Draco Malfoy und der Amethyst

Rendezvous im Pokalzimmer

An diesem Tag ging ich nicht mehr in den Unterricht. Ja, auch ich hatte manchmal schlechte Tage, und dieser war definitiv einer. Wenn nicht sogar der schlimmste meines Lebens. Die ganze Zeit musste ich mit der Tatsache kämpfen, dass ich nie mehr mit Harry reden durfte. Das würde so verdammt schwer werden. Und ich hatte es mir auch noch selber eingebrockt.

Einen Moment, sagte ich, es würde schwer werden? Ich verbessere mich, es würde sehr, sehr schmerzhaft werden. Wenn ich ihn nur sah, war ich ja sofort in Alarmbereitschaft, wollte zu ihm und mit ihm reden. Ihn berühren, ihn küssen und im Arm halten.

Obwohl ich meine schlechte Laune, die dadurch begründet war, dass ich eben dies nicht durfte, an Blaise ausließ, ging es diesem besser. Auch Theo war unerklärlich fröhlich. Oder kam mir das nur so vor, weil es mir selber mies ging? Auf jeden Fall blieb ich ihn diesen Tagen lieber in Vince und Gregs Gesellschaft, sie schauten beide miesepetrig aus der Wäsche und stellten nicht allzu viele Fragen.

Mir war aufgefallen, dass Vince' Club sich im Sand verlaufen hatte, vielleicht kam daher seine schlecht Laune. Und Greg... der war mir schon seit Wochen ein Rätsel. Normalerweise war Pansy ja für seine Gefühlsschwankungen zuständig.

Die hielt sich auch von mir fern. Schon komisch, früher lief sie jeden Tag hinter mir her, so dass es mir schon unangenehm war, und jetzt... nichts mehr. Ab und an trafen wir uns im Gemeinschaftsraum, redeten aber nur oberflächlich miteinander. Wie schnell sich die Zeiten ändern konnten.

Dann kam Blaise' Geburtstag. Ich schenkte ihm ein neues Notizbuch, dass ich in Hogsmeade erstanden hatte. Es war Pot- äh, Slytherin- Grün. Ich wusste nur noch nicht, was ich ihm zu Weihnachten schenken sollte. Warum hatte er auch kurz davor Geburtstag?

Er grinste mich an, nachdem er es ausgepackt hatte. „Woher wusstest du, dass mein Altes bald voll ist?"

Ich zuckte mit den Schultern. „Intuition", sagte ich, obwohl mein Kauf ein Schuss ins Blaue gewesen war. In diesem Jahr verband ich mit Blaise eindeutig Tagebücher. Man sollte meinen, er wäre schwul.

Theo kicherte in seiner Ecke (sofern es in einem Sitzkreis im Gemeinschaftsraum Ecken gab). In letzter Zeit tat er das öfter ohne Grund. Und diesmal hatte er wirklich keinen Grund.

Plötzlich kam Alice zu unserem Kreis, in dem noch Vince, Greg und Pansy saßen. Bei den letzten beiden war mir etwas aufgefallen, und das konnte keine Einbildung sein: Sie vermieden es, sich anzusehen. Bahnte sich da etwa was an?

„Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag, Blaise", sagte Alice und gab ihm ein Päckchen und einen Wangenkuss. Blaise bedankte sich und sie verschwand wieder. Ich beobachtete ihn, als er das Geschenk auspackte. Er schien wirklich über sie hinweg zu sein. Jedenfalls war er nicht aufgeregter als sonst, höchstens ein bisschen verwundert. Er grinste und hielt einen silbernen Kuli hoch.

„Du und Alice, Draco, ihr ergänzt euch", sagte er.

„Ha, ha, sehr witzig", meinte ich.

Wir saßen noch lange in der Runde, bis Theo irgendwann aufstand.

„So, wenn ihr mich jetzt entschuldigen würdet!", sagte er und setzte zum Gehen an.

„Stop, nicht so schnell, Freundchen", rief ich. Er blieb stehen und sah mich an.

