Denn es war kein geringerer als Severus, der sich aus dem Sessel erhob. Im ersten Moment konnte ich weder etwas sagen, noch mich in irgendeiner Form rühren. Ich stand nur da und starrte den Tränkemeister an.

Severus verschränkte die Arme vor der Brust und musterte mich kritisch. Dann kam er auf mich zu und nahm mein Gesicht in seine Hände.

„Geht es dir gut?"

„Wie? Ich... äh... oh... ja, ja. Mir geht es... gut?" Vor lauter Überraschung brachte ich kein vernünftiges Wort hervor, was Severus mit einem amüsierten Lächeln quittierte.

Es dauerte eine Weile, bis ich meine Fassung wieder erlangte und erst als Severus mich seufzend in seine Arme zog, konnte ich wirklich glauben, dass er tatsächlich hier war. Lebend!

Ich schlang meine Arme um seinen Hals und küsste ihn stürmisch. Ein wenig zögerlich erwiderte er den Kuss, löste sich aber recht schnell wieder von mir. Anscheinend war ihm diese Gefühlsbekundung unangenehm. Immerhin waren wir nicht alleine.

Schmunzelnd hatte Grandpa die ganze Szene verfolgt.

„Okay", wandte er sich an Severus. „Das reicht mir, um Ihnen zu glauben."

Severus nickte leicht und wandte sich sofort wieder mir zu.

„Ich muß mit dir reden."

„Okay, dann lass uns ein Stück gehen."

„Aber du kommst doch gerade von draußen...", wollte er protestieren, doch ich brachte ihn mit einem Blick zum Schweigen.

„Laß mich nur eben andere Sachen anziehen." Damit verschwand ich nach oben und kramte erneut dicke Sachen hervor. Schal und Mütze besaß ich zum Glück in mehrfacher Ausführung, sodass ich nicht noch in den Keller laufen musste.

Zehn Minuten später stand ich wieder im Wohnzimmer. Grandpa sah mich nur kopfschüttelnd an und lachte leise in sich hinein. Er kannte meine sprunghaften Entscheidungen zur Genüge und so überraschte es ihn überhaupt nicht, dass ich noch mal hinaus in die Kälte wollte.

Ohne weiter auf Severus schwächer werdenden Protest zu achten, verließ ich das Wohnzimmer und stapfte durch den Garten Richtung Loch.

Am Ufer des Loch Ness holte Severus mich ein. Auch er hatte sich einen Schal um den Hals gewickelt und seine Hände steckten in dicken schwarzen Handschuhen. Sein Atem bildete kleine weiße Wölkchen und er sah mich strafend an.

„Du nimmst dem Lord noch seine Arbeit ab."

„Wieso?"

„Du bist nicht wirklich aufgewärmt und bei der Kälte holst du dir wer weiß was, wenn nicht sogar den Tod."

„Deine Sorge um mich ist rührend, aber vollkommen unbegründet. Also, was wolltest du mit mir besprechen?"

„Ich bin froh, dass es dir gut geht", meinte er und konnte eine gewisse Erleichterung in seiner Stimme nicht ganz unterdrücken. „Der Lord war ziemlich wütend, als er erfahren musste, dass du ‚entkommen' bist. Lucius und ich mussten dafür einiges an Flüchen einstecken." Er grinste schief, als ich vor Schreck aufstöhnte.

„Oh nein! Das tut mir leid."

„Halb so wild. Weißt du, irgendwann gewöhnt man sich daran..." Er verstummte und lenkte seinen Blick auf den See hinaus.

„Es tut mir leid", sagte er nach einer Weile kaum hörbar und eigentlich verrieten mir nur die Atemwölkchen, dass er überhaupt etwas gesagt hatte.

Selbst wenn ich seine Worte nicht wirklich verstanden hatte, so sagte mir doch der schmerzliche Gesichtsausdruck, was er gesagt hatte.

„Das muß es nicht", meinte ich ebenso leise und trat neben ihn.

„Ich habe dir Schmerzen zugefügt..."

Ich wollte ihn schon unterbrechen, als ich bemerkte, dass er mehr zu sich selbst sprach und mich nicht mehr richtig wahrzunehmen schien. Also ließ ich es und wartete auf seine nächsten Worte.

