Draco Malfoy und der Amethyst

Operation Elaine

Ein leichtes lilafarbenes Strahlen ging von dem Amethysten in meiner Hand aus, verursacht von den wenigen schwachen Sonnenstrahlen, die in den Schlafraum fielen. Es sah ganz so aus, als würde heute ein sonniger Samstag werden. Perfekt für einen Hogsmeade- Ausflug. Der wiederum war nötig, weil ich, und zwar nicht als einziger, noch kein Geschenk für Greg hatte, dessen Geburtstag schon morgen war.

Ich blickte den Amethysten ein letztes Mal an, seufzte leise und erhob mich aus meinem Bett, um ihn in meinem Umhang zu verstauen. Die anderen schliefen noch, deswegen ging ich ins Bad.

Ich sah erbärmlich aus. Ringe unter den Augen zeigten, dass ich die halbe Nacht wachgelegen hatte. Meine Haare sahen fast so aus wie Potters, wie ein wildes Gestrüpp undurchdringlichen Urwalds. Ich fragte mich, ob man überhaupt durch seine Haare fahren konnte, ohne mit der Hand stecken zu bleiben.

Ich zog meine Nase hoch und funkelte mein Spiegelbild an. Und was für eine nichtssagende Augenfarbe ich hatte. Grau. Warum nicht Grün, Slytherins Farbe? Obwohl, wenn man aus Grau Silber machte, kam es doch hin. Wie schön. Silber und Grün gehörten zusammen, keine Frage.

Ich sollte damit aufhören.

Später kamen zu meinem Leidwesen die Coogan Schwestern und sogar Raven mit nach Hogsmeade, Vince erwähnte etwas von einem Clubausflug. Hatten sie immer noch nicht mehr Clubmitglieder? Dabei war die Gründung bestimmt schon zwei Wochen her.

Ich hielt mich an Theo, als wir den Weg ins Dorf gingen. Ab und zu blickte ich mich um, welche Schüler von den anderen Häusern wohl ins Dorf gingen, aus reiner Neugierde. Greg hatten wir durch Pansy ablenken lassen. Er würde gar nicht merken, dass wir alle weg waren und nur ihn dagelassen hatten, solange sie in der Nähe war.

Als wir im Dorf ankamen, rannten Alice und Barbie auf zwei Menschen zu, die sie freudig begrüßten.

„Oh, halten die Babys es keine zwei Wochen ohne ihre Mami und ihren Papi aus?", fragte ich Vince.

„Lass sie in Ruhe, Malfoy", meldete sich Raven, der neben Vince stand, zu Wort.

„Halt du dich da raus", sagte ich. Dann zog ich Theo fort von allen. Wir konnten unsere Einkäufe auch ohne die Hirnverbrannten erledigen.

Ich schleppte ihn durch die Geschäfte, sehr viele gab es ja nicht, bis wir beide etwas gefunden hatten. Ich hatte Greg ein Silberarmband gekauft. Klein, aber fein. Vielleicht half es ihm, bei den Mädchen zu landen. Theo entschied sich für ein Deo, das immer bis zur nächsten Dusche hielt. Taktisch sehr klug, wenn man mich fragte.

„Hey Draco, lass uns noch eben darein gehen", meinte Theo und zeigte auf einen erbärmlich kleinen Buchladen.

„Wozu, wir haben eine Bibliothek in der Schule."

„Gucken schadet doch nie, komm." Theo zog mich am Ärmel, also gab ich nach, bevor er noch etwas ruinierte. An der Tür bimmelte eine Glocke, als wir in den völlig chaotischen Laden eintraten. Hinter der kleinen Theke stand ein Mann, weiße Haare, Halbglatze, Monokel. Klischeehaft eben.

„Kann ich Ihnen helfen?", fragte er.

Ich musterte ihn von oben bis unten mit einem verächtlichen Blick, während Theo den Kopf schüttelte und etwas von „Nur umsehen" murmelte. Umsehen wollte ich mich zwar nicht, aber was blieb mir anderes übrig.

