Dumbledore war mit mir zusammen nach Hogsmeade appariert. Hogsmeade war ein kleines Dorf in der Nähe von Hogwarts und mir gefiel es sofort.

Auf meine Frage hin, warum wir nicht direkt nach Hogwarts appariert waren, schmunzelte Dumbledore.

„Auf Hogwarts liegt ein Anti-Apparations-Fluch", erklärte er mir dann. „Wenn Sie auf diese Art irgendwohin reisen wollen, müssen Sie vorher nach Hogsmeade gehen. Der Eberkopf und die Drei Besen sind sehr zu empfehlen."

Wir verließen Hogsmeade und folgten einem Weg, der sich durch die malerische Landschaft schlängelte.

Nach einer Weile tauchte vor uns ein großes Schloss auf. Dies war also Hogwarts, mein Zuhause für das nächste Jahr.

Unter dem Schloss erstreckte sich ein großer See, der mich stark an Loch Ness erinnerte und auf der anderen Seite konnte ich einen großen, düster aussehenden Wald erkennen.

„Der verbotene Wald", deutete Dumbledore meinen Blick richtig.

„Verboten?"

„Es sei Ihnen nicht geraten dort ohne Grund einzudringen."

„Aha", sagte ich zwar, doch wirklich verstanden hatte ich es nicht.

Wir betraten das Schloss und Dumbledore führte mich zu seinem Büro.

Vor einem großen Wasserspeier blieben wir stehen.

„Schoko-Bohne", sagte Dumbledore, worauf der Wasserspeier lautlos zur Seite glitt und den Blick auf eine Treppe freigab, die sich langsam nach oben wand.

Mit großen Augen folgte ich der Treppe nach oben. So etwas kannte ich von Trotzstein gar nicht und überhaupt schien Hogwarts ein Ort zu sein, an dem man die Magie geradezu greifen konnte.

Auch Dumbledores Büro war alles andere als gewöhnlich. Das Turmzimmer war mit allerlei magischen Gegenständen vollgestopft und auf einer Stange neben der Tür, saß ein wunderschöner Phoenix.

Ich blieb vor ihm stehen und sah ihn bewundernd an. Tiere waren ohnehin meine geheime Leidenschaft, insbesondere magische Geschöpfe. Und einen Phoenix hatte ich noch nie zuvor so nahe zu Gesicht bekommen.

„Das ist Fawkes." Dumbledore hatte sich hinter seinem Schreibtisch niedergelassen und beobachtete mich lächelnd.

„Hallo, mein Schöner", sagte ich leise zu ihm und der Phoenix legte den Kopf schief und sah mich neugierig an.

Er neigte den Kopf und gestattete es mir ihn kurz zu kraulen. Seine Federn fühlten sich weich und warm an.

„Es ist bald wieder so weit."

„Daß er Feuer fängt?"

„Ja und um dann aus der Asche wieder aufzusteigen."

Ich ließ mich ihm gegenüber auf einem Stuhl nieder und wartete, dass er weitersprach.

„Ich nehme an Cyrus hat Sie soweit aufgeklärt."

„Na ja, wie man's nimmt. Er hat mir nur gesagt, dass Sie einen Lehrer für Verteidigung gegen die dunklen Künste suchen und dass er mich Ihnen empfohlen hat."

„Mehr nicht?"

„Nein. Wieso? Gibt es denn noch etwas, was ich wissen sollte?"

„Ich ahnte schon, dass Cyrus dieses kleine Detail auslassen würde", meinte Dumbledore amüsiert. „Diese Stelle scheint verflucht zu sein. Seit den letzten Jahren, blieben die Lehrer nie länger als ein Jahr bei uns."

„Aha. Und wieso?"

„Professor Quirrel ist gestorben, tragisch das... Professor Lockhart befindet sich derzeit im St. Mungos, Professor Lupin ist freiwillig gegangen, aber was blieb ihm anderes übrig nachdem bekannt gemacht worden war, dass er ein Werwolf ist... und Professor Moody... na ja, er weigert sich strikt den Posten zu übernehmen, seit er das letzte Jahr in einem Koffer verbracht hat."

„Aha. Klingt nach einer Herausforderung", grinste ich.

„Sie sollten noch wissen, dass Voldemort wieder sehr aktiv geworden ist."

