Draco Malfoy und der Amethyst
Einsicht ist der erste Schritt zur Besserung
Vollkommen gerädert wachte ich am nächsten Morgen auf – und das auch nur, weil ein gewisser Theodore Nott es lustig fand, auf mein Bett zu hüpfen.
„Aufwachen, Draco, soo spät wurde es gestern auch wieder nicht! Oder hat Potter dich noch bis in deine Träume verfolgt?"
Sofort saß ich kerzengerade und warf mein Kissen nach ihm. Für solche Sprüche war Blaise bekannt, aber Theo? Hatten sie sich nun alle gegen mich verschworen?
Er lachte und sprang auf den Boden.
„Hätten wir das also. Oh mein Gott, du siehst schrecklich aus! Schon mal was von Wasser gehört?"
Ich stieß ein Knurren aus, zu mehr war ich im Moment nicht fähig. Theo nahm seine Beine in die Hand und verschwand aus dem Raum. Endlich alleine, streckte ich mich in Ruhe, gähnte und kehrt in meinen Gedanken zu dem vorherigen Abend zurück.
Was hatte ich getan? Nein, falsch, wieso hatte ich es getan? Auch falsch. Wieso um alles in der Welt Potter? Natürlich war es nicht falsch, wenn ein junger, reinblütiger und reicher Zauberer wie ich anfing, sich Gedanken um einen zukünftigen Partner zu machen. Vorzugsweise weiblich und mit einem erstklassigen Stammbaum.
Potter war nicht weiblich. Potter war ein Halbblut. Potter war dumm, war ein Narbengesicht, hatte Schlammblut- und Blutsverräter- Freunde und, auch nicht zu verachten, er hasste mich!
Und ich hasste ihn normalerweise auch.
Ich schwang meine Füße auf den beheizten Boden. Würde ich noch länger im Bett liegen bleiben, würde am Ende doch noch Blaise vorbei kommen. Und dann war der Spaß vorbei.
Aber warum hatte ich gestern versucht, Potter zu küssen? Das war die Frage, über die ich die ganze Nacht gegrübelt hatte. Eigentlich gab es keinen vernünftigen Grund dafür, ich wusste nur: Ich würde es immer noch gerne ausprobieren.
Dabei gab es bloß ein Problem: Seine Reaktion. Womit wir wieder am Anfang wären: Potter hasste mich. Vielleicht sollte ich alles als eine kleine erste Schwärmerei für einen Jungen meinerseits abtun und nach einem geeigneten Kandidaten suchen. Denn wenn das stundenlange Grübeln in der letzten Nacht mir etwas gebracht hatte, dann war es die Einsicht, dass ich mich noch nie für Mädchen hatte erwärmen können.
Das erklärte so einiges. Aber es warf auch neue Probleme auf. Was würden Blaise und die anderen dazu sagen? Pansy würde mich auslachen, oder? Oder würde sie weinen und mir vorwerfen, ihr etwas vorgespielt zu haben? Und Theo, würde der sich ekeln, neben mir in einem Bett zu schlafen?
Als ich eine halbe Stunde später in den Gemeinschaftsraum kam, schien es mir, als könnten mir alle meine neue Einsicht ansehen. Aber niemand reagierte anders als sonst auf mich. Josh Bradfort wimmerte und versteckte sich hinter der nächstbesten Person. Meine Laune stieg. Raven knurrte bedrohlich und verschwand hinter einem Buch. Wiederum stieg meine Laune. Pansy wäre früher quietschend aufgesprungen, aber nun begnügte sie sich mit einem „Morgen Draco!". Das Barometer meiner Laune erreichte einen neuen Höchstpunkt.
„Draco, hast du dich auch bequemt, deinen Träumen zu entfliehen und uns Gesellschaft zu leisten? Wir sind über alle Maßen entzückt!"
Zabini. Prompt fiel meine Laune in die Minuspunkte und ich warf mich lustlos in einen Sessel im Kreise der beiden Geisteskranken, mit denen ich mich nur abgab, weil sie in meinem Zimmer lebten. Das, und weil ich sie in guter Stimmung als meine Freunde bezeichnete.
