Als ich am nächsten Morgen erwachte, war es noch dunkel draußen. Vorsichtig, um Severus nicht zu wecken, schlug ich die Decke zurück und huschte ans Fenster.

Gedankenverloren starrte ich auf den dunklen See und meine Gedanken fanden ihren Weg zu meinem Bruder.

Tief in mir spürte ich, dass etwas geschehen war und dass Hades in Gefahr schwebte und ich war hier und hatte keine Möglichkeit, mehr über Hades Verbleib herauszufinden.

Hinzu kam noch etwas, was ich Severus nicht gesagt hatte. So ganz untätig war ich in den letzten Tagen nicht gewesen und hatte einen Brief an den Quidditchverband geschickt.

Die Antwort, die ich von ihnen kurz darauf erhalten hatte, war mehr als beunruhigend gewesen. Dort hieß es nämlich, dass von einer Einstellung eines neuen Trainers keine Rede war und dass sich die Nationalmannschaft zur Zeit in einem Trainingslager in Frankreich befand, um sich auf die bevorstehende Weltmeisterschaft vorzubereiten.

Nein, ich glaubte nach wie vor daran, dass mein Bruder Voldemort in die Hände gefallen war. Meines Erachtens hatte er sich eines simplen, wie auch todsicheren Plans bedient. Jeder wusste, wer mein Bruder war und es war somit klar, dass er ein Angebot als Nationaltrainer nicht einfach ausschlagen würde. Schließlich war er Quidditchspieler mit Haut und Haar, selbst wenn er nicht mehr aktiv war.

Ein Gefühl der Hilflosigkeit überkam mich. Wenn es wirklich alles so war, wie ich es mir in meinen düstersten Vorstellungen ausmalte, dann konnte ich meinem Bruder nicht helfen. Schließlich konnte ich ja schlecht bei Voldemort einmarschieren. Scheinbar blieb mir nichts anderes übrig, als zu warten. Und ich hasste nichts mehr als das.

Plötzlich spürte ich, wie jemand hinter mich trat und seine Arme um mich legte.

„Jetzt sag mir bitte nicht, dass du schon wieder über eine mögliche Entführung deines Bruders nachdenkst", vernahm ich Severus Stimme.

„Ich würde dir gerne etwas anderes sagen, aber dann würde ich lügen."

Wider Erwarten erfolgte kein Kommentar und so versuchte ich vom Thema abzulenken.

„Ist heute abend nicht der Silvesterball?"

„Hm", kam es von Severus und wirklich begeistert klang er nicht.

„Oh, da ist ja einer kaum vor Begeisterung zu bremsen", spöttelte ich und entwand mich seiner Umarmung.

„Reine Zeitverschwendung", erwiderte er herablassend.

„Wieso? Was hast du gegen Feiern?"

„Sie sind überflüssig."

„Aha, verstehe. Du wirst aber überflüssiger Weise hingehen müssen, hab ich recht?"

„Ja", knurrte er unwillig und brachte mich zum grinsen.

„Na ja, dass du kein Partyhengst bist, hab ich mir schon gedacht...", schmunzelte ich.

„So?"

„Sei mal ehrlich, wenn ich dich nicht mehr oder weniger dazu gezwungen hätte, dann wüsstest du doch bis heute nicht, wie die Drei Besen von innen aussehen."

Severus sah mich missbilligend an und ich konnte nicht anders und musste lachen.

„Was hast du denn jetzt schon wieder?"

„Nichts. Doch der Abend dürfte interessant werden... A propos Abend, da fällt mir gerade ein, dass ich für so einen Anlass nichts passendes zum Anziehen habe. Meinst du die Geschäfte haben heute noch auf?"

„Woher soll ich das wissen, ich gehe nicht so oft einkaufen. Außerdem, du willst doch nicht Geld für so etwas sinnloses ausgeben?"

„Doch, genau das will ich. Wobei ich shoppen jetzt nicht als sinnlos bezeichnen würde, sondern eher als Balsam für die Seele. Zugegeben ein etwas teures Unterfangen, aber ich könnte wirklich ein wenig Ablenkung gebrauchen."