„Ja, das habe ich mitbekommen. Auch bei uns haben die Todesser mobil gemacht."

„Sie scheinen nicht beeindruckt zu sein."

„Bin ich auch nicht, was allerdings nichts mit mangelndem Respekt zu tun hat. Ich habe großen Respekt vor Voldemort, denn seit meinem Studium der dunklen Künste, kann ich mir in etwa vorstellen, was in ihm vorgeht. Sofern man sich überhaupt vorstellen kann, was in einem kranken Hirn vor sich geht. Allerdings konnte ich mich bislang ganz gut dagegen wehren, von ihm in seine Todesserriege aufgenommen zu werden."

„Es gefällt ihm sicherlich nicht, dass Sie ihm bislang entwischen konnten."

„Sicher nicht, schließlich weiß ich mindestens genauso viel über die dunklen Künste wie seine Todesser und kann sie sicherlich auch genauso gut anwenden. Daß ich dennoch keinen Hang zur schwarzen Magie habe muß ihm ziemlich unverständlich vorkommen. Allerdings hat er mich bislang zum Glück in Ruhe gelassen."

„Was nur daran liegt, dass Sie nicht in seinem unmittelbaren Einflussbereich waren. Da Sie es nun sind, müssen Sie umso aufmerksamer sein."

„Ich werde es mir merken", versprach ich.

„Nun zu einem anderen Punkt. Ich habe für die Zeit ihrer Eingewöhnung einen meiner Lehrer hier behalten. Er wird sie mit Hogwarts vertraut machen und Ihnen unseren Lehrplan vorstellen. Ihre anderen Kollegen werden Sie dann mit der Zeit auch kennenlernen."

Auf einen Wink hin, öffnete sich die Tür und ein weiterer Zauberer trat ein.

Er war groß und hager und wurde vollständig von einem langen schwarzen Umhang verhüllt. Sein Gesicht war schmal und bleich, was durch seine schwarzen Haare noch unterstrichen wurde. Sie hingen ihm strähnig ins Gesicht und aus seinen dunklen, fast schwarzen Augen sah er mich abschätzend an.

Normalerweise hätte er auf mich einen ziemlich unsympathischen Eindruck gemacht, aber da ich ein ziemlich offener Mensch war und die Leute nicht nach dem ersten Eindruck beurteilte, wartete ich erst mal ab.

„Darf ich Ihnen Professor Severus Snape vorstellen. Severus, das ist Cassiopeia McCallahan. Sie wird im nächsten Jahr Verteidigung gegen die dunklen Künste unterrichten."

Bei der Nennung meines Namens ächzte ich hörbar auf und fing mir ein spöttisches Lächeln von Snape ein.

„Sie werden sie ein wenig unter Ihre Fittiche nehmen, damit sie sich schnell bei uns eingelebt hat."

„Natürlich, Sir", sagte Snape höflich und seine Stimme war leise und ließ keinerlei Gefühlsregung erkennen.

„So meine Liebe", wandte Dumbledore sich wieder an mich. „Ich denke ich habe Ihnen alles wichtige mitgeteilt. Ich lasse Cyrus eine Nachricht zukommen, dass Sie hier gut untergebracht sind und dann kann ich Ihnen nur einen angenehmes Jahr hier wünschen. Wir sehen uns spätestens bei der Eröffnungsfeier für das neue Schuljahr wieder."

Damit war ich entlassen und sah unschlüssig zu Snape. Ich wusste ja gar nicht, wo ich jetzt hingehen sollte, geschweige denn wo ich wohnen sollte.

Snape deutete mit einem Kopfnicken Richtung Tür, wurde aber von Dumbledore noch einmal zurückgehalten.

„Ach, jetzt hätte ich es fast vergessen. Zeigen Sie Cassie doch ihre Räumlichkeiten. Ihre Sachen sind übrigens gerade angekommen", fügte er an mich gewandt noch hinzu.

Snape nickte nur und ging dann wortlos an mir vorbei und verließ das Büro.

Wenn ich nicht ganz verloren sein wollte, musste ich ihm wohl oder übel folgen. Ich holte ihn am Fuße der Treppe ein und als sich der Wasserspeier hinter uns wieder lautlos vor den Eingang schob, standen wir beide etwas unschlüssig da.

