Draco Malfoy und der Amethyst

Die Bibliotheks- Sache

Blaise und Theo empfingen mich im Schlafraum mit großen Augen und einer Miene, die mir sofort klar machte, dass sie es wussten.

„Wie geht es dir, Draco?"

„Alles in Ordnung, Draco?"

Ich setzte mich auf mein Bett. „Klar doch. Was denkt ihr von mir, dass ich jetzt rumheule wie ein Schlosshund?"

Theo und Blaise blickten sich an. „Na ja, nach sechs Jahren Beziehung..."

„Sie wird schon zu mir zurückkehren", gab ich ihnen zu verstehen. Sie kamen zu meinem Bett und setzten sich darauf.

„Das glaube ich nicht. Sie kam zwar heulend hier an und Alice muss sie trösten, aber nach dem, was ich rausgehört habe..."

„Hast du ihr erzählt, dass du sie nach der Schule abservieren wolltest?", fragte Theo. Ich zuckte mit den Schultern. „Ich habe es anders ausgedrückt. Und das Schuljahr hat gerade erst angefangen."

Blaise sah bestürzt aus, und Theo klopfte mir auf die Schulter. „Weiß du was? Das ist doch die Gelegenheit für einen Neustart. Du hast sie nicht geliebt und warst nur zu feige, um selber Schluss zu machen. Wer weiß, vielleicht fällt dir ja jetzt jemand auf, den du bis jetzt noch nicht wahrgenommen hast? In der Jahrgangsstufe unter uns sind viele hübsche Mädchen, kennst du Dino?"

„Hört sich nicht sehr attraktiv an", sagte ich gelangweilt. Ich wusste schon, warum ich eine langjährige Beziehung geführt habe. So entging man am besten den Kuppelversuchen der Freunde.

„Ist sie aber", meinte Theo. Ich hob eine Hand.

„Also, ich bin immer noch überzeugt, dass Pansy auf alle Vieren zu mir angekrochen kommen wird. Natürlich werde ich sie dann zurückweisen, Rache ist süß. Trotzdem habe ich echt keinen Bock auf die nächste nervige Schlampe, okay?"

„Meine Güte, Draco! Es kann doch nicht sein, dass wirklich alle Mädchen dich nerven!", rief Theo aus.

„Lass ihn, er muss erst mal das Ende verarbeiten", sagte Blaise. Theo zuckte mit den Schultern und blickte mich an.

„Ich muss heute Nacht zu einem Duell", sagte ich. Das schien ihn zu verunsichern, er blickte Blaise an, der mit den Schultern zuckte und aufstand.

„Du weißt, was ich darüber denke", sagte er dabei.

„Und zwar nicht mit Potter", meinte ich. Blaise blickte mich verwundert an.

„Weasley hat mich herausgefordert", sagte ich. Er rollte mit den Augen und ging zu seinem Bett. „Ist fast dasselbe."

„Wusstet ihr, dass er mit dem Schlammblut zusammen ist?"

„Wen interessiert das?", fragte Blaise. Theo betrachtete seine Fingernägel. „Ich wunder mich, warum die kleine Weasley nicht in Slytherin ist", sagte er dabei. Ich runzelte die Stirn.

„Wieso?"

„Ich hab da so einiges über sie gehört", meinte Theo nur.

„Bist du etwa an ihr interessiert?", fragte ich weiter. Theo grinste mich an. „Und wenn?", fragte er.

„Theo, denk an das erste und letzte Mal, als du mit einer Gryffindor zusammen warst!"

„Ja, das war doch auch nicht Ernst gemeint", sagte Theo und rollte mit den Augen. Blaise kam wieder zu uns, ich glaubte, er hatte etwas in sein verdammtes Tagebuch geschrieben.

„Was schreibst du da eigentlich immer rein?", wollte ich wissen.

„Dies und das. Sachen, über die ich noch einmal nachdenken will", meinte er. „Aber mal was anderes, ich glaube, Theo ist wieder bereit für eine Freundin. Oder zumindest für ein kleines Abenteuer."

Ich nickte und klatschte Theo auf den Rücken. „Und Draco..." Ich blickte Blaise an.

„Ich nicht", sagte ich.

„Ach komm, du hast doch nur Angst vor Veränderungen! Such dir eine aus, sonst werd ich das übernehmen!"

