten, sie wiederzusehen!" Er nahm sie bei der Hand und führte sie zu seinem Pferd.
Bevor er sie auf den Rücken des Tieres hub, fiel ihm etwas ein. Er schlug sich mit der flachen Hand gegen die Stirn. „Du liebes bisschen! Fast hätte ich es vergessen! Ich habe dir ja etwas mitgebracht!" Er lächelte und fasste in seine Manteltasche. Daraus zog er einen schmalen Silbergürtel hervor. „Der ist von den Zwergen. Als ich ihn sah, musste ich so an dich denken. Ich dachte, dass er dir bestimmt gut stehen würde."
Luthawen umarmte ihn und legte den Gürtel an. Er betrachtete sie voller Bewunderung. „In der Tat, das war genau das richtige Geschenk für dich. Er steht dir ausgezeichnet. Er macht dich sogar noch hübscher." Er half dem Mädchen aufs Pferd und sie preschten davon, in Richtung des Landhauses ihrer Eltern. Luthawen konnte es sich nicht verkneifen, Halaf und den anderen einen spöttischen Blick über die Schulter zuzuwerfen.
Der junge Beorninger wurde herzlich willkommen geheißen. Boromir und Laietha freuten sich sehr, ihn zu sehen und Aiglos war ganz begierig darauf zu erfahren, an welche fremden Orte es Olbern im Dienste seines Vaters verschlagen hatte. Bereg leistete gute Arbeit als Anführer seines Volkes. Die Lage seiner Leute hatte sich sehr verbessert. Sie waren gute Freunde Gondors und standen im Handel mit den Elben Düsterwalds. Einige von ihnen waren sogar nach Rohan gezogen. Die Dinge standen also bestens. Laietha und Boromir lächelten Olbern wohlwollend an. Sie waren mehr als bereit, die Fehler einiger Beorninger zu vergessen, die sich vor so vielen Jahren ereignet hatten.
Abends saßen sie zusammen am prasselnden Kaminfeuer. Olbern saß neben Aiglos, der von seinen Geschichten gar nicht genug bekommen konnte. Von Zeit zu Zeit sah er schüchtern zu Luthawen herüber, während er ihnen erzählte, wie es ihm in den vergangenen zwei Jahren ergangen war.
Laietha musste grinsen, als sie die beiden so sah. Auch Boromir beobachtete die zwei, allerdings eher skeptisch. Er mochte den jungen Mann, keine Frage, aber für seinen Geschmack schenkte er seiner kleinen Tochter ein wenig zu viel Aufmerksamkeit. Er versuchte, den Jungen mit seinen Blicken zu durchbohren. Laietha verpasste ihm einen Stoß in die Seite. Dann wandte sie sich ihrem Gast zu. „Olbern, wie alt bist du jetzt?" Sie schüttelte verwundert den Kopf.
Als sie ihn das erste Mal gesehen hatte, war er ein Kind gewesen und nun war er zu einem gutaussehenden jungen Mann herangewachsen. „Zweiundzwanzig, Frau Annaluva," erwiderte er und entblößte eine Reihe perfekter weißer Zähne. Laietha lachte. „Du liebes bisschen! Wie die Zeit vergeht! Hast du denn eine Freundin?" Der Mann errötete und Boromir straffte sich.
„Laietha, er ist doch noch viel zu jung für eine Freundin!" schnappte er. Laietha schüttelte den Kopf, aber Luthawen tat so, als hätte sie gar nicht bemerkt, dass ihre Eltern etwas gesagt hätten. „Du meine Güte, zweiundzwanzig! Ich wünschte, ich wäre zweiundzwanzig!"
Als Aiglos das Gefühl hatte, dass er nicht mehr beachtet wurde, gab er mürrisch den Platz an Olberns Seite auf. Laietha sah, dass Luthawen auf den freien Platz spekulierte und bemerkte, dass auch ihr Mann den freien Sitz erspäht hatte und im Begriff war, sich dorthin zu setzen, bevor seine Tochter das selbe tun könnte. Sie reagierte blitzschnell. Laietha stand auf und packte ihren Mann, der sich gerade erheben wollte, um sich neben Olbern zu setzen, am Ärmel und wollte ihn aus dem Raum ziehen.
Boromir sah sie ein wenig verstört an. Sie lächelte sanft. „Willst du mir nicht helfen, unserem Gast ein Zimmer fertig zu machen?" fragte sie schelmisch. Boromir sah sie verwirrt an. „Das schaffst du bestimmt auch ohne mich. Ich bin sicher, ich wäre dir dabei nur im Weg," gab er hastig zurück.
