Draco Malfoy und der Amethyst
Die richtige Entscheidung?
Stille hatte sich im Schlafsaal ausgebreitet. Blaise blätterte in seinem Tagebuch und Theo war wahrscheinlich ebenso wie ich in seiner Gedankenwelt. Ironie des Schicksals, dass die beiden, wegen denen wir litten, zusammen glücklich waren.
Autsch, alleine schon der Gedanke an Potter... automatisch fasste ich in meine Umhangstasche und holte den Stein heraus. Hieß es nicht in dem Text, den ich gefunden hatte, er beruhigte die Nerven? Er war mir schon eine große Hilfe, wenn mir alles über den Kopf zu wachsen drohte. Alleine, wenn meine Hand die kalte Masse mit den feinen Kanten umschloss, spürte ich eine Besserung. Vielleicht war das aber auch nur Einbildung.
Ich stand auf und kramte in meiner Tasche nach der Notiz. Sobald ich sie hatte, ließ ich mich wieder auf mein Bett fallen, aber Blaise' Neugierde war geweckt. Er ließ sogar von seinem Tagebuch ab.
„Was hast du da?", fragte er.
„Kann dir doch egal sein, ich weiß ja auch nicht, was in deinem Tagebuch steht", gab ich zurück und wusste sofort, dass es ein Fehler gewesen war. Ich durfte sein Tagebuch doch nicht Tagebuch nennen.
Und richtig. „Es ist mein Notizbuch, und ich sage dir gerne, was darin steht."
Er erhob sich und kam samt Buch zu meinem Bett. Ich rückte ein Stück weg. Was, wenn er den Stein sah und ihn mir klauen wollte?
„Also, das fing alles mit Pansy an. Die hat mit Alice immer über ein Geheimnis geplappert, was ich natürlich rauskriegen wollte. Deswegen beschloss ich, verdächtige Kommentare oder Sachen, Beobachtungen halt, aufzuschreiben. Ich kam nicht dahinter, und sie wollte es mir auch nicht sagen. Dann hat sie mir ihren Verdacht wegen deiner Homosexualität erzählt, und da ich bei der Geheimnissache nicht weiterkam, hab ich dich beobachtet."
Ich drückte meine Wirbelsäule durch und starrte ihn an. „Wie bitte?"
Blaise grinste. „Ja, Draco. Schnell habe ich gemerkt, wie sehr du auf Potter anspringst, und wenigstens dabei hatte ich Recht, ne?"
„Das gibt dir noch lange kein Recht –"
„Sch! Potter wollte ich auch beobachten, hab sogar angefangen, aber dann hatte ich Stress mit Alice und wurde etwas abgelenkt... Trotzdem passt sein von dir beschriebenes Verhalten nicht zu meinen anfänglichen Beobachtungen. Also, ich zeig dir, was ich über ihn aufgeschrieben habe, wenn du mir zeigst, was du da hast!"
Blaise sah mich herausfordernd an. Als würde ich darauf einsteigen. Potter war mir doch egal. Und es war mir egal, was er irgendwann in grauer Vorzeit getan oder gesagt hatte. Ich wusste schließlich, was er heute zu mir gesagt hatte, das reichte.
„Gib schon her", sagte ich und entriss Blaise das Buch. Gleichzeitig gab ich ihm meine Notiz, den Stein behielt ich aber. Um den ging es schließlich nicht.
Ich spürte Blaise Grinsen, aber ich sah ihn nicht an, sondern durchblätterte sein Buch. Es fing mit Sachen über Pansy an, und auf eine Seite hatte er fett geschrieben: ‚Pansy hat es freiwillig gesagt, nur so ein dummer Mädchenclub.' Ich erinnerte mich daran. Was hatten sie nur alle mit ihren Clubs?
Weiter ging es, der Teil, der jetzt kam, war schon fesselnder.
Was? Ich hatte Potter nie angestarrt, das musste eine Missinterpretation von Blaise sein. Und ich war auch nicht jedes Mal auf Hundertachtzig gewesen, nur wenn sein Name fiel!
„Blaise, du hast hier voll den Schmarrn reingeschrieben", sagte ich. „Und wann habe ich gesagt, dass ich Jungs hübsch finde?"
„Als Pansy dich ausgequetscht hat... sie kam zu mir und hat sich ausgeheult...", murmelte Blaise, abwesend auf meinen Zettel starrend. Ich überlegte angestrengt.