Ich wollte schon etwas sagen, doch ich schluckte die Worte hinunter. Snape sah nicht danach aus, als hätte er große Lust auf Konversation, geschweige denn auf die Aufgabe die Dumbledore ihm zugeteilt hatte.

„Bitte folgen Sie mir", meinte er schließlich etwas steif und ging voraus.

Als ich hinter ihm hereilte konnte ich mir ein Grinsen nicht verkneifen, denn mich überkam unvermittelt das Gefühl, was ich immer gehabt hatte, wenn ich Nachsitzen oder sonstige Strafarbeiten machen musste.

„Das ist der Teil des Schlosses, wo die Lehrer ihre Räumlichkeiten haben", ließ er sich zu einer Erklärung herab, als wir vor einer Tür stehen blieben. Erstaunlich, so viele Wörter hatte ich ihm gar nicht zugetraut, nachdem wir eine gute Viertelstunde schweigend durch das Schloss gelaufen waren.

„Ist daran irgendetwas komisch?" Er sah mich mit hochgezogener Augenbraue durchdringend an.

Scheinbar war mein Grinsen doch ziemlich deutlich zu sehen gewesen.

„Nein", gab ich zurück. „Ich bin von Natur aus ein fröhlicher Mensch." Und damit scheinbar das genaue Gegenteil von dir, fügte ich in Gedanken noch hinzu.

„Schön, da Sie ja jetzt wissen, wo Sie wohnen werden, kann ich ja gehen", meinte er kühl, was mir ein leichtes Stirnrunzeln entlockte.

„Oder soll ich Ihnen noch beim Auspacken helfen?" fügte er spöttisch hinzu.

„Danke, aber das schaffe ich gerade noch alleine", gab ich genauso spöttisch zurück.

„Sie sollten auf Ihren Tonfall achten, Cassiopeia." Er betonte meinen Namen besonders und entlockte mir ein wütendes Schnauben.

Hatte ich schon erwähnt, dass ich es hasste, wenn jemand meinen Namen vollständig aussprach?

„Dann sollten Sie auch auf Ihren achten, Severus", gab ich wutschnaubend zurück. „Denken Sie daran, ich bin keiner Ihrer Schüler. Und ich lasse mich von Ihnen ganz sicher nicht zurecht weisen."

In seinen Augen blitzte es zornig auf.

„Ich erwarte Sie morgen um punkt neun in meinem Büro", sagte er mühsam beherrscht. Dann drehte er sich um und rauschte davon.

Immer noch wütend sah ich ihm nach. Anscheinend besaß Snape doch einen eigenartigen Sinn für Humor. Wie sollte ich um Himmels Willen sein Büro in diesem verdammt großen Schloss finden?

Wenn er das komisch fand, dann konnte ich nicht darüber lachen. Außerdem, was bildete er sich ein, mich in sein Büro zu zitieren, als wäre ich ein ungehorsamer Schüler.

Der würde sich noch wundern!

Leise vor mich hinfluchend betrat ich mein Zimmer und fing an meine Sachen aus den Koffern zu zaubern. Wenn Snape mich jetzt schon auf die Palme brachte, wie sollten da die nächsten Wochen ablaufen.

Mittlerweile war es Abend geworden und ich saß auf meinem Bett und langweilte mich.

Das Zimmer war schön groß, mit einem Bett, einem Schreibtisch und einem großen Schrank ausgestattet und eine Tür führte in das benachbarte Badezimmer.

Hinter einer weiteren Tür schloss sich mein Büro an, was überaus praktisch war. So konnte ich lange arbeiten und hatte es nicht weit in mein Bett.

Nachdem ich meine Sachen alle verstaut hatte, hatte ich mir eine schöne lange und heiße Dusche gegönnt. Doch jetzt wusste ich nicht mehr was ich sonst noch machen könnte.

Müde war ich noch nicht und langsam bekam ich auch Hunger.

Kurz spielte ich mit dem Gedanken bei Snape anzufragen, ob er mit mir etwas essen gehen würde, doch das verwarf ich sofort wieder. Wahrscheinlich würde er mir die Tür vor der Nase zuknallen und er machte auch nicht den Eindruck, als würde er die Abende mit seinen Kollegen verbringen wollen.

Also blieb mir wohl oder übel nichts anderes übrig, als alleine nach Hogsmeade zu gehen.

