Die ersten Wochen der Ferien verbrachte ich damit, meinen Unterricht vorzubereiten. Die meiste Zeit verbrachte ich vor meinen Büchern und Unterlagen und musste grinsen, als ich dabei an Patrick dachte und wie er wahrscheinlich den Kopf schütteln würde.
Snape sah ich in dieser Zeit so gut wie gar nicht mehr. Seit unserer letzten Begegnung hatte er sich merklich zurückgezogen und gab sich nur recht widerwillig mit mir ab, wenn ich ihm bezüglich des Lehrplanes Fragen stellte.
Zwei Wochen vor Ferienende sah auch ich endlich ein, dass es für mich nichts mehr zu tun gab. Mein Unterrichtsplan war fertig und ich konnte den Rest der Ferien einfach nur genießen.
So fuhr ich für ein paar Tage zu meinen Großeltern, die sich wahnsinnig über meinen Besuch freuten und mich sogleich für Weihnachten zu sich einluden.
„Du weißt, dass du gerne noch jemanden mitbringen kannst", meinte Granny zu mir, als ich mich abreisefertig machte.
„Mal sehen", gab ich ausweichend zurück. „Vielleicht habe ich bis dahin ja ein paar Leute kennengelernt."
„Wir würden uns jedenfalls sehr freuen, wenn du mal nicht alleine kommst", sagte Grandpa augenzwinkernd, worauf ich mit einem genervten Seufzen antwortete.
Warum interessierten sich bloß alle für mein Privatleben? Mein nichtvorhandenes, würde Patrick jetzt sagen.
Zurück in Hogwarts wurde ich schon erwartet.
„Sie können doch nicht einfach weggehen, ohne sich abzumelden", wurde ich schon von Snape empfangen, kaum dass ich meine Sachen aufs Bett geworfen hatte.
Ich hatte vergessen meine Tür zu schließen und nun stand er im Türrahmen und sah mich vorwurfsvoll an.
„Wieso? Wir haben Ferien", gab ich schulterzuckend zurück und begann damit meine Sachen in den Schrank zu zaubern.
„Sie hätten sich trotzdem bei mir abmelden müssen", beharrte er und entlockte mir ein spöttisches Grinsen.
„Tatsächlich?"
„Wo waren Sie überhaupt?"
„So wie ich das sehe, bin ich Ihnen keine Rechenschaft darüber schuldig, was ich mit meiner Freizeit mache. Und im übrigen geht Sie das gar nichts an."
Snape gab ein wütendes Schnauben von sich und rauschte wortlos davon.
Ich sah ihn erst wieder bei der großen Schuljahresanfangsfeier.
Ich glaube, so nervös war ich schon lange nicht mehr gewesen. Am heutigen Abend sollte die große Feier stattfinden. Etwas unruhig saß ich auf dem mir zugewiesenen Platz am Kopfende der großen Halle.
„Sie sind doch nicht etwa nervös?" fragte Snape spöttisch, der neben mir saß.
„Wie kommen Sie darauf?"
„Sie sehen ein wenig blass um die Nase aus..."
„Gut zu wissen, dass Sie sich meine Nase so genau angesehen haben", gab ich etwas gereizt zurück. Doch leider lag Snape nur allzu richtig, doch das würde ich ihm unter keinen Umständen auf die Nase binden.
Snape schnaubte beleidigt und richtete seinen Blick wieder nach vorne.
Die große Halle war festlich hergerichtet worden. Vier lange Tischreihen erstreckten sich vor mir, über denen jeweils die Banner der einzelnen Häuser hingen. Slytherin, Gryffindor, Ravenclaw und Hufflepuff.
Statt der Decke war ein sternenübersäter, wolkenloser Nachthimmel zu sehen. Es war die getreue Nachbildung des tatsächlichen Himmels draußen.
Nach und nach trudelten die älteren Schüler ein und setzten sich auf ihre Plätze. Als schließlich alle da waren, warteten wir auf die Erstklässler. Sie mussten in die einzelnen Häuser eingeteilt werden, erst danach sollte das große Essen beginnen.