„Ich habe doch nur gesagt, dass manche hübscher als Millicent sind", fiel mir dann ein.
Er schüttelte den Kopf, um mir zu zeigen, dass ich keine Antwort erwarten konnte. Ich las weiter. Eigentlich stand dort nur über Potter, dass er einmal gesagt hatte, er würde gerne die Feindschaft mit mir beenden. Wirklich aufschlussreich.
„Draco... hast du so einen Stein?"
Ich nickte und hielt ihn kurz hoch.
„Und hast du schon ‚Fähigkeiten zur Verwirklichung deiner Träume' entwickelt?" Er legte das Blatt auf mein Bett.
„Nein, wieso sollte ich?"
„Na ja, du bist Zwilling im Sternzeichen, das ist ein Luftzeichen."
„Alles Quatsch, Blaise. Was meinst du, warum ich bei der Astrologieprüfung nur ein A bekommen habe?"
„Nur, weil du es nicht kannst, heißt das nicht, dass es Quatsch ist", meinte Blaise. Er entzog mir sein Buch, obwohl ich noch gerne etwas länger darin geblättert hätte, und ging zu seinem Bett. „Wie kommst du an so einen wertvollen Stein?"
„War in der Nähe vom Verbotenen Wald vergraben."
„Aha. Und wie kam er dahin?"
„Was weiß ich! Ich weiß noch nicht einmal, ob er einer dieser Zwölf ist, aber er ist wirklich beruhigend für meine Nerven. Also behalte ich ihn, so einfach."
Ich faltete die Notiz und legte sie auf meinen Nachttisch, den Stein blickte ich an. Er war wirklich schön geschliffen, wie eine Träne, nur an den Seiten abgeflacht.
„Machst du dir denn gar keine Gedanken dazu? Wenn er ein Mala- Stein ist, dann ist er äußerst wertvoll. Wie kam er nach Hogwarts? Der wird jawohl nicht seit Anbeginn der Zeit da liegen. Andererseits sollte er beim ‚besseren Verständnis von anderen Menschen helfen', und da ich bei dir kein Zeichen davon entdecke, ist es wahrscheinlich doch kein Mala- Stein."
„Letzten Sonntag", kam es leise aus Theos Bett. Ich sah zu ihm, er schlief nicht? Er war so lange ruhig gewesen.
„Was war letzten Sonntag?", fragte Blaise. Erleichtert darüber, dass Theo ihn jetzt mit zulabern würde, legte ich mich zurück und blickte den Baldachin an. Grün. Eine schreckliche Farbe.
„Da hat Draco gesagt, wir sollen darüber nachdenken, wie Elaine sich wohl fühlt", sagte Theo.
„Stimmt, da hab ich mich sehr gewundert..."
Ich drehte den Kopf und sah die beiden an. Hatten sie jetzt ganz den Verstand verloren? Blaise sah mich nachdenklich an.
„Mal was anderes, gestern in der Bibliothek...", fing ich an, um abzulenken. Und ich wollte ihre Meinung hören. „Da hat Raven mich geküsst."
Theo setzte sich auf. „Was, Cliff Raven?"
„Ja."
„Dich geküsst?", fragte Blaise. „Sicher, dass es nicht ein Versehen war?"
„Zabini, ich merke doch, wenn mich jemand küsst! Danach ist er abgehauen."
„Ja, und weiter?", fragte Theo.
„Was weiter? Ich hab ihn heut nicht gesehen."
„Hast du ihm nicht nachgesetzt, um ihn zu töten?", fragte Blaise stirnrunzelnd.
„Nein, der arme Junge kann doch auch nichts dazu, dass ich so umwerfend bin."
„Draco? Was, wenn er ne Beziehung will?"
„Nie im Leben! Der hat das nur gemacht, um mich zu verarschen. Der kriegt noch sein Fett weg, ich weiß nur noch nicht, wie, wann und wo."
„Na dann", waren Blaise' weisen Worte.
Ich traf Raven auch in den nächsten Tagen nicht, wahrscheinlich ging er mir aus dem Weg. Sollte mir nur recht sein. Ich war selber damit beschäftigt, jemanden aus dem Weg zu gehen. Und Potter ging mir genauso aus dem Weg, wie ich ihm. Der Zug war abgefahren, bla, bla. Welcher Zug überhaupt? Und bedeutete das jetzt, dass wir nie wieder miteinander redeten? Das konnte er mir doch nicht antun!