Da es draußen, selbst in den Abendstunden schon angenehm warm war, verzichtete ich auf meinen Umhang und machte mich, mit einem knielangen Rock und einem ärmellosen Top bekleidet, auf den Weg.

Draußen sog ich tief die frische Abendluft ein und genoß kurz das Gefühl der Freiheit. Ferien waren doch immer etwas besonderes und die einzige Zeit, wo ich auch einmal etwas für mich tun konnte.

Ich lief über die Ländereien von Hogwarts, erst mal ohne bestimmtes Ziel. Nach Hogsmeade konnte auch nachher noch gehen. Also nutzte ich die Gelegenheit, um die Umgebung näher zu erkunden.

Auf meinem Streifzug kam ich auch an einer kleinen Hütte vorbei, die dicht am Waldrand stand.

Vor ihr hantierte ein Mann mit seinen Kürbissen, die überdimensional groß waren. An seiner ungewöhnlichen Größe konnte ich erkennen, dass er mindestens einen Riesen in der Familie gehabt haben musste.

Als er in meine Richtung sah, winkte ich ihm fröhlich zu und er erwiderte den Gruß. Ich lief weiter und setzte mich irgendwann auf einen großen Stein. Von hier hatte ich eine fantastische Aussicht auf das Schloss und den See.

Es dämmerte schon langsam und die untergehende Sonne tauchte den Himmel in ein feuriges Rot.

Fasziniert beobachtete ich das Farbspiel zwischen Rot und Blau und vergaß dabei vollkommen die Zeit.

Diese Himmelsfarbspiele hatten mich schon immer fasziniert und ich konnte einfach stundenlang dasitzen und den Himmel beobachten. Wahrscheinlich hatte ich diese Leidenschaft meiner Mutter zu verdanken.

Meinen Hunger hatte ich längst vergessen und so saß ich einfach nur da und hing meinen Gedanken nach.

„Sind Sie noch ganz bei Trost?"

Erschrocken sprang ich auf und sah mich einer schwarzen Gestalt gegenüber. Beim zweiten Hinsehen erkannte ich Snape.

„Verdammt, müssen Sie sich so anschleichen?"

„Was haben Sie überhaupt hier zu suchen?"

„Eigentlich wollte ich was essen gehen, aber als ich dann...", fing ich an, doch Snape hatte bestimmt keinen Sinn für die schönen Dinge im Leben.

„Sie können doch nicht einfach hier alleine rumlaufen", überging er meinen Erklärungsversuch. „Um diese Zeit und dann auch noch in der Nähe vom Wald."

„Aber Sie?"

Einen kurzen Moment sah er mich irritiert an, dann verdüsterte sich sein Blick.

„Natürlich, ich weiß auch, womit ich zu rechnen habe."

„Ah, tatsächlich? Dann können Sie mich ja aufklären."

Ich setzte mich wieder auf meinen Stein und sah ihn erwartungsvoll an.

„Meinetwegen", seufzte er und schien gar nicht begeistert. „Aber nicht hier."

„Gut, dann eben in Hogsmeade", meinte ich, denn mein knurrender Magen erinnerte mich wieder daran, dass ich ja eigentlich was essen gehen wollte.

„Hogsmeade?" fragte er und zog einen Augenbraue in die Höhe.

„Was dagegen? Ich habe Hunger."

Als er ein wenig unschlüssig vor mir stand musste ich grinsen.

„Keine Sorge, ich will nicht mit Ihnen ausgehen. Ich geh was essen und Sie begleiten mich nur und erzählen mir was über den Wald."

„Ausgehen?" Die Augenbraue rutschte noch ein Stück höher.

„Eben nicht. Sie sollen mir doch sowieso alles zeigen, warum also nicht mit Hogsmeade anfangen? Ich meine, Sie müssen doch wissen, wo man abends gut hingehen kann."

„Tut mir leid, da kann ich Ihnen nicht helfen", meinte er abweisend und verfiel wieder in seinen kühlen Tonfall.

„Dann eben nicht. Dann zeigen Sie mir wenigstens wo ich was vernünftiges zu Essen her bekomme."

Am Ende landeten wir nicht in Hogsmeade, sondern in der großen Halle von Hogwarts, wo die Hauselfen mir noch ein verspätetes Abendessen servierten.