„Draco, was hältst du von Theos Plan?", fragte schon erwähnter Anführer aller Geisteskranken, Blaise Zabini. Ich säuberte meine Fingernägel.
„Welchen meinst du? Den, ein O in Zaubertränke zu bekommen oder den, Dino zurückzubekommen?"
„Was? Dino? Draco, ich dachte, die ist jetzt dein Fahrwasser?", fragte Theo. Dann warf er sich in die Brust. „Nein, es geht um Elaine. Das ist doch sicher auch in deinem Sinne, wenn ich sie Potter ausspanne!"
Autsch. Warum nur zog sich bei der bloßen Erwähnung dieses Namens alles in mir zusammen? Ich blieb gefasst, ließ meine leicht zitternde Hand auf meine Beine sinken und sah Theo an.
„Also willst du unseren Schwur brechen? Wegen ihr haben wir den Schwur gemacht, Theo, wegen ihr und Potter. Ironie des Schicksals, dass die beiden jetzt zusammen sind. Und was mich betrifft, von mir aus kann Potter zur Hölle fahren. Ich werde mich nicht mehr auf sein Niveau hinab begeben, von nun an ignorier ich ihn einfach."
Blaise prustete los und Theo sah ihn stirnrunzelnd an, bevor er sich mir zuwandte. „Ach, komm schon. Sogar Pansy hat manche Hausdifferenzen beigelegt."
„Das mag ja sein, und ich hätte nichts gegen eine aus einem anderen Haus, aber Gryffindor? Deine Ex, die Potter vergöttert? Wie kommst du überhaupt darauf, dass du mit ihr glücklich werden könntest? Dass sie zu dir zurück kehren würde?"
„Ich dachte, einen Versuch wäre es wert...", druckste Theo herum. „Es ist, als hätte mich ein Blitz erwischt, wie schon damals. Egal, wie viele ich danach hatte, für sie hatte ich die intensivsten Gefühle. Und es scheint, als wären die nun wieder da. Es ist nicht auszuhalten, ich muss immerzu an sie denken."
Ich seufzte. Blaise mischte sich in das Gespräch ein.
„Draco weiß schon, was du meinst, und er ist durchaus gewillt, deinem Ersuch nachzugehen... Allerdings muss ich dir sagen, Theo, dass du nicht seine Erlaubnis brauchst. Schnapp sie dir, Potter wird darüber hinweg kommen."
Während ich vor meinem inneren Auge einen Potter, der sich die Augen ausheulte und in meine Arme warf, sah, glitt meine Hand automatisch in meine Hosentasche und umklammerte meinen Amethysten.
„Habt ihr eigentlich jemals darüber nachgedacht, dass Elaine auch Gefühle hat und es ihre Entscheidung ist?"
Huh? War das gerade aus meinem Mund gekommen? Muss wohl, denn Theo und Blaise sahen mich verwundert an.
„Warum willst du, dass die beiden zusammen bleiben?", fragte Blaise.
„Sag ich doch gar nicht."
„Hört sich aber so an."
„Dann wasch mal deine Ohren, sonst funktionieren sie doch übergut. Ihr redet so, als würde sie da nicht mitreden dürfen, obwohl es sich um sie dreht."
„Habe ich das richtig verstanden...? Du bist für Mitspracherecht, für eine Meinung anderer Leute? Eines Mädchens? Einer Gryffindor?"
Ich rollte die Augen. „Du drehst mir das Wort im Mund um, so wie immer. Mach nur weiter so, Zabini, und du wirst das Schuljahr nicht überleben."
Blaise klatschte in die Hände. „Wunderbar, Draco, wer möchte den Sonntag nicht mit einer Morddrohung beginnen? Nebenbei bemerkt hattest du mir diese Woche noch nicht gedroht, und das geht doch nicht, wo sie morgen doch schon vorbei ist..."
„Außerdem will ich mich erst mal nur mit ihr anfreunden", warf Theo ein. Blaise und ich blickten ihn an, dann uns gegenseitig und brachen zeitgleich in Lachen aus. So ein Zabini ist doch nicht das Schlimmste, was meiner Laune passieren konnte. Und ein Nott erst recht nicht.