Am Mittwoch kam Theo abends wutentbrannt aus der Bibliothek zurück. Aus allem, was ich raushören konnte, hatte er einen Streit mit dem Schlammblut gehabt. Warum redete er auch mit ihr, selber schuld. Ich vermute mal, er hatte seine Wut wegen Elaine an ihr ausgelassen.
Allerdings wurmte es mich sehr, als am Freitag dann die Woche um war und ich im Rückblick sagen konnte, dass Potter und ich nur am Montag miteinander gesprochen hatte. Danach nicht mehr. So wenig wie noch nie.
Schlecht gelaunt bis auf die Knochen saß ich am Samstag neben Theo in der Bibliothek und hoffte, Potter würde vielleicht kommen. Aber andererseits wollte ich nicht, dass er kam, denn ich wusste, ich konnte mich nicht länger unter Kontrolle halten. Ich würde auf jeden Fall etwas sagen.
„Oh, da ist Hermine", sagte Theo plötzlich und sprang auf. Hermine, wer war denn bitte schön Hermine? Seine neue Freundin? So schnell? Hatte ich etwas verpasst?
Verwirrt blickte ich ihm hinterher, kam aber nicht hinter das Geheimnis, da das Schlammblut ihn aufhielt. Komisch, warum setzte er sich zu ihr an den Tisch, wenn er sich noch vorkurzem mit ihr gestritten hatte? Vielleicht verwechselte ich sie ja auch, ich hatte keine Zeit, mir darüber Gedanken zu machen. Denn Potter spazierte gerade in die Bibliothek hinein, ging zu Madam Pince und gab ihr entliehene Bücher zurück. Danach ging er die Tischreihen entlang, schloss dabei seine Tasche und sah mich so nicht.
Dann war er zwischen den Regalen verschwunden. Ich warf einen Blick auf Theo, der mit dem Schlammblut redete. Noch nie war mir etwas so egal gewesen. Sollte ich hinter Potter her, oder nicht? Aber was sollte ich schon sagen, erst recht nach Montag? Ihn anzuschnauzen wäre nicht so gut gekommen.
Aber zu wissen, dass er da irgendwo rumlief und dabei still auf meinem Platz sitzen bleiben, konnte ich nicht.
Ich lief zu den Reihen, zwischen denen er verschwunden war und sah mich um. Niemand da. Mein Herz klopfte in meiner Brust, warum hatte ich es vorher nie so intensiv gespürt? Ich ging langsam weiter und tat, als las ich die Buchrücken. Aber alles, was ich machte, war durch das Regal in den nächsten Gang zu spähen. Meter für Meter, und ich sah kein Lebenszeichen von Potter. Zum Glück. Ich hätte nicht gewusst, was ich sagen sollte.
Aber er musste hier irgendwo sein. Ach, konnte mir doch egal sein. Ich zog ein Buch aus dem Regal, um nicht mit leeren Händen durch die Bibliothek laufen zu müssen. Doch bevor ich mich abwenden konnte, war ich schon erstarrt. Auf der anderen Seite war im selben Moment ein Buch herausgezogen worden, und ich sah Potter an.
Er verdrehte die Augen.
„Potter", sagte ich, es war eher eine Feststellung. Ich musste mich davon überzeugen, dass ich nicht träumte.
„Malfoy, lass mich einfach in Ruhe, okay?"
„Ich kann nicht", sagte ich, und wunderte mich, was ich da von mir gab. Es passte so gar nicht zu mir.
Potter schüttelte noch einmal den Kopf, mied meinen Blick und war dann verschwunden. Noch ein, zwei Sekunden stand ich reglos da. War das jetzt real gewesen? Warum war er so schnell verschwunden? Doch es war vermutlich besser so, irgendwann hätte der Zauber seiner Augen oder welcher Zauber von ihm auch immer ausging, mich losgelassen und ich hätte wieder gemeine Sachen gesagt.
Theo saß immer noch bei dem Schlammblut. Nachdem ich das festgestellt hatte, lief ich ohne Umschweife aus der Bibliothek. Das Buch lieh ich mir aus, es hieß ‚Liebe deinen Nächsten'. Bei der nächsten Gelegenheit würde ich es zurückbringen, ich hatte im Moment andere Probleme mit meinen Nächsten. Sie zu lieben brachte mich nicht weiter.