Ich spürte die neugierigen Blicke der Schüler auf mir und versuchte einen halbwegs gelassenen Eindruck zu machen. Anscheinend gelang es mir nicht, was ich an Snapes schadenfrohem Lachen merkte.
Ich warf ihm einen giftigen Blick zu und fragte mich gleichzeitig, warum ich mich ständig von ihm provozieren ließ anstatt ihn zu ignorieren.
Endlich ging die große Flügeltür der Halle auf und Professor McGonagall führte die Erstklässler herein.
Jeder von ihnen wurde mit Namen aufgerufen und musste vor unserem Tisch auf einem Stuhl Platz nehmen. Dann bekamen sie den sprechenden Hut aufgesetzt, der sie in die einzelnen Häuser verteilte.
Die Prozedur zog sich in die Länge und ich merkte, wie ich langsam mit meinen Gedanken abschweifte.
Sie kreisten mal wieder um Snape und ich ärgerte mich darüber, dass er in den letzten Wochen den Großteil meiner Gedanken eingenommen hatte. Dabei war er noch nichtmal attraktiv, was das ganze für mich noch unverständlicher machte. Er war herablassend, gehässig und kalt, aber zugleich auf eine verwirrende Art anziehend, was aber wahrscheinlich nur an seiner rätselhaften, schwer durchschaubaren Art lag. Solche Menschen wirkten auf mich generell anziehend und ließen mich nicht eher zur Ruhe kommen, bis ich mehr über sie in Erfahrung gebracht hatte.
Dumbledores Stimme riss mich wieder in die Wirklichkeit. Die Hauszuordnung war endlich vorbei und er war aufgestanden, um eine kleine Rede zu halten.
„Ich freue mich, euch alle zu einem neuen Schuljahr begrüßen zu dürfen", begann er und erntete zustimmendes Gemurmel.
„Wie ihr sicherlich schon bemerkt habt, haben wir ein neues Mitglied in unserem Lehrerkollegium..." Er gab mir einen unauffälligen Wink und ich erhob mich.
„Ich darf euch Professor McCallahan vorstellen. Sie wird dieses Jahr Verteidigung gegen die dunklen Künste unterrichten. Ich bitte euch, sie herzlich in unsere Gemeinschaft aufzunehmen, damit sie gute Erinnerungen mit zurück nach Trotzstein nehmen kann."
Als der Name der Burg genannt wurde kam erstauntes Gemurmel auf. Natürlich wusste jeder, dass Trotzstein, neben Durmstrang, führend im Lehren der dunklen Künste war und zum Leidwesen aller nicht wenige Todesser hervorgebracht hatte.
Dumbledore ließ noch ein paar organisatorische Hinweise folgen und beendete seine kurze Ansprache. Kaum hatte er sich gesetzt, erschienen auf den Tischen dampfende und herrlich duftende Schüsseln mit allen erdenklichen Köstlichkeiten.
An das Essen konnte ich mich echt gewöhnen, so gut hatte ich schon lange nicht mehr gegessen. Kein Wunder also, dass ich es mir richtig schmecken ließ.
„Ich hoffe, Sie haben sich schon eingelebt", meinte Dumbledore nach einer Weile zu mir.
„Allerdings. Professor Snape war mir eine große Hilfe."
Dumbledore lächelte und widmete sich dann wieder seinem Gespräch mit Professor McGonagall.
Snape dagegen musterte mich mit hochgezogenen Augenbrauen. Anscheinend wusste er meine Bemerkung nicht einzuschätzen.
„Das war ernst gemeint", sagte ich deswegen, vermied es aber ihn dabei anzusehen und widmete mich stattdessen meinem Becher Wein.
„Ach?" war alles was er dazu zu sagen hatte.
„Ja, wirklich. Stellen Sie sich vor, ich meine tatsächlich etwas ernst." Automatisch verfiel ich wieder in den sarkastischen Tonfall, den ich mir ihm gegenüber angewöhnt hatte und erntete prompt einen ärgerlichen Blick.