„... und ich weiß nicht, ob ich mir das jemals verzeihen kann. Ohne es zu wissen, hat der Lord mich härter bestraft, als er jemals ahnen wird. Indem er meinte, mir eine zweite Chance zu geben, hat er mir in Wirklichkeit mehr Qualen bereitet, als wenn er mich mit dem Cruciatus-Fluch foltern würde."

Sein Blick klärte sich wieder und er wandte sich vom See ab.

„Ich hatte ja erst den Verdacht gehabt, dass er etwas wüsste", fuhr er fort. „Daß er irgendwie von meiner Liebe zu dir erfahren hat..." Er stockte und war wohl selbst überrascht, dass ihm diese Worte über die Lippen gekommen waren.

„Aber wie sich später herausgestellt hat, hat Lucius ihm nichts dergleichen gesagt", beendete er hastig seinen Gedankengang.

Nun war ich doch etwas verwirrt. Nicht nur darüber, dass er mir zum ersten Mal seine Gefühle gestanden hatte, sondern vor allem darüber, dass Malfoy scheinbar Bescheid wusste.

„Moment mal", sagte ich deswegen. „Malfoy weiß über uns Bescheid? Woher?"

„Wenn ich das wüsste, wäre mir um einiges wohler", knurrte er und ein grimmiger Ausdruck trat in seine Augen. „Aber er weiß es und hat mich doch glatt damit erpresst."

Severus ballte wütend die Fäuste.

„Ach, warum überrascht mich das nicht im geringsten?" gab ich sarkastisch zurück und musste unwillkürlich an Draco denken. Wie sagte man doch so schön? Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm.

„Und was wollte er von dir?"

„Das was er immer von mir will. Ich soll ihm helfen seine alte Position als Schulrat wiederzubekommen."

„Du bist ja wohl nicht darauf eingegangen?"

„Was sollte ich denn sonst machen? Ich hatte die Wahl zwischen Lucius als Schulrat und dem Lord der über uns Bescheid weiß und mich folglich ins Jenseits befördern würde. Da ist Lucius wirklich das kleinere Übel. Außerdem kann man ihn schnell wieder seiner Position entheben. Schließlich habe ich ihm nicht versprochen, dass er diese Position dauerhaft inne haben wird." Nun stahl sich ein fieses Lächeln auf seine Lippen und ich konnte nur den Kopf schütteln.

„Muss ich das verstehen?"

„Nein, es reicht, wenn du weißt, dass der Lord nichts weiß. Vertrau mir einfach."

„Bevor du mich jetzt vollkommen verwirrst, nehme ich das einfach mal so hin", seufzte ich. „Aber eins solltest du mir dann doch noch erklären..."

Er sah mich abwartend an und schwieg, anscheinend hatte er schon eine Ahnung, worauf ich hinaus wollte.

„Du hast mir gesagt, dass du kein Todesser mehr bist. Aber trotzdem scheinst du ja doch noch irgendwie für Voldemort zu arbeiten und..."

„Warte", unterbrach er mich. „Bevor du weiter sprichst... Ich werde es dir erklären, aber wir sollten uns dafür ein warmes Plätzchen suchen. Die Geschichte könnte einige Zeit in Anspruch nehmen."

„Dann komm", meinte ich nur.

Eine Viertelstunde später saßen wir in einem kleinen Pub. In letzter Zeit war ich öfter mit Grandpa hier gewesen, sodass der Wirt mich schon kannte. Nachdem Severus und ich uns eine ruhige Ecke gesucht hatten, stand auch schon eine dampfende Tasse mit heißem Kakao vor mir, ohne dass ich etwas hätte sagen müssen.

„Du bist wohl öfter hier", schmunzelte Severus und lehnte, auf die Frage des Wirtes nach seinen Wünschen, dankend ab.

„Das sind die Vorzüge, wenn man sich vor Voldemort verstecken muß", grinste ich zurück, wurde aber schnell wieder ernst. „Obwohl ich es hasse vor irgendetwas davonlaufen zu müssen. Am liebsten würde ich wieder zurück nach Hogwarts kommen."

„Du weißt, was dann passiert? Der Lord wird dich schnell wieder eingefangen haben."

„Ja, ich weiß. Warum habe ich gerade das Gefühl, dass du mich mit einem Tier vergleichst?"