Ich verzog da Gesicht. Dieser Widerling, was fiel ihm eigentlich ein...

„Oder hey, von mir aus auch einen Jungen. Nur für den Fall, dass du experimentieren möchtest", sagte er schnell, als er mein Gesicht sah.

„Zabini, muss ich wieder Mordpläne für dich schmieden?", sagte ich wütend. Theo stand auf und verzog sich. Er wusste halt, was gut für ihn war.

„Ach, Draco. Ich habe mich mal mit Pansy unterhalten. Sie hegte den Verdacht, dass du verkehrt herum bist. Obwohl ich ja glaube, das tat sie nur, weil sie verzweifelt nach einem akzeptablen Grund für dein Verhalten gesucht hat."

„Was soll ich sein?", knurrte ich nur. Ich hatte schon keine Lust mehr auf diese Unterhaltung.

„Vom anderen Ufer. Schwul eben."

Bei dem Wort klingelte etwas bei mir. Pansy hatte da mal so etwas erwähnt...

„Machst du dir denn keine Gedanken, warum –"

Ich stand auf und unterbrach Blaise. „Halt die Klappe, wenn dir dein Leben lieb ist. Nur zu deiner Information: Ich lebe lieber enthaltsam, als das ich... uäh. Heiße ich denn Potter?"

Ich schüttelte mich und Blaise blickte erst verwundert, dann siegesgewiss. „Ich verstehe", sagte er.

„Nein, du verstehst gar nichts!", sagte ich und rauschte davon. Blaise hatte es mal wieder geschafft, einen schrecklichen Tag in einen noch schrecklicheren abzuwandeln. Ach nein, das hatte schon Weasley geschafft. Warum ließen sie mich nicht einfach alle in Ruhe?

Nachts ging ich mit Vince zum Pokalzimmer. Ich vermutete zwar, dass Weasley nicht kommen würde, aber was sollte es. Schlafen würde ich eh nicht können. Während wir warteten, erzählte Vince mir, dass er Alice Schwester kennen gelernt hatte.

„Ah, und sie ist auch von ihrer Gabe überzeugt?", fragte ich. Vince nickte.

„Du, darüber macht man sich nicht lustig. Es ist echt außergewöhnlich."

„Und sie ist auch außergewöhnlich, hm?"

Vince wurde rot. Volltreffer. Hoffentlich ging es bei ihm jetzt nicht so los wie bei Blaise. Alice und ihre Schwester hatten bestimmt einen verbotenen Liebestrank gebraut.

Die Tür schwang auf, aber niemand war zu sehen. Alarmiert stand ich von dem Tisch auf. „Wer ist da?", fragte ich. Hatte Potter nicht einen Tarnumhang? Ja, ich erinnere mich, in der dritten Klasse in Hogsmeade...

„Potter", sagte ich und grinste wissend. Schon standen Weasley und Potter vor uns.

„Hi Malfoy. Wie geht's?", fragte Potter.

„Schlecht, da ich dich sehen muss", antwortete ich. Er zuckte mit den Schultern und Weasley trat vor.

„Du lernst aber auch gar nichts, kann das sein?"

„Weasley. Ihr seid doch alle gleich. Bla bla bla, ich soll nicht eure Freunde beleidigen, bla, bla!"

„Woran du dich nicht gehalten hast, Malfoy", warf Potter ein.

„Und warum sollte ich auch, Potter?" Vince trat knöchelknackend hinter mich und Weasley wurde blass.

„Weil du langsam erwachsen wirst?", schlug Potter vor. Ich wurde wütend, wären wir alleine gewesen, hätte ich ihm schon längst eine aufs Maul gegeben. Aber so mischte Weasley sich ein.

„Wir wollten uns duellieren, schon vergessen?", meinte er. Ich warf Potter noch einen wütenden Blick zu und richtete dann meinen Zauberstab auf Weasley. „Petrificus Totalus", sagte ich und Weasley kippte um wie ein Brett. Ich schritt über ihn hinweg und lachte. Potter stand plötzlich vor mir, diesmal war er derjenige, der mich wütend ansah.

„Warum kannst du dich nicht einmal an die Regeln halten?", fragte er.