Der Sonntag ging schnell um, dafür, dass wir nur rumsaßen und redeten. Zwischenzeitlich erhielten wir noch Besuch von Vince, der zu meinem Missfallen oft mit Barbie und Raven rumstreunte und Greg, der wie es schien mal wieder über Pansy hinweg gekommen war und sich auf seinen Geburtstag in einer Woche freute.
Abends saß ich auf meinem Bett und packte notdürftig die Schultasche für den nächsten Tag. Dabei entrümpelte ich sie. Ein Pergamentfetzen fiel mir in die Hände, die Schrift darauf kam mir bekannt vor. „Österreich und die verschollenen" konnte ich lesen. Ach ja. Potters dämlicher Aufsatz.
Im Moment konnte ich nichts, was mich an diesen Idioten erinnerte, gebrauchen. Ich ließ den Fetzen in Flammen aufgehen.
Doch dann stutzte ich. Verschollene Amethysten der Mala, ging es doch weiter? Über die Mala hatte ich mal einen Aufsatz schreiben müssen, in Geschichte. Darin war auch die Rede von verschollenen mächtigen Edelsteinen, die sehr wertvoll waren. Waren das etwa Amethysten? Aber die waren doch nicht wertvoll!
Mit dem Vorsatz, in der nächsten Woche Nachforschungen anzustellen, warf ich meine Tasche unter mein Bett. Ich hatte noch eine weitaus schwierigere Aufgaben vor mir. Eine bestand daraus, zuerst einmal meinen engsten Freunden klarzumachen, dass ich auf der Suche nach einem würdigen Freund war. Eine weitere, diesen zu finden.
„Nacht zusammen!", rief Blaise. Er löschte das Licht.
In Gedanken ging ich möglichen Kandidaten durch, aber bei allen ekelte mich schon der Gedanke, sie zu küssen. Ich brauchte wohl eine Zeit, um mich daran zu gewöhnen. Ach und Potter, dieser Schwachkopf, musste erst mal aus meinem Kopf raus. Denn jeder zweite Kandidat, der auftauchte, war er. Bis mir keine mehr einfielen, außer nur noch er. Es war zum Verzweifeln!
Am Mittwoch darauf hielt ich mich sogar an meinen Vorsatz. Ich hockte in der Bibliothek, mit einem unangenehmen Gefühl im Magen wegen der Ereignisse, die sich hier abgespielt hatten, und brütetet über einem Buch über das Volk der Mala. Man stelle sich vor, freiwillig.
Es war noch nicht einmal auskunftsreich. Ich überflog es größtenteils, bis ich zu dem Kapitel „Hinterlassenschaften" kam. Viel interessanter war es auch nicht. Es drehte sich um alte Schätze, die sich in Zauberer- und Muggelmuseen befanden, ihr Beitrag zur Astrologie im 20. Jahrhundert und Ritualformen, die immer noch genutzt wurden. Frustriert schlug ich das Buch zu und zog das nächste heran.
Ich schlug im Inhaltsverzeichnis nach und beschloss, dass nur das Kapitel „Die Schätze der Mala" mir weiterhelfen konnte, wenn überhaupt. Doch ich hatte Glück. Nach den üblichen Lobhuldigungen und die Bekanntgabe der Wertigkeit der Schätze, gab es einen Abschnitt über Amethysten:
„Die Zwölf Amethysten, die von den Mala geschliffen und mit magischen Kräften versehen worden waren, helfen bei dem besseren Verständnis von anderen Menschen, lassen Gemeinsamkeiten entdecken und verleihen Ausgeglichenheit und Vernunft. Für die im Zeichen der Luft Geborenen ist er von besonderer Bedeutung, denn wenn sie einen von den zwölf Steinen tragen, setzt er sich mit ihrem Unterbewusstsein in Verbindung und ermöglicht ihnen, die Fähigkeiten, die sie zum Verwirklichen ihrer Träume brauchen, zu entwickeln. Alle zwölf Steine gelten als verschollen und sehr wertvoll. Er wird vermutet, dass ein paar illegaler Weise bei Sammlern untergekommen sind, über den Rest kann man nur spekulieren."