„Weil du für den Lord nichts anderes bist."

„Na gut, lassen wir das besser. Du wolltest mir noch etwas erzählen", erinnerte ich ihn.

Severus redete lange. Ein ungewöhnlicher Umstand, bedachte man, dass er sonst immer sehr wortkarg war. Und wahrscheinlich erfuhr ich an diesem Abend mehr über ihn, als jeder andere zuvor. Dumbledore ausgenommen, denn soweit ich Severus folgen konnte, war er der einzige gewesen, der über seinen Werdegang genauestens informiert war.

Erstaunlicherweise war es relativ unspektakulär, wie er sich Voldemort angeschlossen hatte. Da er schon immer eine unglaubliche Faszination für die dunklen Künste gehabt hatte und auch recht gut darin war, war es nur eine Frage der Zeit gewesen, bis Voldemort auf ihn aufmerksam wurde. Voldemort ließ sich diese Gelegenheit natürlich nicht entgehen und fand in Severus einen willigen Anhänger.

Das ganze tragische Ausmaß dieser Entscheidung, sollte Severus allerdings erst klar werden, als es schon längst zu spät war.

Aus welchen Gründen er nun letztendlich Voldemort den Rücken gekehrt hatte, wurde aus seinen Erzählungen nicht ganz deutlich und ich vermutete, dass er darüber nicht sprechen wollte. Warum auch immer, für mich zählte eigentlich nur, dass er es getan hatte. Wenn er seine Gründe nicht offenbaren wollte, dann würde ich ihn auch nicht dazu drängen.

„Wie dem auch sei", schloss Severus seine Geschichte. „Du kannst dich niemals ganz seinem Einfluss entziehen. Solange ich ihm nicht in die Quere kam oder ihm sonst wie geschadet habe, hat er mich machen lassen, in dem Glauben ihn ein für alle Mal los zu sein. Doch so einfach ist das nicht. Der Lord vergisst nie etwas und er versteht es auf unheimliche Art, Dinge zu seinem Vorteil zu drehen. Als du schließlich in Hogwarts aufgetaucht bist, kam es wie es kommen musste. Er ließ Kontakt mit mir aufnehmen und stellte mich vor die Wahl. Entweder ich würde seinen Auftrag annehmen oder er würde die noch offen stehende Vergeltung für meinen, in seinen Augen, damaligen Verrat unverzüglich nachholen. Mit anderen Worten, würde ich nicht das tun, was er von mir verlangt, würde er mich umbringen lassen..."

„Scheint seine bevorzugte Art von Drohung zu sein", warf ich ein.

„Den Rest kennst du", überging er meinen Kommentar. „Ich musste auf seine Forderung eingehen, hab es aber letztlich nicht getan, woran du übrigens nicht ganz unschuldig bist. Das hat ihn natürlich wieder erzürnt. Doch wundersamer Weise lebe ich noch immer. Jetzt frage ich mich allerdings, ob ich mich darüber freuen soll, dass ich noch so einen hohen Stellenwert bei ihm habe, oder nicht."

„Dann kannst du nur hoffen, dass du deinen Bonus nicht verbraucht hast, als du mich entkommen lassen hast."

„Sei's drum. Solange Lucius den Mund hält, brauche ich mir erst mal keine Sorgen zu machen."

„Und du meinst, das er das tun wird?" Ich hatte immer noch meine Zweifel was Malfoy betraf. „Ich traue ihm nicht."

„Ich verstehe deine Bedenken. Aber er wird solange den Mund halten, solange er für sich darin einen Nutzen sieht. Glaub mir, ich kenne ihn."

„Mag ja sein, aber..."

„Kein aber. Wenn ich eins in der letzten Zeit gelernt habe, dann das... Und sollte er Anstalten machen mich zu hintergehen, kenne ich einige gute Dinge, die ihn zum Schweigen bringen werden."

„Will ich diese Dinge wissen?"

Severus lächelte freudlos, strich mir eine Haarsträhne aus der Stirn und streichelte meine Wange.

„Nein, willst du nicht."

„Ist vielleicht auch besser so", murmelte ich und konnte mich eines unguten Gefühls nicht erwehren.

Da es sonst nichts weiter zu sagen gab, beziehungsweise Severus nicht gewillt war mehr zu sagen, verließen wir den Pub.