Als er sich wieder Olbern zuwandte, sah er, dass seine Tochter die Gelegenheit genutzt und sich neben ihn gesetzt hatte. Mürrisch drehte er sich wieder um, aber seine Frau war schon verschwunden. Luthawen beanspruchte Olberns ganze Aufmerksamkeit und ihm blieb nichts anderes mehr übrig, als sich auf seinen alten Platz zu setzen und wachsame Blicke auf seine Tochter und ihren Besucher zu werfen.
Laietha fand ihre Tochter im Garten sitzend. Sie beobachtete Olbern, der Aiglos gerade Unterricht im Schwertkampf gab und setzte sich neben sie. Eine Weile lang herrschte Schweigen. „Ich hätte Vater umbringen können!" platzte das Mädchen auf einmal heraus. Laietha lachte. „Im Namen der Valar, was hat er getan?"
Luthawen verzog das Gesicht. „Er blieb auf bis wir ins Bett gingen und hat uns keine Sekunde aus den Augen gelassen. Dabei dachte ich, er würde jeden Moment einschlafen und anfangen zu schnarchen!" Ihre Mutter musste sich zwingen, nicht in Gelächter auszubrechen. Das hörte sich wahrhaftig nach Boromir an. Sie strich dem Mädchen über die Haare und betrachtete sie eine ganze Weile lang.
Ihr war gar nicht aufgefallen, was für eine hübsche junge Dame aus ihr in den letzten Jahren geworden war. Sie war hochgewachsen und schlank, nicht so kräftig wie ihre Mutter, und in ihrem Gesicht zeichneten sich nicht die Sorgen ab, die Laietha in ihrem Alter zu tragen hatte. Blasse Sommersprossen überzogen ihre Wangen und ihre Stirn und ließen sie irgendwie schelmisch wirken. Laietha lachte in sich hinein.
„Gib ihm Zeit. Es ist nicht leicht für ihn mit anzusehen, wie sein kleines Mädchen erwachsen wird." Sie selbst fand die Vorstellung ja absurd. Es schien ihr noch gar nicht so lange her, dass Luthawen zur Welt gekommen war. Luthawen seufzte. „Ich wünschte, er würde aufhören, mich so zu behandeln!"
„Hey, runter von meinem Bauch, Aiglos! Mann, du bist echt ein schwerer Brocken!" rief Olbern. Sie hörten Aiglos lachen. „Der Sieg ist mein! Mama, hast du das gesehen?" Der blonde Junge sprang von dem Beorninger runter und rannte auf seine Mutter zu. Laietha stand auf und nahm ihren Sohn voller Stolz in die Arme. „Ich bin so stolz auf dich. Meinst du nicht, wir sollten es gleich deinem Vater erzählen gehen?" Der Junge nickte eifrig und stürmte fort in Richtung seines Vaters, der sich auf der Wiese vor ihrem Haus ausgestreckt hatte, die Sonne genoss und laut schnarchte.
Als sie gingen, blinzelte Laietha ihrer Tochter mit einem Verschwörerlächeln zu. „Ich erwarte euch zwei zum Abendessen." Luthawen grinste breit zurück.
Olbern schüttelte seine braunen Locken und rannte zu Luthawen. Als er vor ihr zum Stehen kam, klopfte er schnell den Staub von seinen Sachen. Luthawen half ihm, ein paar verirrte Grashalme aus seinen Haaren zu sammeln. „Danke, dass du Aiglos hast gewinnen lassen. Er wird überglücklich sein." Olbern lächelte, errötete und winkte ab. Er sah Luthawen an. Die Sonne fing sich in ihren Haaren und ihre Wangen glühten. Ihre Blicke trafen sich und keiner von ihnen wusste so recht, was er sagen sollte.
Luthawens Hand berührte immer noch sein Haar. Sie wurde rot. Als sie die Hand wegziehen wollte, nahm Olbern sie in seine großen Hände. „Es ist wirklich lange her, dass wir uns das letzte Mal gesehen haben, Lutha." Er lächelte. „Weißt du noch, wie es war, als wir klein waren, Lutha? Wir haben im Palast deines Onkels gesessen und du hast mir beigebracht, wie man Karten spielt." Das Mädchen lachte.
„Natürlich weiß ich es noch! Wie könnte ich das je vergessen? Du warst so schüchtern und ich war so..." Olbern grinste. „Und du warst so ein Wildfang. Du bist auf Bäume geklettert und hattest immer Flausen im Kopf. Erinnerst du dich noch? Du hast gesagt, du würdest mein großer Bruder sein, weil du so tapfer warst und ich so..."