Ehe ich mich versehen hatte, war Theo zwischen Bücherregalen verschwunden. Dieser Laden hier war anders als die Bibliothek in der Schule, kleiner, unübersichtlicher und unordentlicher. Hier und da gab es Berge von alten Büchern, die man umgehen musste, wenn man keine unnötige Aufmerksamkeit erregen wollte. Außerdem gab es kein Ordnungssystem, oder zumindest keins, dass ein normaler Mensch (sprich: ich) durchschauen konnte.

Gelangweilt lief ich durch die Regale und wartete darauf, dass Theo fertig wurde. Wonach suchte er überhaupt? Manche dieser Bücher waren teilweise so alt und abgenutzt, die waren doch zu nichts zu nütze!

Ich las mir ein paar Titel durch. ‚Hinter den Klostermauern von Benedict'. Hä? ‚Wie Sie in jedem Supermarkt ein Festtagsmenü zusammenzaubern'. Supermarkt, was ist das? Und: Ganz einfach, einmal mit den Zauberstab schlenkern. ‚Nähmaschinen sind kein Teufelswerk'. Das kann ja sein, aber... was sind Nähmaschinen? Sind das hier etwas Muggelbücher? Hoffentlich hatte Theo das nicht gewusst, denn sonst konnte er sich auf etwas gefasst machen!

Jeden Moment würde er merken, wo wir uns befanden, zur Tür stürmen und ohne ein Abschiedsgruß aus dem Laden verschwinden, wie es eben angebracht war.

Nach einer Minute des zur Tür- Starrens kam der Mann zu mir angetrottet.

„Kann ich Ihnen helfen?"

„Warum führen Sie einen Muggelbuchladen?"

Der Mann lachte auf. „Manchmal kennen die Muggel nützliche Sachen, denen wir nicht so viel Beachtung geschenkt haben."

„Dann sind sie auch nicht wichtig", wusste ich und wandte mich ab. Ich ging ein paar Schritte und sah dann hinter mich. Gut, er war wieder hinter die Theke verschwunden. Schräger Vogel. Ich machte mich auf die Suche nach Theo. Im Vorübergehen las ich mir ein paar Buchtitel durch, und bei einem musste ich doch stutzten.

Warum Frauen, wenn's auch Männer gibt?' Ja, eine gute Frage. Ich sah mich um und zog das Buch dann aus dem Regal. Es war recht klein und steckte in einem gelben Umschlag. Ich blätterte es durch und fand meinen Verdacht bestätigt: Es ging um Männer, die mit Frauen nichts anfangen konnten. Noch einmal sah ich mich um. Ich war in einer der hinteren Reihen, niemand war zu sehen. Nachdem ich den Umschlag entfernt hatte, steckte ich das Büchlein in die Innentasche meines Umhangs.

Dann lief ich weiter die Reihen ab, viele waren es ja nicht. Dort stand Theo und las in einem schwer aussehendem Buch. Er blickte auf und lächelte.

„Ah, Draco, auch was gefunden?"

Ich schüttelte den Kopf. „Wenn du sagst ‚auch', kann ich daraus schließen, dass du fertig bist?"

Er schlug das Buch zu, nickte und schritt zur Kasse, ich natürlich hinterher. Aber nicht, um zu bezahlen. Draußen dann wollte ich unbedingt wissen, was für ein Buch er gekauft hatte.

„Ist ein altes Zaubertrankbuch, das gibt es garantiert nicht in der Bibliothek", meinte er.

„Aber das war doch eine Muggelbuchhandlung?"

Theo schüttelte den Kopf. „Nicht nur. Wenn du dich aufmerksamer umgeschaut hättest, hättest du es gemerkt."

Es war schon erstaunlich, dass ich ein Buch gefunden hatte, das mich interessierte. Und dann auch noch eins von Muggeln. Oh Hilfe, wie tief würde ich noch sinken? Und das alles nur wegen Potter. Zum Glück hatte ich mir nicht auch noch die Blöße gegeben und es bezahlt. Die Blicke, die der schräge Vogel mir gegeben hätte, konnte ich mir nur allzu gut ausmalen.

