Hallöli! Ein paar haben es vielleicht gemerkt: ich habe endlich gepostet! Und weil ihr so lange warten musstet, gibts sogar gleich zwei neue Kapitel. Dass es so lange gedauert hat, tut mir wahnsinnig leid, aber die Arbeitenden unter euch wissen wahrscheinlich, dass es gegen Ende des Jahres ganz schön stressig auf der Arbeit werden kann ;-) Also: viel Spaß mit den zwei Kapiteln!

Der Bezwinger Hennth Anuns

„Ich spüre Gefahr," flüsterte Legolas.

Ein blasser Schimmer am Horizont sagte ihm, dass der Tag nicht mehr weit sein konnte. Entweder sie mussten jetzt schnell einen Weg finden, oder mussten bis zur nächsten Nacht warten. Beides war ihm selbst nicht recht. Wenn sie schnell handelten, liefen sie Gefahr in eine Falle zu laufen oder zu unbedacht an die Sache heran gingen. Auf der anderen Seite rechnete Aragorn vielleicht noch nicht mit einem so schnellen Angriff und wähnte sich sicher.

Und wenn sie zu lange warteten, gaben sie Aragorn und Zabor zu viel Gelegenheit, sich vorzubereiten. Was auch immer sie taten, es würde riskant sein. Und bis Boromir eintraf würden noch sicher zwei Tage vergehen.

Er und Faramir lagen im hohen Gras unweit des steinernen Einganges von Henneth Anun. Legolas konnte eine sonderbare Macht spüren, die von dort ausging. Sie war mächtig und alt. Und ungefärbt. Weder gut noch böse. Aber sie war natürlich und die Natur war das neutralste, was es gab.

„Es gefällt mir nicht. Wenn wir diesen Eingang nehmen, laufen wir direkt in ihre Arme," überlegte Legolas.

Er kannte sich hier nicht aus. Dieses Land war ihm fremd und unbekannt.

„Es gibt noch eine andere Möglichkeit, hinein zu kommen…" sagte Faramir sehr nachdenklich. „Am verbotenen Teich. Dort gibt es eine Treppe hinein. Aber sie wird sicherlich bewacht. Außerdem wäre der Abstieg zum Teich unmöglich. Die Klippen wölben sich, so dass man keinen Halt an der Wand bekommen könnte. Und sie sind scharfkantig, so dass kein Seil ihnen Stand halten könnte," Faramir machte eine kurze Pause. „Außer…"

Legolas sagte nichts, aber lächelte nur.

„Wir wären vollkommen ausgeliefert und die Wachen an der Treppe würden uns sehen. Ohne Halt an den Wänden könnten wir uns nicht zu den Seiten bewegen. Das heißt unser Abstieg müsste sehr schnell von statten gehen und einer müsste dem anderen Deckung geben."

Legolas schien auch mit dieser Lösung nicht sehr zufrieden. Egal, wer von ihnen beiden den Abstieg machte, sobald sie entdeckt waren, war derjenige ein leichtes Ziel. Wenn viele Wachen da waren, würde nicht einmal Legolas selbst alle erschießen können, bevor Faramir den Boden erreichte.

„Nein…" überlegte Faramir. „Es gibt noch eine Möglichkeit. Aber das ist… Wahnwitz," er grinste Legolas an und der Elb wusste, dass bereits entschieden war, welchen Weg sie nehmen würden. „Das Wasserfallfenster."

Sie standen an der hohen Klippe über dem verbotenen See. Zu ihren Füßen reichte der glatte Fels mit den vielen Scharfen Vorsprüngen sicherlich 50 Meter hinab. Doch sehen konnten sie unten nur den Fuß des Wasserfalls, wo das Wasser hart auf die Felsen traf und in leichte Gischt zerbrach. Der See an sich war nicht sichtbar, da sich die Klippe, auf der sie standen, weit nach innen wölbte. Gegenüber von ihnen verlief ein etwas größerer Bach frischen und klaren Wassers. Er stürzte mit Getose in die Tiefe. Insgesamt bestritt die Klippe etwa einen Halbkreis. Auf der einen Seite standen Faramir und Legolas, der Teich war von dort aus nicht sichtbar. Die andere Seite war gerade so breit, dass der Bach darauf Platz fand und die Klippen in der Mitte waren von scharfkantigen Felsen gesäumt, so dass man nicht an ihren Rand gelangen konnte.