„Jetzt aber mal Spaß beiseite", setzte ich noch hinzu. „Sie haben mir wirklich sehr geholfen. Ohne Sie würde ich wahrscheinlich immer noch durch Hogwarts laufen, wie ein verirrtes Schaf das seine Herde verloren hat. Und ohne Ihre Tipps wäre meine Unterrichtsvorbereitung nur halb so gut geworden."
Da ich es diesmal vollkommen ernst meinte, sah ich Snape direkt in die Augen, was ihm scheinbar unangenehm war, denn er wandte den Blick augenblicklich ab.
„Ehrlich. Sie haben was gut bei mir. Nicht jeder würde seine Ferien dafür opfern."
„Ich hatte hier sowieso noch etwas vorzubereiten", wich er mir aus und ich merkte sofort, dass das nicht stimmte.
„Natürlich", meinte ich nur und machte mich über den Nachtisch her, der mittlerweile auf den Tischen erschienen war.
Am nächsten Morgen hatte ich meine erste Unterrichtsstunde bei den Fünftklässlern. Sie hatten am Ende des Jahres ihre ZAGs abzulegen und ich hatte den Unterricht dementsprechend ausgelegt.
Die Klasse setzte sich aus Slytherins und Gryffindors zusammen und anhand ihrer Sitzordnung merkte ich, dass eine gewisse Rivalität zwischen den beiden Häusern zu bestehen schien.
Als alle anwesend waren, suchte ich die Namensliste heraus und überprüfte schnell ob auch alle da waren. Zu meiner Zufriedenheit war die Klasse vollständig und ich konnte mit dem Unterricht beginnen.
Besonders neugierig war ich auf Harry Potter. Ich hatte schon viel von ihm gehört und ich beneidete ihn keineswegs um die besondere Aufmerksamkeit, die ihm, insbesondere durch Voldemort, zu Teil wurde.
Ich stellte mich also kurz vor und sah sofort in einigen Gesichtern verhaltene Neugier.
„Bevor ich mit meinem eigentlichen Unterricht beginnen möchte... Wenn Sie Fragen haben, was meine Person betrifft, dann können Sie die gerne jetzt stellen. Ich weiß zwar nicht, ob ich sie alle beantworte, aber Sie können es gerne versuchen."
Sofort schnellten einige Finger in die Höhe.
„Ja? Äh..." Ich sah auf meinen Zettel. „Miss Granger?"
„Stimmt es, dass Sie auf Burg Trotzstein unterrichtet haben?"
„Ja, das stimmt. Ich habe nicht nur dort unterrichtet, ich bin auch selbst dort zur Schule gegangen."
Ich ahnte schon in welche Richtung die Fragen gehen würden und ein blonder Junge bestätigte meine Ahnung auch sofort.
„Ich habe gehört, dass man dort schwarze Magie unterrichtet", sagte er, ohne auf eine Aufforderung zu warten.
„Da haben Sie richtig gehört, Mr. Malfoy."
„Aber ist das nicht verboten?" wandte Hermine Granger entrüstet ein.
„Natürlich nicht", gab Draco Malfoy herablassend zurück. „Jeder weiß doch, dass Trotzstein und Durmstrang Hochburgen für dunkle Künste sind."
„Und woher willst du das wissen, Malfoy?" ließ sich nun ein rothaariger Junge vernehmen. Ron Weasley, wie ich meinem Zettel entnehmen konnte.
„Weil mein Vater sich damit gut auskennt und mich eigentlich nach Durmstrang schicken wollte."
„Hätte er es mal getan", murmelte Ron.
„Ich habe doch recht, oder Professor?" wandte Malfoy sich nun an mich.
„Nicht so ganz. Sie haben schon recht damit, dass Trotzstein und Durmstrang dunkle Künste unterrichten. Aber ich würde sie nicht gerade als Hochburgen für dunkle Künste bezeichnen."
„Aber mein Vater hat es mir so erzählt", beharrte Malfoy.