Die anderen trafen wir zum Glück nicht mehr auf dem Weg zurück zum Schloss. Später, als es nicht mehr so auffällig war, zog ich mich in den Schlafsaal zurück und blätterte mein neu erstandenes Büchlein durch. Es war nicht einmal illustriert, aber was da stand, reichte aus, um mir die Röte ins Gesicht zu treiben. Sprichwörtlich, als würde ich wegen genauen Sexbeschreibungen rot werden. Obwohl es hier ja um zwei Männer ging. Ich muss sagen, es hat mich schon schockiert, dass sie so ausführlich waren.

Aber sobald ich mich daran gewöhnt hatte, geriet ich ein bisschen ins Träumen. Wie es wohl wäre, das mal selber zu machen? Vielleicht sogar mit Potter? Aber nein, an den wollte ich nicht mehr denken. Ich war noch nicht damit weitergekommen, mir einen Freund zu suchen. Seufz, das würde wohl schwieriger werden als erwartet.

Der nächste Tag stand unter einem schlechten Stern. Ich hätte es alleine daher wissen müssen, weil Greg Geburtstag hatte. Und doch stand ich auf. Wusch mich, zog mich an und ging nach unten. Dort überreichte ich Frühaufsteher- Greg sein Geschenk. Er blickte erst recht verduzt, dann sagte ich, welchen Sinn es hatte und dann blickte er mich an, als wüsste er etwas, was ich nicht wüsste. Oder zumindest, als wollte er etwas wissen.

Jedenfalls legte er mein Armband um und ich gab mich zufrieden. Außerdem verkündete er, dass es später am Tag ein Festessen geben würde. Dazu legte er extra einen Tag Pause in seiner Diät ein.

War das nicht äußerst gnädig von ihm? Ich jedoch empfand überhaupt keinen Appetit. Würde ein einzelner von ihnen darüber Bescheid wissen, was ich geträumt hätte, würde ihnen auch der Appetit vergehen. Das heißt, Appetit hatte ich schon, aber auf etwas anderes. Auf jemand anderen.

Und das war auch mein Problem im Laufe des Tages. Es war zwar Sonntag und wir hatten keinen Unterricht, aber es gab ja noch die Mahlzeiten. Potter bedachte mich mit keinem Blick, doch das hielt mich nicht davon ab, ab und zu mal rüber zu schauen. Vor allem, da ich jetzt informiert darüber war, was ich so alles mit ihm anstellen konnte, konnte ich mich nicht davon abhalten, ihn mit Blicken zu verschlingen. Diese schlanken Finger, diese Lippen, diese Frisur, die nur danach schrie, noch mehr zersaut zu werden... Oh Mist, schon hatte ich ein Problem unterm Tisch. Ich biss mir auf die Lippen und richtete den Blick starr auf meinen Teller in der Hoffnung, dass es abklingen würde. Sobald das der Fall war, stand ich auf und flüchtete regelrecht aus der Halle.

Es war hoffnungslos, seit ich dieses Buch gelesen hatte, hatte ich bestimmte Körperteile nicht mehr unter Kontrolle. Ich brauchte wirklich einen Freund, vor allem, um Potter endlich vergessen zu können. Einen, der zu mir passt. Der durchtrieben und rücksichtslos war und nicht an mir hing wie eine Klette. Also am besten einen nur fürs Bett.

Den ganzen Tag lang saß ich im Slytherinraum, tat, als würde ich Hausaufgaben machen und schaute mich dabei unauffällig um, welcher Junge in Frage kommen könnte. Bis ein Störenfried fand, dass es mal wieder an der Zeit war, mich zu nerven. Er setzte sich mir gegenüber.

„Was ist, kommst du mit? Wir führen jetzt Operation Elaine aus", meinte Blaise, senkte die Stimme zu einem dramatischen Flüstern und zwinkerte.