Die offene Seite war ein Abgrund. Dort floss das Wasser vom Teich ab und fiel hunderte von Metern in die Tiefe.

Legolas verstand, warum dieser Ort den Waldläufern einst zum Rückzug gedient hatte. Er war leicht zu verteidigen und schwer zu finden. Der Eingang, den Faramir ihm vorhin gezeigt hatte, war auf den ersten blick nicht zu sehen, da er sich in die Felsen einfügte und sich sofort hart nach links wand, so dass man ihn nicht erkennen konnte.

Jetzt spähte der Elb hinab und sah die kleine Öffnung neben dem Wasserfall, von der Faramir gesprochen hatte. Mit seinem außergewöhnlichen Sehsinn konnte er die Unebenheiten im Schatten dieses Einganges entdecken. Er war tatsächlich bewacht. Aber das Fenster von dem Faramir gesprochen hatte, konnte er nicht sehen.

„Etwa zehn Meter über dem Teich, sieben über der Öffnung, ist das Fenster," erklärte Faramir.

Legolas verschärfte seinen Blick und konnte tatsächlich einen Schatten ausmachen. Zwei Meter hoch, drei Meter breit. Er nickte und hob seinen Bogen, spannte die Sehne. Es würde riskant werden. Er hoffte, dass die Männer das Auftreffen des Pfeils nicht hörten.

„Warte!"

Faramir packte ihm am Arm und der Elb ließ die Sehne wieder zurück. Er wartete. Faramir starrte in die Tiefe, heftete seinen Blick dort hin, wo der Wasserfall auf den Felsen schlug.

„Wasser und Luft,

eins aus zweierlei,

der Morgen es ruft,

setzt den Schleier frei.

Wasser und Luft,

eins aus zweierlei,

der Morgen es ruft,

setzt den Schleier frei…"

Faramir wiederholte diese Worte immer und immer wieder, als wäre er in Trance.

Minuten verstrichen und nichts geschah. Legolas beobachtete Faramir, der noch immer, wie gebannt auf das Wasser starrte und die Worte murmelte. Worauf sollten sie warten? War da etwas, das er nicht bedacht hatte?

Aber als er wieder hinunter sah, bemerkte er, dass sich ganz allmählich die Gischt erhob. Nach wenigen Minuten reichte der Wasserdampf bis zu ihnen hoch und als kaum eine halbe Stunde vergangen war, lag dichter Nebel über dem Teich, so dass man von oben das Ende des Wasserfalls nicht mehr sehen konnte.

Das erschwerte für Legolas natürlich das Zielen, aber sie waren vor den Blicken der Wachen geschützt.

Jetzt nickte Faramir dem Elben zu. Er sah etwas mitgenommen aus und die Haare klebten an seiner Stirn, ob nun von der Luftfeuchtigkeit oder vom Schweiß.

Wieder nahm Legolas den Bogen hoch und zielte auf die Stelle, die er sich gemerkt hatte. Es war ein Meisterschuss! Schnurgerade und ohne ein Geräusch. Der Pfeil blieb tief in der Wand stecken, fast 40 Meter unter ihnen auf der anderen Seite. Und an seinem Schaft hing das schimmernde Elbenseil, welches Legolas daran gebunden hatte. Schnell machte er das andere Ende an einem Baum fest.

„Ich gehe zuerst," flüsterte Faramir und hielt sich bereits am Seil fest, bereit, sich runter zu lassen.