Auf Grannys Drängen hin, ließ er sich breit schlagen und verbrachte die Nacht bei uns. Es blieb ihm auch gar nichts anderes übrig. Nachdem er zum zehnten Mal Grannys Einladung höflich ausgeschlagen hatte, war sie ziemlich grantig geworden. Da ich Grannys Ausbrüche in dieser Hinsicht schon kannte verzog ich mich klammheimlich in mein Zimmer. Es dauerte nicht lange und Severus kam mit angesäuertem Gesichtsausdruck herein.

„Das ist pure Nötigung", nörgelte er.

„Reg dich wieder ab", grinste ich. „Gegen meine Großmutter hast du sowieso keine Chance."

Damit ging ich ins Badezimmer, um endlich mein langersehntes heißes Bad zu nehmen.

Als ich nach eine Stunde wieder herauskam, saß Severus immer noch in gleicher Position auf dem Bett, nur betrachtete er nun mit gerunzelter Stirn die beiden Konzertkarten, die Hades mir besorgt hatte.

„Was ist das denn?" fragte er, als er mein Eintreten registrierte.

„Konzertkarten."

„Du erwartest aber nicht, dass ich mit dir da hin gehe, oder?"

„Nein", seufzte ich. Eine andere Antwort hätte sicher wieder eine ellenlange Diskussion nach sich gezogen und darauf hatte ich keine Lust. „Die Karten waren auch eher für meinen Bruder und mich gedacht..."

„Wo findet es denn statt?"

„Dafür, dass es dich nicht interessiert fragst du ganz schön viel."

Severus warf mir einen ungeduldigen Blick zu. „Na und?"

„In einem kleinen Club am Piccadilly Circus. Nightfire oder so ähnlich."

„Aha."

„Können wir die Karten jetzt mal Karten sein lassen? Ich bin müde und will ins Bett."

„Tatsächlich?"

„Ja", gab ich leicht genervt zurück. Scheinbar hatte er beschlossen für einen Tag genug geredet zu haben und verfiel wieder in seine gewohnte Wortkargheit.

Mit einem spöttischen Lächeln erhob er sich und ich konnte mich unter die Decke kuscheln. Es dauerte nicht lange und ich spürte, wie er sich zu mir legte und mich in seine Arme zog.

Als wir am nächsten Morgen nach unten gingen, war ich immer noch ziemlich müde. Natürlich waren wir nicht sofort eingeschlafen und so war es also kein Wunder, dass ich mehr als gerädert war.

Am Frühstückstisch wartete Granny schon auf mich, die einen Brief in der hand schwenkte.

„Für dich, von deinem Bruder", meinte sie nur.

„Warum sollte Hades mir schreiben?" wunderte ich mich und setzte mich erst mal hin. Neugierig öffnete ich den Brief. Er war nicht lang und schien in aller Eile geschrieben worden zu sein.

Cassie,

es tut mir leid, aber ich werde Weihnachten nicht bei euch sein. Hab den Job angenommen und bin mit der Mannschaft unterwegs.

Hades

„Er wird nicht kommen", sagte ich schließlich leise und man konnte mir meine Enttäuschung deutlich anhören.

„Er hat nun mal viel zu tun, Liebes", versuchte Grandpa mich zu trösten. „Das hat er doch immer."

Ich nahm seine Worte kaum wahr, da mich etwas ganz anderes beschäftigte. Irgendetwas stimmte mit diesem Brief nicht. Nachdem ich ihn noch zweimal gelesen hatte, war ich mir ziemlich sicher, dass damit etwas nicht in Ordnung war.

Gedankenverloren stand ich auf, ging zum Fenster und starrte auf den Loch Ness.

„Ist alles in Ordnung?"

Severus war neben mich getreten und sah mich prüfend an.

„Nein, nichts ist in Ordnung", gab ich leise zurück.

„Der Brief", meinte er und nickte verstehend.

„Nicht, was du denkst. Irgendetwas ist faul."

„Wie meinst du das?"

„Mit dem Brief stimmt was nicht. So würde Hades niemals schreiben."

„Aber er hat ihn geschrieben?"

„Schon, aber..."

„Vielleicht hatte er nicht viel Zeit...", schlug Severus vor, aber ich wischte diesen Vorschlag mit einer energischen Handbewegung beiseite.