Ich war noch nicht fertig, da stand Snape auf und verabschiedete sich.

„Ich wünsche Ihnen eine gute Nacht. Wir sehen uns morgen um neun in meinem Büro."

„Moment mal, Sie können doch nicht einfach gehen und mich alleine lassen. Das ist unhöflich."

Snape machte sich gar nicht die Mühe darauf zu antworten und kurz darauf fiel die große Tür hinter ihm ins Schloss.

Etwas verstimmt sah ich ihm nach. Doch er hatte mich auch neugierig gemacht. Warum war er sofort wieder so abweisend geworden, als ich vorgeschlagen hatte nach Hogsmeade zu gehen? Da war doch nichts schlimmes dran.

Ich nahm mir fest vor das herauszufinden und schloss mit mir selbst eine Wette ab, ob ich es schaffen würde ihn nach Hogsmeade zu bekommen. Das klang nach einer schönen Herausforderung.

Ein wenig besänftigter schlang ich den Rest des Essens hinunter und ging dann ebenfalls schlafen.

In dieser Nacht fand Severus Snape lange keinen Schlaf. Nicht nur, dass er sich darüber ärgerte, dass Dumbledore ihn angewiesen hatte, die Ferien in Hogwarts zu verbringen. Er war wohl der Meinung, dass ihm es am wenigsten ausmachen würde, da er ja sowieso keine Familie hatte. Was in gewisser Hinsicht auch stimmte. Snape zog nichts in sein Haus in Spinner's End und ob er die Ferien dort oder hier in Hogwarts verbrachte, war ihm sogar relativ gleichgültig. Was ihn an der ganzen Situation störte war, dass er den Aufpasser für die neue Lehrerin spielen musste.

Und wie die Ironie des Schicksals es so wollte, musste er mit ihr auch noch die neuen Lehrpläne für Verteidigung gegen die dunklen Künste durchgehen. Dabei hatte er eigentlich fest damit gerechnet, dass er dieses Fach in diesem Schuljahr unterrichten durfte.

Nein, Snape war ganz und gar nicht mit der Aufgabe, die Dumbledore ihm zugeteilt hatte, zufrieden.

Außerdem ließ sich Cassie überhaupt nicht von ihm einschüchtern. Er hatte schon lange nicht mehr erlebt, dass ihm jemand dermaßen Widerworte gegeben hatte und zu seinem Leidwesen konnte er sie noch nichtmal dafür bestrafen.

Allerdings hatte er sich auch noch nie so viel mit einem anderen Menschen beschäftigen müssen.

Snape beschloss sie im Auge zu behalten und sollte sie nur einen kleinen Fehler machen, würde er sie mit Freuden zurechtweisen.

Als ich am nächsten Morgen erwachte, war es noch dunkel draußen. Schlaftrunken wollte ich mir die Decke wieder über den Kopf ziehen, als ich mich daran erinnerte, dass ich ja um neun Uhr in Snapes Büro sein musste.

Entgegen meines ursprünglichen Plans, stand ich also auf und machte mich fertig. Dank eines Ortungszaubers fand ich sein Büro problemlos und war sogar eine Stunde zu früh da. So wie ich Snape jedoch einschätzte, war er mit Sicherheit schon da und wartete nur darauf, dass ich zu spät oder gar nicht kommen würde.

Also klopfte ich an die Tür und musste grinsen, als ich ein erstauntes „Herein" vernahm. Ich stieß die Tür auf und trat in Snapes Büro. Es war genau so düster und trist wie er selbst.

Snape stand vor einem Regal mit lauter alten verstaubten Büchern und maß mich mit einem erstaunten Blick.

„Sie sind zu früh", meinte er dann rüde.

„Oh, tatsächlich? Aber wie es aussieht habe ich Sie ja nicht bei etwas wichtigem gestört..."

Snape gab nur ein unwilliges Schnauben von sich und maß mich mit einem düsteren Blick.

„Ich habe noch nicht gefrühstückt", versuchte ich die Situation etwas aufzulockern, obwohl mir eigentlich klar war, dass das bei Snape fruchtlos sein würde. „Wir könnten doch in die große Halle gehen. Beim essen lässt es sich besser reden."

„Ich habe Sie hierher bestellt, also werden wir uns auch hier unterhalten", gab er kühl zurück und setzte eine noch abweisendere Mine auf.