Legolas legte ihm eine Hand auf die Schulter. Er sah nun ein Problem, das er noch nicht bedacht hatte.

„Nein, du kannst den Wasserfall nicht durchdringen. Er wird dich mit in die Tiefe reißen."

Faramir lächelte.

„Falls sie mich entdecken, musst du mir Deckung geben."

Legolas verengte seine Augen zu zwei schmalen Schlitzen. Wenn man Faramir entdeckte, wenn er sich 40 Meter abseilte, würde dieser kaum eine Chance haben, wieder herauf zu kommen.

„Wie willst du durch das Wasser kommen?" Legolas war sich nicht einmal sicher, ob er das selbst schaffen konnte.

Das Wasser stürzte immerhin 40 Meter in die Tiefe und würde so hart wie Felsbrocken sein. Doch dann rief er sich Faramirs Fähigkeiten ins Gedächtnis und wie er es geschafft hatte, den Nebel herauf zu beschwören.

Er nickte.

„Ich werde bereit sein, mellon nin," sagte er und nahm ein paar Pfeile aus seinem Köcher heraus, legte sie neben sich und sank auf ein Knie.

Er legte einen Pfeil bereits an.

Faramir schwang nun die Beine über die Klippe und ließ sich dann langsam hinab. Das dünne Seil trug ihn und der Pfeil steckte fest im Gestein. So versuchte er sich langsam herab zu lassen. Mehrere Male aber rutschte er ein paar Meter, da das Seil eine sehr große Steigung beschrieb. Der Waldläufer wusste, dass er jetzt nicht mehr zurück konnte, außer Legolas würde ihn an dem Seil zu sich hinauf ziehen. Ansonsten war er nun auf sich allein gestellt und es gab nur einen Ausgang für ihn.

Seinen Bogen hatte er zurück gelassen, da er ihn nicht brauchen konnte, doch sein Schwert hing an seinem Gürtel. Faramir hatte es ganz fest gebunden, da er es nicht verlieren wollte. Sehr langsam konnte er wieder Umrisse erkennen, als er sich weiter hinab ließ. Der Teich war noch verborgen, aber allmählich konnte Faramir den Schatten des Ausganges erkennen. Er bezweifelte, dass ihn jemand sehen konnte. Geräuschlos ließ er sich weiter hinab.

Er spürte das kalte Nass, als kleine Tropfen seine Haut benetzten. Er war nun an der Felswand angekommen, direkt neben dem Wasserfall. Legolas war tatsächlich ein genialer Schütze. Das Wasser rauschte laut, aber Faramir konnte Stimmen hören. Er verstand nicht, was sie sagten, aber er wusste nun, dass sich jemand in unmittelbarer Nähe zum Wasserfall befand.

So wartete er. Er wusste nicht, wie viele Personen sich in der Höhle befanden und allmählich fragte er sich, ob sein Vorhaben so klug war. Er würde den Wasserfall durchbrechen, die Zabor finden müssen und das alles innerhalb von wenigen Sekunden, bevor jemand reagieren konnte. Just in diesem Moment wäre es gut gewesen, wenn Boromir mit der Armee vor der Tür gestanden hätte, aber Faramir wusste, dass dies nicht sein konnte. Er verfluchte, dass er Boromir nicht schon nach einem Tag losgeschickt hatte, aber damals hatte er auch noch damit gerechnet, dass er Aragorn vor Henneth Anun einholen konnte.

Faramir band ein kleines Stück Seil mit dem Ende, das er bereits vorbereitet hatte, an dem Pfeil fest.

Er atmete tief ein, als er glaubte, eine hellere Stimme hören zu können. Dann nahm er seine gesamte Konzentration zusammen. Faramir stieß sich mit aller Kraft ab, die er aufbringen konnte und schwang von der Wand weg. Es waren Sekunden, die er hatte, aber er konzentrierte sich auf die feuchte Luft direkt vor ihm. Er griff in Gedanken nach den Teilchen und gab ihnen einen heftigen Stoß.