„Ja, sicher, weil gerade du dich ja immer an die Regeln hältst, nicht wahr, Potter?", erwiderte ich. Er trat einen Schritt auf mich zu und stierte mich an. Vince knurrte, aber ich gab ihm ein Zeichen, sich zurückzuhalten. Mit dem wurde ich noch alleine fertig.

„Also sag mir, wenn du dich nicht daran hältst, warum sollte ich es dann?", zischte ich. Er kniff die Augen zusammen. „Das ist etwas ganz anderes."

„Oh, natürlich", höhnte ich, „Der große Potter darf das."

Potter wurde ganz wild und bohrte seine Hand in meinen Arm, während er mit seinem Gesicht nahe kam. „Du hast keine Vorstellung davon, wie es ist, Harry Potter zu sein und sich mit solchen Mistkerlen wie du einer bist auseinander setzten zu müssen. Meine Güte, bin ich froh, wenn dieses Jahr zuende ist und wir uns nie wieder sehen müssen." Mit diesen Worten ließ er mich los und kniete sich zu Weasley hinab. Ich blickte ihn sauer an, aber da mir im Moment keine Entgegnung einfiel, gab ich Vince ein Zeichen und wir verließen das Zimmer.

Unerhört, was dachte er sich eigentlich! Wenn hier einer froh war, dass wir uns nie wieder sahen, dann war ich das! Und überhaupt, wer sagte denn, dass wir uns nicht zufällig über den Weg laufen würden?

„Draco, nicht so schnell", keuchte Vince. Ich blieb stehen und ließ ihn aufholen.

„Hast du die Mistkröte gehört?", fragte ich sauer. Vince nickte. „Ich bin auch froh, wenn wir ihn nicht mehr sehen müssen", sagte er dümmlich.

Ich starrte ihn an, und er zuckte mit den Schultern. „Oder etwa nicht?", fragte er.

Darauf wusste ich keine Antwort. Darum ging es hier doch gar nicht. Sondern es ging darum, dass er... mich anscheinend nicht mochte. Und wie konnte er es wagen! Jeder hatte mich zu mögen, selbst unser Held Potter!

Andererseits konnte mir nichts mehr egal sein. War ja nicht mein Problem. Ich schob alle Gedanken daran beiseite. Wir erreichten nach sehr langer Zeit unseren Gemeinschaftsraum und liefen die Treppen zu den Schlafräumen hoch, ohne viel zu reden.

Ich schlief in dieser Nacht nicht mehr viel und war am nächsten Morgen dementsprechend unausgeschlafen. Ich kratzte mich zusammen, denn ich hatte nicht die ersten beiden Stunden frei, so wie Greg und Vince.

Am Frühstückstisch sagte ich nur wenig. „Draco, Butter", sagte Vince. Ich reichte sie ihm und wunderte mich, dass er es noch über sich gebracht hatte, meinen Namen zu sagen.

Ich dachte, Greg ein oder zwei Mal ein Lächeln zustande zu bringen gesehen zu haben, aber das könnte eine Täuschung gewesen sein. Selbst wenn, was kümmerte es mich. Gestern war der wohl schlimmste Tag meines Lebens gewesen.

Meine Laune besserte sich innerhalb der nächsten Tage, oder waren es Wochen, nicht. Der Oktober flog vorbei wie nichts, und am Ende der dritten Woche sah ich sie.

Bedarf das jetzt weiterer Erklärung? Natürlich sah ich Pansy nicht zum ersten Mal, aber zum ersten Mal mit jemand anderem rumknutschen. Es wäre mir egal gewesen, aber die Tatsache, dass sie es mit Raven tat, brachte mich doch aus dem Konzept.

Es geschah in der Eingangshalle, in der Öffentlichkeit! Sie lehnten sich an die Wand neben der Tür zum Kerker, und ich ging schnellen Schrittes hinüber und riss Raven von ihr weg.

„Was genau glaubst du, da zu tun?", fuhr ich ihn an. Pansy kreischte spitz auf, aber ich hatte mir es in den vergangenen Jahren angewöhnt, sie nicht zu beachten. So auch jetzt.

Raven riss sich los. „Was soll das, Malfoy. Ihr seid nicht mehr zusammen, außerdem dachte ich, du stehst eher auf Männer?"

Ich schmiss ihn grob gegen die Wand. „Weißt du was? Du hast gerade dein Todesurteil unterzeichnet", zischte ich, dann ging ich, um Vince und Greg zu suchen. Sie saßen im Gemeinschaftsraum, bei Vince saß ein Mädchen, vielleicht Viert- oder Fünftklässlerin, und sie krickelte auf einem Blatt Papier herum.

