„Was für ein herrlicher Morgen!" Sam sprang aus dem Bett und riss das Fenster auf. Die Sonne hatte schließlich über den Regen gesiegt und die Wolken zerrissen. Nun schien sie mit voller Kraft, wie um sich mit allen Reisenden auszusöhnen. Der Geruch von nasser Erde lag in der Luft und es war angenehm kühl. Pippin gähnte herzhaft. „Oh Sam, wie kannst du so früh am Morgen nur schon so gute Laune haben?" Sam begann zu lachen. „Früh am Morgen? Hat man schon mal so eine Schlafmütze gesehen? Die Sonne steht bereits hoch am Himmel! Ich will endlich Streicher wiedersehen und wir sind nur noch einen Tag von Minas Tirith entfernt! Ich will dort ankommen, bevor er verheiratet ist!"

Frodo lachte laut. Das sah seinem Freund wieder mal ähnlich. „Sam hat vollkommen Recht! Raus aus den Federn, meine Herren, oder wir werden ohne Frühstück abreisen müssen!" Diese Drohung zeigte Wirkung und geschwind waren nun auch Merry und Pippin aufgestanden. Die vier Freunde wuschen sich und zogen ihre saubere Kleidung an, denn die Frau des Hauses war so gut gewesen, ihre Kleider für sie zu waschen und in Ordnung zu bringen.

Nach einem guten und reichlichen Frühstück, machten sie sich auf den Weg. Die Ponies waren ausgeruht und die Hobbits hatten sich noch Proviant geben lassen. Nun stand ihrem Aufbruch nichts mehr im Wege. Das Wetter war ihnen hold und die Sonne schickte ihre wärmenden Strahlen über das Land, obwohl es in der Nacht mächtig geregnet haben musste. Fröhlich singend ritten sie auf die Weiße Stadt zu, die sie nun schon weit am Horizont ausmachen konnten.

Die Leute, die ihnen unterwegs begegneten, musterten sie neugierig, aber freundlich. Am Ende des Tages kehrten sie in einem kleinen Gasthaus am Ende des Steinkarrentals ein und rieben sich die schmerzenden Hinterteile. Sie alle würden froh sein, wenn sie am nächsten Tag endlich Minas Tirith erreichen würden und ihre Reise ein Ende hätte.

Es gab an diesem Abend nur ein Gesprächsthema bei den Freunden – Aragorns Braut. Wie würde sie wohl aussehen? Sie waren wirklich furchtbar aufgeregt und Frodo verkündete laut, dass er kaum hungrig war – was sich als kapitaler Fehler erwies, denn Pippin nahm diese Aussage zum Anlass, um ihm sein Essen vom Teller zu stibitzen. Satt wurden trotzdem alle, denn die Wirtsleute gaben sich große Mühe, ihre kleinen Gäste so gut wie möglich zufrieden zustellen.

Während Merry, Pippin und Frodo nach einigen Krügen guten Bieres ein paar fröhliche Lieder anstimmten, saß Sam nachdenklich am Kaminfeuer und zog an seiner Pfeife. Sein Freund trat auf ihn zu. „Was ist mit dir, lieber Sam?" Der Gärtner lächelte und schüttelte den Kopf. „Oh, ich habe nur versucht mir auszumalen, wie die Braut unseres guten alten Streichers aussehen mag. Er hat es wirklich verdient, die schönste und gütigste Frau Mittelerdes zu bekommen."

Frodo lächelte verschmitzt und klopfte ihm freundschaftlich auf die Schulter. „Die Chancen stehen zwar gegen eine elbische Frau, aber ich denke, dass sie nichtsdestotrotz wunderschön und durch und durch liebenswert sein wird." Sie lachten sich an und bald begaben sich die vier Freunde auf ihre Zimmer. Nur noch ein Tag trennte sie von Minas Tirith und sie konnten es kaum noch erwarten, endlich anzukommen.

Die Palastwachen starrten ungläubig auf die Fremden, die sich vor den Toren der Stadt versammelt hatten – es war eine gewaltige Armee, alle schwer bewaffnet und in funkelnder Rüstung. Die Menschen sahen exotisch aus. Ihre Haut war dunkelbraun, ihre Augen schwarz und ihr Haar hatte die Farbe von Pech. Es glänzte in der Sonne. Noch nie zuvor hatten die Wachen Gondors solche Waffen gesehen. An den Seiten der Soldaten hingen gebogene, prächtig verzierte Schwerter und Säbel. Die Pferde der Männer sahen wild und ungestüm aus – sie wären den Rössern Rohans ebenbürtig gewesen. Die Armeen standen sich stumm gegenüber, aber niemand wagte es, auch nur einen Schritt auf die anderen zuzumachen.

Endlich kam auch Aragorn an die Stadtmauer. Er gähnte und rieb sich den Schlaf aus den Augen, obwohl es bereits später Vormittag war. „Was soll denn so wichtig sein, dass man einem Mann nicht einmal seinen wohlverdienten Schlaf gönnt?" Der Hauptmann Aragorns Wache schlug die Hacken zusammen und erstattete Meldung.

„Mein Herr, diese Männer kamen vor gut einer Stunde hier an und verlangen Einlass in die Stadt. Sie sagten, sie kämen in Frieden..." Seinen Augen war anzusehen, dass er mehr als misstrauisch war. Mornuan huschte mit einem strahlenden Lächeln an seine Seite. „Das sind liebe Gäste meines Volkes, die zu unserer Hochzeit erschienen sind, mein Liebster," schmeichelte sie. Der Hauptmann sah seinen König mit großen Augen an und erwartete seinen Befehl.

