Danke für eure bisherigen Reviews! Ich freue mich, dass euch die Geschichte gefällt und noch mehr bin ich natürlich begeistert, dass es euch sogar auf meine eigene Page verschlagen hat freu

Ich kann nur soviel schon verraten – es ist nicht die letzte Geschichte der Chronik, denn zur Zeit arbeiten eine Freundin und ich fleißig an einer direkten Fortsetzung

Jetzt aber viel Spaß beim Weiterlesen!

Das Erste was sie hörte war der Gesang der Vögel. Die Sonne schien ihr ins Gesicht und der süße Duft von Blumen hing in der Luft. Neben sich hörte sie leise, vertraute Atemzüge.

Ich bin in Mandos Hallen, dachte sie. Laietha wagte nicht die Augen zu öffnen. Alles schien so friedlich und ruhig. War das der Lohn für all die Jahre, die sie im Dienst der Waffe verbracht hatte? Die Valar hatten sie heimgeholt. Sie wollte ihren Mann sehen, dem sie gefolgt war. Langsam öffnete Laietha die Augen.

Boromir lag an ihrer Seite und schlief. Die Morgensonne schien auf sein Gesicht und ließ die weißen Haare golden schimmern. Unter ihr piekste ein Tannenzapfen Laietha in die Seite und der Waldboden auf dem sie lag roch feucht. So idyllisch ihr auch alles schien, aber das Gefühl, nicht tot und nicht in Mandos Hallen zu sein wurde stärker.

Die Kriegerin richtete sich auf. Um sie herum befand sich ein Lager – nein, nicht irgend eines, korrigierte sie sich schnell, es war ihr Lager im Druadanwald, das Lager, das sie am Vorabend aufgeschlagen hatten und von dem aus sie ihren Sohn entsenden würde, um Hilfe zu holen! Sie schüttelte den Kopf – was für ein grässlicher Traum war das doch gewesen!

An ihrer Seite begann sich Boromir zu strecken. Er gähnte und blinzelte in die Morgensonne. Ein Lächeln huschte über sein Gesicht, als er seine Frau ansah. Rings um sie herum begann das Lager zu erwachen. Das Rasseln der Schwerter wurde laut, als die Soldaten sie sich um die Hüfte gürteten, Feuer wurden geschürt und Kessel mit Trinkwasser aufgesetzt, um ein Frühstück zuzubereiten.

Auf der anderen Seite des Lagers erwachte Faramir. Boromir stand rasch auf und eilte an seine Seite. Laietha folgte ihrem Mann mit einem Lederbecher, in den sie Wasser gefüllt hatte und einem Stück Brot. Nachdem sich Faramir gestärkt hatte, begann er zu berichten. Mornuans Truppen hatten die Stadt übernommen, die Männer der Stadtwache waren entlassen worden, Eowyn und die Kinder wollten sich auf den Weg nach Rohan machen. Boromir verzog das Gesicht. „Schlechte Nachrichten bringst du."

Der Krieger schüttelte den Kopf – es kam ihm vor, als hätte er das alles schon einmal gehört. Laietha versteifte. Auch ihr kam alles so bekannt vor – wie in ihrem Traum. Es war kein Traum, meldete sich ihre innere Stimme. Aber es konnte nicht sein. Nicht einmal Mornuan konnte so mächtig sein, die Zeit um einen ganzen Tag zurückzusetzen.

„Diese Frau hat aber auch an alles gedacht," knurrte Boromir. „Sie hält Aragorn schön in ihrem Bann und platziert in Seelenruhe ihre Leute in der Stadt. Aber sie wird ihn ja wohl nicht für den Rest seines Lebens in ihrem Bann halten können, oder?" Er schüttelte den Kopf – schon wieder hatte er das Gefühl, diese Worte schon einmal gesagt zu haben. Was für ein seltsamer Morgen!

Laietha zuckte zusammen. Auch sie hatte das Gefühl, den Tag schon erlebt zu haben. Ihre innere Stimme hatte auch eine gute Erklärung dafür, aber das war einfach zu absurd, maßregelte sie ihr Verstand. Trotzdem mussten sie ihren Vater darüber informieren. Ein Gefühl sagte ihr, dass Elrond nicht mehr fern war. Boromir erklärte sich damit einverstanden, dass sie Aiglos aussenden würden, um Elrond zu suchen. Boromir wollte ihm Bergil zur Seite stellen, aber Laietha schüttelte den Kopf. Sie würden kämpfen müssen. Die Bilder aus ihrem Traum schlichen sich vor ihre Augen. „Wir brauchen hier jeden Mann, der ein Schwert führen kann und Vater ist nicht mehr weit. Aiglos kann alleine reiten."