„Dann hat sich Ihr Vater eben geirrt. Wir animieren niemanden dazu sich den dunklen Künsten zu verschreiben."
„Mein Vater irrt sich nie", begehrte Malfoy auf und ich merkte, dass ich scheinbar einen wunden Punkt bei ihm getroffen hatte. „Keine Schule hat so viele dunkle Zauberer hervorgebracht wie diese beiden Schulen."
„Was in der Tat keine erfreuliche Bilanz ist", musste ich ihm recht geben und er lehnte sich zufrieden nach hinten.
„Was haben Sie dort unterrichtet?" schaltete sich Harry in die Diskussion ein und zog sich einen zornigen Blick von Malfoy zu.
„VgddK. Und zum besseren Verständnis der Verteidigung auch Dunkle Künste."
Die meisten sahen mich erschrocken an, anscheinend behagte es ihnen gar nicht, dass ich schwarze Magie beherrschte. Nur Malfoy warf mir unverhohlen bewundernde Blicke zu. Wahrscheinlich hatte er mich gerade zu seiner Lieblingslehrerin erkoren.
Ein Grund mehr, dass ich schnell meinen Standpunkt klarstellen wollte.
„Bevor Sie mich jetzt mit weiteren Fragen überhäufen... Mein Kurs in DK auf Trotzstein diente ausschließlich dem besseren Verständnis der Verteidigung. Denn ohne die Gefahren zu kennen, kann man sich nicht effektiv gegen sie verteidigen. So sehe ich das zumindest. Damit Sie mich nicht falsch verstehen... Ich halte nicht viel vom Einsatz schwarzer Magie und würde sie selbst niemals anwenden. Nur zu Demonstrationszwecken."
Malfoy wollte noch etwas sagen, doch ich schnitt ihm das Wort ab.
„Womit wir auch gleich zu unserem ersten Thema kommen. Und damit Sie sich auch gleich darauf einstellen können... Es ist ZAGrelevant."
Ein unwilliges Murren ging durch die Schulbänke und ich musste ein Grinsen unterdrücken.
„Fangen wir also mit unserem ersten großen Themenkomplex an, der uns die nächsten Wochen beschäftigen wird. Geschöpfe der Finsternis und wie setze ich mich am besten gegen sie zur Wehr. Schlagen Sie bitte Ihre Bücher auf Seite 166 auf und lesen Sie das Einführungskapitel zum Thema Werwölfe."
Das Rascheln der Seiten erfüllte kurz den Raum, dann wurde es still. Da ich das Buch in- und auswendig kannte, konnte ich nicht mehr tun als zu warten.
Dabei fiel mir auf, dass Malfoy nicht in seinem Buch las, sondern etwas auf ein Stück Pergament kritzelte.
Bevor er es jedoch wem auch immer geben konnte, räusperte ich mich kurz und er ließ es hastig unter seinem Umhang verschwinden.
Ich sah, dass die meisten mit lesen fertig waren und konnte somit mit meinen Fragen beginnen.
Und um meine Grenzen abzustecken, fing ich bei Malfoy an.
„Mr. Malfoy. Wie ich sehe, sind Sie schon fertig mit lesen. Was können Sie mir also zum typischen Verhalten eines Werwolfs sagen?"
„Ich wüsste nicht, dass ich mich gemeldet habe", gab er arrogant zurück und dachte wohl, dass ich das so hinnehmen würde.
„Ich weiß. Trotzdem frage ich Sie. Wenn Sie es gelesen haben, dann können Sie mir auch ganz leicht eine vernünftige Antwort geben."
„Und wenn ich es nicht gelesen habe?"
„Dann frage ich mich, was Sie gerade die ganze Zeit gemacht haben."
Ein unterdrücktes Kichern kam von der Gryffindorseite und Malfoy warf ihnen einen zornigen Blick zu.
Als Malfoy sich weiterhin weigerte meine Frage zu beantworten, ließ ich Hermine zu Wort kommen, die schon die ganze Zeit ihren Finger oben hatte.
„Bitte, Miss Granger."