„Aha", machte ich. Nein, ich wollte nicht mitkommen und dabei Potter treffen. Ich war gerade dabei, ihn mir abzugewöhnen, schon vergessen, Blaise? Leider klappte das mit der Gedankenübertragung nicht so gut. Er stand auf, zerrte mich nach oben (daran, dass ich ihn daraufhin nicht angeschnauzt hatte, konnte man erkennen, wie verwirrt ich war) und aus dem Gemeinschaftsraum.

Draußen stand schon Theo und lächelte nervös. Blaise nickte ihm zu und wir gingen zur Treppe, außergewöhnlich schweigsam. Bis mir ein Gedanke kam.

„Wisst ihr denn, wo diese Elaine im Moment ist?"

Blaise und Theo sahen sich an und dann zuckte Blaise mit den Schultern.

„Wir schauen draußen und in der Bibliothek nach... wir finden sie schon."

„Was, wenn sie im Gryffindorraum ist?", hakte ich nach.

„Ist sie nicht."

„Na, wenn du das so genau weißt", sagte ich, während wir durch die Tür zur Eingangshalle gingen. Mein Blick fiel auf die Tore zur Großen Halle und ich fragte mich, warum die beiden nicht einfach bis zum Abendessen warteten. Da würden wir Potter und seine Freundin früh genug sehen.

In der Bibliothek war es voll, wie an jedem Sonntag. Zwar versuchten alle dort Anwesenden, zu flüstern, aber trotzdem herrschte nicht die Stille, die Madam Pince gerne gehabt hätte.

Ich kam nicht umher, dass mein Herz schneller schlug. Meine Augen jedoch hielt ich stur auf die Regale gerichtet, als suchten wir hier nur ein Buch, und nicht etwa Potter. Er durfte auf keinen Fall erfahren, was mit mir los war. Vielleicht hatte er einen Verdacht, aber den musste ich ja nicht bestätigen.

Blaise zog ein Buch aus einem Regal und wir setzten uns an einen Tisch, der nicht voll besetzt war. So konnten wir ungestört flüstern. Blaise schlug das Buch auf und beugte sich darüber, während er zischte: „Okay, dreht euch nicht um, aber sie sitzen dahinten, zusammen mit Granger und Weasley und wie sie nicht alle heißen. Sollen wir abwarten, bis sie gehen? Hier können wir kaum ungestört und vor allem ohne Aufruhr reden..."
Mit aller Kraft hielt ich mich davon ab, mich umzudrehen. Ich wollte ihn so gerne sehen, gucken, ob er mich vielleicht bemerkt hatte – doch halt, nein, stopp. Wollte ich nicht. Ich wollte ihn leiden sehen. Deswegen war der Plan, Elaine in Theos Arme zu treiben, einfach hervorragend. Er würde heulen und vor Liebeskummer vergehen, geschah ihm recht. Und er sollte bloß nicht denken, dann angekrochen kommen zu können.

„Also, ich kann schon", meinte Theo. Ich sah ihn schockiert an.

„Du kannst doch nicht dahin spazieren, ‚Ach, kannst du mir sagen, ob ihr ineinander verliebt seid?' fragen und wieder zurückkommen", informierte ich ihn. Er zuckte mit den Schultern, als wollte er mir weismachen, dass er das tatsächlich getan hätte.

„Ich muss Draco Recht geben", flüsterte Blaise. Mein Kopf schoss zu ihm, was für ein seltener Satz aus seinem Mund. „Wir müssen abwarten und Tee trinken."

„Tee trinken, in der Bibliothek? Da wird Madam Pince aber nicht erfreut sein", bemerkte ich.

Blaise verdrehte nur die Augen, dann vertiefte er sich in sein Buch. Hatte er wirklich vor, zu lesen? Theo zappelte unruhig auf seinem Stuhl umher und ich überlegte, mir auch ein Buch zu holen. Ob es hier auch so tolle gab wie das, was ich erstanden hatte? Aber selbst wenn, das würde ich garantiert nicht in der Öffentlichkeit lesen.