„Wohin willst du? Hast du eine neue Freundin?" Ich erinnerte mich nur zu gut an das erste Schuljahr, als er sich immer weggeschlichen hatte, ohne ein Wort zu sagen. Damals war es Elaine gewesen.

„Nein, nein, ich treffe mich am Wochenende doch immer mit Hermine in der Bibliothek", sagte er. Ich kniff die Augen zusammen und hielt diesmal meinen Mund. Das konnte jawohl kaum der Grund für seine Fröhlichkeit sein. Und wenn doch, dann gnade ihm – welchen Gott er auch immer anbetete.

„An meinem Geburtstag willst du lernen?", empörte Blaise sich. Theo sah sich unbehaglich um.

„Also, die Verabredung steht schon... es ging wirklich nicht anders", sagte er entschuldigend. Blaise grummelte.

„Na gut, aber mach nicht so lange!"

Theo nickte, klatschte in die Hände und war weg.

Blaise seufzte und lehnte sich im Lehnstuhl zurück. „Noch Montag, und dann sind Ferien", sagte er.

Ferien, die hatte ich bis jetzt auch meisterhaft verdrängt. Aber es war gut, wenn ich Harry knapp zwei Wochen lang nicht sah. Vielleicht würde ich ihn dann vergessen können.

„Fahrt ihr alle nach Hause?", fragte Pansy in die Runde. Ich nickte, Blaise, Vince und Greg auch.

„Du nicht?", fragte ich. Pansy sah mich an und zuckte mit den Schultern.

„Ich bin nicht heiß darauf, aber wenn niemand hier bleibt, dann fahr ich wohl."

Pansy war ein Einzelkind, so wie ich. Nur sie hatte noch beide Elternteile, die sich jedoch nicht immer einig waren. Ich weiß das, weil sie mir früher ellenlange Briefe geschrieben hatte (na ja, ich hatte nicht alle gelesen), und in manchen flehte sie mich an, dass sie doch ein paar Tage in Malfoy Manor verbringen durfte. Einmal wusste ich keine Ausrede, und sie kam und wir... aber das ist eine andere Geschichte. Ich erinnere mich nicht gerne daran zurück. Ich weiß nur noch, dass die Küche unter Wasser gestanden, meine Mutter fast einen Herzkasper hatte und eine Hauselfe, die später spurlos verschwand, die ganze Zeit aufgeregt um uns rumgewuselt war und noch mehr Chaos gestiftet hatte. Das war in den Sommerferien Ende des ersten Jahres gewesen.

Ich zuckte mit den Schultern. „Du wirst es schon überleben."

„Natürlich werde ich es überleben, Draco", sagte sie spitz. Ich sah sie an. Was war denn jetzt los? Die anderen sahen sie auch leicht verwundert an, und als sie es bemerkte, rollte sie mit den Augen und stand auf.

„Ich muss jetzt auch los, wir sehen uns heute Abend."

Und wieder waren wir einer weniger. Blaise und ich sahen uns an, aber er zuckte mit den Schultern.

„Habt ihr auch Wichtigeres zu tun, als mit mir zu feiern? Nur zu, tut euch keinen Zwang an", sagte er zu mir, Vince und Greg. Wir jedoch schüttelten die Köpfe. Als würden wir in den nächsten Tagen einen wütenden und deprimierten Blaise ertragen wollen.

Der Rest des Abends verlief nach meinen Maßstäben ganz okay. Erneut legten Vince und Greg eine Pause in ihrer Diät ein (natürlich nur für den armen und sonst missgelaunten Blaise), futterten wie wild Kuchen und Törtchen. Ich zwang mir auch eins runter, aber schon seit geraumer Zeit ging es mit meinem Appetit immer weiter abwärts. Ich hatte den Verdacht, dass es an Harry lag. Er machte mich krank.

Am nächsten Tag rannte Theo schon wieder in die Bibliothek, und das, obwohl die Ferien bald anfangen würden. In mir keimte ein Verdacht auf, und da ich nichts zu tun hatte, beschloss ich, ihn zu bespitzeln.