Am Nachmittag setzte ich diese Worte dann auch gleich in die Tat um und zwar im Muggellondon. Sicher, ich hätte auch alles nötige in der Winkelgasse bekommen können, doch London erschien mir zur Zeit sicherer.

Voldemort würde mich sicher nicht im Muggellondon vermuten, sodass ich mich einigermaßen frei dort bewegen konnte. Dafür nahm ich auch das umständliche Geldumtauschen in Kauf.

Während ich durch die Geschäfte stöberte vergaß ich für einen Moment meine Sorgen um meinen Bruder und als ich schließlich fündig geworden war, war ich zwar fast pleite, aber seit langem mal wieder richtig guter Laune.

Trotz allem blieb ein ungutes Gefühl, dass sich nicht verdrängen ließ. Und dieses Gefühl sagte mir, dass heute Abend etwas geschehen würde.

Trotzdem nahm ich mir vor, den Abend zu genießen und keinen Gedanken an Voldemort zu verschwenden.

Ich war gerade dabei zu entscheiden, ob ich meine Haare lieber offen tragen sollte, oder ob ich mir doch lieber eine Hochsteckfrisur zaubern sollte, als es an der Tür klopfte.

„Herein", rief ich ein wenig undeutlich, da ich mir die Bürste zwischen die Zähne geklemmt hatte.

Unschlüssig starrte ich in den Spiegel und achtete gar nicht weiter auf meinen Besuch.

„Was meinst du? Offen oder zusammen?" fragte ich in dem Glauben, dass Severus gekommen wäre. Denn wer sonst sollte außer ihm schon hier auftauchen?

„Offen. Ich finde das steht Ihnen hervorragend", kam die Antwort, doch gehörte die Stimme nicht Severus, was mich erschrocken herumfahren ließ.

„Oh... äh... hallo, Professor Dumbledore."

„Haben Sie jemand anderen erwartet?"

„Wie? Oh... nein, nein, ich... äh... rede öfter mal mit meinem Spiegelbild... Die Entscheidung fällt leichter, wenn man die Frage laut ausspricht..."

Ich hoffte, dass ich nicht vor Verlegenheit rot angelaufen war und dass Dumbledore mir diese Erklärung abnahm.

„Kann ich irgendetwas für Sie tun?" versuchte ich dann vom Thema abzulenken.

„Ich wollte Sie nur nocheinmal bitten vorsichtig zu sein."

„Danke, das werde ich."

„Darf ich Sie dann in die große Halle geleiten?"

„Gern."

Schnell überprüfte ich nocheinmal mein Aussehen und kam zu dem Schluß, dass ich schon einmal besser ausgesehen hatte. Meine bleiche Gesichtsfarbe hatte sich auch nicht durch Make Up verbessern lassen und ich sah immer noch total übermüdet aus. Na ja, dann musste es eben so gehen.

Ich hatte schon bei der Wahl meines Kleides aufpassen müssen, dass es nicht zu dunkel war und so meine Blässe noch mehr unterstrich. Deshalb hatte ich mich für ein lindgrünes Kleid entschieden. Oben herum war es ziemlich eng und figurbetont und ging dann in einen ausfallenden Rock über. Passend dazu legte ich mir einen breiten Satin-Schal um die Schultern dessen Grün von etwas kräftigerer Farbe war.

Ein wenig kam ich mir vor wie Cinderella, nur dass ich nicht vorhatte einen meiner Schuhe zu verlieren, dazu waren sie zu teuer gewesen.

Als wir die große Halle betraten, stockte mir der Atem. Jetzt kam ich mir wirklich vor wie in einem Märchenschloss.

Die langen Tische und Bänke waren fort. Statt dessen waren runde Tische aufgestellt worden und der freie Platz in der Mitte war als Tanzfläche gedacht.

An der linken Wand war ein großes Buffet aufgebaut worden und ich bekam alleine vom Ansehen Hunger.

Doch am beeindruckendsten war die Dekoration der Halle.

Der Boden hatte sich in feinste Marmorplatten verwandelt und dort, wo die Tanzfläche war, verliehen wunderschöne Mosaike ihm die notwendige Eleganz.