Noch immer verharrte das Heer vor der Stadt in beispielsloser Disziplin. Selbst die Tiere zuckten mit keinem Muskel. Die Soldaten Gondors hingegen waren mehr als unruhig und fingerten nervös an ihren Schwertern herum. Aragorn sah seinen Hauptmann an, als wäre er ein dummes Kind. „Hast du nicht die Worte deiner zukünftigen Königin gehört? Lass die Gäste schon ein und sorge dafür, dass man ihnen die besten Quartiere der Stadt zuweist!" Damit ergriff er seine Braut und zog Mornuan zurück in Richtung ihrer Gemächer.

Aragorn ließ sich in die weichen Kissen sinken und Mornuan streichelte seine Brust. „Du musst durstig sein, Liebster. Trink." Sie gab ihm eine kleine Phiole mit roter Flüssigkeit und er leerte sie in einem Zug. Plötzlich fühlte er sich schwindelig und als er die Augen schloss, begann sich alles vor ihm zu drehen. Er presste die Hände an seine Schläfen und fühlte, wie er in eine Dunkelheit stürzte, die finsterer als eine mondlose Nacht zu sein schien. Plötzlich spürte er Mornuans warme Lippen auf seinen und er zog Trost aus diesem Funken Wärme, in seiner plötzlich so entsetzlich kalten Welt.

„Warum sollten wir so lange warten, mein Geliebter. Willst du mich nicht bald zu deiner Frau machen? Was hindert dich daran, mich bald zum Weib zu nehmen?" Die Dunkelheit lichtete sich vor seinen Augen und alles was blieb, war Mornuans schönes Gesicht. Er versuchte herauszufinden, was gegen eine baldige Hochzeit sprechen könnte, aber es wollte ihm nichts einfallen, also nickte er. „So sei es. Wir werden morgen heiraten. Ich werde sofort gehen und alles Nötige veranlassen." Der Schwindel war verschwunden und Aragorn fühlte sich in seinem Herzen bestärkt – alles was er wollte, war morgen Mornuan zur Frau zu nehmen und sie zu Gondors Königin zu krönen. Schnellen Schrittes und von neuer Kraft erfüllt verließ er das Gemach.

Nach einigen Minuten klopfte es an der Tür zu ihrem Gemach und Mornuan öffnete. Hinein trat einer der Männer, die vor kurzem eingetroffen waren. Er begrüßte Mornuan mit einem Kuss. „Alles ist bereit, Herrin. Die Männer haben ihre Posten bezogen und erwarten eure Befehle." Mornuan lächelte und trat ans Fenster. Das Gefühl des Triumphes baute sich in ihrem Magen auf und sie lachte laut.

„Menschen sind so einfach zu täuschen. Aragorn, stolzer König der Menschen, dem sogar Sauron nichts anhaben konnte – ich habe seinen Willen gebrochen, bevor er nur ahnte was vor sich ging. Sogar seine Schwester hat er zum Tode verurteilt, als ich es befahl." Sie drehte sich um und sah den Mann an, der geduldig in der Tür stand, ohne eine Miene zu verziehen.

„Morgen werde ich Königin von Gondor sein. Nicht jedem wird diese Idee gefallen. Mach deine Männer bereit. Sie sollen ohne Gnade Kind, Weib und Greis - kurzum jeden töten der zu bezweifeln wagt, dass Mornuan die rechtmäßige Herrin dieses Gebietes ist." Der Soldat nickte und knallte die Hacken zusammen. Mornuan entließ ihn. Zufrieden lächelte sie und ließ sich aufs Bett sinken. Lange hatte sie auf diesen Tag gewartet und jetzt war er zum Greifen nahe. Alles fügte sich so, wie sie es geplant hatte.

Faramir hatte mit Schrecken den Einzug der fremden Soldaten gesehen und ihm war auch nicht entgangen, auf wessen Befehl dieses Heer in die Stadt geleitet worden war. Sie konnten nicht mehr auf Aragorn zählen. Faramir war Taktiker genug um zu wissen, dass die Stadt verloren war, wenn Mornuan den Befehl gab, Gondors Heer aufzulösen und ihre eigenen Männer die Stadt übernehmen würden – und das würde zweifelsohne geschehen. Er musste Hilfe holen gehen, denn langsam wurde die Situation brenzlig. Er musste seinen Bruder und Laietha warnen. Sollten sie mit Elrond zurückkehren und die Stadt besetzt finden wären sie tot, bevor sie auch nur einen Fuß in die Stadt setzen konnten.

Der Fürst Ithiliens berichtete seiner Frau davon und Eowyn gab ihm recht. Er musste aufbrechen und die anderen informieren. „Du solltest sofort gehen, Faramir. Ich werde nach Edoras reiten und Eomer um Hilfe bitten. Ich habe das Gefühl, dass Mornuan kurz vor ihrem Ziel steht und die Zeit drängt nun."

Faramir stürmte die Treppen hinauf und packte seine Sachen. Dann verabschiedete er sich von seinen Kindern. Als er ins Wohnzimmer trat fand er Eowyn, die gedankenverloren ihr Schwert in der Hand wog. Es beunruhigte ihn, sie so zu sehen. Schnell ließ sie die Waffe sinken als sie ihn sah. „Ich werde morgen in aller Frühe mit den Kindern aufbrechen," sagte sie und Faramir fiel ein Stein vom Herzen. Er war froh, wenn seine Familie außer Gefahr war.

Faramir gab ihr einen Abschiedskuss und machte sich auf, um die Stadt zu verlassen. Voller Unbehagen sah er die fremden Soldaten die begannen, sich an strategisch wichtigen Posten aufzustellen. Er musste sich beeilen. Als er die Stadt verlassen hatte, gab er seinem Pferd die Sporen. Boromir und die anderen hatten gut einen Tag Vorsprung. Er würde nicht eher rasten, als dass er sie gefunden hatte.