„Crabbe, Goyle, ich habe eine Aufgabe für euch", sagte ich, kaum angekommen.

Nur Greg blickte auf. „Was denn?" Er schien nicht sehr interessiert.

„Raven. Töte ihn. Er knutscht mit Pansy herum."

Gregs Augen blickten mich stumpf an, zu stumpf. „Ich weiß."

Das war alles? Ich verschränkte die Arme. „Und es ist dir egal?"

Greg schüttelte den Kopf. „Das heißt, eigentlich schon."

Nun war ich verwirrt. Ich setzte mich auf einen Stuhl und rückte zu ihm. Ich stellte sicher, dass Vince und Goldlocke uns nicht hörten und sagte leise: „Weißt du etwas, was ich wissen müsste?"

Er seufzte auf. „Nun, ich denke, ich gestehe es dir... jetzt kann ich ja. Also", stotterte er herum und erweckte meine Neugierde.

„Ja?"

Er schielte auf seine Hände, drehte Däumchen. „Ich bin in Pansy verliebt. Du warst die ganze Zeit mit ihr zusammen, und jetzt dachte ich, meine Chance wäre gekommen, da wirft sie sich diesem Raven an den Hals. Obwohl ich dachte, ich hätte mich ihm gegenüber klar genug ausgedrückt."

Mir klappte der Mund auf. „Du meinst, es hat damals in der ersten Klasse nicht aufgehört? Du hast einfach nur gelernt, es zu verstecken?"

Greg nickte. Ich lehnte mich fassungslos zurück. „Ich wusste es", sagte ich. Natürlich hatte ich es nicht gewusst, aber ich hatte immer ein komisches Gefühl, was Greg und Pansy betrifft.

Dann lehnte ich mich wieder nach vorne. „Also, wenn es das ist, kann ich dir helfen, mit ihr zusammen zu kommen."

„Und das macht dir nichts aus, Draco?"

Ich schüttelte den Kopf. „Besser du, als dieser Raven. Außerdem soll sie nicht überall Gerüchte über mich verbreiten." Ich zuckte mit den Schultern und mein Blick fiel auf Vince.

„Was genau tut er da?", fragte ich Greg.

„Er und Barbie wollen einen Club fürs Hellsehen oder so eröffnen."

„Das ist nicht dein Ernst, oder?", fragte ich. „Doch, leider." Ich stöhnte. Immer diese Irren mit ihren Clubs.

„Und wer, frage ich mich, würde so einem Club beitreten?"

Greg zuckte mit den Schultern und dann kam Theo zu uns gesprungen. „Draco, Draco, Draco, komm mal mit", sagte er und versuchte, mich hochzuziehen. Ich ließ ihn gewähren und folgte ihm nach draußen, Kerkergänge entlang und die Treppe hoch.

„Was soll das, Nott?", fragte ich, als wir durch die Eingangshalle liefen. Wir kamen an die frische Luft, ein paar Verrückte saßen noch am See. Die Sonne schien, wenn es auch nicht warm war. Endlich blieb Theo stehen und zeigte auf eine Gruppe von drei Mädchen.

„Siehst du die mit den schwarzen Locken?"

Ich nickte. „Nott, was –"

„Das ist Dino, erinnerst du dich?"

Ich nickte wieder. Er wollte doch nicht etwa, dass ich hinging oder so etwas?

„Wenn es dir nichts ausmachen würde, würde ich sie gerne näher kennen lernen."

„Warum sollte es mir etwas ausmachen?"

„Weil ich sie doch dir vorgeschlagen hatte."

„Ach, hm", war alles, was ich dazu sagen wollte. Ich betrachtete sie näher. Hübsch war sie ja, im Gegensatz zu Pansy. Und ihre schwarzen Haare gefielen mir auch. Aber trotzdem, etwas fehlte, ich wusste im Moment nicht, was. Eine Brille hätte ihr vielleicht gestanden.

„Ja, ja. Nimm sie dir ruhig", meinte ich dann großzügig und machte kehrt. In der Eingangshalle dann erwartete mich der zweite Schock des Tages. Ich blieb mitten im Weg stehen und jemand lief hinten in mich hinein, aber ich achtete nicht darauf.