Zufrieden schrieb ich den Abschnitt ab und klappte ich das Buch zu. Er war also wertvoll, so ein Stein. Der andere Quatsch war reiner Aberglaube. Fragte sich nur, ob mein Stein einer von denen war und wenn ja, wie er dann nach Hogwarts gekommen war.
Als ich von dem Regal zurückkam und auf dem Weg nach draußen war, ließ ich meinen Blick in die Gänge schweifen, wenn ich vorbeiging. Plötzlich stutzte ich und ging zurück.
„Was machst du denn hier?", fragte ich. „Wolltest du dich nicht mit Alice treffen?"
Blaise sah auf und ließ hastig seine Lesebrille verschwinden.
„Das habe ich. Aber wir haben uns gestritten."
„Oh. Das... tut mir leid."
Blaise schüttelte den Kopf. „Lass nur. Nicht schlimm. Ich habe etwas gefunden, was für mich der Beweis ist, dass Streit in jeder guten Beziehung vorkommt."
„Ach ja?"
„Ja. Willst du sehen?"
Blieb mir was anderes übrig, als Interesse vorzuheucheln? Ich hatte für heute zwar genug von Büchern, aber was Blaise mir da hin hielt, waren nur ein paar Zeilen. Auch so ein Astrologie- Quatsch:
„Seelenzwillinge: Zwei Menschen, die sich eine Seele teilen. Wenn man den Menschen gefunden hat, der der eigene Seelenzwilling ist, dann heißt das noch lange nicht, dass man sich uneingeschränkt versteht. Man muss sich noch nicht einmal mögen. Aber man liebt sich – ganz einfach so, ohne Grund. Weil die Liebe so stark ist, kann sie manchmal sogar eine Reihe vollkommen irrationaler Gefühle erzeugen. Eines jedoch ist allgegenwärtig: Wir sind eins, wir gehören auf immer und ewig zusammen, nichts kann uns trennen. Seelenzwillinge treten nicht immer in von der Gesellschaft als ideal gesehenen Frau/Mann-Paaren auf. Die Dualseele kann im eigenen Geschlecht geboren sein."
„Wirklich interessant", stellte ich gelangweilt fest. „Und du denkst, du und Alice seid solche... Zwillinge?"
Blaise nickte, setzte seine Brille wieder auf und blätterte weiter im Buch. Ich rollte mit den Augen. Den konnte ich heute vergessen, falls ich auf der Suche nach einem vernünftigen Gesprächspartner war.
Was für ein Unfug. Man muss sich noch nicht einmal mögen. Schwachsinn war das! Wenn es so was wirklich gab, warum sollte man sich dann nicht mögen? Wie kann man jemanden nicht mögen, aber trotzdem lieben? Wer denkt sich so einen Unsinn aus? ... kann im eigenen Geschlecht geboren sein. UND HÖR AUF, AN POTTER ZU DENKEN!
„Malfoy? Könntest du aus dem Weg gehen, es gibt noch andere Leute, die an dieses Regal wollen."
Die Apokalypse war da. Ich schloss die Augen, atmete ruhig ein und aus, öffnete meine Augen wieder und sah noch, wie Blaise' Gesicht von einem recht verwirrten Ausdruck in ein Grinsen wechselte, bevor ich mich umdrehte und dem Grauen stellte.
Ich setzte ein süffisantes Grinsen auf. „Und warum warten diese Leute dann nicht, bis ich weg bin?"
„Du hast nicht das Recht, das Regal zu blockieren." Potter schob mit dem Zeigefinger die Brille auf der Nase nach oben, was absolut unausstehlich war, und verschränkte seine Arme dann.
„Hi Harry", ertönte eine Verräterstimme hinter mir. Potters Blick wich nur kurz von meinem Gesicht.
„Hi Blaise. Könntest du mal deinen Freund zur Vernunft rufen?"