Wieder fiel mir auf, dass er, sobald es auf eine etwas persönlichere, privatere Ebene ging, alles abblockte und merklich distanzierter wurde.

„Na schön", lenkte ich ein und ließ mich in einen alten Sessel fallen. „Fangen wir mit den Lehrplänen an. Welche Themen werden hier vorzugsweise unterrichtet und in welcher Art soll der Unterricht ablaufen? Mehr praktisch oder mehr theoretisch?"

„Zunächst einmal sollten Sie wissen, dass an unserer Schule keine schwarze Magie verwendet werden darf", begann er und schien sich gleich etwas wohler dabei zu fühlen mir einen Vortrag zu halten. „Alles was somit schwarzmagisch ist, wird nur theoretisch abgehandelt. Alles andere, also Schutzzauber, gefährliche Wesen und ähnliches, können Sie halten wie Sie wollen. Ich habe Ihnen hier eine Liste zusammengestellt, welche Themen in welchem Jahrgang behandelt werden müssen und welche zusätzlich noch gelehrt werden können."

Er reichte mir einige Rollen Pergament, die ich mir sorgfältig durchlas. Im Prinzip war es nichts anderes, was ich auch auf Trotzstein gemacht hatte. Nur dass ich zu Hause die Unverzeihlichen auch vorführen durfte.

Zu einigen Themen hatte ich noch Fragen und Snape gab mir bereitwillig Auskunft. Ich war beeindruckt von seiner Sachkenntnis und auch etwas überrascht, dass er seine Freude über dieses Thema ganz offen zeigte.

Was mich zu der Frage brachte, warum er nicht selbst VgddK unterrichtete. Allerdings verzichtete ich darauf ihm diese Frage zu stellen. Eine Antwort darauf würde ich schon früh genug erhalten.

Eine Weile diskutierten wir noch über dieses oder jenes und worauf ich noch zu achten hätte. Doch dann machte sich mein Magen bemerkbar und erinnerte mich daran, dass ich noch nicht gefrühstückt hatte.

„Gibt es sonst noch etwas wichtiges, was ich beachten muß?" beendete ich unser Gespräch.

„Nein, vorerst nicht. Sollte mir noch etwas einfallen, werde ich Sie darauf hinweisen."

„Gut, dann werde ich mir jetzt etwas zu essen genehmigen", meinte ich und verabschiedete mich.

Als ich aus dem Büro kam, musste ich unwillkürlich tief einatmen. Erst jetzt wurde mir bewusst, was für eine beklemmende und stickige Atmosphäre in dem kleinen Raum geherrscht hatte.

Mein Magen meldete sich nun lautstark und schnell lief ich Richtung großer Halle, um mir von den Hauselfen das Frühstück servieren zu lassen.

Erst als Cassie sein Büro verlassen hatte, merkte Snape, dass er sich noch gerne länger mit ihr unterhalten hätte. Im gleichen Gedankengang wunderte er sich darüber, denn normalerweise verspürte er selten den Wunsch sich mit jemandem zu unterhalten. Doch sie hatte ihn neugierig gemacht. Obwohl sie, für einen Lehrer, noch recht jung war, kannte sie sich erstaunlich gut mit den Dunklen Künsten aus. Auch wenn sie nicht direkt darüber gesprochen hatte, so hatte er schnell gemerkt, dass sie mehr darüber wusste als sie preisgab.

Es war zudem das erste Mal gewesen, dass er jemandem gegenüber saß mit dem er so unverhohlen über dieses pikante Thema diskutieren konnte. Was aber wohl auch an ihrer Herkunft lag. Denn auf Trotzstein wurde über die dunklen Künste nicht nur hinter vorgehaltener Hand gesprochen.

Es reizte ihn, mehr darüber zu erfahren und so tat er etwas, was er sonst nie getan hätte.

Als ich die frischen Brötchen und das Obst sah, musste ich mich zurückhalten, um nicht alles gierig hinunterzuschlingen.

Neben meinen anderen wenigen Hobbys gehörte das Essen zu einer meiner Lieblingsbeschäftigungen. Patrick beschwerte sich immer darüber, dass ich so viel essen konnte wie ich wollte und dabei nicht ein Gramm zunahm. Im Gegensatz zu ihm. Kathy und ich hatten ihn schon öfter damit aufgezogen, wenn ihm mal wieder seine Hosen zu eng geworden waren.