Trotzdem stand ich auf, Theo blickte mich an. „Wohin gehst du?"

„Ein Buch holen?", gab ich zurück und schluckte eine Beleidigung herunter. Die hob ich mir alle für später auf, für Potter. Potter hier, Potter da. Ich grummelte innerlich, als ich zu den Regalen ging. Warum tat ich mir das an? Statt hier zu leiden, könnte ich mir so schön einen Freund suchen, meine Bedürfnisse befriedigen und Potter dadurch vergessen. Ja, ich war davon überzeugt, ihn schneller als er jemals den Schnatz fangen konnte aus meinem Kopf verbannen zu können.

Sobald ich jemand anderes hatte, und so einen Jemand zu finden, war mein Problem.

Aber nicht mein einziges. Ich lief wahllos zwischen den Regalen umher, um meine Rückkehr an die Tische zu verzögern, und dachte dabei ein bisschen nach. Plötzlich sah ich mich Dino gegenüber, und bevor ich kehrt machen konnte, hob sie den Kopf und sah mich. Und sie lächelte. Hatte ich etwas verpasst? Unsere letzte Begegnung war schließlich nicht sehr positiv verlaufen.

„Draco, hi", sagte sie. Na wenigstens quietschte sie nicht, so wie Pansy.

„Hi", antwortete ich. Sie schlug das Buch zu, in das sie geblickt hatte.

„Willst du reden?", fragte sie dann.

„Worüber?"

„Über den Ball? Über unsere Beziehung?"

Beziehung?"

„Ach, Draco, nicht so, wie du denkst", gab sie von sich, was mich keineswegs überzeugte. Ich lehnte mich gegen das Regal und verschränkte die Arme.

„Was gibt es da zu reden? Die Fronten sind geklärt", sagte ich.

„Also meinst du, wir zwei haben keine Chance?"

„Tatsache."

Sie seufzte und innerlich musste ich grinsen. Scheinbar machte ich ziemlichen Eindruck auf die Mädchen hier, aber wie sah es bei den Jungs aus? Mist, dass ich darüber reden musste, um so was rauszubekommen. Allerdings wüsste ich nicht, mit wem ich darüber reden sollte, ohne dass am nächsten Tag die ganze Schule Bescheid wusste.

„Ach, Malfoy, ich dachte, du hättest nichts mit Sorier?", hörte ich eine altbekannte Stimme sagen. Ich drehte ein wenig meinen Kopf, um Raven anzusehen.

„Verzieh dich, du bist hier unerwünscht", sagte ich.

Er grinste und kam näher. Dino schüttelte den Kopf und verschwand dann aus dem Gang. Ich richtete mich auf und wollte ebenfalls flüchten gehen, doch Raven hielt mich am Arm fest. Ich hatte überhaupt keine Lust auf eine Auseinandersetzung, er ging mir einfach nur auf die Nerven. Ich wollte zurück an den Tisch, auch wenn das hieß, Potter mit seiner Freundin im Nacken sitzen zu haben.

„Eure Beziehung ist wohl etwas abgekühlt, hm? Oder bist du nur mit ihr zusammen, um Gerüchten vorzubeugen? Stimmt es, was Parkinson gesagt hat?"

„Es geht dich überhaupt nichts an, warum ich mit wem zusammen bin, klar?", sagte ich und riss meinen Arm los. Was hatte Pansy eigentlich über mich rumerzählt, musste ich sie etwa wieder zurechtweisen? Aber ich würde vor Raven bestimmt nicht zugeben, dass ich keine Ahnung hatte, worüber er sprach. Er schien sich seiner Sache auch ziemlich sicher zu sein, grinste über beide Ohren und so. Ich strich mein Hemd glatt und schnaubte.

„Geh mir endlich auch den Augen", zischte ich. Er schüttelte grinsend den Kopf und trat einen Schritt auf mich zu, was hieß, er überschritt die gesunde Grenze, die jeder einzuhalten hatte. Bevor ich Panik bekommen und ihn wegstoßen konnte, küsste er mich auf die Lippen. Erst nur kurz, dann länger und inniger und ich stand da und fragte mich, was denn jetzt schief lief. Raven, Obermacho aller Jungs, küsste einen anderen Jungen?