„Och, Potter schafft es nicht, es alleine mit mir aufzunehmen?", höhnte ich.
„Theoretisch würde ich das, aber nach der Strafarbeit am Samstag habe ich keine Lust, dir zu nahe zu kommen."
Das saß. Wie konnte er es wagen, dieser Schweinehund von einem Zauberer! Ich hatte das Gefühl, als würde der Cruciatus mich niederschmettern und gleichzeitig füllten sich meine Augen mit Tränen Aber ich ließ mir nichts anmerken, ich verdreifachte mein Grinsen sogar noch.
„So wird man dich also los! Hättest du mal früher was gesagt..."
„Habe ich etwas verpasst?", fragte Blaise, der sich jetzt an meine Seite stellte.
„Nichts, was wichtig wäre", sagte ich, grinste Potter noch fieser an und zog Blaise dann aus dem Gang. Oh Mann, noch eine Sekunde länger hätte ich Potters Anwesenheit nicht ertragen. Kaum kehrte ich ihm den Rücken, schwand mein Grinsen und ich herrschte Blaise an. „Komm schon!"
Während er versuchte, mit mir Schritt zu halten, steckte Blaise seine Brille in seine Tasche. „Was war am Samstag?"
„Erzähl ich dir nachher. Lauf doch mal schneller!"
Endlich kamen wir vor der Steinwand zum Stehen. „Blutdurst", schmetterte ich. Blaise schnaufte hinter mir.
Den Gemeinschaftsraum durchquerte ich, ohne auf ihn zu achten. Ich hatte aber nicht einkalkuliert, dass jemand in unserem Zimmer sein könnte. Vince und Greg saßen auf Vince' Bett, was mich sehr erstaunte, denn normalerweise waren die beiden nur zum Schlafen hier oben.
„Ist etwas vorgefallen?", fragte ich, schon wieder auf dem Weg zur Tür, um Blaise entgegen zu gehen. Ich musste mit ihm reden, sonst würde ich verrückt werden. Aber wo, wenn nicht hier? Moment einmal, wozu war ich unangefochtener Herrscher hier? Ich ging zu Vince.
„Ja, am Wochenende hat Barbie ihm eine Abfuhr verpasst, weil sie in Raven verliebt ist und heute hat Vince auch noch eine Torte verdrückt, obwohl wir Diät machen wollten."
Mir klappte der Mund auf. So ein langer Satz aus Gregs Mund? Und dann auch noch mit Inhalt. Der Inhalt selber sackte langsam in mein Gehirn ein, während ich nebenbei mitbekam, dass Blaise angekommen und auf sein Bett gefallen war.
„Barbie? Raven? DIÄT?"
„Du meinte Güte, Draco, kriegst du denn gar nichts mit?", fragte Blaise. Ich wirbelte zu ihm herum, bedachte ihn mit einem Schweig- wenn- du- an- meiner- Geschichte- interessiert- bist- Blick und wandte mich dann Vince zu.
„Pass auf, das ist kein Weltuntergang! Raven werden wir ordentlich vermöbeln, okay? Und Rückschläge gibt es immer, du musst nur einfach weiter machen. So. Und jetzt raus hier, Blaise und ich müssen was besprechen!"
Vince nickte und erhob sich von seinem Bett, genauso wie Greg. Ich war noch so gnädig, die Tür hinter ihnen zu schließen.
„So aufgebracht, Draco? Trotzdem solltest du netter zu unserer Einrichtung sein, sie kann auch nichts für deine Probleme."
„Ha, ha, Zabini."
Ich warf mich auf mein Bett, das Gesicht in den Kissen vergraben. Und nun konnte ich sie nicht länger zurückhalten, einzelne Tränen lösten sich und benässten das Kissen. Zum Glück sah Blaise das nicht.
Eine Hand strich über meinen Rücken. Ich schluchzte auf.
„Er ist so ein Idiot", sagte ich ins Kissen.
„Natürlich ist er das", erwiderte Blaise.
„Ich hasse ihn."
„Ich weiß."