Boromir war nicht einverstanden. Der Junge war erst 12 und am liebsten wäre es ihm, wenn seine Frau ihn begleitet hätte. Sie schien etwas zu wissen, das sie nicht sagen wollte, aber in ihren Augen hatte Boromir eine winzige Spur von Furcht gesehen, die ihm nicht gefallen wollte. Dennoch blieb seine Frau stur und ging nicht auf seinen Vorschlag ein – nicht, dass er etwas anderes erwartet hätte.

Laietha erhob sich, nahm ein paar Früchte, etwas Wasser und ein Stück Wegbrot und ging hinüber zu ihrem Sohn, der noch immer tief und fest schlief. Statt ihn zu wecken, kniete sie eine Weile neben seinem Lager nieder und musterte ihn aufmerksam. Er war ein hübscher Junge, mit einem schön geschnittenen Gesicht. Er hatte noch nicht die markanten Züge seines Vaters, obwohl es nur eine Frage der Zeit sein würde, bis sein Kinn kräftiger würde und sich Freude und Sorgen in den glatten Wangen niederschlagen würden. Sein Haar schimmerte golden in der Sonne. Er musste es von Boromirs Mutter geerbt haben, von der ihr Mann so selten, aber immer voller Liebe sprach. Laietha dachte an seine wachen Augen und sein helles Lachen.

Plötzlich überkam sie eine tiefe Trauer. Sie hatte das Gefühl, ihren Sohn zu letzten Mal zu sehen. Ängstlich zuckte sie zusammen. Würde ihm doch etwas geschehen? Sollte ihn vielleicht doch jemand begleiten? Aber im selben Moment, als sie überlegte Bergil zu bitten mit ihm zu reiten wurde ihr klar, dass nicht Aiglos sondern sie selbst sterben würde, bevor der Tag zu Ende war.

„Guten Morgen, Mama." Laietha machte fast einen Satz in die Höhe. Schnell zwang sie sich zur Ruhe und schenkte ihrem Sohn ein erzwungenes Lächeln. „Guten Morgen, Schlafmütze." Ihre Verwirrung war ihm nicht entgangen, aber bevor er sie befragen konnte, hatte Laietha ihm schon das Wasser und das Essen gereicht. „Beeil dich mit dem Frühstück und zieh dich an. Ich habe einen wichtigen Auftrag für dich."

Ein Auftrag! Aiglos schlang das Essen hinunter wie ein ausgehungerter Wolf, hustete, als er sich verschluckte und stürzte das Wasser in einem Zug hinunter. Hastig lief er zu einem kleinen Tümpel in der Nähe des Lagers, stolperte vor Eile und wäre fast hineingefallen. Er ganz alleine sollte sich auf die Suche nach seinem Großvater machen! Die Valar mussten seine Gebete erhört haben! Hätte seine Mutter nicht so seltsam besorgt gewirkt, hätte er einen Jubelschrei ausgestoßen. Aiglos war mächtig stolz, dass man ihm so viel Vertrauen entgegenbrachte.

Boromir schüttelte schmunzelnd den Kopf über den Eifer seines Sohnes. Ja, die Ausgelassenheit der Jugend war etwas Wunderbares. Ihm selbst und seinem Bruder waren solche Ausbrüche der Freude nicht gestattet gewesen – ihr Vater war nicht müde geworden, sie immerfort an ihre Stellung zu erinnern und daran, wie sie sich zu betragen hatten. Aiglos schien nun die Ausgelassenheit, die man ihm verwehrt hatte, mit auszuleben.

Boromirs Züge verdüsterten sich, als er an einen Vater dachte. Er spürte Denethors festen Griff um seinen Oberarm, den Funken eines auflodernden Freudenfeuers in seinem Sohn erstickend.

Boromir! Nimm dich zusammen und erinnere dich daran, wer du bist. Du bist der Sohn des Statthalters von Gondor, du wirst eines Tages an meinet Statt über Gondor regieren – du bist kein Bauerntölpel, der durch den Schmutz auf seinen Feldern trampelt!"