Das war nicht sehr schwer. Ich setzte mich an einen Tisch und beobachtete ihn und das Schlammblut ungesehen. Sie blätterten in Büchern, schrieben auf Pergamentblätter und unterhielten sich. Anscheinend lernten sie wirklich.

So kam ich nicht weiter, Plan B musste in Kraft treten. Ich stand auf, nahm im Gehen einen dicken Wälzer aus dem Regal und ließ es dann vor Schlammbluts Nase auf den Tisch fallen. Sie zuckte heftig zusammen. Ich lachte auf.

„So schreckhaft? Hast wohl gedacht, dein letztes Stündlein hat geschlagen, was? Aber ich kann dich beruhigen, Potter hat den dunklen Lord ausgeschaltet."

Sie stand, noch immer zitternd, auf, aber Theo kam ihr zuvor. Er sprang in die Luft.

„Malfoy, was soll denn das! Wir wollen hier lernen, und du machst so einen Aufstand!"

Ich nahm ihn ins Auge. In diesem Moment erinnerte er mich doch sehr an Potter, mit seinen strubbeligen dunklen Haaren und die Art, wie er das Schlammblut verteidigte. Allerdings an den Potter, den ich hasste.

„Ich muss mit dir reden, Nott", sagte ich. Er sah beunruhigt auf Granger, die aussah, als wollte sie jeden Moment etwas sagen. Das sollte sie mal lieber unterlassen, noch hatte ich sie nicht beleidigt. Das konnte sich aber ändern, sobald sie den Mund aufmachen würde.

Theo wusste das, deswegen kapitulierte er und ging nach draußen. Ich ging ihm hinterher. Vor der Bibliothek stellten wir uns an eins der Gotikfenster in dem breiten Gang voller beschäftigter Schüler.

„Was gibt es denn so Wichtiges, Draco?"

Ich verschränkte die Arme. „Hast du was mit dem Schlammblut?"

Theo sah mich verduzt an, dann lachte er. „Deswegen machst du dich so zum Affen? Oh Mann... Nein, hab ich nicht. Ich liebe Elaine, schon vergessen?"

Ich zuckte mit den Achseln. „Bei dir kann man ja nie wissen."

„Bei ihr ist das etwas anderes..." Er sah sich zögerlich um.

„Komm schon, raus mit der Sprache", forderte ich ihn auf, denn ich kannte diesen Blick.

„Ich würde es dir ja gerne erzählen... aber es ist alles noch so unsicher."

„Was genau?"

Theo sah mich nachdenklich an und ich versuchte, ein freundliches Gesicht zu machen. Ich glaube, ich schaffte es sogar, denn er lächelte leicht und zog mich näher an sich. Dann sprach er mit gedämpfter Stimme weiter.

„Okay, aber wehe, du erzählst es jemandem! Denk daran, ich weiß auch ein Geheimnis von dir! Gestern war ich nicht in der Bibliothek, sondern hab mich mit Elaine getroffen." Er lehnte sich zurück und grinste.

„Willst du mich verarschen? Theo, sie ist mit Potter zusammen und sieht in dir nur einen Freund, glaub mir."

Theo schüttelte den Kopf und beugte sich wieder vor. „Nein, ist sie nicht mehr, seit Donnerstag nicht mehr! Wir haben uns auch schon geküsst, okay, da war sie noch mit Potter zusammen, aber wer weiß..."

Wieder dieses Grinsen, und dieses Strahlen der Augen, was ich in den letzten Tagen öfters gesehen hatte.

„Wie schön für dich, aber gerade am Donnerstag hab ich sie und Potter in einem Klassenzimmer erwischt."

„Oh. Haben sie...?"

Wo war das Grinsen so plötzlich hin?

„Nein, nein, sie haben nur geredet", sagte ich schnell. Natürlich gingen meine Gedanken auf Wanderschaft. Hatte ich sie beim Schluss machen gestört? Harry war also wieder zu haben?

Aber selbst wenn. Er stand nur auf Mädchen und er hasste mich und er litt bestimmt total unter der Trennung.