Er wollte, dass ich ihn in Ruhe lasse. Einfach so, nach den ganzen Jahren. Wie sollte das denn gehen, merkte er denn nicht, dass ich schon längst von ihm abhängig war? Warum quälte er mich so, oder ich mich selber, mit meinen Gedanken über ihn? Gab es denn nichts, was ich tun konnte, damit das aufhörte?
Mein Vorhaben, mir einen Freund anzuschaffen, hatte sich ins Nichts aufgelöst, nachdem ich gemerkt hatte, wie ekelhaft es war, jemand anderes zu küssen. Also wenn ich nun als alte Jungfer sterben würde, war das auch Potters Schuld. Dabei wusste ich noch nicht einmal, wie es sich anfühlte, ihn zu küssen... bestimmt himmlisch...
Im Slytherin- Gemeinschaftsraum lief ein Erstklässler in mich hinein, oder ich in ihn, unwichtige Details. Jedenfalls erkannte ich sofort Josh Bradfort und hielt ihm am Kragen fest, während ich überlegte, welche Strafarbeit ich ihm aufbrummen konnte. Ja sicher, bis jetzt war er immer erträglich gewesen, aber ich hatte nun mal schlechte Laune.
„Willst du gerne einen Aufsatz verfassen?", fragte ich gereizt. Er wimmerte und schüttelte den Kopf.
„Hast du denn gar keinen Funken Selbstbewusstsein?"
Wieder schüttelte er den Kopf. Ich seufzte und lockerte meinen Griff ein wenig.
„Dann eben nicht. Aber pass demnächst auf, wo du hinläufst."
„Danke, Sir." Josh schaute mich mit großen Augen an und verkrümelte sich.
Oben warf ich das nutzlose Buch auf mein Bett und setzte mich selber darauf, das Gesicht in den Händen vergraben. Ich atmete erst einmal tief durch. Verdammter Potter. Einen kurzen Blick zur Tür später langte ich unter mein Kissen nach dem kleinen Buch in dem gelben Umschlag, dass ich aus der Buchhandlung hatte mitgehen lassen. Die glücklichen männlichen Paare darin grinsten mich an, verspotteten mich. In einem Anflug von Jähzorn zerriss ich es, warf die beiden Hälften auf den Boden.
Dann holte ich meinen Stein hervor, betrachtete ihn kurz und warf auch ihn auf den Boden. Was nützte er mir schon? Nichts und niemand konnte mir helfen, ich war verloren. Für immer und ewig einem Arsch, der mich nicht einmal annähernd verstand, verfallen. Der nichts von mir wollte. Der mich hasste.
Ich warf mich längs auf mein Bett, vergrub das Gesicht im Kissen und schluchzte. Ja, ich gebe es zu, so sehr verzehrte sich alles in mir nach ihm. Das Wissen, dass meine Sehnsucht unerfüllt bleiben würde, mehr noch, dass er nie wieder mit mir reden würde, machte mich fertig. Der Tod meines Vaters im letzten Jahr hatte mich mitgenommen, doch ich hätte nie gedacht, dass es mir einmal wegen Potter so mies gehen würde. Dass ich mir wegen ihm sogar noch verlorener vorkam. Und man stelle sich vor, Draco Malfoy fühlte sich verloren?
Ich hörte Schritte und das Rascheln von Bettzeug. Mein Atem stockte automatisch, ich wollte nicht so angreifbar erwischt werden. Doch es drangen keine weiteren Geräusche an mein Ohr, also hob ich den Kopf. Blaise lag auf seinem Bett, die Augen mit merkwürdig leeren Ausdruck nach oben gerichtet.
Was war passiert, dass er mich und mein Chaos hier für nicht beachtenswert hielt?
Ich wischte mir übers Gesicht und ging zu seinem Bett. Erst, als ich mich zu ihm setzte, blickte er mich an.
„Es ist aus, Draco", sagte er.
„Es hat nie begonnen, Blaise", antwortete ich. Er blickte kurz verwundert und quälte sich dann ein Lächeln ab.
„Mit mir und Alice, meine ich."
„Oh... tut mir leid."