Boromir schüttelte den Kopf. Ich war ein aufgeregter Junge, Vater, ein Junge, der zum ersten mal mit auf die Jagd durfte!

Er verstand sich selbst nicht mehr. Früher – früher hatte er nie solchen gewaltigen Groll gegen seinen Vater verspürt. Er hatte gewusst, dass Denethor nicht gerecht gegen seine Söhne war, aber er hatte Entschuldigungen gefunden, die rechtfertigten, wie sein Vater sie behandelt hatte. Aber jetzt wollten ihm keine Entschuldigungen mehr einfallen. Nicht mehr, seit er selbst Kinder hatte. Vielleicht war er selbst manchmal nicht streng genug mit seinen Kindern, aber um keinen Preis würde er dem Beispiel seines Vaters folgen. Im Grunde war selbst Aiglos, den er mehr als ein Mal einen Rüpel schimpfte, doch ein guter Mensch, also konnte sein Weg so falsch nicht sein.

„Papa!" Boromir schüttelte die Gedanken ab und trat lächelnd zu seinem Sohn. Schon oft hatte er in den letzten Jahren im düsteren Zwiegespräch mit Denethor gesessen, aber versöhnt hatte es ihn nicht.

Aiglos saß auf dem Rücken des Schimmels, den man ihm gegeben hatte. Am liebsten wäre er schon davon geprescht, aber Laietha redete ermahnend auf ihn ein und gab ihm letzte Anweiszungen, in welche Richtung er reiten sollte. Aiglos hörte nur mit einem halben Ohr hin.

Laietha schluckte hart. Für einen Moment dachte sie daran, dass sie Aiglos nie wieder sehen würde. Nie würde sie sehen, wie er zum Mann wurde, sich eine Frau suchte und sein Glück machte. Natürlich war es Unsinn, schalt sie sich selbst. Aber auch wenn es kein böser Traum gewesen war – wie sie sich immer noch zu überzeugen versuchte – selbst wenn sie diese Nacht sterben sollte, blieb jetzt keine Zeit für lange Gespräche. Sie musste ihren Jungen gehen lassen. Laietha zog ihren Sohn in ihre Arme und er wäre fast vom Pferd gefallen.

„Beeil dich, Aiglos, reite wie der Wind. Finde deinen Großvater und deine Schwester. Sag ihnen, dass die Zeit drängt – und sag ihnen, dass ich sie liebe." Bei den letzten Worten schnürte sich ihr die Kehle zu und Laietha räusperte sich schnell. Sie rang sich ein Lächeln ab und entließ Aiglos aus ihrer Umarmung.

Aiglos bekam nichts von der seltsamen Stimmung mit, in der seine Mutter sich befand. In Gedanken ritt er schon wie ein Pfeil durch den Wald. „Mach ich, Mama! Bis bald!" Er schnalzte mit der Zunge und der Schimmel galoppierte davon. „Sei vorsichtig und mach keinen Unsinn!" brüllte Boromir ihm hinterher, aber sein Sohn war schon zwischen den mächtigen Bäumen verschwunden. Wenn der Junge nur nichts anstellte!

Elrond und seine Söhne schraken gleichzeitig aus dem Schlaf hoch. Sie sahen sich an und mit einer Stimme riefen die jungen Elben aus: „Was war das?" Verwirrt sahen sie sich um. Sie waren an der Stelle des Waldes, wo sie gestern Nacht ihr Lager aufgeschlagen hatten, aber – etwas schien nicht richtig zu sein! Sie sollten gar nicht mehr hier sein! Hilfesuchend blickten sie zu ihrem Vater, der sich nachdenklich übers Kinn strich. Verschlafen blinzelten Luthawen und Olbern zu ihnen hinüber und auch Bereg und seine Frau waren von der Unruhe aufgewacht.

Bereg ging zu seinen Männern hinüber, die alle ein wenig besorgt aussahen. Er wechselte geschwind ein paar Worte mit ihnen in ihrer eigenen Sprache, dann kam er brummend und den Kopf schüttelnd zu den anderen zurück. „Sie sagen, sie würden sich unbehaglich fühlen. So als sein ein Schatten über uns alle hinweggezogen, aber nun ist er fort und es gibt keine Spur mehr von ihm."