Er wusste noch nicht genau, was sie im Falle eines Krieges ausrichten können würden, aber zunächst war es wichtig zu verhindern, dass Mornuan Aragorn heiratete. Eines stand für ihn fest – wenn Mornuan erst Königin wäre, würde sie Aragorn töten lassen, denn sie hatte ja auch nicht gezögert, Laietha aus dem Weg räumen zu lassen. Er trieb sein Pferd noch mehr zur Eile an.

Luthawen hatte die Zeit bei den Beorningern sehr genossen. Sie hatte viel über Heilkräuter, die nur im Düsterwald wuchsen, gelernt und ihr Großvater hatte sie sehr gelobt. Sie war ihm oft zur Hand gegangen, wenn er sich ein paar kranke Beorninger angesehen hatte. Es machte ihr Spaß, den Kranken zu helfen und Olbern war jedes Mal voller Stolz gewesen, wenn er seine schöne Freundin dabei beobachtet hatte. Luthawen hatte wirklich ein Herz aus Gold.

Die Sonne begann unterzugehen und Olbern klopfte sachte an der Tür zu Luthawens Zimmer. Sie wollten am nächsten Tag aufbrechen und mit Herrn Elrond und seinem Sohn nach Minas Tirith reiten. Bereg und ein paar seiner Männer würden sie begleiten. Luthawen bat ihn hinein.

Sie saß am Spiegel und bürstete ihr Haar. Olbern küsste sie sanft auf die Stirn und nahm ihr die Bürste aus der Hand. Dann begann er, sich seinen Weg durch die dichte Lockenpracht zu bahnen. Luthawen schloss genüsslich die Augen und lächelte. Olbern konnte nicht widerstehen und hauchte ihr einen Kuss auf die bloße Schulter. Das Mädchen errötete, zog sich aber nicht zurück. Sie wagten nicht zu sprechen.

Olbern war fast ein wenig traurig. Nach der Hochzeit von König Elessar würde Luthawen wieder mit ihren Eltern in das Landhaus am Firienwald ziehen und er würde sie lange nicht mehr sehen können. Allein bei dem Gedanken daran, krampfte sich sein Herz schmerzhaft zusammen. Er sprach nicht davon, denn schließlich wollte er Luthawen nicht zu irgend etwas zwingen, das sie gar nicht wollte.

Er sog jeden Augenblick in sein Herz auf, damit er diese Zeit nie vergessen würde. Es wurde spät und schließlich legte Olbern die Bürste zur Seite. Die roten Locken flossen über Luthawens Schultern und wie sie so im Mondlicht vor ihm saß, war sie für ihn die schönste Frau der Welt – so schön, dass er fürchtete, alles wäre nur ein Traum.

Luthawen ging zu ihrer Tasche und zog ein kleines Bündel mit Kräutern hervor. Sie drückte es Olbern in die Hand. „Hier, gib das bitte der Frau von Beorel. Es wird ihr bei ihren Beschwerden helfen. Ich habe es heute Nachmittag vergessen." Olbern lächelte. Sie dachte immer so viel an andere.

Ihre Hände berührten sich, als er ihr die Kräuter aus der Hand nahm und sie sahen sich lange an. Olbern presste seine Lippen sanft auf ihre und Luthawen schmiegte sich dicht an ihn. Er strich ihr sachte über den Rücken und auch sie erwiderte die Liebkosungen, aber etwas war anders als sonst. Fast ein wenig erschreckt wich Olbern von ihr, aber Luthawen lächelte ihn wohlwollend an. Ohne ein weiteres Wort zu verlieren, löste sie die Bänder an ihrem Kleid und der dünne Stoff glitt zu Boden. Olbern schluckte, als er sie so vor sich stehen sah und sie wurden beide gleichzeitig rot.

Jetzt war es zu spät, um zu zaudern. Luthawen trat dicht an ihn heran und sah ihn lange an. Ihr Herz konnte sich nicht entscheiden, ob es stillstehen oder rasen sollte und es dauerte eine unendlich lange Zeit, bis Olbern genug Mut fand, sie in seine Arme zu ziehen. Die Nacht deckte den Düsterwald mit einem Schleier aus Dunkelheit zu und eng umschlungen ließen sich die beiden Liebenden in die Kissen sinken. Sie ließen nicht voneinander ab, bis die goldene Morgensonne sich ihren Weg durch das dichte Blätterdach bahnte und sich in den glänzenden Augen der jungen Leute spiegelte.

Olbern sagte kein Wort und auch Luthawen schwieg. Er streichelte sachte ihr Haar, unfähig, in Worte zu fassen, was er empfand. „Bereust du etwas?" fragte er schließlich und Luthawen lächelte leicht. „Nein, gar nichts." Trotzdem schien Olbern etwas seltsam an ihrer Miene. Sie hatte sich verändert im Laufe der Nacht. Woran es lag, vermochte der junge Beorninger nicht zu sagen.

Er küsste sie und schob all die verschiedenen Gedanken, die ihm durch den Kopf gingen zur Seite. Er wollte diesen wundervollen Morgen genießen, denn schließlich würden sie heute aufbrechen und würden keine Gelegenheit mehr haben, so ungestört beieinander zu sein.

Am späten Nachmittag trafen die Hobbits endlich in Minas Tirith ein. In der Stadt herrschte ein Gewimmel wie in einem Ameisenhaufen. Die Leute eilten hin und her, um die Stadt für das bevorstehende Fest zu schmücken. „Da sind wir wohl gerade recht gekommen, was?" bemerkte Pippin und die anderen Freunde stimmten ihm zu. „Gewiss werden wir die letzten sein," grummelte Sam.

Sie alle waren nun schon sehr aufgeregt und freuten sich darauf, Aragorn wiederzusehen und seine Braut kennen zulernen. „Und außerdem könnte ich schon etwas zu Essen vertragen!" setzte Merry hinzu. Alle lachten laut. Sie ritten schnurstracks zum Palast und wurden von den älteren Soldaten fröhlich begrüßt. Pippin suchte mit seinen Blicken nach Bergil, aber er wusste, dass der junge Mann unter Faramirs Befehl stand, also würde er ihn nach Dienstschluss aufsuchen. Erst mal hatte der König Vorrang.