Ich setzte mich nun doch auf und blickte Blaise an. „Du weißt überhaupt nicht, über wen ich rede!"
Blaise lächelte. „Ich denke, doch. Komm her."
Er zog mich in eine Umarmung, und ich sträubte mich zuerst. Dann aber gab ich nach. Und heulte zu meiner Schande noch mehr. Aber ich wusste, dass Blaise das vertraulich behandeln würde. Er machte zwar immer seine Späßchen, aber er konnte auch Sachen für sich behalten.
„Also am Samstag...", fing er nach ein paar vergangenen Minuten, oder wohl eher Stunden, an.
Ich zog die Nase hoch, löste mich von ihm und rieb meine Augen. „Du wirst jetzt etwas äußerst schockierendes und sehr privates über mich erfahren, verstanden?"
Blaise nickte. „Dafür lebe ich doch."
Ich zog eine Augenbraue hoch. Gut so, langsam fand ich zu meiner alten Form wieder. „Ich denke, ich bin... wie auch immer du es genannt hast, ich mag lieber Männer als Frauen."
Blaise hielt sich eine Hand vor den Mund. „Wirklich?"
Ich nickte und ordnete meine Haare. „Ja. Ich weiß, schlimm. Und am Samstag war ich mit Potter in einen dunklen Raum gesperrt..."
Blaise sog hörbar die Luft ein. Ich wusste, dass er schockiert sein würde, aber ich konnte und wollte ihn nicht mehr verschonen.
„Ich habe mich ihm genähert, nur ganz harmlos! Aber er ist sofort ausrastet."
Ich ließ mich ins Kissen fallen und starrte den Baldachin an. Grün.
„Positiv oder negativ?"
„Negativ natürlich! Du hast ihn doch gerade gehört."
„Hm."
Ich setzte mich auf. Blaise starrte nachdenklich Löcher in die Luft.
„Genüg gegrübelt, Zabini! Sag die Wahrheit, findest du mich ekelhaft?"
Blaise kehrte erschreckend schnell in die Gegenwart zurück. Er blickte mich erstaunt an, dann lachte er. „Aber nein! Ich bin froh, dass du es endlich zugeben kannst!"
„Was?"
Er zuckte mit den Schultern. „In mir keimte schon vor einem Monat der Verdacht auf, dass da was anderes zwischen dir und Potter ist, als Hass. Lass mich ausreden! Pansy hat mich auf die Idee mit dem Schwul- Sein gebracht, als sie erzählt hat, dass sie in Muggelkunde einen schwulen Muggel durchnahmen. Ich weiß nicht, ob es in der Zaubererwelt darüber Literatur gibt, vermutlich schon, musst du mal gucken. Und irgendwie hat sich mein Verdacht relativ schnell bestätigt, nur du hattest noch nicht die große Erleuchtung. Also, wie kommt's?"
„Es war wegen Potter. Ja, einmal in deinem Leben hattest du Recht. Ich spürte das Verlangen, ihm nah zu sein. Immer noch, aber ab jetzt werde ich es unterdrücken. Hilfst du mir dabei, jemand passendes zu finden? Gibt es überhaupt noch andere in Hogwarts?"
Blaise zuckte mit den Schultern. „Weiß ich nicht. In Hogsmeade auf jeden Fall. Aber willst du nicht erst einmal rausfinden, wie Potter zu dir steht?"
„Nein, das weiß ich, vielen Dank auch."
„Ach, Draco", seufzte Blaise. Er ließ sich nach hinten auf mein Bett fallen und starrte meinen Baldachin an. Grün. Warum musste Potter die Augenfarbe haben, die meine Hausfarbe war? Ekelhaft! Ach, wem versuchte ich hier eigentlich, etwas einzureden? Grün war die schönste Farbe auf der ganzen Welt...
Also nicht eines Potters würdig. Oh, anscheinend versuchte Blaise, mit mir zu reden. Ichsollte ihm mal lieber zuhören.
„...verliebt ist, das ist dann auch in Theos Interesse."
„Was? Ich hab nicht so ganz zugehört."