Luthawen rieb sich den Schlaf aus den Augen. „Ich habe etwas Seltsames geträumt – einen Traum, fast wie den von dem Mutter geplagt wird. Ich sah Onkel Aragorn und er kämpfte in einer Schlacht – bis er von einem Pfeil getroffen fiel. Mutter kam auch darin vor, aber ich kann mich an nichts genaues mehr erinnern." Sie schüttelte den Kopf. Vielleicht war es nur die Sehnsucht nach ihrer Familie, obwohl sie sich einen angenehmeren Traum hätte vorstellen können. Ob es wohl die Angst war, ihren Eltern gegenüberzutreten und ihnen zu sagen, wofür sie sich entschieden hatte?

Auch Elrohir hatte von seiner Schwester geträumt – von Laietha und einem Raben. Sie hatte ihn zu sich gelockt und der Vogel war auf ihre Hand geflogen. Plötzlich aber hatte er nach ihr gehackt und bevor Elrohir ihr eine Warnung hätte zurufen können, hatte der Vogel seiner Schwester das Herz herausgerissen! Eine Stimme hatte etwas geflüstert und dann gelacht, dass ihm das Blut in den Adern stocken wollte. Langsam verschwand die Szenerie im Dunkeln, aber was ihn bis zum Aufwachen begleitete war die Stimme seiner Schwester: „Hab keine Sorge Elrohir, sie hat mir einen Tag geschenkt!"

„Seltsam," lachte Olbern. „Mir kommt es vor, als hätte ich diesen Morgen schon mal erlebt, nur ein wenig ruhiger!" Nur Luthawen lachte gezwungen mit ihm, die Elben blieben stumm und ernst. Auch ihnen kam es so vor, als wiederholte sich der Morgen. Etwas ging nicht mit rechten Dingen zu. Für Elben waren Elladan und Elrohir noch jung – sie zählten noch nicht einmal 3000 Jahre, aber für die Menschen war das eine Zeitspanne, die dem Wort Ewigkeit fast gleichkam und weder sie noch ihr Vater, der schon so viel länger als sie auf dieser Welt war, hatte jemals einen Tag erlebt, der wie ein anderer schien. Nein, hier war jemand am Werk, der sich in der schwarzen Kunst verstand. „Mornuan."

Draußen jubelten die Menschen noch immer. Mornuan konnte sich ein selbstgefälliges Lächeln nicht verkneifen. Aragorn saß stumm auf dem Bett und stierte an die Wand. Ekel überkam Mornuan, als sie daran dachte, wie viele Nächte sie neben diesem sabbernden Greis gelegen hatte. Nun, zu ihrem Trost wusste sie, wie die Geschichte ausgehen würde. Sie hatte den ganzen Morgen hin und her überlegt, ob sie Annaluva betrügen und ihn gleich nach der Hochzeit töten lassen sollte, aber das wäre ja ein Zeichen von Schwäche, nicht wahr? Nein, anders herum war es viel amüsanter. Sie konnte nicht verlieren. Annaluva wusste nun zwar, dass ihr Bruder noch lebte und dass sie seine Truppen schlagen würden, aber was machte das schon?

Sie hatte ihr einen Tag versprochen und Annaluva hatte nicht mal einen halben bekommen – zugegeben, das war nicht Mornuans Absicht gewesen, aber es betrübte sie auch nicht sonderlich. Sie war gespannt, was sich die Kriegerin einfallen lassen würde, um ihren geliebten Bruder zu retten. Aber selbst eine Frau wie sie konnte nicht aus Lehm eine Armee backen! Aragorn und seine Männer waren verloren und Mornuan würde zur Stelle sein, um zuzusehen, wie Annaluva starb. Es würde kein angenehmer Tod sein, aber das war auch nicht teil der Abmachung gewesen, nicht wahr?

Nun war es Zeit, sich um ihre neuen Staatsangelegenheiten zu kümmern. Sie verließ den Raum und verschloss die Tür hinter sich. Vielleicht würde sie später noch einmal auftauchen, rechtzeitig, um Aragorn an der Hinrichtung seiner Freunde teilhaben zu lassen. Es war beim zweiten Mal eben nicht mehr halb so lustig wie beim ersten, sein herz brechen zu sehen. Leise lachte sie in sich hinein. Wer weiß – vielleicht würde er ja so gar nicht aus dem Palast fortlaufen wollen?