Gleichzeitig stürzten tausend andere Gedanken auf mich ein, alles innerhalb drei Sekunden: ich triumphierte, weil ein Teil von mir meinte, nun endlich einen anderen schwulen Jungen gefunden zu haben, mein Verstand protestierte, dass Raven alles nur tat, um mich zu demütigen und wieder ein anderer Teil von mir schrie laut auf. Ekelhaft, rief er. Dieser Teil gewann schließlich und ich stieß Raven zurück.

„Was in Merlins Namen...", fing ich an.

„Wir sehen uns", sagte Raven und war dann weg. Obwohl ich es diesmal gut gefunden hätte, wenn er mit eine Erklärung abgeliefert hätte. Sehr merkwürdig. Aber es war Raven, derjenige, der mir meine Freundin ausgespannt hatte und auch noch drauf und dran war, dies bei Blaise zu machen.

Als ich bei Blaise und Theo ankam, war ich schon überzeugt davon, dass Ravens Gründe aus reiner Boshaftigkeit entstanden waren und nahm mir vor, Vince und Greg auf ihn anzusetzen. Auch wenn ich nicht umher kam, an den Kuss zu denken. Mein erster von einem Jungen, und der kam nicht von Potter! Natürlich, der ekelte sich davor, mich zu küssen, ich sollte aufhören, so was zu denken. Aber schön gewesen wäre es trotz allem.

Ich setzte mich an den Tisch und warf einen kurzen Blick auf ihn. Er saß nur noch mit Weasley da.

„Wo sind denn Schlammblut und Pellwurst?", fragte ich Blaise, der so saß, dass er sie unauffällig im Auge behalten konnte. Er schaute auf.

„Hm?"

Ich nickte nach hinten. Er schaute dorthin. „Bücher holen, vermute ich, oder auf Klo."

„Und warum seid ihr ihnen nicht nach?"

„Na ja... Da Buch hier ist ziemlich mitreißend..."

Ich verdrehte die Augen. Das war doch wieder typisch, die wichtigen Sachen verpasste er. Wir blieben noch eine Stunde in der Bibliothek, bis wir es aufgaben und beschlossen, ‚Operation Elaine' ein andern Mal durchzuführen. Außerdem wartete Greg sicher schon auf uns.

Hoffentlich trafen wir nicht Raven unten, das konnte ich im Moment wirklich nicht gebrauchen. Was, wenn er das doch nicht aus Verarsche gemacht hat? Darüber sollte ich mich freuen, sicher, aber irgendwie konnte ich es nicht. Jetzt, wo ich die Möglichkeit hatte, einen Bedürfnis- Befriediger zu bekommen, hatte ich das Gefühl, dass es falsch wäre. Als würde ich Potter betrügen. So ein Quatsch, wir waren nicht zusammen und würden es niemals sein, ich wollte dies alles doch nur, um ihn zu vergessen!

Aber ich hatte Glück und Raven tauchte an diesem Tag nicht mehr auf. Am nächsten war dann wieder Unterricht. Wir hatten Montags zwar keine Fächer mit Gryffindor, aber in der ersten Pause liefen wir Potter über den Weg. Wir, das hieß Theo und ich, weil Blaise bei Alice abgeblieben war. Im Moment schien es zwischen ihnen tatsächlich wieder besser zu laufen.

Potter saß mit Elaine auf einer Bank im Hof, in dicke Umhänge gemümmelt. Ich wurde langsam ziemlich sauer auf diese Elaine, was maßte sie sich an, immerzu in seiner Nähe zu sein! Es wurde Zeit, dass Theo sie umgarnte, nur um sie dann fallen zu lassen.

Ich tippte ihn an und machte ihn auf die beiden aufmerksam. Er blickte nachdenklich, nickte dann und steuerte sie zielstrebig an.