Als die Hobbits den Palast betraten, sahen sie sich verwundert um. Statt der gondorianischen Stadtwache wurden die Tore zu Aragorns Reich von seltsamen Volk bewacht. Sie waren dunkelhäutiger als die Menschen Gondors, aber allein schon ihre Rüstungen und Waffen waren von größter Kostbarkeit.

Die gondorianischen Soldaten, die sie bis zum Palast gebracht hatten, beäugten ihre neuen Kollegen skeptisch. Zwar weigerten sich die fremden Soldaten, die Hobbits hinein zu lassen, aber schließlich konnte die alte Palastwache die Männer doch davon überzeugen, dass es sich nicht um Kinder, sondern Freunde des Königs handelte. Die Hobbits warfen sich vielsagende Blicke zu. Tja, die Gastfreundschaft war ein wenig anders als sonst, aber sicher hatte das nur etwas mit der bevorstehenden Hochzeit zu tun. Schließlich wollte niemand ein Attentat auf den König riskieren.

Sie durchschritten die langen Gänge und waren schon sehr aufgeregt. Schließlich hatten sie ihren Freund schon seit gut drei Jahren nicht mehr gesehen. Sam entdeckte im Vorübergehen noch mehr dieser seltsamen Soldaten, aber niemand von ihnen kehrte sich daran.

Zu ihrer Überraschung war Aragorns Arbeitszimmer verlassen und so beschlossen sie, sich auf den Weg zu seinen privaten Gemächern zu machen. Vor der Tür zu seinem Gemach trafen sie eine wunderschöne Frau mit rabenschwarzem glatten Haar. „Schwarzes Haar, Merry. Ich hab's dir ja gesagt, dass er eine Frau aus seinem Volk erwählen wird," triumphierte Pippin. Sein Cousin grummelte leise. „Schon gut, ich werde daheim drei Tage für dich kochen und den Abwasch machen. Ein Mann, ein Wort."

Sam gab ihnen einen kräftigen Stoß in die Rippen, dann verbeugte er sich tief vor der Frau. „Ihr seid gewiss Aragorns Braut, nicht wahr?" Die Frau beugte sich lächelnd zu ihm hinunter. „Ganz recht. Darf man erfahren, wer ihr seid?" Sie verbeugten sich geschwind und nannten ihr ihre Namen.

Frodo fühlte sich plötzlich schlecht. In seinem Kopf drehte sich alles und seine Schulter begann zu schmerzen. Alle Farbe entwich aus seinem Gesicht und die Stimmen seiner Freunde klangen, als wären sie weit entfernt. Panisch sah er sich um. Er begriff zunächst nicht, was vor sich ging. Es war weder der Jahrestag seiner Nazgulwunde, noch konnte es etwas mit der Verletzung zu tun haben, die ihm Kankra beigebracht hatte. Frodo stützte sich mit der Hand gegen die Wand und kalter Schweiß trat ihm auf die Stirn.

„Ihr habt Glück, morgen werde ich Königin dieses Reiches werden – ihr seid gerade recht hier eingetroffen," lächelte Mornuan und Pippin verbeugte sich tief vor ihr. „Als Soldat Gondors stehe ich euch ganz zu Diensten, meine schöne Gebieterin!" Merry lachte und auch er verneigte sich. „Herrin, könnt ihr uns wohl sagen, wo sich der König befindet? Wir würden ihn zu gerne begrüßen!" Sie lachte und legte dem Hobbit ihre kühle Hand auf die Schulter. „Natürlich weiß ich es! Folgt mir!" Obwohl er verloren hatte musste Merry doch zugeben, dass er noch nie zuvor eine so schöne Frau gesehen hatte.

Frodos Schulter schmerzte noch mehr. Er wünschte sich nichts sehnlicher, als ein Zimmer zu bekommen und sich hinlegen zu können. Nun bemerkte auch Sam, dass mit seinem früheren Herren etwas nicht stimmte. „Was ist denn mit dir, Herr Frodo?" fragte er besorgt und blieb stehen. Auch die anderen hielten inne und Mornuan trat auf Frodo zu. „Ist etwas nicht in Ordnung?" fragte sie und legte ihm die Hand auf die Schulter.

Ein jäher Schmerz, als hätte man ihm einen Speer aus Eis durch die Schulter gejagt, begann in seinem Körper zu wüten und er konnte nicht anders, als ein Stöhnen zwischen den zusammengebissenen Zähnen hervorbringen. Sam war sofort an seiner Seite und stützte ihn. Frodo selbst begann zu zittern wie Espenlaub und brachte keinen Ton hervor. Eine tiefe Furcht erfüllte ihn. Diese Frau hatte etwas Furchterregendes an sich, als wäre sie ganz und gar böse.

Auch Merry und Pippin hatten sich mit besorgter Miene um ihren Freund gescharrt. „Wir sollten ihn in die Häuser der Heilung bringen. Dort wird man ihm sicher helfen können." Mornuan nickte und versprach, Aragorn zu benachrichtigen, dass seine Freunde dort auf ihn warten würden. Sie sah Frodo mitleidig an. „Wie schade, dass unsere erste Begegnung so unerfreulich verlaufen musste, aber ich denke, es wird nicht die letzte gewesen sein." Damit küsste sie ihn auf die Stirn und Frodo verlor das Bewusstsein.

Als er wieder zu sich kam, sah er das besorgte Gesicht von Sam über sich gebeugt. Ein Lächeln huschte über das Gesicht des Bürgermeisters von Hobbingen. „Endlich, Frodo, ich habe mir schon große Sorgen gemacht!" Vorsichtig fasste Frodo an seine Schulter, aber sie war von normaler Temperatur und tat auch nicht mehr weh. Das Schwindelgefühl in seinem Kopf war verschwunden und die Bewegungen schmerzten nicht mehr. Langsam sah sich Frodo im Raum um. „Wo sind Merry und Pippin?" fragte er, als er das Fehlen der beiden Freunde bemerkte.