An den Wänden und Säulen wuchsen rote und weiße Rosenranken empor, zudem erweckten auch sie den Eindruck, als wären sie aus weißem Marmor gehauen.

Die Decke war, wie gewöhnlich nicht zu sehen. Statt dessen sah man in einen funkelnden Sternenhimmel, an dem von Zeit zu Zeit ein paar Sternschnuppen zu beobachten waren.

Am gegenüberliegenden Ende der Halle war eine kleine Bühne, auf der eine Band leise Musik spielte.

Kein Wunder also, dass ich mich an die Märchen meiner Kindheit erinnert fühlte. Cinderella beispielsweise oder Dornröschen. Gerade die ganzen Rosen vermittelten einen träumerischen Eindruck.

Dumbledore führte mich zu einem Tisch, der für die Lehrer bestimmt war und ich ließ mich neben Severus auf einem Stuhl nieder.

Dieser versuchte krampfhaft seinen teilnahmslosen Gesichtsausdruck zu wahren und mich nicht zu offensichtlich anzusehen.

Aber auch ich musste mich bemühen, nicht ständig in seine Richtung zu blicken und so war ich äußerst dankbar, als Dumbledore seine kleine Rede beendete und das Buffet für eröffnet erklärte.

Nachdem der erste Ansturm vorüber war, schob ich meinen Stuhl zurück und versuchte nicht allzu hungrig auszusehen, als ich mich in die Schlange am Buffet einreihte.

„Wie kannst du mir das nur antun?" vernahm ich plötzlich Severus vorwurfsvolle Stimme hinter mir.

„Was?"

Er antwortete nicht, sondern maß mich nur mit einem eindringlichen Blick.

„Dann hat sich das Geldausgeben ja doch gelohnt", meinte ich belustigt und belud meinen Teller bis obenhin mit allerlei leckeren Sachen.

Severus bedachte dies mit einem schrägen Blick. „Scheint so", meinte er dann nur. Da ich ein besseres Kompliment wohl nicht erwarten konnte, zuckte ich nur mit den Schultern und begab mich wieder an unseren Tisch.

Als alle satt und zufrieden waren, begann die Band etwas flottere Musik zu spielen und schon bald füllte sich die Tanzfläche.

Auch ich wurde nicht verschont, obwohl mir der Sinn im Moment überhaupt nicht nach tanzen stand. Eigentlich fand ich es viel amüsanter die Leute zu beobachten, doch ich konnte schlecht ablehnen, als Dumbledore höchstpersönlich kam und mich zum tanzen aufforderte.

Die Begeisterung stand mir wohl nicht gerade ins Gesicht geschrieben, denn Severus bedachte mich mit einem halb spöttischen, halb belustigten Blick und hob demonstrativ sein Glas Wein.

Nach drei Songs und vier weiteren Tanzpartnern gab ich jegliche Hoffnung auf, dass Severus es sich vielleicht doch noch anders überlegte. Noch immer saß er mit verschränkten Armen und einem leicht genervten Gesichtsausdruck an seinem Platz und schien sich zu wünschen, dass dieses ganze Theater bald ein Ende hätte.

In jedem anderen Moment hätte ich darüber gelächelt, doch gerade jetzt fiel es mir schwer mit seiner aufgesetzten abweisenden Haltung klar zu kommen und am liebsten wäre ich einfach zu ihm gegangen, um mich in seine Arme zu flüchten.

Doch ich musste mich zusammenreißen, schließlich sollte ja keiner wissen, dass wir zusammen waren.

Eine Weile, versuchte ich einen Zeitpunkt abzuwarten, in dem sich die Möglichkeit ergab für ein paar Minuten alleine mit ihm zu sein, doch Severus schien auf seinem Stuhl festgewachsen zu sein.

So wie es aussah, würde ich den Abend wohl mehr oder weniger alleine verbringen müssen.

Ich unterhielt mich gerade mit einigen Schülern, als ich aus den Augenwinkeln sah, wie Severus rechte Hand sich um sein linkes Handgelenk krampfte, begleitet von einem gequälten Gesichtsausdruck.