„Elaine? Kann ich mal kurz mit dir reden?", fragte er. Elaine sah und stand auf, Theo ging ein paar Schritt mit ihr. Mann, hätte er mich nicht vorbereiten können? Jetzt sah ich mich Potter gegenüber, ohne einen passenden Spruch überlegt zu haben.

Potter stand auf, sah mich an und wandte sich ohne ein Wort ab. Das konnte ich mir jawohl schlecht gefallen lassen, egal, wie sehr er mich verletzt hatte.

„Potter, flüchtest du etwa vor mir?", warf ich ihm an den Hinterkopf. Er blieb stehen und drehte sich um, die Arme verschränkt.

„Ja, kann man so nennen. Was dagegen?"

Ich schluckte. Ja, ich hatte was dagegen. Warum blieb er nicht und warf sich in meine Arme, oder von mir aus konnten wir auch nur reden. Ach, ich vergaß, mit Potter konnte man nicht vernünftig reden.

„Nein, aber es wundert mich doch, wo dein berühmter Gryffindor- Mut geblieben ist."

„Manchmal ist es mutiger, einfach zu gehen, Malfoy", sagte Potter. Ich lachte auf.

„Ja, natürlich, und das Wiesel hat ein Verlies voller Gold bei Gringotts!"

„Kannst du Ron und alle anderen nicht einmal da raushalten? Dies hier ist eine Sache, die nur uns was angeht!"

Eine Sache, die nur uns was anging... hörte sich gut an... Zusammenreißen, Draco!

„Die Sache, dass du vor mir wegrennst, meinst du?"

„Ich weiß nicht, warum dich das überhaupt stört, Malfoy. Du warst derjenige, der verbissen an unserer Feindschaft festgehalten hat. Ich verstehe nicht, was in deinem Kopf vorgeht. Da du aber nicht vernünftig reden kannst, und es darauf anlegst, immer nur zu streiten, habe ich keine Lust mehr, mich zu bemühen. Der Zug ist wohl abgefahren, dass habe ich jetzt auch eingesehen."

Ehrlich gesagt wusste ich nicht, was ich darauf erwidern sollte, aber das musste ich auch gar nicht. In diesem Moment kam Elaine angesprungen, in seine Arme natürlich, und er fing sie auch noch auf. Alles in allem wurde ich ziemlich wütend und hätte mich zu einer bissigen Bemerkung hinreißen lassen, wenn Theo mich nicht weggezogen hätte.

Dafür bekam er jetzt meine schlechte Laune ab. „Was soll denn das, ich war noch nicht fertig", motzte ich los. Er zuckte mit den Schultern und hob den Blick nicht vom Boden.

„Was ist denn jetzt?", hing ich in einem, wie ich hoffte, milderen Tonfall an. Er zuckte mit den Schultern.

„Sie meinte, ich solle mir keine Hoffnungen mehr machen, es ist ziemlich ernst mit Harry."

Mir klappte der Mund auf. Erst einmal hätte ich nie damit gerechnet, dass es ernst war. Und dann... „Du hast ihr gesagt, dass du noch etwas von ihr willst?"

„War die einzige Möglichkeit, ne?"

Ich schüttelte den Kopf über soviel Dummheit. Aber immerhin wussten wir jetzt Bescheid. Ziemlich ernst... und dann noch das, was er gesagt hatte: Der Zug wäre abgefahren. Es sollte wohl nicht sein. Ich meine, das hatte ich schon vorher gewusst, aber unterbewusst war da noch diese Hoffnung gewesen... Jedenfalls wusste ich jetzt, wie es aussah. Ich würde nie wieder mit ihm reden, so viel war klar. Ich würde ihn ignorieren. Mich in eine Affäre mit einem anderen, und wenn es Raven war, stürzen und hoffen, irgendwann über Potter hinwegzukommen.

Wir sprachen erst abends mit Blaise darüber. Dazu hatten wir uns zu dritt in den Schlafsaal zurückgezogen, und ich fand auch, dass es Zeit war, Theo einzuweihen. Er saß etwas abwesend auf seinem Bett und ich wusste, woran er dachte.