Sie waren zu Bergil und Eowyn gegangen, erfuhr Frodo von Sam. Als die Heiler ihnen versichert hatten, dass sie keine Krankheit oder Verletzung bei Frodo hatten feststellen können, waren die beiden erleichtert von dannen gezogen und hatten beschlossen, ihre lieben Freunde zu besuchen. „Warum Streicher bis jetzt noch nicht hier war, weiß ich aber auch nicht, Herr Frodo. Das sieht ihm so gar nicht ähnlich." Frodo nickte langsam.

„Was war denn eigentlich mit dir los?" fragte sein Freund, als er aufstand, und sich wie selbstverständlich anzog. Die Heiler hatten keinen Krankheit feststellen können und trotzdem war Frodos Zustand beunruhigend gewesen.

„Es geht mir gut." Sam sah ihn an und bat stumm um Erklärung. Frodo setzte gerade zum Sprechen an, als es sachte an der Tür klopfte und Aragorn den Raum betrat. Die beiden Hobbits erschraken.

Aragorns Haar war fast weiß und er hatte es gewiss seit Tagen nicht mehr gewaschen. Der Bart war zottelig und ungepflegt, seine Kleidung liederlich und er schlurfte wie ein alter Mann. Sam öffnete und schloss den Mund ein paar Mal, aber er war so verdattert, dass kein Wort über seine Lippen kam. Frodo hingegen hatte einen Verdacht, und er würde ihn sofort ansprechen, denn die Erscheinung seines Freundes traf ihn wie ein Stich ins Herz.

„Aragorn, ich muss mit dir sprechen. Es ist wichtig." Aragorn sah ihn neugierig an, fast so, als bräuchte er einen Moment, um seinen Freund zu erkennen. In Frodos Schulter begann es leicht zu ziehen. Es war also noch nicht überstanden. „Worum geht es?" fragte der König und setzte sich zu Frodo aufs Bett. Der Hobbit legte ihm vorsichtig eine Hand auf den Arm. Es waren schließlich keine angenehmen Nachrichten, die er seinem Freund zu übermitteln hatte. „Es geht um deine Braut – um Mornuan."

Allein bei der Erwähnung ihres Namens leuchtete sein Gesicht, als wäre er Jahre jünger geworden und Frodo zuckte zusammen. Es tat ihm so leid, dass er Aragorn diese unangenehme Vermutung offenbaren musste. Der Schmerz in seiner Schulter aber erinnerte ihn daran, was er vor Aragorns Gemächern gefühlt hatte. Es war wichtig, dass der König es erfuhr. „Es tut mir leid, dir das zu sagen, aber sie hat etwas Schreckliches an sich."

Sam sah ihn aus großen Augen an und Aragorn erhob sich. Der König straffte sich und verschränkte die Arme vor der Brust. Das Schweigen lag erdrückend auf dem Raum und Frodo fuhr fort. „Als sie mich berührte, war es, als wäre ich von einem der Nazgul persönlich gestreift worden. Aragorn, diese Frau scheint durch und durch vom Bösen erfüllt zu sein. Ich meine, sieh dich doch mal an..."

Frodo biss die Zähne zusammen. In seiner Schulter begann der Schmerz erneut zu wüten. Sam und Frodo sahen Aragorn erwartungsvoll an, der eine gute Weile lang gar nichts sagte. Schließlich baute er sich zu seiner vollen Größe auf und Sam meinte den Waldläufer wiederzuerkennen, den sie vor so vielen Jahren getroffen hatten. Der König holte tief Luft und wandte sich an Frodo.

Laiethas Laune hatte sich nicht gehoben – im Gegenteil, sie verfiel immer mehr ins Grübeln. Boromir hatte es bemerkt und beobachtete es mit großer Sorge. Er konnte ihr nicht helfen, sie musste selbst damit fertig werden. Sie ritten nach Düsterwald, aber oft ertappte Boromir sie dabei, dass sie anhielt und nach Minas Tirith zurückschaute. Er wusste genau, was ihr durch den Kopf ging, denn schließlich war auch er zugegen gewesen, als Aragorn sein Urteil über sie gesprochen hatte.

Auch Bergil war die Stimmung seiner Freundin nicht entgangen. Als sie anhielten, um zu rasten, ging er zu ihr und legte ihr die Hand auf die Schulter. Sie sah ihn an, als wäre sie gerade erst aus einem Traum erwacht. Bergil grinste sie breit an und verbeugte sich tief vor ihr, so wie er es damals getan hatte, als er noch ein Junge gewesen war – und schrecklich verliebt in sie.

„Frau Annaluva, darf ich euch um einen Gefallen bitten?" Sie musste über seine Förmlichkeit schmunzeln. Mit einem Nicken bedeutete sie ihm, zu sprechen und erwartete mit hochgezogenen Augenbrauen seine Bitte. „Unterweist mich ein wenig mehr im Schwertkampf." Natürlich hatte sie über Aragorn nachgedacht, aber nun musste sie einfach laut lachen. Sie zerzauste ihm das Haar. „Aber erwarte nicht zu viel von mir – ich bin ordentlich aus der Übung!"

Sie hatte keine Zeit mehr gehabt, ihr Schwert zu holen, darum gab Boromir ihr seine Waffe. Das Schwert war zu groß für sie und auch ungewohnt schwer, aber sobald sie ein paar Probestreiche damit geführt hatte, breitete sich ein Lächeln auf ihrem Gesicht aus und sie begab sich an Bergils Seite.