Sie rasselte alle typischen Verhaltensmerkmale eines Werwolfs mechanisch hinunter und mir blieb nichts anderes übrig, als anerkennend zu nicken.
Bevor die Stunde zu Ende war, verteilte ich noch die Hausaufgaben.
„Ich bitte Sie, mir einen Aufsatz über Werwölfe zu schreiben. Und zwar soll er folgende Punkte beinhalten: 1. Woran erkenne ich einen Werwolf. 2. Was sind seine typischen Verhaltensweisen. 3. Was sind seine Jagdgewohnheiten. Und ich bitte Sie, benutzen Sie dafür nicht Ihre Bücher."
„Was? Aber wie sollen wir es dann machen?"
„Warum nicht die Bücher?"
„Ruhe Leute. Lasst es mich kurz erklären. Ich will nicht, dass Sie das Lehrbuch benutzen, denn das kenne ich schon. Was nutzt es mir also, wenn Sie es mir nocheinmal abschreiben. Ich möchte, dass Sie ein wenig kreativ sind und sich Gedanken darüber machen, woher Sie am besten die gewünschten Informationen bekommen. Halten Sie sich einfach an Tatsachen- oder Augenzeugenberichte. Oder benutzen Sie andere Bücher. Das überlasse ich Ihnen. Ich will nur eins nicht: Kein Satz aus diesem Buch!"
Als die Schüler den Raum verlassen hatten, war ich mit meiner ersten Stunde ganz zufrieden. Nur Draco Malfoy gab mir zu denken. Er schien jemand zu sein, der es gewohnt war, das zu bekommen was er wollte. Und dem es nicht gefiel, wenn man ihm widersprach. Ich kannte seinen Vater zwar nicht, aber so wie ich Draco einschätzte, würde ich wohl bald das Vergnügen mit Malfoy senior bekommen. Und sei es nur deswegen, weil ich von Draco verlangte mitzuarbeiten.
Die ersten Wochen des neuen Schuljahres verliefen recht ereignislos. Mir machte der Unterricht Spaß und bis auf Draco konnte ich alle anderen zum mitmachen motivieren. Ganz besonders die Hausaufgaben schienen ihm nicht zu gefallen und auf schlechte Noten reagierte er mit Drohungen, es seinem Vater zu sagen.
Ich ließ ihn weiter schimpfen, ohne mich davon beeindrucken zu lassen. Wenn er so weiter machte, sah es mit seinem ZAG in VgddK nicht besonders gut aus.
Für den heutigen Abend hatte ich mir die Aufsätze über Vampire vorgenommen und ich war schon gespannt, wie schlecht Dracos Aufsatz diesmal sein würde.
Ich hatte es mir mit einer Kanne Tee in meinem Büro gemütlich gemacht. Im Kamin brannte ein kleines Feuer und verlieh dem Raum eine etwas angenehmere Atmosphäre.
Mit angezogenen Beinen hockte ich in einem Sessel vor dem Feuer und zog mir den nächsten Aufsatz heran. Bis jetzt waren sie alle relativ gut gewesen und ich war beeindruckt, was für eine gute Eigeninitiative die Schüler entwickelt hatten.
Einer hatte sogar seinen Großvater zur Hilfe gezogen. Was eigentlich nicht weiter verwunderlich war, da dieser Großvater selbst ein Vampir war und somit ein perfektes Anschauungsobjekt für meinen Schüler darstellte.
Als mein Blick auf den Namen des nächsten Aufsatzes fiel, huschte ein leises Lächeln über mein Gesicht.
„Na, dann wollen wir mal schauen, was du diesmal zustande gebracht hast, Draco", murmelte ich und fing an zu lesen.
Wider Erwarten gefiel mir der Anfang recht gut. Draco hatte die Frage zur Geschichte der Vampire sehr ordentlich und ausführlich beantwortet und sogar seine eigenen Denkeinsätze miteingebracht, was mir sehr gut gefiel.