„Hinfort!" zischte er leise auf elbisch, um seinen Worten Nachdruck zu verleihen.

Er sah, wie das Wasser von der Luft geteilt wurde, kurz bevor er durch den Wasserfall sprang.

Auf seine Schultern war noch immer von dem harten Wasser gefallen und einen Augenblick hatten sie geschmerzt. Doch das war nur allzu kurz gewesen.

Als Faramir den festen Boden unter seinen Füßen bemerkte, war er einen Augenblick selbst total erschrocken, dass er es geschafft hatte. Aber sofort schob er die Erstarrung von sich, sah sich um und versuchte, sich zu orientieren.

Sechs Männer und eine Frau standen in diesem Abschnitt der Höhle. Faramir hielt sich nicht lange auf. Er sprintete auf Zabor zu, die keine zehn Meter entfernt von ihm stand. Der Überraschungseffekt war dieses Mal auf seiner Seite. Die Männer sahen ihm noch überrumpelt zu, als er sein Schwert zog und es Zabor unter das Kinn hielt.

Ihre grünen Augen waren geweitet, sie starrte den Eindringling ungläubig an.

„Euer Spiel ist vorbei, Fürstin," zischte Faramir und legte die kalte Klinge an ihren Hals.

Die Fürstin hatte den Blick keine Sekunde von ihm gewendet, doch wurde der Ausdruck in ihren Augen nun anders. Überraschung wandelte sich in Freude, wandelte sich in Hohn. Ein kühles Lächeln erschien auf ihren Lippen.

„Welch Überraschung, Faramir, der Sohn Denethors. Anscheinend habe ich Euch unterschätzt, als ich meinen Plan geschmiedet hatte. Man sollte eben alle Eventualitäten einkalkulieren. Ich war schlampig, scheint es mir," doch ihrer Stimme konnte man entnehmen, dass sie keineswegs glaubte, dass sie verloren hatte.

„Befehlt den Männern, sich zu entwaffnen!" flüsterte Faramir.

Er wollte erst einmal nicht noch mehr Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Sie sah ihn an, er konnte nichts aus ihrem Lächeln heraus lesen. Mit einer Handbewegung bedeutete sie ihnen Männern, die aus dem Norden Rohans stammen mussten, ihre Waffen nieder zu legen.

Faramirs Atem ging schnell. Das war schon fast zu einfach. Sein Gefühl sagte ihm, dass die Zabor noch einen Trumpf im Ärmel hatte.

„Wo ist der König!" verlangte Faramir zu wissen und drückte die Klinge etwas fester an ihre Kehle.

„Euer verehrter König? Er wird Euch hinrichten lassen, darauf habt Ihr mein Wort. Er selbst wird Euer Henker sein," ihre Augen wurden so giftig, wie die einer Schlange.

Faramirs Herz fing an zu rasen. Er wusste, dass hier etwas nicht stimmte. Doch die Gestalt, die aus dem dunklen Schatten hinter ihm trat, konnte er nicht sehen. Den obersten der Dunedain konnte kein Auge erblicken, wenn er es nicht zuließ. Faramirs Atem ging schneller, als sich die Gestalt ohne sein Wissen näherte. Er suchte nach einer Antwort in Zabors Augen. Aber die waren so leer, dass sie nicht einmal spiegelten.

Er musste etwas tun! Er nahm die Zabor schroff am Arm und drehte sie unsanft herum, dass er bessere Kontrolle über sie hatte. In just diesem Moment durchzog ihn ein Schmerz, von seiner Schulter ausgehend. Er konnte sie nicht mehr halten und sowohl Waffe, als auch Gefangene entzogen sich seinem Griff.

Faramir sank auf die Knie.

„Unterschätze nie einen Waldläufer des Nordens," hörte er Aragorns ruhige Stimme nahe an seinem Ohr, bevor er in die Dunkelheit sank.