Die Klingen schepperten, als sie aufeinander prallten und Boromir dachte versonnen an jenen Tag, als er zum ersten Mal gegen sie angetreten war. Sie war noch immer schön – anders als damals, vielleicht noch schöner für ihn. Mit erstaunlicher Geschicklichkeit und großer Kraft führte sie die Waffe. Ihre Schläge waren gut gezielt und sie verfolgte eine Taktik von schnellen Angriffen und Rückzügen. Boromir war gespannt, ob sie in der Lage sein würde Bergil zu schlagen, denn der junge Mann war einer der besten Kämpfer der Wache von Ithilien.

Die anderen Soldaten ließen sich dieses Spektakel auch nicht entgehen und schließlich setzte sich Aiglos neben seinen Vater. Der Junge schüttelte ungläubig den Kopf. „Warum hast du mir nicht gesagt, dass Mama so gut darin ist? Ich hätte sie fragen sollen, ob sie mir Unterricht gibt, statt dir auf die Nerven zu gehen!" Boromir verpasste ihm eine Kopfnuss. „Frecher Bengel!" lachte er.

Laietha nahm einen unbedachten Schritt auf dem unebenen Waldboden, stolperte über eine Wurzel und fiel nach hinten über. Bergil hielt ihr das Schwert vor die Nase. „Sieht wohl so aus, als wäre ich nun der Meister von uns beiden, liebe Freundin," scherzte er, aber Laietha lachte leise. „Nicht so voreilig, mein Freund. Noch ist nichts entschieden." Bergil schüttete sich vor Lachen aus und deutete auf ihr Schwert, das außer Reichweite lag, denn sie hatte es im Sturz nicht halten können.

„Ich gebe zu, du hattest erschwerte Bedingungen, denn schließlich war es nicht dein eigenes Schwert, aber Frau Annaluva, du bist entwaffnet. Gib auf!" Er deutete mit seinem Kopf zu dem am Boden liegenden Schwert. Laietha grinste und nutzte seine Unaufmerksamkeit, um ihm hart gegen das Schienbein zu treten. Er stieß einen überraschten Schmerzensschrei aus und Laietha verlor keine Zeit. Sie schnappte sich seinen Knöchel, zog mit aller Kraft und brachte Bergil zu Fall.

Er hatte nicht einmal Zeit, zu begreifen, was geschehen war, denn schon hatte sie sich auf seine Brust gesetzt und ließ ihn auf die Spitze des Dolches starren, die sie ihm ins Gesicht hielt. Sie schenkte ihm ein hämisches Grinsen. „Nun, mein lieber Schüler, ist es an der Zeit, dass ich dir beibringe, wie man in einer echten Schlacht kämpft."

Bergil rieb sich das noch immer schmerzende Schienbein und Laietha reichte ihm schmunzelnd etwas zu Essen. „Das war gemein, Laietha. Es war einfach nur unfair." Laietha setzte ihre Unschuldsmiene auf und streckte entschuldigend die Hände aus. „Es war nur eine Lektion, die du noch lernen musstest, mein lieber Bergil. Vielleicht wird sie dir eines Tages in einer Schlacht den Hintern retten."

Elrond und Elrohir waren die letzten, die sich aus dem Haus begaben. Bereg und seine Frau warteten schon und Olbern half Luthawen gerade auf ihr Pferd. Einige von Beregs Männern begleiteten sie und die Elben lächelten. Sie freuten sich schon darauf, wieder nach Minas Tirith zu kommen. Elrond war froh, dass sein Ziehsohn letztendlich doch noch eine Frau gefunden hatte, die ihn glücklich machen würde. Zwar war er froh gewesen, dass seine Tochter sich gegen ein sterbliches Leben entschieden hatte, aber er liebte Aragorn wie einen Sohn und so lag ihm schließlich auch sein Glück am Herzen.

Es war eine fröhliche Reise, denn man ritt zu einer Hochzeit – und so etwas geschah nicht jeden Tag. Bereg ging es wieder blendend. Er hatte sich Dank Elronds Pflege schnell erholt. Olbern wich nicht von Luthawens Seite und hielt ihre Hand während sie ritten. Sein Vater lachte laut. Wenn er daran dachte, dass Luthawen vor noch nicht gar so langer Zeit ein Kind gewesen war – und nun war sie eine bezaubernde junge Frau und die Freundin seines Sohnes! Sie hatte sich prächtig entwickelt.

„Sag mir, Lutha, willst du immer noch eine tapfere Kriegerin wie deine Mutter werden?" fragte Bereg lachend. Luthawen errötete und schüttelte den Kopf. „Nein, das Kriegshandwerk ist nichts für mich. Ich kann ja nicht mal ein Schwert anheben und bringe es nicht übers Herz, eine Spinne zu töten." Bereg schmunzelte. Sie sah ihrer Mutter zwar sehr ähnlich, aber die beiden Frauen waren doch so verschieden wie Sonne und Mond.

„Ich will eine Heilerin werden, wie mein Großvater." Bereg nahm ihre Hand und lächelte milde. „Das ist ein ehrenvoller Beruf." Olbern pflichtete seinem Vater bei. „Er hat recht, Lutha. Sieh dir nur mal mein Volk an – wir haben viel zu wenige Heiler bei uns, obwohl so viele heilende Kräuter bei uns wachsen. Einen großen Teil von ihnen verkaufen wir in den angrenzenden Ländern und bekommen gutes Geld dafür. Dennoch wäre mein Vater gestorben, wenn du und Herr Elrond ihm nicht geholfen hätten. Düsterwald könnte viel mehr Heiler gebrauchen!"

Elrond sah Olbern strafend an. „Ich würde das nicht Herrn Boromir hören lassen, wenn du dir seinen Zorn nicht zuziehen willst." Alle brachen in schallendes Gelächter aus – nur Luthawen war sehr still.