Doch so gut der Anfang war, so schlecht war der Rest. Die zweite Frage (wie kann man sich gegen Vampire verteidigen?) hatte er mit drei kurzen Sätzen abgehandelt und auch beim letzten Teil konnte ich deutlich erkennen, dass er keine Lust mehr gehabt hatte.
Ich verstand den Jungen einfach nicht. Er hatte mehr auf dem Kasten, das wusste ich und er hoffentlich auch. Und er könnte viel besser da stehen, wenn er nur wollte.
Gut, mittlerweile hatte ich herausgefunden, dass sein Vater ziemlich großen Einfluss im Ministerium hatte und auch nicht ganz unvermögend war. Doch das konnte ja wohl nicht der Grund für Dracos Motivationslosigkeit sein.
Wahrscheinlich musste ich mit Draco mal ein ernstes Gespräch führen, denn ich verstand es absolut nicht, wenn jemand nur aufgrund seiner Faulheit sein ZAG versaute. Und dumm war Draco mit Sicherheit nicht.
Ein leises Klopfen an der Tür ließ mich aus meinen Gedanken auffahren.
„Herein", meinte ich, ein wenig überrascht. Wer konnte das denn sein? Um diese Zeit?
Auf meine Aufforderung hin öffnete sich die Tür und zu meinem großen Erstaunen betrat Snape den Raum.
„So spät noch am arbeiten?" fragte er spöttisch und musterte mich mit hochgezogener Augenbraue.
„Äh... ja", fiel mir nichts besseres ein und erst als er immer noch in der Tür stehen blieb und mich weiterhin musterte, wurde ich mir meiner Erscheinung wieder bewusst.
Da ich nicht wirklich mit spätem Besuch gerechnet hatte und eingeplant hatte, dass die Korrektur der Aufsätze sich bis spät in die Nacht ziehen würde, hatte ich schon meinen Schlafanzug, der aus einer knappen Shorts und einem ärmellosen T-Shirt bestand, und darüber meinen Morgenmantel angezogen.
Hastig und ein wenig peinlich berührt wickelte ich den dünnen Fetzen Stoff enger um mich. Er sah aus wie ein japanischer Kimono und reichte mir leider nur knapp übers Knie. Damals fand ich es total schick, damals hatte ich aber auch nicht damit gerechnet, dass mich jemals jemand darin sehen würde.
„Wollen Sie sich nicht setzen? Ich bin hier gleich fertig", meinte ich und deutete auf die letzten beiden Aufsätze. Langsam gewann ich auch meine Fassung zurück.
Wortlos setzte sich Snape in den gegenüberliegenden Sessel und ich vergrub mich hinter meinen Aufsätzen.
Zu meinem Leidwesen waren die letzten beiden Aufsätze so gut, dass ich nicht viel zu machen brauchte, bis auf einen Kommentar, den ich unter den Aufsatz schrieb.
Als ich fertig war, legte ich die Aufsätze fein säuberlich aufeinander und sah dann zu Snape. Der prüfende Blick mit dem er mich maß, machte mich nervös und ich fragte mich, was er von mir wollte.
„Wie kann ich Ihnen nun helfen?"
„Ich wollte nur sehen, wie Sie zurecht kommen?" antwortete er ausweichend.
„Ach? Um die Zeit?"
„Ich hatte auch nicht erwartete Sie noch anzutreffen."
„Hört sich so an, als wollten Sie mich kontrollieren."
„Das hört sich nicht nur so an, es ist so", gab er unumwunden zu und ich konnte ein empörtes Keuchen nicht unterdrücken.
„Wissen Sie", fuhr er fort und etwas lauerndes schlich sich in seinen Blick. „Mich beunruhigt es ein wenig, dass Sie sich mit den dunklen Künsten so gut auskennen."
„Mein Fach ist Verteidigung, da sollte ich mich schon damit auskennen", erwiderte ich schnippisch und fing schon wieder an mich über Snape zu ärgern. Was fiel ihm eigentlich ein?
„Sicher, dass Sie nur Verteidigung unterrichten?"
„Deswegen wurde ich geholt. Was soll das? Wollen Sie mich verhören?"