„Zabini?", fragte ich mit brüchiger Stimme. Es war Blaise, keine Frage, der da stand und sich unterhielt. Ganz normal unterhielt. Mit Potter.

„Mensch, Draco, pass doch auf", murrte Theo und stellte sich an meine Seite. Auch er sah, was ich sah und runzelte die Stirn. Dann sah Potter mich und seine Miene versteinerte sich. Blaise drehte sich um und winkte uns. Ich blickte Theo an, der Blaise angrinste. Dann wandte er sich an mich.

„Ob Blaise einen gemeinen Plan hat, oder nur ne Schraube locker?", fragte er.

„Ich hoffe ersteres für ihn", sagte ich. Ich war unentschlossen. Sollte ich hingehen und ihm den Kopf abreißen oder einfach weggehen und diesen Vorgang ignorieren?

„Na, da hätte er uns aber einweihen können", sagte Theo. Ich nickte. In der Tat.

Blaise kam zu uns geschlendert, und Potter ging, mit einem giftigen Blick zu mir, den ich ebenso giftig erwiderte, die Treppen herauf. „Leute", sagte Blaise.

„Was war das?", fragte ich. Er zuckte mit den Schultern.

„Ich dachte mir, warum nicht einmal über meinen Schatten springen und wenigstens im letzten Jahr etwas gegen den Abgrund, der zischen den Häusern klafft, unternehmen?"

„Also doch ne Schraube locker", murmelte Theo. Blaise blickte ihn verwundert an.

„Aber Blaise... das war Potter! Hättest du nicht mit, ich weiß nicht, Thomas anfangen können?"

„Du meinst, weil wir beide schwarz sind, ja?"

Ich schüttelte den Kopf. „Warum ausgerechnet Potter? Ich meine, von allen Leuten..."

Blaise seufzte, Theo grinste wieder.

„Gerade weil es Potter ist, Draco. Dein erklärter Staatsfeind Nummer eins. Egal. Ich geh jetzt zu Alice. Bis später."

Er verschwand in Richtung Kerker, obwohl er mit Theo und mir hätte gehen können. Theo klopfte mir auf die Schulter. „Er kann manchmal ein bisschen wirr im Kopf sein", sagte er. Ich nickte, und in diesem Moment kamen die drei Mädchen herein. Mit Schrecken stellte ich fest, dass außer Dino kein Slytherin dabei war. Es waren Abbott und Chang. Hufflepuff und Ravenclaw.

Mir wurde augenblicklich schlecht und ich ließ Theo allein dort stehen. Lange würde er es ja nicht bleiben, denn Dino hatte sich von den anderen getrennt und steuerte auf ihn zu.

Ich ging nicht in den Kerker, sondern in die Bibliothek. Auch wenn ich mir sagte, dass ich alles, was zu über den Stein zu wissen gab, wusste. Es war nur ein geschliffener Amethyst. Nur wollte ich noch wissen, wie er nach Hogwarts kam, auch wenn ich das wohl kaum in Büchern herausfinden würde. Aber ich hatte eh nichts zu tun, in den Kerkern würde ich nur Leuten begegnen, denen ich nicht begegnen wollte und hier war es wenigstens ruhig.

Dachte ich. Ich stand wieder bei den Geologie Büchern und nahm mir ein paar, um sie an einem Tisch durchzublättern, da hörte ich wieder diese Stimme.

„Also, langsam werde ich doch neugierig, woher dein plötzliches Interesse an Steinen kommt."

Ich drehte mich um. „Woher willst du wissen, dass ich es nicht schon immer hatte? Außerdem geht dich das nichts an. Geh doch zu deinem neuen Freund Zabini."

Ich ging an Potter vorbei und suchte mir einen Tisch. Glücklicherweise kam er mir nicht hinterher. Ich schlug das erste Buch an der Stelle über Amethysten auf.

„Amethyst ist ein weit verbreitetes Mineral; große und klare Exemplare, die sich zum Schneiden und zur Weiterverarbeitung als Schmucksteine eignen, sind auf vergleichsweise wenige Fundorte beschränkt. Vorkommen gibt es in..."

Unwichtig. Was tat Potter an einem Freitag Nachmittag überhaupt in der Bibliothek?