„Keine Sorge, Theo, du bist nicht der einzige mit Liebeskummer", fing ich an. Zuzugeben, dass ich Liebeskummer hatte, war ziemlich schockierend. Aber es traf die Sache auf den Punkt.

Theo blickte überrascht auf. „Du auch?"

Ich nickte. Blaise lag auf seinem Bett und seufzte.

„Dino?", fragte Theo weiter. Wäre ich nicht so deprimiert gewesen, hätte ich gelacht. Aber ich schüttelte nur den Kopf. Blaise setzte sich auf und in den Schneidersitz.

„Das errätst du nie, Theo, weil es das Offensichtlichste ist", sagte er dabei. Theo überlegte ein paar Sekunden.

„Potter?" Er grinste dabei, als wäre das ein Scherz, aber ich nickte. Sein Grinsen schwand.

„Was? Meinst du das ernst?"

Ich konnte wieder nur nicken. Aber wozu gab es Blaise, wenn nicht zum Einmischen in Sachen, die ihn nichts angingen.

„Draco hat wohl einen kleinen Selbstbestrafungsdrang, auch wenn der noch nie durchgekommen ist", war sein geistreicher Kommentar. „Und ihr sagt, Elaine meinte, es wäre wirklich ernst?"

Wir beide nickten. „Sie sah dabei richtig glücklich aus", klagte Theo.

„Und Potter hat gesagt, unser Zug ist abgefahren."

Blaise sah mich an. „Wie war denn der genaue Wortlaut?"

Ich zuckte mit den Schultern. „Eben so. Dass er keine Lust hat, mich mit mir abzugeben."

Blaise runzelte die Stirn. „Das hat er gesagt?"

„Das war der Sinn seiner Worte, ja."

„Und was hast du gesagt?"

„Gar nichts, Theo und Elaine kamen dann wieder."

„Aber davor?"

„Dass er nicht vor mir wegrennen soll."

„Er ist vor dir weggerannt?"

„Ja! Bist du jetzt fertig mit der Befragung, Mr. Oberschlau?"

Ich legte mich auf mein Bett zurück, ohne auf eine Antwort zu warten.

„Draco... das passt aber alles gar nicht zusammen."

„Sicher passt das zusammen, Blaise, und ich wäre dir wirklich dankbar, wenn du mich jetzt in Ruhe leiden lassen könntest."

Er gab ein Geräusch von sich, ließ mich aber in Ruhe. Ich wälzte mich auf die Seite. Wann hatte Potter sich schon bemüht, mit mir klarzukommen? Okay, ich gebe zu, ich war ein bisschen unhöflich gewesen, aber das war ihm gegenüber normal. Es wäre komisch, anders mit ihm zu reden. In meiner Fantasie, ja, aber in Wirklichkeit konnte das niemals passieren. Es ging einfach nicht. Er hatte schon recht, es war zu spät.

Oder? Was, wenn ich versuchen würde.. ach, ich sollte damit aufhören! Das machte mich noch ganz verrückt, dieses ständige Hoffnungen machen, nur, um wieder enttäuscht zu werden. Ich kannte mich und ich kannte ihn und ich wusste, dass schon ein großes Wunder geschehen musste, damit wir miteinander klar kamen. Und ich glaubte nicht an Wunder.


Oh Mann, das war wirklich sehr lange jetzt! Ich hatte eine Schreibkrise, ich wusste einfach nicht weiter. Aber ein bisschen Gedanken zu dem Plot machen, hat mir geholfen. Bald kommt die Story richtig in Schwung, der Amethyst muss ja noch eine Rolle spielen... Ich hoffe, jemand liest dies hier überhaupt noch, nach so langer Zeit.

Vielen Danke jedenfalls an meine Beta LittleWhisper und an alle Reviewer: gugi28, Amunet, hatschigama, Alraune und Morne! Ihr spornt mich an! °ggg°