„Warum regen Sie sich so auf? Sie haben doch nichts zu verbergen, oder?"
„Was wollen Sie mir damit schon wieder unterstellen?"
„Nichts", gab er gleichmütig zurück, doch so wie er es sagte, klang es, als würde er mir alles mögliche unterstellen. „Aber wenn ich richtig informiert bin, haben Sie an Ihrer Schule die dunklen Künste selbst praktiziert."
„Meine Güte, bei Ihnen hört es sich ja gleich so an, als hätte ich schwarze Messen abgehalten und meine Schüler dazu angehalten sich Voldemort anzuschließen."
Bei Voldemorts Erwähnung zuckte Snape leicht zusammen.
„Ich habe dunkle Künste unterrichtet, dass ist alles."
„Das eine schließt das andere ja nicht aus..."
„Na Sie müssen es ja wissen..."
„Was wollen Sie damit sagen?" fragte Snape wütend und kniff die Augen zusammen.
„Ihr hübsches Tattoo kommt bestimmt nicht von ungefähr", gab ich kampfeslustig zurück und merkte, dass ich mich auf sehr dünnem Eis bewegte.
Snape zuckte zusammen und zog unwillkürlich an seinem linken Ärmel.
„Das hat nichts damit zu tun", gab er dann kühl zurück.
„Ach nein? Dabei dachte ich bislang, dass Sie mir noch überlegen sind, was das Wissen über die dunklen Künste angeht. Und ich liege bestimmt nicht falsch in der Annahme, dass Sie sie ebenso gut anwenden können, wie ich."
„Daran besteht kein Zweifel", erklärte er hochmütig.
„Gut zu wissen. War das alles? Oder wollen Sie mir noch mehr vorwerfen?"
„Sie hätten es mir sagen müssen."
„Dazu bestand keine Veranlassung. Dumbledore weiß Bescheid und er vertraut mir genug, um mich hier unterrichten zu lassen. Außerdem wüsste ich nicht, warum ich es an die große Glocke hängen soll, dass ich schwarze Magie beherrsche."
„Daß Dumbledore Ihnen vertraut, heißt nicht, das ich das auch tue. Sie hätten mich also informieren müssen", beharrte er und ich verdrehte die Augen.
„Jetzt wissen Sie es doch, also regen Sie sich wieder ab. Genauso gut hätten Sie mich darüber aufklären können, dass ich mit einem Todesser zusammenarbeite", schoss ich zurück. Langsam war ich diese ewige Diskussion über die dunklen Künste leid.
Snape bedachte mich mit einem wütenden Blick und erhob sich ruckartig aus seinem Sessel.
„Ich denke, dass wir dieses Gespräch beenden sollten."
„Der erste vernünftige Satz, den ich heute Abend von Ihnen zu hören bekomme."
An der Tür blieb er stehen und drehte sich nocheinmal um.
„Ich werde Sie im Auge behalten."
„Soll das eine Drohung sein?" gab ich spöttisch zurück.
„Nennen Sie es wie Sie wollen."
„Ach... und grüßen Sie Voldemort von mir", rief ich ihm hinterher, worauf er die Tür fester als nötig hinter sich zuzog.
Aufgebracht lief ich im Zimmer auf und ab. Warum schaffte er es immer wieder mich zu provozieren, sodass ich mich zu Kommentaren hinreißen ließ, die meiner Karriere nicht gerade förderlich waren?
Grüßen Sie Voldemort von mir... oh man, na, wenn das mal kein Griff ins Klo war.
Aber Snape war auch selbst schuld. Was musste er mich auch ständig zur Weißglut treiben? Langsam glaubte ich, dass er auf eine makabere Art und Weise Spaß daran hatte mich zu reizen. Allerdings musste ich schon zugeben, dass ich es ihm wirklich leicht machte.
Immer noch übellaunig verzog ich mich in mein Bett. Ich hatte keine Lust mehr über Snape nachzugrübeln und dachte statt dessen an den morgigen Unterricht und was Draco wohl zu seinem nächsten miserablen Aufsatz sagen würde.