„Der Amethyst gilt als ein Stein, der Vernunft und Ausgeglichenheit verleiht." So, tat er das? Davon hatte ich bis jetzt nichts bemerkt. Außerdem, was ging es Potter an, wofür ich mich interessierte?

Ich schlug das Buch ärgerlich zu; konzentrieren konnte ich mich nicht mehr. Mal wieder wegen Potter, diesem Arsch. Ich brachte die Bücher zurück und blickte mich um, wenn ich wegen ihm schon aufgab, dann sollte er es auch bereuen.

Ich lief durch ein paar Regalreihen, in Erinnerung an Blaise und Alice. Aus der nächsten hörte ich leise Stöhngeräusche, und da ich wusste, dass Blaise und Alice im Kerker waren, grinste ich in der Vorfreude, Unvorbereitete zu erwischen. Nur hoffte ich, dass es nicht Weasley und Granger waren, denn ich glaubte nicht, mich irgendwann einmal mit Beleidigungen ihnen gegenüber zurückhalten zu können.

Ich kam zur Ecke und sprang in den nächsten Gang, dabei rief ich „Ah, wen haben wir denn da! Zwanzig Punkte von eurem Haus", aus und erstarrte. Potter und ein braunhaariges Mädchen, das ich nicht kannte, fuhren auseinander. Es vergingen ein paar Sekunden, in denen ich um meine Fassung rang, warum auch immer, dann sagte ich: „Strafarbeit, Potter", und drehte ihnen den Rücken zu. Mit schnellen Schritten ging ich auf den Hauptgang und den hinunter.

Vor meinem inneren Auge spielte sich die ganze Zeit diese Szene ab. Ich konnte nicht sagen, wieso, aber es entsetzte mich mehr, als alles andere zuvor. Ich fühlte mich noch nicht einmal in der Lage, Leute zu tyrannisieren.

Im Schlafraum war glücklicherweise niemand, so warf ich mich auf mein Bett und vergrub mein Gesicht in meinem Kissen. Ich kann nicht sagen, wie lange ich so dalag, bis ich irgendwann eine Hand auf meinem Rücken spürte.

„Draco? Alles in Ordnung?" Es war Theos Stimme.

Ich schüttelte den Kopf ohne aufzusehen.

„Was ist denn los?"

Nun drehte ich mich auf die Seite und blickte ihn an. „Ich weiß es selber nicht. Potter macht mich einfach krank, ich hasse ihn!"

Theo nickte und seufzte. „Ja, ich weiß. Ich werde mit Blaise reden, dass er sich nicht mit ihm anfreunden soll. Und bis dahin finde ich, du solltest dich nicht in deinen Hass hineinsteigern, sondern dich ablenken."

Ich nickte und setzte mich auf. „Danke", sagte ich. Meine Freunde waren die einzigen Leute, die wussten, dass ich dieses Wort kannte. Theo lächelte. „Kein Problem. Hey, wusstest du, dass Vince versucht, Mitglieder für seinen neuen Club zu gewinnen?"

Ich schüttelte den Kopf und musste unwillkürlich lächeln. „Dieser Idiot", sagte ich.

Freitag Abend und den ganzen Samstag über verbrachte ich bei den Slytherin, ich verließ den Gemeinschaftsraum nicht. Am Sonntag kam mir mein Verhalten lächerlich vor und ich fragte mich, was das ganze sollte.

Theo riss mich aus meinen Gedanken. „Draco, kommst du mit in die Bibliothek? Ich muss noch den Zaubertränkeaufsatz schreiben. Oder willst du wieder den ganzen Tag hier bleiben?"

Es war Vormittag, wir waren gerade vom Frühstück zurückgekehrt und Blaise saß auf seinem Bett, schrieb Tagebuch. Ich schüttelte den Kopf.

„Worauf war das die Antwort? Blaise, kommst du auch mit?"

„Ja, sofort. Ich muss den auch noch schreiben", sagte Blaise.

„Ah, ich weiß nicht, Leute", sagte ich. Theo sah mich schief an. „Hast du ihn schon geschrieben?"

„Nein", antwortete ich.

„Na, was weißt du dann nicht?"

Ich zuckte mit den Schultern. „Schon gut, ich komm ja mit", sagte ich, auch wenn mich die Vorstellung mit Grauen erfüllte.