Unauffällig verließ er die große Halle, was mich dazu veranlasste eine Entschuldigung zu murmeln und ihm zu folgen. Vielleicht ergab sich ja jetzt endlich die Möglichkeit für mich, mit ihm alleine zu sein.

Gerade als ich die große Halle verlassen hatte, sah ich ihn um eine Ecke des Ganges biegen und beschleunigte meinen Schritt.

Als ich ebenfalls um die Ecke bog, blieb ich abrupt stehen und musste grinsen, als ich die Szene vor mir richtig erfasst hatte.

Severus stand mit verschränkten Armen vor zwei Schülern. Einem Jungen aus Ravenclaw und einem Mädchen aus Gryffindor. Die roten Gesichter der beiden verrieten mir wobei ihr Tränkemeister sie gerade erwischt hatte.

Langsam näherte ich mich dem Trio und zog so die Aufmerksamkeit der beiden Teenager auf mich. Irrte ich mich oder sahen sie plötzlich erleichtert aus?

„Was ist denn hier los?" wollte ich dann auch wissen.

„Äh... Cordelia und ich haben uns nur unterhalten...", versuchte der Junge, den ich als James Levingston erkannte, mir eine Erklärung zu liefern.

„Unterhalten?" ging Severus aufgebracht dazwischen. „Das was ihr getan habt würde ich nicht gerade unterhalten nennen, es sei denn man unterhält sich neuerdings mit den Händen. Und da ihr weder taub noch stumm seid..."

Cordelias Gesicht hatte mittlerweile die Farbe einer überreifen Tomate angenommen und sie sah so aus, als wünschte sie sich sehnlichst ein Mauseloch herbei, in dem sie sich verkriechen konnte.

„Professor Snape", meinte ich fröhlich. „Meinen Sie nicht, Sie können heute einmal eine Ausnahme machen? Schließlich haben wir Silvester. Und was ist daran so schlimm, wenn zwei Menschen sich mögen?"

„Ca... äh... Professor McCallahan, das ist ja wohl nicht dein... äh... Ihr Ernst?"

„Natürlich ist es mein Ernst! Sehen Sie sich doch die beiden an... sie sind so ein süßes Paar!"

Diese Feststellung brachte mir zwei dankbare Blicke ein.

„Dennoch ziemt es sich nicht in der Öffentlichkeit ein derart unflätiges Verhalten an den Tag zu legen", blieb Severus hart und entlockte mir einen unwirschen Seufzer.

„Ihr habt den Tränkemeister gehört", meinte ich dann ergeben. „Das nächste Mal sucht ihr euch einen anderen Ort und lasst euch möglichst nicht erwischen."

„Es wird kein nächstes Mal geben!" beharrte Severus weiterhin. „Außerdem werde ich ihnen wohl je 50 Punkte..."

„Ich denke nicht, dass ein Punkteabzug nötig ist", ging ich dazwischen, bevor er sich noch mehr in Rage reden konnte. Natürlich wollte er das nicht so hinnehmen, doch ich brachte ihn mit einer Handbewegung zum Schweigen.

„Und ihr zwei geht jetzt wieder in die große Halle und genießt den Rest des Abends", fuhr ich an die beiden Übeltäter gewandt fort. Diese nickten mir dankbar zu und wollten sich schon verdrücken, als ich James noch mal zurück hielt.

Fragend sah er mich an und ich beugte mich zu ihm hinunter und flüsterte ihm etwas ins Ohr. Ein leichtes Grinsen huschte über sein Gesicht und ich zwinkerte ihm fröhlich zu.

„Was hast du ihm noch gesagt?" wollte Severus auch prompt wissen, als die beiden außer Hörweite waren.

„Nichts", gab ich grinsend zurück.

„Ach wirklich?"

„Ach, komm. Es gibt Dinge, die musst du nicht unbedingt wissen und für die beiden wäre es auch besser, wenn du es nicht weißt..."

„Du unterstützt sie also auch noch bei... bei..." Als ihm keine passende Formulierung einfiel, verstummte er.