„Ich kenne meinen Bruder. Auch wenn er nicht viel Zeit hat, sehen seine Briefe anders aus. Das weiß ich. Er würde nie so... so... ja, so unpersönlich schreiben. Irgendwas ist passiert, das spüre ich."

„Du übertreibst."

„Ganz und gar nicht", erwiderte ich gereizt.

„Natürlich übertreibst du. Was auch kein Wunder ist, wenn man die letzten Monate bedenkt. Cassie, du solltest nicht in allem eine Katastrophe sehen", bemerkte er nüchtern.

Auch wenn er mit seinen Worten vielleicht recht hatte... ich blieb bei meinem Standpunkt, dass etwas nicht so war wie es sein sollte.

„Du hast ja keine Ahnung", fuhr ich ihn ein wenig heftiger als beabsichtigt an.

Ein verärgertes Glitzern trat in seine Augen und er fasste mich unsanft an den Schultern.

„Sag du mir nicht wovon ich Ahnung habe und wovon nicht", zischte er. „Ich denke, dass ich ziemlich gut über die Machenschaften des Lords Bescheid weiß. Und dieser Brief gehört sicher nicht dazu. Denn das denkst du doch, oder?"

„Ja", gab ich zähneknirschend zu.

„Auch wenn es dich vielleicht enttäuscht, aber du bist nicht die einzige hinter der der Lord her ist. Mit dem Brief ist alles in Ordnung."

„Bist du dir da sicher?"

„Nein. Aber ich bin mir sicher, dass der Lord besseres zu tun hat als Briefe zu fälschen."

„Und wer sagt, dass der Brief gefälscht ist? Es könnte doch auch sein, dass..."

„Denk gar nicht dran den Gedanken zu Ende zu führen. Deine Sorgen sind sicherlich unbegründet."

„Sind sie nicht. Verdammt, Hades ist meine Familie. Kannst du es nicht verstehen, dass ich mir da Sorgen mache?"

„Nein", gab er unumwunden zu.

„Schön. Besser wir lassen das." Mittlerweile hatte ich gelernt, dass man mit Severus über solche Themen nicht diskutieren konnte.

Eine Weile starrten wir beide aus dem Fenster, ohne das einer von uns etwas sagte.

„Wirst du wenigstens bleiben?" fragte ich dann schließlich, obwohl ich die Antwort bereits kannte.

„Nein."

Als Weihnachten endlich da war, hatte ich keine rechte Lust mehr auf das Fest. Severus hatte sich auch nicht durch Granny erweichen lassen, folglich war meine Stimmung ziemlich am Boden. Und als wenn es damit nicht genug wäre, musste ich die ganze zeit über Hades Brief nachgrübeln.

Nichts sehnte ich mehr herbei als das Ende der Weihnachtsferien. Denn mittlerweile stand mein Entschluss fest wieder nach Hogwarts zurückzugehen und niemand würde mich davon abbringen. Weder Severus noch meine Großeltern oder gar Dumbledore.

Und so kam es, dass ich nach Weihnachten in Dumbledores Büro saß.

„Und Sie sind sich wirklich sicher?" fragte er mich gerade.

„Ich habe nichts davon, wenn ich mich ständig verstecke. Außer, dass ich mein Leben lang vor Voldemort auf der Flucht sein werde und das will ich nicht."

Dumbledore nickte bedächtig. Wahrscheinlich ahnte er, dass ich mich nicht von meinem Entschluss abbringen lassen würde.

„Ich habe mir schon gedacht, dass dieser Job hier nicht einfach werden wird", fuhr ich fort. „Aber gerade die Geschehnisse vor ein paar Monaten haben mir gezeigt, dass ich meine Schüler und insbesondere Harry Potter auf Voldemort vorbereiten muß. Ich werde nach den Ferien meine Arbeit wieder aufnehmen."

„Sind Sie sich sicher, dass Sie das schon wieder können?" Dumbledore musterte mich kritisch. „Ich will Ihnen ja nicht zu nahe treten, aber haben Sie in letzter Zeit mal in den Spiegel geguckt?"

Ich wusste genau, worauf er anspielte und dass er recht hatte. Wie das blühende Leben sah ich nun wirklich nicht aus.