Die Bibliothek war gut gefüllt, die meisten wählten den Sonntag, um Hausaufgaben zu machen. Theo verschwand sofort zwischen den Regalreihen und Blaise und ich setzten uns an einen Tisch, wo Blaise weiterschrieb.

„Was schreibst du in dein Tagebuch?", wollte ich wissen. Blaise sah auf.

„Das ist kein Tagebuch, das ist ein Notizbuch. Ich mache Notizen, damit ich mein letztes Jahr nicht vergesse. Und Pansy hat sich am Anfang wirklich verdächtig benommen, und von Alice weiß ich, dass ihre Clique da irgendeinen geheimen Club oder so veranstaltet. Mehr wollte sie mir nicht sagen." Er zuckte mit den Schultern.

„Ich hasse Clubs", meinte ich. Blaise nickte gedankenverloren. Dann kam Theo wieder, mit jeder Menge Büchern, die er auf den Tisch knallte und dafür einige missbilligende Blicke der umher sitzenden Schüler bekam.

„Dieses Jahr werde ich ein O in Zaubertränke kriegen", meinte er.

„Na, versuchen kannst du es", sagte ich, während ich mir ein Buch nahm.

„Snape meinte, ich könnte es schaffen", sagte Theo. Jemand trat an unseren Tisch und ich blickte von „Zaubertränke für groß und klein" (und Theo dachte, bei dieser Buchauswahl könnte er ein O schaffen?) auf und augenblicklich machte mein Magen einen Salto voller Zorn.

„Potter", sagte ich, „was willst du?"

„Mit dir reden. Du kannst mir keine Strafarbeit geben, nur weil ich mit Elaine rumgeknutscht habe. Küssen ist nichts verbotenes, auch nicht in der Bücherei, es ist –"

„Elaine Buggerfield?", fragte Theo. Potter hielt inne und blickte ihn an. „Ja."

„Bist du mit ihr zusammen?", fragte Theo weiter. Potter schien sichtlich verwirrt über sein plötzliches Interesse.

„Also, na ja, noch nicht. Darum geht es hier doch gar nicht."

„Wenn Malfoy denkt, du hast eine Strafarbeit verdient, dann wird das schon richtig sein", sagte Theo und beschäftigte sich dann mit seinem Buch. Blaise grinste Potter an. „Nott war mal mit ihr zusammen. Kurz, sehr kurz."

„Potter, ich kann dir Strafarbeiten verpassen, wie ich will, und wenn du tausend Mal Schulsprecher bist. Ein Aufsatz über berühmte Amethysten dürfte genügen, denke ich", meinte ich und blickte auf mein Buch. Leider verschwommen die Buchstaben vor meinen Augen. Potter stieß ein Knurren aus.

„Darüber reden wir noch", sagte er, doch dann verschwand er. Ich atmete aus und lehnte mich zurück.

„Mit meiner Ex, ich glaube es ja nicht", stöhnte Theo. „Danke, dass du mich verteidigt hast, Draco!"

„Was?", fragte ich verwirrt.

„Du hast ihm doch deswegen eine Strafarbeit gegeben, oder?"

„Ach so. Ja, ja", sagte ich. Ich traf Blaise Blick, hielt ihn aber nur ein paar Sekunden bevor ich rüber zu Potter blickte. Er saß mit seinen beiden Freunden dort, zum Glück war diese Elaine nirgendwo zu sehen.

„Draco", sagte Blaise. Ich blickte ihn an. „Ich denke, uns steht mal wieder ein Männergespräch ins Haus."

„Wie du meinst. Wenn du für so was noch Zeit hast", antwortete ich.

Abends dann saßen wir im Gemeinschaftsraum. Jemand hatte Butterbier aus der Küche besorgt, und wir hatten die Stühle zu einem Kreis zusammen geschoben. Greg saß auf der einen Seite neben mir, auf der anderen Seite saß Theo mit Dino. Ich trank mein Bier und hörte den anderen halbherzig zu.

„Mr. Malfoy", sagte jemand leise. Zuerst dachte ich, ich hätte es mir nur eingebildet, doch dann kam noch mal ein „Mr. Malfoy, Sir", und zwar lauter, so dass ich mich verwundert umblickte. Wer würde mich schon so nennen?

Es war Bradfort, der Knabe, an dem mir immer zuerst sein kantiges Kinn auffiel. Ich blickte ihn fragend an. „Ja?"