„Dabei sich näher kennenzulernen?" half ich nach und erntete einen ärgerlichen Blick. „Du kannst den beiden ruhig ihr Verliebtsein gönnen..."

„Was tust du überhaupt hier?" versuchte er abzulenken, bevor ich das Thema noch mehr vertiefen konnte.

„Ich hab gesehen, wie du nach draußen gegangen bist. Es hat was mit Voldemort zu tun, stimmt's?" Seufzend wurde ich wieder ernst und sah ihn abwartend an.

Severus sah mich etwas unbehaglich an und statt zu antworten zog er mich in den nächsten Raum.

Nachdem er die Tür geschlossen hatte, belegte er sie noch mit einem Schutzzauber, sodass wir ungestört waren.

„Du hast einen neuen Zauberstab?" meinte ich überrascht.

„Nachdem ich dir meinen gegeben hatte, musste ich mir ja einen neuen besorgen", gab er achselzuckend zurück und kam näher.

Er zog mich an sich, dabei bedachte er mich mit einem merkwürdigen Ausdruck in den Augen.

„Was hast du?" fragte ich leise und konnte mich eines unguten Gefühls nicht erwehren.

„Es ist gut, dass du mir nachgelaufen bist", überging er meine Frage. „So haben wir noch etwas Zeit für uns, bevor..."

„Bevor was?" hakte ich nach, als er nicht weitersprach.

„Du hast Recht, der Lord ruft seine Leute. Aber ich weiß nicht warum."

„Severus...", begann ich, doch er legte mir einen Finger auf die Lippen.

„Sag jetzt nichts. Ich... ich... möchte, dass du weißt, dass...", wieder stockte er und suchte scheinbar nach einer passenden Formulierung. „Cassie, ich habe noch nie so viel für eine Frau empfunden, wie für dich. Ich möchte, dass du weißt, dass ich dich liebe. Mehr als mein Leben. Bitte, vergiss das nie!"

Unter normalen Umständen hätte ich mich über seine Worte gefreut, zumal ich nie im Leben mit so einem Bekenntnis gerechnet hätte und das ausgerechnet von ihm. Doch in seinen Worten schwang ein eigenartiger Unterton mit, der mich frösteln ließ. Irgendwie klangen seine Worte fast wie ein Abschied. Ahnte er vielleicht doch mehr, als er mir gegenüber zugeben wollte?

Gerade, als ich eine entsprechende Frage stellen wollte, zog er mich noch näher an sich und erstickte meine Worte mit einem Kuss.

Ich spürte sein Verlangen und schmiegte mich fester an ihn.

Ein wenig später lagen wir aneinandergekuschelt auf dem Boden, den Severus mit einem Wärmezauber bedacht hatte.

Doch lange währte die schöne Zweisamkeit nicht, denn Severus stand auf und zog sich schnell an.

„Ich muß fort", meinte er nur und wieder überkam mich ein ungutes Gefühl. „Und du solltest auch schnell zurück, es ist bald zwölf."

„Warte!" Ich stand auf und hielt ihn am Arm zurück. „Ich liebe dich, Severus."

„Ich weiß", murmelte er und drückte mich nocheinmal fest an sich, dann verließ er schnell den Raum und ich war alleine.

Rasch zog ich mich an, richtete meine Haare so gut es ging und machte mich auf den Weg zurück in die große Halle. Die ganze Zeit über wurde ich das Gefühl nicht los, dass ich Severus nicht mehr wieder sehen würde.

Um kurz vor zwölf sollten sich alle draußen versammeln. Ich suchte mir einen Platz ein wenig abseits von den anderen. So konnte ich mit meinen Gedanken wenigstens alleine sein.

Severus merkwürdiges Verhalten ging mir nicht aus dem Kopf und hinzu kam noch die erneut aufsteigende Sorge um meinen Bruder.

Um mich etwas abzulenken, ließ ich meinen Blick über die Menge schweifen. Alle sahen in Richtung See, denn dort sollte das große Feuerwerk stattfinden.

Plötzlich vernahm ich aus den Augenwinkeln eine Bewegung und als ich meinen Kopf in diese Richtung drehte, stockte mir der Atem.