Blaise setzte sich mit einem Ächzen auf. „Ich sagte, ich kann ja mal herausfinden, ob er in Elaine verliebt ist."
„Bitte, tu, was du nicht lassen kannst. Aber verschone mich dann mit Einzelheiten, ja?"
Ich stand auf. Potter war bestimmt in diese widerliche Schnepfe verliebt, konnte ich mir gut vorstellen. Aber Theo sollte sie ihm nicht entreißen, das würde doch sein Herz brechen. Nicht, dass er es nicht verdient hätte, meinte ich. Hach. Sollte er doch daran zugrunde gehen.
„Aber du denkst doch jetzt nicht... anders über mich, oder?", fragte Blaise.
„Über dich? Spinnst du? Du bist nicht attraktiv, tut mir leid."
Blaise riss die Augen auf. „Och, Menno, sag, dass das nicht wahr ist!"
Ich grinste. „Geht nicht, denn es ist wahr. Tut mir leid, Zabini."
Schön, ihn mal wieder zu triezen. Das hob meine Laune. „Sollen wir nach unten gehen? Ich fühle mich in der Stimmung, Crabbe und Goyle wegen ihrer Diät aufzuziehen."
Blaise sprang auf und schlug mir auf den Rücken. „Recht so. Nur nicht unterkriegen lassen. Ich halte das mit dem Aufziehen zwar für eine schlechte Idee, wie wärs mal mit Unterstützung, aber nach unten können wir gehen."
Sobald wir in den Gemeinschaftsraum traten, fühlte ich mich in die Vergangenheit zurückversetzt, da Pansy zu uns sprang und sich an meinen Arm haftete.
„Draco! Wie geht's denn so?"
„Äh, gut. Und dir?"
„Nicht so gut! Willst du darüber reden? Ich schon! Lass uns da in die Ecke gehen!"
Sie zerrte mich mit, ich warf Blaise einen nach Hilfe schreienden Blick zu, aber er zuckte nur mit den Schultern. Er wusste genauso gut wie ich, dass ich mich selber verteidigen konnte. Aber im Moment war ich zu neugierig, vielleicht bekam ich ja ein paar Insider Infos über ihren Freund Raven. Den ich noch fertig machen musste, mal wieder.
„Pansy, was ist denn? Liebeskummer? Willst du mich überreden, zurückzukehren?"
Ich blickte sie eindringlich an, während ich mit dem Gedanken spielte, ihr meine wahren Gefühle zu offenbaren. Nein, doch lieber nicht. Ich war ganz sicher, sie das restliche Schuljahr geheim halten zu können. Früher oder später, wenn ich einen Freund gefunden hatte, würden eh alle wissen, was Sache war.
Sie überkreuzte die Arme.
„Seh ich so aus, als hätte ich das nötig? Ich habe im Moment erst mal genug von Jungs, ich mach eine Pause."
„Wieso? Was ist mit Raven?", kam ich auf das Thema zu sprechen.
„Was soll mit ihm sein? Er will jetzt was von Alice Coogan, aber die ist ja mit Blaise zusammen. Ich hab ihn eh abserviert. Und dann dieses Angebot von Greg, Draco, also ehrlich! Warum hast du ihm diese Flausen in den Kopf gesetzt, ich finde es immer noch schockierend!"
„Flausen? Ich habe ihn nur ermuntert, dir seine Gefühle preiszugeben! Er ist schon so lange in dich verliebt... ups, das hätte ich dir besser nicht gesagt. Na ja, lass bloß die Finger von ihm, wenn du es nicht ernst meinst, hörst du?"
Pansy bekam ganz große Augen und nickte dann. Auch ich nickte ihr zu, zum Abschied, und ging dann zu Blaise und Theo. Raven wollte was von Alice? Wie es schien, musste ich mich schnell um ihn kümmern, bevor er mehr Unheil anrichten konnte, als gut für ihn war. Obwohl er das eigentlich schon getan hatte.
„Hey, Draco, wir haben jetzt einen Plan", begrüßte Theo mich. Ich blickte ihn zweifelhaft an. Wie alt waren wir, fünf?