Aragorn schenkte seiner Frau keinen Blick. Die Trauung war ihm wie ein Traum vorgekommen, aber es schien kein guter Traum zu sein. Dennoch war etwas in seinem Bewusstsein, das ihn den ganzen Morgen nicht in Ruhe gelassen hatte. Mornuan schien ihm verändert und als er in den Spiegel geblickt hatte, hatte sich ein Teil seines Verstandes erschrocken. Er war ein alter Mann geworden! Noch etwas war nicht so, wie es sein sollte – darüber hatte er die ganze Zeit versucht nachzudenken, aber erst als Mornuan den Raum verlassen hatte, war es ihm eingefallen – seine Schwester fehlte!

Bilder sprangen vor sein Auge – ein Todesurteil gegen seine Schwester, von seinen Lippen und die Nachricht, dass sie auf der Flucht getötet worden war, aber Trauer empfand er nicht. Aus den Tiefen seines Herzens drangen leise Stimmen hervor, die von seinem Entschluss, sie zu begnadigen sprachen und er sah Eowyns Gesicht, die ihm lächelnd verkündete, dass Laietha lebte.

Vor seinem Fenster bauten die Henker schon den ganzen Morgen. Es waren Galgen, die sie errichteten – Galgen für seine Freunde. Aragorn stand auf. Er fühlte sich so schwach, wie er aussah, aber durch Herumsitzen würde er seine alte Stärke nicht zurückbekommen. Es war Zeit zu handeln. Seine Freunde würden nicht auf sein Geheiß sterben – zumindest nicht, so lange er am Leben war! In diesem Moment hörte er Kinderstimmen vor der Tür und kleine Hände, die schwach gegen das schwere Holz klopften. Jetzt war seine Zeit zum Handeln gekommen!

Das Volk johlte und der Lärm toste in ihren Ohren. Es hatte Widerstand gegen die bevorstehende Hinrichtung gegeben, aber er war von der neuen Stadtwache brutal niedergeschlagen worden. Einige Menschen in der Menge hielten betroffen oder verängstigt die Köpfe gesenkt, aber es gab auch Menschen unter ihnen, bei denen Eowyn Mordlust in den Augen blitzen sah. Sie selbst war jedoch seltsam ruhig und gefasst – sie hätte nie für möglich gehalten, ihrem Ende so mühelos aufrecht entgegenzugehen. Vielleicht hatte es ja etwas damit zu tun, was Frodo an diesem Morgen gesagt hatte.

Es war ein ausgesprochen seltsamer Morgen gewesen. Keiner von ihnen hatte sich erinnern können, eingeschlafen zu sein und auch von ihrem Erwachen fehlten alle Erinnerungen. Aber was spielte das auch für eine Rolle? Der Jubel der Stadt hatte ihnen verkündet, dass Aragorn und Mornuan vermählt worden waren und das hämische Lachen der Wächter kündete von ihrem nahenden Tod.

Sam hatte düster vor sich hingebrütet und auch Eowyn hatte wehmütig ihrer Kinder gedacht. Da aber war Frodo aufgestanden und hatte nur gelächelt. Diesen Anblick würde Eowyn nicht mehr vergessen. Der Hobbit sah aus, als wäre er von einem inneren Leuchten erfüllt – ganz so, als käme er aus einer anderen Welt. Es war kein Fünkchen Angst in seinem Blick. Tröstend legte er Sam eine Hand auf die Schulter. „Habt keine Angst, meine Freunde, heute werden wir nicht sterben."

Im Angesicht ihrer Bewacher, der errichteten Galgen und der soliden Kerkermauern. Hätten sie ihm ins Gesicht lachen, oder ihn zurechtweisen sollen, aber seltsamerweise waren sie alle geneigt, ihm zu glauben.

Nun hatten sie den äußersten Ring der Stadt erreicht. Der Karren machte sich bereit zum Wenden und es war ihre letzte Gelegenheit noch einen Blick in die weite Ebene vor Minas Tirith zu werfen. Urplötzlich spannten sich Eowyns Muskeln und ohne jeglichen erkennbaren Grund machte sie sich zur Flucht bereit. Aus dem Augenwinkel bemerkte sie, dass es den Hobbits ebenso erging. Sie spürte Frodos Blicke auf sich ruhen und mit einem winzigen Lächeln murmelte sie ihm zu: „Ich glaube, du hattest Recht."