Luthawen wand sich voller Unbehagen. „Oh bitte hör auf damit, Olbern! Erwähne es nicht! Ich war so ein dummes Mädchen! Du warst doch älter als ich, und ich sagte, ich wäre dein großer Bruder..."
Olbern legte die Hand an ihre glatte Wange. Luthawen wurde still und blickte wieder in seine tiefen grauen Augen. Er war kein schüchterner Junge mehr. Aus ihm war ein stattlicher junger Mann geworden. Das Mädchen begann sich unsicher zu fühlen. Sie wollte ihn berühren, aber hatte Angst, er würde zurückweichen.
Olbern hatte sich einen Bart stehen lassen, wie ihr Vater und ihre Onkel. Luthawen lächelte. Obwohl ihre Hand tonnenschwer zu sein schien, schaffte sie es, sie zu heben und die Stoppeln an seinem Kinn zu berühren. Olbern lächelte sie warm an. Jetzt, da er ein wenig mutiger geworden war, wagte er es, ihr Gesicht in seine Hände zu nehmen, ohne seine Blicke von ihr zu wenden. Er kam dichter an sie heran und Luthawen hielt den Atem an. Ihr Herz schlug schneller und sie schloss ihre Augen, während sie ihre Lippen leicht öffnete...
„Luthawen! Deine Mutter sagt, es ist Zeit fürs Abendessen! Komm, Olbern, du musst am Verhungern sein!" Boromir eilte an ihre Seite und musterte den Beorninger streng. „Mein Sohn sagte, du hättest dir mit ihm einen guten Kampf geliefert, Junge." Boromir schlug ihm freundschaftlich auf die Schulter, legte seinen Arm um ihn und drängte sich zwischen die beiden, als sie zurück zum Haus gingen. „Vater, hör auf ihn Junge zu nennen! Er ist ein Mann!" rief Luthawen.
„Ein Mann..." murmelte Boromir kaum hörbar. Olbern lachte und wandte sich höflich an Boromir. „Ihr könnte es selbst gerne einmal versuchen, mein Herr. Ich wäre geehrt, mit einem so erfahrenen Krieger meine Klinge kreuzen zu dürfen, obwohl ich glaube, dass ich keine sehr gute Figur gegen euch machen dürfte." Boromir grinste breit.
„Na ja, wir werden sehen. Ich glaube, ich bin ein wenig aus der Übung. Lasst uns zuerst etwas essen. Jetzt ist die Zeit zum Essen, nicht zum Kämpfen," oder für etwas anderes, setzte er in Gedanken hinzu.
Zufrieden und gut gesättigt saßen sie im Wohnzimmer, erzählten Geschichten und genossen den schönen Abend. Boromir hatte sich neben Olbern gesetzt. Laietha rauchte genüsslich eine Pfeife und Aiglos lauschte gespannt den Geschichten von Beorningern, Elben und dem Düsterwald. Luthawen flocht ihre Haare und ließ dabei ihren Gast keine Sekunde aus den Augen.
Plötzlich hörten sie in der Ferne, wie sich Pferdegetrappel näherte. Boromir und Laietha tauschten einen Blick und griffen nach ihren Schwertern. Die Zeiten waren friedlich, aber sie wollten lieber auf Nummer sicher gehen. Olbern eilte an ihre Seite, als sie aus dem Haus traten. Sie konnten drei Gestalten erkennen, die sich zu Pferde schnell dem Haus näherten.
„Wer kann das sein?" murmelte Boromir und Laietha strengte ihre Augen an. Nach einer Weile seufzte sie erleichtert. „Es sind Elben. Elben kommen zu uns!" rief sie fröhlich aus. Sie winkte ihnen zu. „Suillad mellyn!2" jubelte sie. Sie hörten silberhelles Lachen und Luthawen und Aiglos eilten vors Haus. Sie waren neugierig, wer diese Besucher waren, denn man sah die Elben nur noch selten in diesen Gebieten.
„Das ist Onkel Elladan!" rief Luthawen fröhlich. Es war ganz leicht, ihn zu erkennen, denn kein anderer Elb trug seine Haare so kurz wie er. „Und Onkel Elrohir und Großvater!" fügte Aiglos erfreut hinzu.
Die Kinder sollten Recht behalten. Bald schon hatten die Elben das Haus erreicht und wurden freudig empfangen.