Blaise schüttelte den Kopf. „Und ich dachte, es wird ewig halten. Willst du wissen, was der Grund für die Trennung war? Raven. Sie sagt, sie mag ihn viel lieber und er liebt sie auch."
„Wie bitte?"
Ich versteifte mich. Hatte ich dem nicht klar gemacht, dass er sich von Alice fernhalten sollte? Und wenn er sie liebte, warum hatte er mich dann geküsst? Obwohl... dass er mich nicht liebte, hatte ich mir schon gedacht.
„Dem werd ich's zeigen", murmelte ich und wollte aufstehen. Doch Blaise hielt meinen Arm fest und zog mich zurück aufs Bett.
„Sag mal, was ist denn bei dir vorgefallen?"
„Wie kommst du darauf, dass etwas vorgefallen ist?"
„Draco, deine Augen sind rot, und das waren sie zum letzten Mal vorheriges Jahr, und da auch nur morgens nach dem Aufstehen."
Automatisch strich ich mit einer Hand über meine Augen. „Es war... nichts wichtiges."
„Potter?"
Ich atmete tief ein. War ich so leicht zu durchschauen?
„Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass du mir ein Nein abkaufst?"
„Unter Null."
Ich nickte und erzählte ihm mit knappen Worten unser Zusammentreffen. Blaise seufzte.
„Zu mir ist er leider auch mehr als sonst zugeknöpft... So ein Mist." Den letzten Satz sprach er leise, wie zu sich selbst.
„Du hast doch eigene Probleme. Potter ist eben unverbesserlich, irgendwann werd ich über ihn hinweg kommen", sagte ich und wusste, dass dies noch eine sehr lange Zeit dauern würde.
Jetzt musste ich mir erst einmal Raven vorknöpfen und steuerte deswegen die Tür an. Wo waren eigentlich Greg und Vince, sie hingen viel zu oft mit anderen Leuten herum. Nicht, dass Vince sich noch mit diesem Raven angefreundet hatte. Nein, so was würde er nie tun. Immerhin flog dieses Mädchen aus dem Club, auf das Vince flog, auf Raven. Oh Mann, war das nicht Alice' Schwester? Wenn da mal kein Streit im Hause Coogan anstand.
Ich lief zur Treppe nach unten. Leider hatte Raven in letzter Zeit das Talent entwickelt, unsichtbar zu werden. Vielleicht hatte er auch Potters Tarnumhang gestohlen. Jedenfalls hatte ich keine Lust, ihn groß zu suchen, sondern setzte mich einfach zu Vince und Theo. Theo las in seinem Zaubertrankbuch.
„Das Mädchen, mit dem du in der Bibliothek geredet hast, hatte schockierende Ähnlichkeit mit dem Schlammblut", begrüßte ich ihn. Vince sah nur kurz von seinen Notizen auf, Theo gar nicht.
„Es war das Schlammblut", sagte er schlicht und ergreifend.
„Was hast du gesagt, ich habe wohl was mit den Ohren."
Ich rieb mein rechtes Ohr. Jetzt sah Theo doch auf.
„Du hast schon richtig gehört. Sie ist gut in der Schule und kann mir beim Lernen helfen. Guck nicht so, ich setze meine Zukunft bestimmt nicht aufs Spiel, nur weil sie das Pech hat, Muggel als Eltern zu haben."
„Aber..."
„Nichts da! Wenn ich ein Ziel habe, erreiche ich das auch, und ich will nun mal Zaubertranklehrer werden."
Mir kam der Gedanke, dass er sein Ziel ‚Elaine' nicht erreicht hatte, aber ich war klug genug, den Mund zu halten. Außerdem, seit wann war er so bestimmend? Jetzt fehlte nur noch, dass Vince sich mit dem Wiesel anfreundete, dann wäre es offiziell: ganz Slytherin war verrückt geworden.
Na ja, vielleicht sollte ich ruhig sein. Immerhin hatte ich nicht gerade normale Gefühle für einen Gryffindor.
Vince' Seufzen riss mich aus meinen Gedanken. Ich kniff meine Augen zusammen und hoffte, dass es nicht noch immer Barbie war. Er bemerkte meinen Blick und schaute auf, zuckte mit den Schultern.
„Ich weiß einfach nicht, was wir im Club noch machen könnten. Wir treffen uns nicht oft. Raven fehlt immer und Barbie..."