„Was willst du damit sagen?" Aragorn hatte die Augen zu kleinen Schlitzen verengt und musterte Frodo kalt. Sein Blick war stechend und Frodo biss die Zähne zusammen, denn in seiner Schulter stach und brannte es, genau wie an jenem Tag im Oktober, wenn er wieder jedes Jahr aufs neue an die Begegnung mit dem Nazgul erinnert wurde. „Etwas ist nicht in Ordnung, Aragorn! Sie ist durch und durch böse! Ich kann es fühlen."

Der König ließ ein wütendes Schnauben hören und packte den Hobbit am Kragen. „Du wagst es, meine zukünftige Frau so zu beleidigen!" donnerte er. Frodo sah ihn entsetzt an. Sollte es möglich sein, dass er in ihrer Gewalt war?

Sam war nicht so sprachlos wie Frodo. „Streicher! Was ist denn in dich gefahren?" Der König wirbelte herum und fast konnte Sam Wahnsinn in seinen Augen blitzen sehen. „Wie hast du mich genannt?" fauchte er. Die beiden Hobbits tauschten einen Blick aus und wussten in diesem Moment, dass sie sich in Gefahr befanden. Doch nun war es zu spät. Aragorn rief lauthals nach seinen Wachen und es eilten vier Männer in exotischen Rüstungen herbei. „Schafft sie fort! Niemand beleidigt meine Frau und den König von Gondor! Morgen nach der Hochzeit sollen sie sterben. Lasst es in der Stadt verkünden!"

Die Wachen packten die Hobbits unsanft am Arm und schleppten sie in Richtung Kerker. Als sie die Tür passierten, sahen sie Mornuan, die eng umschlungen mit Aragorn im Flur stand. Sie warf den Halblingen ein triumphales Lächeln zu. „Niemand wird es wagen zu bezweifeln, dass du die wahre Herrscherin dieses Königreiches bist. Dafür werde ich sorgen," hörten sie Aragorn sagen. Dann hatten sie den Palast verlassen und waren auf dem Weg in die Verliese. Wenn sie doch nur Merry und Pippin hätten warnen können!

Merry und Pippin waren zunächst bei Bergils Haus gewesen, aber es war verlassen und die beiden hatten sich verwundert angesehen. Das war seltsam. Nun ja, vielleicht würde Eowyn ihnen Auskunft geben können. So machten sie sich auf den Weg zu ihrer Freundin. Es war schon später Nachmittag, als sie endlich beim Haus von Eowyn und Faramir ankamen. Die Haushälterin öffnete ihnen die Tür und musterte sie eine Weile lang streng und gründlich. Dann aber erkannte sie, dass es keine Kinder, sondern Halblinge waren und sie ließ die beiden Besucher ein.

Eowyn stand im Wohnzimmer und packte ihre Sachen. Ihr Aufbruch nach Edoras hatte sich ein wenig verzögert, aber sie wollte sich noch vor Einbruch der Dämmerung auf den Weg machen. Die Kinder freuten sich schon darauf, dass sie einen Ausflug zu ihrem Onkel Eomer machen sollten auch wenn Ionvamir zu ahnen schien, dass etwas nicht in Ordnung war.

Es klopfte an der Tür und Eowyn wirbelte erschreckt herum. Die Haushälterin führte die Gäste ins Zimmer. Merry und Pippin liefen freudig auf Eowyn zu, aber die Frau sah sich suchend um. „Seid ihr denn allein gekommen?" fragte sie mit einem unguten Gefühl. Merry erzählte ihr, dass Frodo sich zusammen mit Sam in den Häusern der Heilung befand. „Aber mach dir keine Sorgen, es wird ihm bald wieder besser gehen. Aragorn wollte nach ihm sehen."

Eowyn entgleisten die Gesichtszüge. „Dann wisst ihr es noch nicht! Aragorn hat den Verstand verloren! Denkt euch nur, er hat Laietha wegen Hochverrats zum Tode verurteilen lassen! Er steht unter dem Bann seiner zukünftigen Frau..." Die beiden Hobbits schenkten ihr entgeisterte Blicke. Ihnen war die Verlobte von Aragorn ganz passabel erschienen. Nun war es an Eowyn, zu berichten. Die Geschichte war schnell erzählt und Unruhe machte sich breit. „Wir sollten Frodo und Sam schnell warnen gehen," stellte Pippin fest.

Es bedurfte keiner weiteren Beratung. Sie wandten sich zum Gehen, als von draußen vor dem Fenster Lärm laut wurde. Die Leute brachen in Jubelschreie aus und verstummten dann plötzlich. Eowyn und die Hobbits drängten sich ans Fenster. Sie sahen einen Herold des Königs durch die Straßen laufen. Er verkündete eine Botschaft.

„Höret, Bürger von Minas Tirith, am morgigen Tage zur fünften Stunde nach Sonnenaufgang wird unser geliebter König Aragorn die liebliche Frau Mornuan zu seinem Weibe machen. Der morgige Tag wird zum Feiertag erklärt. Zur Feier des Tages wird am Nachmittag eine Hinrichtung stattfinden. Zwei feindliche Spione aus fernen Landen werden den Tod finden und ihr seid alle eingeladen, zuzusehen!"

„Eine öffentliche Hinrichtung – na, das hat es ja auch schon seit Truchsess Denethor nicht mehr gegeben," murmelte Nana und verschwand in der Küche. Eowyn und die Hobbits sahen sich sprachlos an. Sie ahnten sehr wohl, wer diese fremden Spione waren. Eowyn sank in einen Sessel und stützte den Kopf in ihre Hände. Merry und Pippin waren für einen Moment sprachlos. Die Frage nach dem Warum lag ihnen auf der Zunge, aber Eowyn hatte es ihnen ja erklärt. Nur an einem gab es keinen Zweifel – Eowyn erhob sich und griff nach ihrem Schwert. „Wir werden sie heute Nacht befreien müssen. Das ist die einzige Möglichkeit."