Mein Gesicht war immer noch ungewöhnlich blass und noch immer zeugten dunkle Ringe unter meinen Augen von zu wenig oder schlechtem Schlaf.

Meine Haare hatten schon lange nicht mehr den Glanz, den sie normalerweise aufwiesen und sie hingen mir strähnig und kraftlos über die Schultern.

Auch die Anspannung unter der ich seit den letzten Monaten litt, hatte sich nie ganz gelegt. Im Gegenteil, seit ich Hogwarts betreten hatte, war sie noch gestiegen. Meine Haltung war alles andere als entspannt und bei jedem kleinsten Geräusch zuckte ich zusammen. Den Zauberstab hatte ich seit Wochen bestimmt nicht mehr aus der Hand gelegt und selbst nachts lag er griffbereit unter meinem Kissen.

Und dennoch konnte ich nicht mehr länger untätig herumsitzen und mich mit düsteren Gedanken selbst zugrunde richten.

„Ja", antwortete ich mit etwas Verspätung und bezog mich dabei auf seine erste Frage.

„Versrechen Sie mir, dass Sie nun noch vorsichtiger sind."

„Ich weiß jetzt wem ich vertrauen kann, wenn es das ist, was Sie meinen."

„Dann freut es mich aufrichtig Sie wieder hier zu haben", meinte er und ein leises Lächeln umspielte seine Lippen. „Und ich hoffe doch, dass Sie uns mit Ihrer Anwesenheit bei unserem Silvesterball beehren."

„Äh... ja sicher doch."

„Schön", meinte er erfreut und widmete sich daraufhin wieder anderen Dingen. Ich war entlassen.

Als ich aus Dumbledores Büro trat lief ich geradewegs Severus in die Arme.

„Du?" meinte er überrascht und sah mich erst ungläubig und dann vorwurfsvoll an. „Bist du von allen guten Geistern verlassen?"

Er ließ mir gar nicht erst die Zeit etwas zu erwidern, sondern fasste mich etwas unsanft am Arm und zog mich in das nächste Zimmer.

„Oh, mir geht es gut, danke der Nachfrage und ich freue mich auch dich wiederzusehen", fuhr ich ihn etwas ärgerlich an.

„Du solltest doch nicht herkommen."

„Ich war noch nie gut darin Anweisungen zu befolgen."

„Spar dir deinen Sarkasmus. Ich hatte dich für vernünftiger gehalten, besonders nachdem du am eigenen Leib erfahren hast, zu was der Lord fähig ist."

„Severus, bitte. Ich bin eine erwachsene Frau und sehr gut in der Lage auf mich selbst aufzupassen."

„Das hat man ja gesehen", gab er spöttisch zurück.

„Wenn du dich nicht ständig in irgendwelche kryptischen Erklärungen geflüchtet hättest, wäre es wahrscheinlich gar nicht erst so weit gekommen." Kaum waren die Worte draußen, schon taten sie mir wieder leid, denn sie waren unfair.

Severus Augen verengten sich und er sah mich böse an.

„Jetzt willst du mir also die Schuld dafür geben, dass du unvorsichtig warst?"

„Nein", seufzte ich. „Hör zu, es tut mir leid. Nur waren die letzten Monate nicht gerade erholsam gewesen. Und das letzte, was ich jetzt gebrauchen kann sind Vorwürfe, zumal ich sehr gut weiß, was ich tue."

Severus sah mich immer noch gereizt an, doch ich winkte ab. Ich hatte zur Zeit wirklich nicht die Lust und die Kraft dazu mich mit ihm zu streiten.

„An deiner Stelle würde ich es einfach hinnehmen. Ändern wirst du meine Entscheidung auch nicht."

Er schien zwar immer noch nicht gänzlich besänftigt, jedoch entspannten sich seine Gesichtszüge leicht.

„Du darfst mich nicht falsch verstehen", meinte er schließlich und sein Ärger schien verflogen zu sein. „Du hast den Lord sehr verärgert und wenn er dich das nächste Mal in die Finger bekommt, wird er dich ohne zu zögern töten."

„Dann darf ich ihm eben nicht noch mal in die Falle laufen."

„Du sitzt hier wie auf dem Präsentierteller."

„Mag sein, aber ich bin nicht nur um meinetwillen hier."