Boromir lauschte seiner Frau, die sich auf elbisch mit ihrer Familie unterhielt. Er und Olbern tauschten einen verzweifelten Blick, denn sie verstanden kein Wort von dem, was gesprochen wurde. Boromir wünschte sich, er hätte zusammen mit seinen Kindern dem Elbischunterricht seiner Frau beigewohnt, denn Luthawen und Aiglos lauschten den Elben aufmerksam.
Sie führten die Gäste ins Haus.
Herr Elrond verkündete ihnen, dass er sich auf den Weg gemacht hatte, um Aragorn einen Besuch abzustatten und da hatte es sich angeboten, eine kleine Rast im Haus seiner Ziehtochter einzulegen. Elrohir wollte danach seinen Weg in den Düsterwald fortsetzen. „Ich glaub, er hat da ne Flamme," flüsterte Elladan seiner Schwester ins Ohr und beide mussten grinsen.
Es wurde ein fröhlicher Abend. Sie tauschten Nachrichten aus Bruchtal aus und Laietha freute sich sehr, endlich wieder einmal mit ihrem Vater und ihren Brüdern beisammen zu sein. Elrohir blickte mit einem Lächeln auf Laiethas kleine Familie. Er genoss es immer wieder zu sehen, dass Laietha glücklich war. Bei Menschen spielt Zeit so eine andere Rolle, dachte er.
Eben waren Luthawen und Aiglos noch kleine Kinder gewesen und nun war seine Nichte eine junge Frau und sein Neffe auch schon richtig erwachsen. Aiglos' Stimme quietschte, als er seinem Großvater aufgeregt von dem errungenen Sieg über Olbern erzählte.
Boromir hielt seine Frau fest im Arm und lächelte zufrieden. Elrond dachte an die erste Begegnung mit dem Gondorianer und an die Bedenken, die er gegen den Mann gehegt hatte. Keine davon hatte sich als richtig herausgestellt. Niemals klagte Laietha über ihn und der Elbenherrscher selbst hatte gesehen, dass der Mann seine Ziehtochter aufrichtig liebte.
„Ich soll dich herzlich von Faelgil grüßen," sagte der Herr Bruchtals und Laietha strahlte vor Freude. Nun musste Elrond ihr haarklein berichten, wie es ihrem alten Freund ging. Der Goldschmied und Melanna waren sehr glücklich und ihr erstes Kind war vor wenigen Wochen gesund geboren worden. Diese Neuigkeit sorgte für große Aufregung und Freude.
Mit einem neugierigen Lächeln betrachtete Elladan, wie Luthawen und Olbern miteinander sprachen. Der Elb konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. Der große Beorninger errötete und erbleichte abwechselnd, wenn das junge Mädchen zufällig seine Hand berührte. Elladan bemerkte auch die giftigen Seitenblicke, die Boromir dem jungen Mann zuwarf. Er feixte still in sich hinein.
Erst lange nach Mitternacht, als die Flammen im Kamin schon längst verloschen waren, machten sie sich daran, zu Bett zu gehen. Elrond trat zu seiner Tochter, die schon den ganzen Abend über nachdenklich ausgesehen hatte. Er konnte sich schon fast denken, was in der Frau vorging.
„Willst du uns nicht begleiten, Tochter? Du hast deinen Bruder doch gewiss auch schon lange nicht mehr gesehen." Damit wandte er sich um und begab sich in das Zimmer, das man ihm zugewiesen hatte. Laietha lächelte. Eigentlich war es eine gute Idee. Sie würde es gleich am nächsten Tag mit ihrer Familie besprechen.
Boromir und die Kinder waren von der Idee nach Minas Tirith zu reisen mehr als begeistert und so entschloss man sich, die Sachen zu packen und die Abreise für den nächsten Tag festzulegen. Olbern hatte sowieso zu Aragorn reisen sollen, weil ihm sein Vater aufgetragen hatte, dort als Vertreter seines Volkes Aragorn einen Gruß zu überbringen. Außerdem sah er so die Gelegenheit, noch mehr Zeit mit seiner alten Freundin Luthawen verbringen zu können.
Laietha räumte das Geschirr in die Küche und Aiglos trug einen Eimer mit Wasser aus dem Brunnen ins Haus. Die übrigen Gäste und Boromir hatten sich vor der Tür auf einer kleinen Bank niedergelassen und lauschten aufmerksam Herrn Elrond, der ein paar alte Lieder zum besten gab. Laietha küsste ihren Sohn auf die Stirn. Er war in der letzten Zeit viel gewachsen.