Als ich so alleine in der großen Halle saß und an Patrick dachte, überkam mich das Heimweh. Ich vermisste ihn, der es immer schaffte, mich mit seiner fröhlichen Art aufzumuntern. Und der immer ein offenes Ohr für mich hatte, wenn ich irgendwelche Probleme hatte. Sei es mit den Schülern oder mit meiner Familie.

Er und Kathy waren immer für mich da und waren wahrscheinlich die besten Freunde, die ich hatte.

Aber hier war ich auf mich selbst gestellt und musste mich alleine durchschlagen.

Missmutig schob ich den Teller von mir und füllte statt dessen meine Tasse erneut mit Kaffee.

So in Gedanken vertieft, merkte ich nicht, dass ich Gesellschaft bekam. Erst Snapes Stimme ließ mich aus meinen Gedanken aufschrecken.

„Sind Sie in Gedanken schon bei Ihrer ersten Unterrichtsstunde?" fragte er mich und deutete ein verhaltenes Lächeln an.

Unwillkürlich schoss mir durch den Kopf, dass er doch eigentlich ganz nett aussehen könnte, wenn er nur öfter lächeln würde.

„Wie? Nein... ich war gerade ganz woanders."

Er ließ sich mir gegenüber nieder und zog sich ebenfalls eine Tasse Kaffee heran.

„Ist das eigentlich normal?" fragte ich ihn und er sah mich irritiert an.

„Was meinen Sie?"

„Na ja, dass man mit der Zeit Kaffeesüchtig wird. Früher konnte ich dieses Gesöff überhaupt nicht trinken, doch mittlerweile komme ich ohne gar nicht mehr aus."

„Schon möglich", gab er kurzangebunden zurück und ich spürte schon wieder diese Ablehnung, sobald das Gespräch persönlicher wurde.

„Ist Ihnen noch etwas eingefallen?" fragte ich deswegen.

„Nein. Mich würde nur interessieren, warum Sie sich so gut mit den dunklen Künsten auskennen", gab er unumwunden zu und musterte mich aufmerksam mit seinen schwarzen Augen.

„Das lässt sich nicht vermeiden, wenn man DK unterrichtet." Diesmal war ich diejenige, die kurz angebunden war. Wenn es möglich war, vermied ich Diskussionen über meine Fächerwahl, denn diesen war ich schon viel zu oft ausgesetzt gewesen. Und meistens hatten sie für mich kein gutes Ende genommen, da die wenigsten Leute Verständnis dafür aufbringen konnten und die meisten davon überzeugt waren, dass ich eine Hexe war, die schwarze Magie mit Leib und Seele betrieb.

Snape schien zu merken, dass mir dieses Thema unangenehm war und er ging nicht weiter darauf ein. Wofür ich ihm außerordentlich dankbar war.

Schweigend tranken wir beide unseren Kaffe.

„Ich muß noch etwas vorbereiten", meinte er dann und stand auf. Dabei rutschte der linke Ärmel seines Umhangs ein wenig nach oben. Mein Blick fiel auf eine schwarze Tätowierung an seinem linken Unterarm und ich wusste sofort worum es sich dabei handelte. Es war das Dunkle Mal.

Als Snape meinen Blick bemerkte zog er hastig seinen Ärmel zurecht und erwiderte kühl meinen Blick.

„Na dann, wünsch ich Ihnen noch einen schönen Tag", meinte ich unbekümmert und tat so, als hätte ich nichts gesehen.

Als Snape jedoch die Halle verlassen hatte, musste ich mir noch eine Tasse Kaffee genehmigen.

Snape, ein Todesser? Und dann durfte er an dieser Schule unterrichten? Oder war er ein ehemaliger Todesser? War das der Grund warum er, trotz seiner exzellenten Sachkenntnis, nicht VgddK unterrichtete?

Der Mann wurde mir immer rätselhafter und weckte immer mehr meine Neugier. Und ich musste gestehen, dass gerade dieses rätselhafte und undurchschaubare mich reizte, mehr über ihn herauszufinden.

Auch wenn ich dadurch Gefahr lief, Voldemort in die Finger zu fallen, sollte Snape tatsächlich noch ein Anhänger von ihm sein.