Aragorn lag schwer atmend und erschöpft auf dem Rücken. Er schloss die Augen und die Welt begann sich um ihn zu drehen. Mornuan griff nach ihrem Morgenmantel und schlüpfte aus dem Bett. Mit einem Lächeln leckte sie sich das Blut aus den Mundwinkeln. Sie trat ans Fenster und betrachtete den nahenden Sonnenuntergang. Nun war sie ihrem Ziel so nahe – eigentlich bedauerte sie es fast, dass ihr Spiel nun ein Ende finden würde – es hatte gerade begonnen, ihr zu gefallen.

Sie würde am Morgen mit ihm vermählt werden und dann würde sie den Bann von ihm nehmen. Mit Genuss würde sie ihm vom unglücklichen Tod seiner Schwester berichten. Das würde sie zumindest ein wenig für die Mühen der letzten Monate entschädigen. Vielleicht würde sie ihn so lange am Leben lassen, dass er den Tod seiner Freunde mit ansehen konnte, aber dann würde der König einen bedauerlichen Unfall erleiden. Es war zu gefährlich, ihn am Leben zu lassen.

Aragorn regte sich. Sie warf einen Blick auf die zusammengekauerte Figur auf dem Bett und plötzlich schüttelte sie der Ekel vor dem Greis, den sie zu ihrem Liebhaber gemacht hatte. Aber morgen würde es vorbei sein. Nun, wenn der König erst tot war, würde sie sich einen neuen Liebhaber suchen. Sie hatte gehört, dass König Eomer von Rohan ein stattlicher Mann war. Mornuan griff in die Schublade ihres Nachttisches und zog einen dicken Haarzopf hervor. Sie strich mit einem boshaften Lächeln darüber. „Die Königreiche von Gondor und Rohan – durch Liebe vereint! Was hättest du wohl dazu gesagt, Annaluva?" Mornuan lachte laut.

Im Westen ging die Sonne unter und der Himmel sah aus, als hätte man ihn in frisches Blut getaucht. Mornuan lächelte in sich hinein und sah den dicken roten Zopf, der mit vielen silbernen Haaren durchzogen war, eine Weile lang an. So lange hatte sie darauf gewartet. Endlich würde sie wieder das Leben führen können, das ihr zustand – das Leben, um das sie Annaluva betrogen hatte. War es nicht eine glückliche Fügung des Schicksals, dass sie über ihren Bruder dazu kommen sollte?

Ihr Gesicht verhärtete sich bei der Erinnerung an längst vergangene Zeiten. Einst war sie eine Königin gewesen – die Frau eines mächtigen Hexers, der ihr nicht nur Liebe geschenkt hatte, sondern ihr alles beigebracht hatte, was sie wusste. Er hatte sie nicht nur zu seiner Geliebten und seiner Königin gemacht, sondern ihr die Macht verliehen, eine der größten Zauberinnen Mittelerdes zu werden. Ihr Leben war perfekt gewesen – bis zu dem Tag, als Annaluva aufgetaucht war. Ja, sie kannte die Kriegerin, auch wenn die Menschenfrau sie nicht mehr erkannt hatte.

Es war sehr lange her – noch vor dem großen Ringkrieg. Mornuan und ihr Mann waren nach Bruchtal gereist, um mit Herrn Elrond zu sprechen. Annaluva, dieses kleine Flittchen, hatte zuerst ihrem Mann schöne Augen gemacht. Glücklicherweise hatte Herr Elrond ihnen bald seine Gastfreundschaft versagt, als Mornuans Mann ihm vorgeschlagen hatte, die Zwerge zu überfallen und sich die Reichtümer der Mienen zu eigen zu machen. Mornuans Mann hatte zum Krieg gegen Bruchtal aufgerufen. Sicher – es war ein Fehler gewesen, das hatte auch Mornuan gewusst, aber ihr verletzter Stolz und der Zorn ihres Mannes hatten sie blind gemacht, gegen die Überlegenheit der elbischen Armee.

Annaluva und ihre Männer hatten den Truppen ihres Mannes an den Grenzen zu Bruchtal aufgelauert und in einem gewaltigen Scharmützel waren alle, bis auf den letzten Mann vernichtet worden. Mornuan hatte abseits gestanden und mitangesehen, wie Annaluva ihrem Mann den Kopf vom Rumpf getrennt hatte. Die Kriegerin hatte das Haupt ihres Mannes auf einen Speer gesteckt und als Warnung für andere Eindringlinge an den Grenzen aufgestellt. Als das Volk von dieser vernichtenden Schlacht erfahren hatte, hatte es Mornuan unter Schimpf und Schande davongejagt und sie hatte viele Jahre in großem Elend leben müssen.

Niemals hatte sie das Gesicht der Kriegerin vergessen – das wehende rote Haar, die blitzenden Augen – all das hatte der Hass in ihr Herz gebrannt. Aber nun war die Frau tot. Mornuan strich über den Zopf. Sie wäre zu gern dabei gewesen, als der Junge sie ins Jenseits befördert hatte, aber das hätte vielleicht ihre Pläne zu Fall bringen können. Es wäre dumm gewesen, so kurz vor ihrem Ziel alles zu riskieren. Nein, es war genug gewesen, den Schmerz in Annaluvas Augen zu sehen, als ihr geliebter Bruder sie zum Tode verurteilt hatte. Mornuan hoffte, dass der Soldat Annaluvas Tod langsam und qualvoll gestaltet hatte.

Nun, all das gehörte der Vergangenheit an. Es hatte sie immer nach Macht verlangt und morgen würde sie die Königin des mächtigsten Reiches dieser Welt werden. Annaluva war tot und ihr geliebter Bruder würde ihr folgen, sobald sie Königin war. Mornuan lachte laut und die Vögel verließen ängstlich ihre Nester.