Kaum dass Aiglos fort war hatte Laietha zum Aufbruch gedrängt. Langsam, ganz langsam waren Bilder vor ihre Augen getreten – Bilder, die aus einer nicht allzu fernen Zukunft zu kommen schienen, Bilder, die ihr bekannt vorkamen. Sie ritten schnell und Minas Tirith kam näher. Und immer wieder sah sie diese Bilder, wie Fetzen aus einem bösen Traum, die von leid und Tod kündeten. Gegen Mittag hieb sie die Wucht der Eindrücke fast aus dem Sattel. Sie rasteten. Die Kriegerin ließ sich mit einem Ächzen von ihrem Pferd gleiten und sank keuchend zu Boden – gerade noch rechtzeitig, bevor sie die Flutwelle der Bilder überrollte. Und mit den Bildern kehrten ihre Erinnerungen zurück – die Schlacht, die vielen Gefallenen, Aragorns Tod und schließlich auch ihr Handel mit Mornuan.

„Aragorn! La!" Boromir kniete neben ihr und hatte ihr besorgt eine Hand auf die Schulter gelegt. „Was ist los, Laietha? Geht es dir nicht gut?" Sie schüttelte den Kopf, um das Bild ihres Bruders zu verdrängen, der in seinem Blut auf dem Schlachtfeld lag. Es nütze nichts. Ihr schien es, als hätte sich dieser Anblick in ihr Hirn gebrannt. „Aragorn!"

Boromir legte ihr eine Hand auf die Stirn. Zumindest hatte sie kein Fieber, aber das beruhigte ihn auch nicht sonderlich. Vielleicht waren es immer noch Aragorns Kränkungen, die ihr so zu schaffen machten. Hitzige Wut auf den König von Gondor jagte für eine Sekunde durch ihn, aber die Sorge um seine Frau kühlte die Wut so schnell ab, wie sie gekommen war.

Laiethas Augen waren leer und sie starrte in die ferne. Boromir kannte diesen Blick nur zu gut – es war der selbe, wie in so vielen Nächten, in denen sie aus Träumen von Kampf und Tod erwachte. Nicht selten rief sie den Namen ihres Bruders – so wie jetzt. Sie musste in furchtbarer Sorge um ihn sein.

„Ganz ruhig, Liebes! Es geht ihm gut! Du machst dir zu viel Sorgen!" Zärtlich strich ihr Boromir über den Kopf. Er selbst war nicht allzu überzeugt davon, dass sein Schwager wirklich in Sicherheit war. Der König von Gondor und Laietha hatten eine besondere Bindung zueinander und nach den Umständen zu urteilen, von denen Faramir ihnen berichtet hatte war es gut möglich, dass Mornuan ihn nach der Krönung hatte töten lassen. Sie sollten schnell weiterreiten.

Zärtlich nahm er ihr Kinn in seine Hände und sah ihr tief in die Augen. Sie erwiderte seinen Blick, erkannte ihn und tauchte endlich aus ihren Tagträumen auf. Sie schenkte ihm ein schmales Lächeln – nicht annährend genug, um ihn zu beruhigen – und ein leichtes Kopfnicken. Was immer sie auch quälte, entschied Boromir, es konnte und musste warten. Sie würden später reden.

„Ich werde die Männer versammeln. Wir reiten weiter, wenn du bereit bist. Vor Einbruch der Dunkelheit kommen wir ohnehin nicht in die Stadt, also lass dir Zeit." Boromir hauchte seiner Frau einen Kuss auf die Lippen und schenkte ihr ein aufmunterndes Lächeln. „Es geht mir gut, Boromir," flüsterte sie. Natürlich durchschaute er die Lüge, aber sie schien nicht in Gefahr zu sein. Der Zusammenbruch hatte ihm nicht gefallen, aber es würde Laietha weitaus schlechter gehen, wenn sie Aragorn nicht retten konnten.

„Ich liebe dich." Boromir strich ihr lächelnd über die Wange. Dann erhob er sich zu seiner vollen Größe, drehte ihr den Rücken zu und ging zu den Männern. Er würde mit seinem Bruder, Beregond und Faramir ihr weiteres Vorgehen besprechen. Vielleicht konnte er Laietha überreden, ihrem Vater entgegen zu reiten. Er wollte nicht, dass sie sich in Gefahr begab, aber die Chancen dafür standen ungefähr so gut, wie einen Ork zu überreden, sich zu baden.