„Ja, und wir nennen ihn Operation Elaine. Ich werde mal ein bisschen spionieren", sagte Blaise.
„Theo, ich bin zwar sicher, dass du es nur willst, weil du es nicht ertragen kannst, sie in den Händen eines anderen zu sehen und sie dann, wenn du sie zurückhast, fallen lassen wirst, aber mir soll es recht sein."
Mehr noch, mir war es egal. Potter war bis jetzt nur mit Weibern gesichtet worden, was also kümmerte es mich, ob er in sie verliebt war, ob er mit ihr zusammen war?
Blaise klopfte mir auf die Schulter. „Ich brauche dazu aber deine Hilfe, Draco. Du musst Potter ablenken, wenn ich mit ihm und Elaine unterwegs bin. Muss sie doch alleine ausquetschen. Also?" Er legte den Kopf schief und sah mich bettelnd an.
Er kannte mich zu gut. Die Möglichkeit, Potter eine reinzuwürgen konnte ich noch nie abschlagen, und wieso sollte sich das jetzt ändern? Er beabsichtigte nicht, meine Gefühle zu erwidern. Gefühle, mit denen ich noch nicht umgehen konnte. Ich nickte also.
„Gut! Handschlag, Leute! Hiermit beginnt Operation Elaine!" Blaise hielt seine Hand aus und Theo schlug ein. Ich verdrehte die Augen, nie würde mich jemand dazu bringen können, die beiden Wörter Operation Elaine auszusprechen, und schlug dann ebenfalls ein. Irgendwie beschlich mich das leise Gefühl, dass ich diese Tat noch bereuen würde.
Doch im Augenblick hatte ich andere Gedanken, denn Raven lief mit einem bitterbösen Blick auf mich vorüber. Ich setzte ihm nach.
„Hey, bleib sofort stehen, wenn dir dein Leben lieb ist!"
Raven drehte sich um.
„Was, Malfoy? Immer noch sauer wegen Parkinson? Hab gehört, du hast schon eine Neue."
Was redete der Kerl da, ich und eine andere? Hatte er nicht mehr alle Zauberstäbe unterm Kissen?
„Pansy ist trotzdem noch meine Freundin. Genauso wie Zabini, der mit Alice Coogan zusammen ist, mein Freund ist! Ja, und auch Crabbe, also halt dich von Barbie fern!"
So, irgendeinen in meiner Aufzählung vergessen? Was für ein Macho Raven doch war, widerlich!
„Ich will überhaupt nichts von Barbie, sie und Vincent sind meine Freunde, mehr nicht. Wenn ich mich an ein Mädchen ranmachen würde, um dich zu ärgern, dann würde ich Sorier nehmen!"
Sorier? Ich hatte das Gefühl, im falschen Haus zu sein. Anscheinend hatte ich auch dementsprechend geguckt, denn Ravens Augen glitzerten spöttisch.
„Ach, du kennst noch nicht einmal den Nachnamen deiner Freundin? Soviel bedeutet sie dir also! Vielleicht sollte ich ihr das mal stecken!"
„Ich habe keinen Schimmer, wovon du sprichst. Aber merk dir eins." Ich hielt ihm meine geballte Faust unter die Nase. „Erlaube dir den kleinsten Fehltritt, und du wirst nähere Bekanntschaft mit Crabbe und Goyle machen."
Er grinste. „Du bist jämmerlich. Immer schickst du deine Schlägertypen vor. Hast du Angst, dich schmutzig zu machen, oder eher Angst, zu verlieren?"
„Nennen wir es mal so: Ich habe keine Lust, mich mit Leuten wie dir abzugeben."
Ich trat zurück, er funkelte mich immer noch überlegen an, aber ich achtete nicht darauf und verzog mich in den Schlafraum. Wer weiß, was mir Morgen mit Blaise und seiner ‚Operation' anstand, und wer weiß, wann ich einschlafen würde.
Vielen Dank an alle Leser und erst recht alle Reviewer! Lasst mich auch diesmal wissen, wie ihr es fandet und spart nicht mit Kritik!