„Harry Potter wünscht Sie zu sprechen", sagte er. Ich kniff die Augen zusammen, Zorn flammte wieder in mir auf, und die Frage, warum er mir bis hier unten folgte. Die Strafarbeit, sagte ich zu mir selber, warum sonst?

Ich stand auf. „Danke, Josh", meinte ich und erleichtert rannte er weg. Gegenüber der Steintüre stand Potter und tippte ungeduldig mit dem Fuß auf den Boden.

„Du nervst", begrüßte ich ihn.

„Danke, du auch", sagte er.

„Wenn es nicht wichtig ist", fing ich an. Er schüttelte den Kopf. „Dann würde ich meine Zeit nicht mit dir verplempern", meinte er.

„Also?" Ich verschränkte die Arme.

Potter wedelte mit einem Pergamentblatt. „Der Aufsatz. Doch zuerst möchte ich ein paar Fragen beantwortet haben."

„Frag ruhig", sagte ich. Ich musste ja nicht antworten.

„Warum das Ganze? Weil es Notts Exfreundin war? Das ist doch lächerlich, Malfoy", sagte er.

„Lass das mal meine Sorge sein", sagte ich.

„Und dann... wieso interessierst du dich für Steine?"

Ich kniff die Augen zusammen. „Das geht dich nichts an."

„Na schön." Er stieß sich von der Wand ab und kam auf mich zu. Kurz vor mir blieb er stehen und hielt das Pergament hoch, das ich nahm. Ich versuchte, in seinen Augen Beweggründe zu finden, doch sie blieben kalt.

Plötzlich stieß mich jemand in den Rücken, ich strauchelte nach vorne und gegen Potter, der mich instinktiv festhielt. Schnell rappelte ich mich hoch und fuhr herum.

„Ups, sorry, Draco", sagte Blaise und meinte es nicht so.

„Ach Potter, hi", fügte er dann hinzu. Ich grunzte nur. Potter sagte: „Zabini."

„Ich geh dann mal wieder", sagte ich, ohne Potter eines Blickes zu würdigen; irgendwie war mir das alles peinlich. Blaise hielt mich am Arm fest.

„Nein, warte. Mit dir wollte ich doch reden. Potter, was führt dich hierher?"

Ich drehte mich so um, dass ich an der Wand gelehnt beide im Auge behalten konnte. Potter sah kurz zu mir. „Malfoy, wer sonst", meinte er dann. Blaise grinste. „Oh, versteht ihr euch mittlerweile?"

Potter schnaubte. „Schön wär's. Malfoy tut alles, um das zu verhindern."

„Ich, Potter? Sicher, dass es nicht anders herum ist?", fragte ich.

„Ja, ganz sicher", sagte Potter und nahm mich ins Visier. Ich hob eine Augenbraue.

„Also, das sind alles nur Missverständnisse", warf Blaise ein. Ich verfluchte ihn in diesem Moment. „Zabini", sagte ich ruhig. Normalerweise ließ er sich davon abschrecken. Heute nicht.

„Stimmt doch. Und die Macht der Gewohnheit ist natürlich auch nicht zu unterschätzen", fuhr er fort. Potter verschränkte die Arme.

„Oder wir können uns einfach nicht ausstehen", meinte er.

„Der Meinung bin ich auch", sagte ich herausfordernd zu Blaise, der weiter dümmlich grinste. „Das ist doch schon ein Anfang", sagte er.

„Was?", fragte ich.

„Na, dass ihr einer Meinung seid."

„Ja, dass wir uns nicht leiden können", sagte ich.

„Ich werde jetzt gehen", kündigte Potter an.

„Tu das", war mein Kommentar.

„Und ob", sagte er. Wir starrten uns ein paar Sekunden an, dann drehte er sich um und ging. Blaise seufzte auf und lehnte sich an die Wand neben mir. „Mann, wenn einer von euch ein weibliches Wesen wäre, würde ich sagen, es funkt gewaltig."

Ich blickte ihn warnend an. „Pech, dass wir beide männlich sind", ließ ich verlauten. Blaise nickte.


Dank und Plätzchenan meine Reviewer Amunet, Alraune und oAmyBlacKo! Ich bin euch wirklich zu Dank verpflichtet, dass ihr das Schweigen gebrochen habt! °ggg°