„Verstehe", entgegnete er und seufzte. „Du bist immer noch von der fixen Idee besessen, dass sich dein Bruder in seiner Gewalt befindet. Aber du kannst mir ruhig glauben, wenn ich dir sage, dass es nicht so ist."

„Du glaubst doch nicht im Ernst, dass er dir und Malfoy weiterhin blind vertraut, nachdem ich euch entwischt bin? Woher willst du also wissen, ob Hades sich in seiner Gewalt befindet oder nicht?"

Severus zog die Stirn nachdenklich in Falten. An diese Möglichkeit hatte er scheinbar noch nicht gedacht.

„Severus, mag ja sein, dass es eine fixe Idee ist. Aber ich bin es mir und meinem Bruder schuldig das herauszufinden. Vielleicht stellt sich am Ende alles als harmlos heraus, aber solange ich nicht weiß, was mit meinem Bruder los ist, gehe ich vom schlimmsten aus. Und dass meine Eule ihn nicht finden kann trägt nicht gerade zu meiner Beruhigung bei."

„Du hast eine Eule nach ihm geschickt?" Tadelnd sah er mich an.

„Was dachtest du denn? Daß ich den Brief einfach so hinnehme? Da kennst du mich aber schlecht."

„Sieht wohl ganz so aus."

Ich sah, dass er noch etwas sagen wollte, doch ich stoppte ihn mit einer Handbewegung.

„Bevor du etwas sagst... Nein, du wirst mich nicht von meinem Vorhaben abbringen. Und jetzt lass uns diese leidige Diskussion beenden."

„Ganz wie du willst. Du sollst nur wissen, dass ich dein Vorgehen bestimmt nicht gutheiße."

„Meinetwegen. Können wir jetzt zu anderen Dingen übergehen?"

„Und woran dachtest du da?"

„Das fragst du jetzt nicht im Ernst?" fragte ich entgeistert und ein spöttisches Lächeln stahl sich auf sein Gesicht.

„Ich weiß nicht, vielleicht schwebt dir ja etwas ganz anderes vor, als mir", meinte er dann scheinheilig.

„Eigentlich solltest du mich mittlerweile besser kennen."

„Ich dachte, dass wir gerade herausgefunden haben, dass dies nicht so ist..."

Mir war klar, dass er es wieder mal drauf anlegte mich zu reizen und ich ertappte mich dabei, dass seine Bemühen von Erfolg gekrönt waren.

„Du kannst es nicht lassen, oder?" gab ich zurück und konnte einen verärgerten Unterton nicht ganz unterdrücken. Gerade jetzt hatte ich keine Lust auf diese Spielchen.

„Was?"

„Ach, vergiss es einfach!"

Er hatte es mal wieder geschafft. Eigentlich hatte ich mir unser Wiedersehen etwas anders vorgestellt. Aber auf die Idee, dass ich einfach nur in den Arm genommen werden wollte, um die letzten Monate für einen Augenblick zu vergessen, kam er nicht. Das war ja so typisch.

Ein wenig angefressen ließ ich ihn einfach stehen.

Doch so leicht schien er diesmal nicht aufgeben zu wollen. Kurz bevor ich mein Zimmer erreichte, hatte er mich eingeholt.

„Du kannst mich doch nicht einfach so stehen lassen", beschwerte er sich.

„Ach nein? Du hast doch gesehen, dass ich es kann," gab ich leicht genervt zurück.

„Cassie, komm mir nicht so!" Nun schien auch er langsam ärgerlich zu werden.

„Severus, ich habe jetzt echt keine Lust mir dir hier rumzudiskutieren."

„Und warum machst du es dann?"

„Ich...", begann ich, doch mir fiel kein passender Kommentar dazu ein.

„Gut so. Habe ich dir schon mal gesagt, dass du zuviel redest?" Ein zufriedenes Lächeln erschien auf seinem Gesicht.

Kurz sah er sich nach allen Seiten um und als er niemanden entdecken konnte, schubste er mich so schnell in mein Zimmer, dass ich gar nicht dazu kam in irgendeiner Form zu protestieren.

Doch als die Tür hinter uns ins Schloss fiel, bekam ich endlich das, wonach ich mich die ganze Zeit über gesehnt hatte.