Ich schüttelte unverständlich den Kopf. „War eh ne bescheuerte Idee."
Pansy ließ sich in den Lehnstuhl gegenüber von mir sinken und strahlte mich an.
„Was grinst du so?", wollte ich wissen.
Sie zuckte mit den Schultern und grinste weiter. „Tue ich doch gar nicht."
Ich rollte mit den Augen. Konnte mir egal sein, was das Weib so beschäftigte. Ich stand auf und ging zurück in den Schlafsaal, um aufzuräumen, bevor noch jemand etwas entdecken oder klauen konnte. Es war ja nicht so, als würde ich mein Büchlein nicht mehr brauchen. Ich hatte jedenfalls nicht vor, mir von Potter mein Sexualleben verderben zu lassen. Zumindest nicht in Hinblick auf mein ganzes Leben.
In den ersten Tagen der darauffolgenden Woche versuchte ich ehrlich, Harry zu ignorieren. Doch mit jedem Mal, an dem ich ihn sah und nicht anschnauzte, wurde ich aggressiver. Ich konnte meine Wut doch nicht in mich hineinfressen, das war ungesund! Außerdem hatte Potter mir keine Vorschriften zu machen Also beschloss ich in der Nacht auf Mittwoch, ihn ab sofort nicht mehr zu verschonen.
Es war fast zu leicht, wieder zur Normalität zurückzukehren und ihm hier und da einen Spruch zu drücken. Leider war er davon gar nicht begeistert. Er ignorierte mich, so gut er es konnte.
Aber ich konnte es nicht verhindern, mich unheimlich mies zu fühlen. Jedes Mal hatte ich das Gefühl, ich tat etwas Falsches, und ich sollte mich lieber in seine Arme werfen und ihn abknutschen.
Blaise war keine große Hilfe, er trauerte Alice hinterher. Dieses Weib war daran Schuld, dass er sich nicht mehr vordergründig für meine Probleme, sondern für seine eigenen interessierte. Merkwürdigerweise sah ich sie nie mit Raven rumlaufen, aber ehrlich gesagt hatte Raven eh den Trick raus, aus meinem Blickfeld zu verschwinden. Wie schaffte er das bloß? Warum küsste er mich erst, nur, um mir danach aus dem Weg zu gehen? Ich meine, wenn er sich wenigstens darüber lustig gemacht hätte, aber so... keine Ahnung, was in seinem Kopf ablief.
Theo setzte seine Treffen mit dem Schlammblut doch tatsächlich fort. Jeden Samstag traf er sich mit ihr in der Bibliothek, um zu lernen. Ich fand das überhaupt nicht gut und ließ ihn das auch wissen. Ein wenig Anstand sollten die Slytherins doch behalten, und sich mit Schlammblütern abzugeben, half nicht gerade dabei.
Vince und Greg waren in diesen Tagen auch komisch drauf. Vince wurde zusehends deprimierter, ob das nun an Barbie, an seinem Club oder an seiner Diät (ich wusste nicht einmal, ob er sie aufgegeben hatte. Nach dem, was ich am Essenstisch beobachtete: Ja) lag, wusste ich nicht. Ich wusste nur, dass Greg ein Dauergrinsen im Gesicht hatte und selbst über meine blödesten Scherze lachte.
Und dann war da noch Pansy. Sie verhielt sich außergewöhnlich ruhig, und ich fragte mich, ob das die Ruhe vor dem Sturm war. Denn wie mir auffiel, war sie noch nicht zu mir zurückgekrochen gekommen, so dass ich sie abweisen konnte. Wurde es dafür nicht langsam mal Zeit?
Der November ging, der Dezember und damit die dunklen, nasskalten und windigen Tage kamen. Trotzdem wurde wir in den Pausen gezwungen, auf dem Hof zu stehen und uns den Arsch abzufrieren. Ich hatte ja zwei Wärmepolster, sozusagen, denn ich wies Vince und Greg an, sich so um mich zu stellen, dass wenigstens der eisige Wind mir nichts anhaben konnte. Blöd dabei war nur, dass ich nicht mehr sehen konnte, was um uns herum geschah und somit sicher die eine oder andere Gelegenheit verpasste, Potter eine runterzuwürgen (oder auch nur zu beobachten).
Auch der Dezember schritt fort und Blaise' Geburtstag näherte sich. Ich tat mein Bestes, um ihm Alice auszureden und ihn wieder lebensfroh zu machen.