Boromirs Stimme, die Wärme seiner Lippen und seine tröstende Zuversicht hatten ihren Herzschlag für einen Augenblick beruhigt, auch wenn die Bilder in ihrem Kopf so wild wirbelten, dass ihr ganz schwindelig wurde. Während ihr Mann mit ihr sprach versuchte sie sich davon zu überzeigen, dass sie fantasierte. Wie tröstlich wäre es gewesen, wenn sie dem Wahn verfallen wäre und ihrem Verstand misstrauen könnte, aber in ihrem Herzen wusste sie, dass sie geistig vollauf gesund war.

Boromir erhob sich und wie ein Blitz zuckte eine neues Bild durch ihren Geist – ihr Mann ging von einer feindlichen Waffe getroffen zu Boden.

Laietha erhob sich langsam, die Knie weich wie Butter. Nicht Boromir! Nicht ihr geliebter Mann! Aber sie wusste, dass was sie gesehen hatte, die Zukunft war. Mit zitternden Knien lief sie in Richtung Wald. Sie konnte es nicht ertragen, ihn jetzt zu sehen. Nicht mein Mann! Jeder Blick, jeder Gedanke an ihn rief dieses schreckliche Bild in ihren Kopf – sie musste jetzt klar denken können, sie musste nachdenken, was zu tun sei, um Boromir und ihren Bruder zu retten. Es musste noch andere Erinnerungen in ihrem Kopf geben, nicht nur Tod und Krieg!

Ohne ihr Zutun trugen ihre Beine sie in den Wald hinein. Wie weit sie lief, konnte Laietha nicht sagen. Die Männer, in ihre Besprechung vertieft, bemerkten ihr Fortgehen nicht.

Als sie weit genug vom Lager entfernt war, ließ sie sich gegen einen Baumstamm sinken und begann bitterlich zu schluchzen. In ihrem Kopf tobte ein wahrer Orkan und wirbelte jeden klaren oder vernünftigen Gedanken davon. Sie hatte einen Tag versprochen bekommen – einen guten halben hatte sie gewonnen, um ihren Bruder und ihren Mann zu retten und die Zeit drängte! Dennoch konnte Laietha keinen Muskel rühren.

Laietha starrte auf einen toten Vogel, der dicht neben ihr am Boden lag. Eine Ameise kroch über den Kadaver und krabbelte wieder fort. Eine zweite Ameise kam und dann eine dritte.

Du solltest nicht hier rumsitzen, du solltest etwas tun!

Nun waren es schon zu viele Ameisen, um sie zu zählen. Wo kamen sie nur her? Laietha musste neben einem Ameisenhaufen sitzen. Die Tiere krabbelten über den Vogel, nagten an seinem toten Fleisch, rissen mit ihren kräftigen Zangen kleine Fleischstücken heraus und trugen sie davon – ein Festmahl für ihre Königin. Ihre roten Panzer schimmerten in der Sonne. Laietha konnte den Blick nicht abwenden.

Eomer und seine Männer waren auf dem Weg. Laietha wusste es. Wenn sie ein paar Männer schickten, könnten sie bald eine Kampfgruppe sein, die Mornuans Armee für eine Weile die Stirn bieten konnten. Zumindest lang genug, bis Aragorn in Sicherheit war. Alles, was sie tun musste, war sich zu erheben und zu handeln.

Inzwischen war es eine ganze Ameisenstraße, die zu dem toten Vogel und zurück zu ihrem Bau wanderte, ein glänzender roter Strom auf dem Waldboden. Es war ein junger Sperling gewesen. Wahrscheinlich hatte ihn ein Räuber erlegt, oder das Tier war aus dem Nest gefallen.

Steh auf! Tu etwas! Starr nicht einfach Löcher in die Luft! Rette deinen Mann! Rette deinen Bruder! Rette dich selbst!

Ich kann nicht.

Du kannst! Du musst! Kämpfe!

Ein paar Ameisen krabbelten über ihre Hand und erkundeten neugierig ihren Körper. Laietha bewegte sich nicht. Vielleicht hatten einige der Tiere sie gebissen, denn es brannte an ihren Oberschenkeln.

Du bist so dumm, schrie alles in ihr und in ihrem Magen bildete sich ein harter Klumpen. Du wirfst alles weg! Du hättest auch gleich gestern sterben können, wenn du es nicht einmal versuchen willst!