„Soll ich dir noch beim Abwasch helfen, Mama?" Die Kriegerin lachte und gab ihm einen Klaps auf den Po. „Nein, lass nur, ich schaffe das schon alleine. Bring lieber deinem Vater und unseren Gästen etwas zu Trinken. Deine Schwester kann dir dabei ruhig helfen!" Luthawen, die bis eben fasziniert aus dem Fenster gestarrt hatte, wurde rot und eilte sich, ihrem Bruder zur Hand zu gehen. Sie trugen zusammen Bier für Boromir und Olbern und Wein für die Elben hinaus.
Es war ein warmer Sommerabend im August und alle genossen die relative Kühle. Lange würden sie nicht mehr aufbleiben, aber es war sehr gemütlich. Die Sonne versank langsam hinter den Gipfeln der Berge und der kleine Bach in der Nähe des Hauses murmelte leise sein Lied. Aiglos nahm sich ein Glas Apfelsaft und setzte sich zu den Männern. Sehnsüchtig schielte er zu Olbern hinüber, der einen großen Schluck von dem kalten Gerstensaft nahm. Boromir bemerkte seinen Blick.
Er hielt dem Jungen seinen Krug hin. „Hier mein Junge, aber kein Wort zu deiner Mutter davon!" Aiglos wuchs vor Stolz und nahm einen großen Zug. Es schmeckte zwar scheußlich bitter, aber er verzog keine Miene, denn nun endlich war er schon fast ein richtiger Mann.
Luthawen schüttelte den Kopf und ging zurück ins Haus.
In der Küche hörte sie das Klappern von Geschirr, während ihre Mutter den Abwasch erledigte. Laietha summte leise vor sich hin, wie immer, wenn sie mit der Hausarbeit beschäftigt war. Luthawen lächelte, denn sie kannte das Lied ganz genau.
Es donnert laut des Bruinen Wasser,
hinab vom schiefergrauen Fels,
die Kieselsteine werden nasser,
gewaltig ist die Macht des Quells.
Luthawen lächelte ihre Mutter an, die sich hastig umgedreht hatte, als die klare Stimme ihrer Tochter hinter ihr ertönt war. Nun lachte sie und setzte den Gesang fort.
Versteckt vor unerwünschten Blicken
Versteckt wohl zwischen grauem Stein,
einmal entdeckt wird es entzücken,
der Noldor letztes trautes Heim.
Mutter und Tochter lachten leise und während Laietha die verbliebenen Teller spülte, stimmten sie die letzte Strophe gemeinsam an.
Imladris – Heim in rauen Bergen,
dein Hausherr Elrond lässt den ein,
der Schutz sucht vor des Bösen Schergen.
Nun sollst du meine Zuflucht sein.
Laietha trocknete das Geschirr ab und Luthawen setzte sich auf den Küchentisch. Sie spielte gedankenverloren an dem Gürtel, den ihr Olbern geschenkt hatte. „Mutter, wie hast du gemerkt, dass du in Vater verliebt bist?" Laietha schmunzelte vor sich hin und fuhr mit ihrer Arbeit fort.
„Das ist schwer zu sagen. Ich habe mich in deinen Vater verguckt, als ich ihn das erste Mal im Stall stehen sah." Sie grinste und stellte das Geschirr in die Schränke. Luthawen half ihr dabei, vermied aber, sie anzusehen. „Wie hast du denn gemerkt, dass du dich verliebt hast und ihn nicht nur gerne hast?"
Luthawen wischte mit akribischer Genauigkeit den schweren Eichentisch ab. „Es war so ein Kribbeln im Bauch..." „...als wenn lauter Tiere darin wären?" Laietha lachte. „Ja." Eine Weile lang herrschte Stille. „Und irgendwann merkte ich, dass ich nirgendwo lieber als in seiner Nähe sein wollte – und das für immer."
Luthawen sah sie neugierig an. Sie errötete. „Oh, das ist gut. Ähm...ich werde dann schlafen gehen. Gute Nacht, Mutter." Schnell drückte sie ihrer Mutter einen Kuss auf die Wange und huschte in ihr Zimmer, bevor sie Laietha noch Rede und Antwort stehen müsste.
Die Kriegerin lachte und nahm sich selbst ihre Pfeife und einen Krug Bier. Dann schlenderte sie vor die Haustür und ließ sich neben ihrem Mann nieder. Nach einer Weile schickte sie Aiglos ins Bett und bald darauf gingen auch sie und sie Gäste schlafen. Sie wollten am nächsten Morgen nicht lange nach Sonnenaufgang aufbrechen.
1 Nein!
2 Seid gegrüßt, Freunde!