Zuerst dachte ich, meine Augen würden mir einen besonders üblen Scherz spielen. Doch nachdem ich etwas genauer hinschaute, erkannte ich, dass es sich nicht um eine Fata Morgana handelte, sondern um meinen Bruder in Fleisch und Blut.

„Hades!" rief ich erfreut und lief auf ihn zu, was ihn dazu veranlasste einen Schritt zurückzuweichen.

Im Gegensatz zu mir schien er gar nicht erfreut, ja, er sah sogar so aus, als ob er gar nicht freiwillig hier wäre.

Doch ich war viel zu erleichtert ihn zu sehen, als dass mir dieser Umstand richtig bewusst wurde.

„Cassie, nein! Komm mir nicht zu nahe!" rief er mir entgegen und krümmte sich augenblicklich vor Schmerzen.

Doch ich ignorierte seine Worte, wollte sie ignorieren und ging weiter auf ihn zu.

„Cassie, bitte...", brachte er mit zusammengebissenen Zähnen hervor.

„Hades, du glaubst ja gar nicht, wie froh ich bin dich zu sehen!" meinte ich und überwand die letzten Meter Distanz zwischen uns.

Hades brachte ein gequältes Lachen zustande und wollte erneut zurückweichen. Doch wieder wurde er scheinbar mit unsäglichen Schmerzen dafür bestraft, denn er ächzte hörbar auf.

„Hades? Was hast du? Ist alles in Ordnung?"

„Nein", keuchte er. „Ver... ver... verschwinde! Arghhhh..."

Diesmal schrie er gepeinigt auf und taumelte mir ein paar Schritte entgegen. Es gab mir einen kleinen Stich, als ich seinen gequälten Gesichtsausdruck sah und ich ließ alle Vorsicht fahren.

Für eine Sekunde, eine womöglich tödliche Sekunde, waren Voldemort und die Gefahr in der ich immer noch schwebte vergessen. Ich sah, wie mein über alles geliebter Bruder von irgendetwas gepeinigt wurde und ich wollte, nein, ich musste ihm helfen.

Er versuchte erneut zurückzuweichen, als ich meine Hand nach ihm ausstreckte, doch er hatte nicht mehr die nötige Kraft dazu.

Aufeinmal schien alles wie im Zeitlupentempo abzulaufen. Meine Hand näherte sich unaufhaltsam seinem Arm, was zur Folge hatte, dass sich erst ein gehetzter Ausdruck in seinen Blick schlich, der schließlich der puren Resignation Platz machte.

Jetzt berührten meine Fingerspitzen seinen Arm. Und den mutlosen Blick, den Hades mir dabei zuwarf, würde ich niemals wieder vergessen können.

Als ich den Stoff seiner Jacke unter meinen Fingern spürte, wurde ich vollkommen unerwartet von einem gewaltigen Sog erfasst. Bald wusste ich nicht mehr wo oben und unten war. In meinem Kopf drehte sich alles und ein unangenehmes Übelkeitsgefühl machte sich in meinem Magen breit.

Ich betete, dass es, was es auch war, bald aufhören möge und meine Gebete wurden scheinbar erhört.

Als der Sog uns wieder frei gab, fand ich mich auf einem alten Friedhof wieder. Mitternacht schien längst rum zu sein, denn in der Ferne konnte man das Knallen von Feuerwerkskörpern hören.

Stöhnend rappelte Hades sich auf und sah mich dann vorwurfsvoll an.

„Ich hab dir doch gesagt, du sollst mich nicht anfassen!"

„Ja, ja, ist ja schon gut. Ich hab mir halt Sorgen gemacht."

„Warum kannst du nicht einmal auf mich hören?" Seine Stimme klang immer noch schwach, trotzdem schwang ein leichter Anflug von Ärger in ihr.

Ich ignorierte seinen Vorwurf, denn jetzt war es sowieso zu spät, für was auch immer.

„Sag mal, was geht hier eigentlich vor?"

Hades war trotz seiner Schmerzen noch imstande mir einen bösen Blick zuzuwerfen, begann dann aber stockend zu erzählen.