„Kopf hoch, du wirst noch ein paar Trennungen durchmachen, und keine Angst, du wirst sie alle überleben", waren meine Worte. Er sah mich gekränkt an und schlich nach oben in den Schlafsaal.
Doch irgendwann besserte sich seine Laune und ich sah ihn wieder mit seinem Tage-, äh, seinem Notizbuch auf dem Bett sitzen. Ab diesem Zeitpunkt wusste ich, dass er sich auf den Weg der Besserung begeben hatte.
Leider konnte ich nicht dasselbe von mir behaupten. Nach außen hin wirkte ich zwar gefasst und spottete jedes Mal über Harry, wenn ich ihn sah, aber in mir drin tobte ein Orkan. Ich hatte das Gefühl, jeden Moment die Kontrolle zu verlieren und etwas unsagbar Dummes zu tun. Wie zum Beispiel ihn in eine dunkle Ecke zu zerren und dort... sagen wir es mal so, ich würde ihn bestimmt nicht verprügeln.
Und eines Tages verlor ich wirklich die Kontrolle. Oder vielmehr er, denn ich hatte mich eigentlich wie immer verhalten. Wir kamen aus dem Zaubertränkekerker, nach dem Unterricht. Er lief vor mir, von seinen Freunden keine Spur. Wer hätte sich die Gelegenheit schon entgehen lassen?
„Na, Potty, hast du endlich bemerkt, dass deine beschränkten Freunde keine Elternersatz sein können?", fragte ich, ehrlich interessiert.
Er fuhr sofort herum und kam auf mich zu. Sein Gesichtsausdruck machte mir richtig Angst, ich wich zurück. Blaise versuchte noch, ihn durch irgendwelche Worte aufzuhalten, doch wann hatte Harry Potter sich jemals aufhalten lassen? Jedenfalls warf er mich gegen die Wand und hielt mich dagegen gedrückt.
„Halt endlich deine vorlaute Klappe, Malfoy, wann kapierst du es endlich?"
Ich schluckte, reden konnte ich im Moment nicht. Er war mir viel zu nahe, als das ich noch klar denken konnte. Meine Hand legte sich automatisch auf seine, die mich am Kragen hielt und befühlte seine kühle Haut.
„Lass los", sagte ich, nur um irgendwas zu sagen. Er starrte mich wütend an und schüttelte mich ein wenig. Ob er wohl mein Herz spürte, das ihm heftig entgegen schlug?
Ich tippte auf nein, denn im nächsten Moment boxte er mich gegen die Schulter und ließ mich dann los. Ich sackte ein wenig zusammen, den Blick zu Boden gerichtet. Schmerz verspürte ich nicht, doch ich musste mich erst einmal sammeln.
Jemand griff mir unter den Arm und zog mich hoch.
„Er hat Recht, Draco, du übertreibst ein bisschen", sagte Blaise' Stimme. Ich schüttelte den Kopf.
„Es geht nicht anders, das weißt du doch", antwortete ich.
Ich entzog mich ihm und klopfte meinen Umhang sauber. Langsam merkte ich doch einen leichten Schmerz in der rechten Schulter, aber der war nicht weiter schlimm. Er war ein Zeichen dafür, dass Harry mich berührt hatte.
„Wo ist er hin?", fragte ich.
„Schon weg. Wo willst du hin, Draco, wir haben jetzt Zauberkunst!"
Ich war schon auf dem Weg zur Treppe und drehte mich nicht um, als ich antwortete. „Denkst du, das lasse ich auf mir sitzen?"
„Draco, sei doch bitte einmal vernünftig!", rief Blaise, aber dann fiel die Tür hinter mir ins Schloss und ich stand in der Eingangshalle. Potter war schon auf der Marmortreppe. Ich rief ihn, wobei ich ihm nachsetzte. Ein paar Stufen unter ihm blieb ich stehen und verschränkte die Arme.
„Du hast mich geschlagen."
Harry verdrehte die Augen. „Weil du mich ja noch nie geschlagen hast, Malfoy."
„Hab ich nicht, wenn, dann habe ich dich verflucht."
Potter kniff die Augen zusammen. „Komm auf den Punkt, ich habe nicht ewig Zeit."