Laietha hätte am liebsten laut aufgeschrieen. Der Druck in ihrem Magen wurde zum Druck in ihrer Brust, aber nicht einmal für ein Seufzen hatte sie Kraft. Sie fühlte sich schwach und zum ersten Mal in ihrem Leben jämmerlich hilflos. Ihr ganzes Leben lang hatte sie gekämpft, aber jetzt, als es um den wichtigsten Kampf in ihrem Leben ging, saß sie im Wald und starrte auf einen dummen Ameisenhaufen, die sich mit Aas den Bauch voll schlugen!

Es war, als wäre sie nicht mehr Herrin ihres eigenen Körpers. Sehenden Auges lief sie in ihr Unheil und zog Boromir und Aragorn mit sich in den Tod. Fast konnte sie Mornuans hämisches Lachen hören, weil sich die große Kriegerin kampflos ergab.

Eine nie gekannte Schwermut drückte sie zu Boden. Das war also ihr letzter Tag auf dieser Welt. Wie lange war sie in Schlachten gezogen, wohlwissend, dass sie am Ende des Tages der Tod erwarten konnte und nie hatte sie auch nur einen Hauch von Furcht verspürt. Sie war eine Kriegerin – sie fürchtete sich nicht vor dem Tod oder dem Sterben, aber diesmal war es etwas ganz anderes. Bei all ihren Schlachten hatte die Gefahr zu sterben wie ein drohendes Schwert über ihr geschwebt, aber Gefahr und Hoffnung waren Bettgefährten, wie ihr Schwertmeister sie von dem Moment an, als sie ein Schwert zu schwingen begann, gelehrt hatte. Diesmal gab es für sie keine Hoffnung.

Laietha erbebte unter den Schluchzern, die sie schüttelten. Sie würde ihre Kinder und Brüder nie wiedersehen und Boromir, ihr geliebter Boromir! Wie viel wollte sie ihm noch sagen! Aber sie konnte es nicht, sie wagte nicht einmal, ihm jetzt unter die Augen zu treten. Am liebsten wäre sie davongelaufen und hätte sich vor Mornuan und ihrer finsteren Macht versteckt. Aber es war zu spät – der Handel war abgeschlossen und unumkehrbar.

Hatte Mornuan gewusst, dass sie so fühlen würde? Hatte sie Laietha betrogen? Wahrscheinlich nicht. Mornuan hatte ihr wie versprochen Zeit geschenkt und plötzlich erwachte eine grimme Wut in Laietha – nicht auf die Hexe, sondern auf sich selbst, weil sie nicht in der Lage war, dieses Geschenk zu nutzen.

Sie hörte Stimmen im Wald – Boromir und Bergil riefen ihren Namen. Sie suchten nach ihr. Laietha fragte sich, wie lange sie wohl fort gewesen war. Die Ameisen waren fast fertig mit ihrer Arbeit. Von dem toten Vogel waren nur noch ein paar Knochen übrig. Laietha hob den Kopf und erschrak – es war schon Nachmittag! Kein Wunder, dass die Männer nach ihr suchten! Es mussten wenigstens drei Stunden vergangen sein – drei Stunden, in denen sie nichts getan hatte, um ihren Mann und ihren Bruder zu retten.

Sie fühlte sich schuldig. Es war höchste Zeit, sich auf den Weg zu machen und Aragorn zu helfen. Die Stimmen kamen näher und Laietha bekam Angst, dass ihr Mann sie so vorfinden würde. Schon vorhin war er drauf und dran gewesen, sie zu fragen, was sie quälte. Sie konnte ihm jetzt nicht gegenübertreten!

Laietha fühlte sich schwach. Boromir – ihr geliebter Boromir! Wenn er sie fand, würde sie sich ihm in die Arme werfen und ihm alles erzählen, aber das durfte sie nicht. Ihr Mann würde sie in seine starken Arme schließen und tröstende Lösungen für die auswegslose Lage finden – vielleicht sogar etwas ausgesprochen Dummes tun, das sich Laietha nie verzeihen würde. Sie wollte ihn nicht verlieren.

Eine menschliche Gestalt näherte sich ihr und schon fühlte sie die Schwäche, die sie zu übermannen drohte. Bei Eru, lass es nicht Boromir sein, betete sie still und ihre Gebete wurden erhört.