Was, welchen Punkt? Ich stand hier nur, um ein bisschen mit ihm zu reden, merkte er das denn nicht? Warum war er bloß so blind? Na ja, wahrscheinlich war es besser, dass er es nicht wusste.
„Vergiss es, Potter, dafür ist meine Zeit zu kostbar", sagte ich und drehte mich um.
„Wofür genau?", fragte er. Ich drehte mich wieder zurück.
„Um sie mit dir zu verplempern."
Ich bezweifelte, dass ihn diese Antwort vor Freude in die Luft springen lassen würde. Und richtig, sein Gesicht verfinsterte sich.
„Dann lass mich doch endlich in Ruhe", stieß er aus, drehte sich um und rannte die Treppe hoch. Ich zog erst einmal tief Luft ein. Ganz toll gemacht, Draco, jetzt wird er noch weniger mit dir reden.
Ich wog kurz meine Möglichkeiten ab, dann lief ihm hinterher. Auf dem Treppenansatz angekommen, sah ich ihn zwischen anderen Schülern verschwinden. Jetzt galt es, schnell zu sein, bevor er auf das Wiesel und das Schlammblut traf.
Ich rannte los und nahm dabei keine Rücksicht auf mir im Weg stehende Schüler. Da, Potter lief in ein Klassenzimmer. Bald war ich dort angekommen, stieß die Tür auf und ging hinein.
„Ha-", fing ich an, und unterbrach mich dann. Dort saß er, gegenüber von seiner Elaine. Ich kniff die Augen zusammen, musterte beide kurz und ging wieder hinaus. Dazu musste ich doch nichts mehr sagen, oder? Wenigstens hatte ich sie nicht beim Knutschen erwischt. Trotzdem fühlte ich mich, als hätte mir jemand hart ins Gesicht geschlagen. Ich lief ihm hinterher, und dann so was!
Ich lehnte mich gegen die Wand neben der Tür, weil meine Knie mich nicht mehr tragen wollten, schloss kurz die Augen und zwang mich zum Atmen. Hoffentlich achtete niemand auf mich, im Moment hatte ich keine Kontrolle über meine Gesichtszüge. Das Leben war doch nicht fair... ich musste Potter aus meinen Gedanken verbannen... ich musste einfach.
Potter stolperte aus dem Zimmer und sah sich um. Ich strich mir übers Gesicht, stieß mich von der Wand ab und räusperte mich. Er fuhr herum.
„Malfoy!"
„Ja, richtig erkannt, Potter." Aus meiner Stimme hörte man nicht meine Enttäuschung heraus, zum Glück. Potter sah mich leicht verwundert an.
„Warum bist du mir gefolgt?"
„Nichts weiter, Potter, geh wieder zu deiner kleinen Freundin zurück, sicher fühlt sie sich schon einsam ohne ihren Held."
Ich ließ ihn nicht aus den Augen, doch er überhörte meinen Spott einfach.
„Es muss doch wichtig sein", sagte er. Er war einfach zu neugierig, beinahe konnte ich mich schon darüber amüsieren. Beinahe.
„Ich muss jetzt zum Unterricht", lenkte ich gekonnt ab. Er stand einfach nur da und sah mich an.
„Pass auf, Potter. Ich wollte dir nur sagen, dass du gewonnen hast. Von jetzt an lasse ich dich in Ruhe, das ist es doch, was du willst. Ich tue so, als wärst du Luft, dass ist leichter für uns beide."
Er nickte langsam. Ich wandte mich endgültig ab, war ja nicht mit anzusehen, wie erleichtert er über meine Aussage war. Außerdem fühlte ich ein beißendes Gefühl in meiner Brust, dass sich langsam aber sicher den Weg in meine Augen bahnte und sie wässrig machte. Das war's dann wohl. Ende und aus. Ich konnte es nicht fassen, was ich da eben verkündet hatte.
Oh Mann! Danke für eure Reviews, Amunet, Alraune, SweetVanilla, Juliet, gugi28, catha, Morne, tsu-chan, zissy, Momixis und Justine-chan! Mehr, als ich jemand zu träumen gewagt habe! Hier ist direkt die Belohnung, das nächste Kapitel, war es diesmal nicht schnell? UND: Ich schreibe sogar schon am nächsten. °Stolz sei°
Vielen Dank auch an meine süße Beta-leserin, LittleWhisper! Deine Kommentare sind zu geil! °ggg°