Na, dann sollte ich ihn wohl trösten.

Ach nein, ich durfte ja nicht mehr mit ihm reden.

Aber galt das nicht nur für gemeine Sachen?

Potter wollte doch gar nicht von mir getröstet werden. Außerdem, was sollte ich schon sagen? Der Abgrund klaffte mehr denn je zwischen uns.

Ich schüttelte den Kopf und damit all die wirrten Gedanken ab und blickte zu Theo. Der sah mich erwartungsvoll an, als sollte ich ihm Glück wünschen oder ihm gratulieren.

Ich klopfte ihm auf die Schulter. „Dann geh mal weiter lernen, mit deiner Schlammblut- Freundin."

Er nickte und trat weg. Dann kam er jedoch noch einmal wieder. „Ach, Draco... nenn sie doch nicht mehr so, sie ist immer echt beleidigt, für sie gibt es nichts Schlimmeres."

Ich sah ungläubig ihn an. Er hob die Hände. „Schon gut, schon gut. Bin schon weg." Dann ging er endlich in die Bibliothek.

Ich schritt den Gang hinunter und achtete nicht auf die Schüler, die umher standen und redeten oder mir entgegen kamen. Folglich war es nicht verwunderlich, als mich jemand umrempelte.

„Pass doch auf", meckerte ich, aber die Person war schon weiter gegangen. Also wirklich, das zeugte nicht gerade von Respekt. Ich schüttelte den Kopf und ging weiter, schnurstracks in meinen Schlafraum.

„Die sollten mal mehr heizen", begrüßte ich Blaise, der mit Lesebrille und Buch auf dem Bett saß. Er nickte geisterabwesend und ich steckte die Hände in meine Pullitasche, während ich mich auf mein Bett setzte und überlegte, ob ich gefahrlos in meinem Buch lesen konnte. Ich meine, nur Blaise war hier, und der wusste von meinen Neigungen. Aber was, wenn Vince oder Greg hereinkamen? Unwahrscheinlich, ich weiß. Konnten sie überhaupt lesen? Außerdem war der Titel ja nicht sehr groß abgedruckt...

Huch, der Zettel war aber heute morgen noch nicht in meiner Tasche gewesen. Wie kam der da rein?

Als ich ihn entfaltete, war das jedoch eine Frage, die mich nur noch zweitrangig interessierte. Die Nachricht darauf lautete: „Wir müssen reden. Komm heute Abend um Neun zum Pokalzimmer."

Ich warf einen Blick über die Schulter zu Blaise und überflog die Nachricht noch einmal. Und noch einmal.

Mein erster Gedanke war: Potter. Aber warum sollte der mir so was schreiben? Warum sollte er mit mir reden wollen? Es war wohl eher die Hoffnung, die mir diesen Gedanken eingepflanzt hatte.

Andererseits... jeder, der mit mir reden wollte, konnte das ungefragt tun (ob ich ihn ausreden ließ, war eine andere Frage). Nur Potter würde so einen Aufstand darum machen, hatte er nicht schon immer auf große Auftritte gesetzt?

„Blaise, komm mal her", sagte ich.

„Was gibt's denn?"

Ich seufzte. Der Knabe konnte auch nicht hören. Ich ging zu ihm und hielt ihm den Zettel hin, er nahm und las ihn.

„Warum redest du nicht einfach hier und jetzt mit mir?"

Ich riss ihm den Zettel aus der Hand. „Witzig, Zabini. Den hat mir jemand zugesteckt."

„Und wer?" Blaise blickte mich über seine Brille hinweg an. Ich zuckte mit den Schultern und ging zu meinem Bett zurück.

„Du denkst doch an Potter", sagte er.

„Und wenn schon, er war es bestimmt nicht."

„Vielleicht Raven?"

„Kann sein. Aber warum dann im Pokalzimmer?"

„Weil ihr da ungestört seid?"

Ach du je, so hatte ich das noch gar nicht betrachtet. Wenn es wirklich Raven war, säße ich in der Falle, falls er über mich herfallen wollen würde. Aber es half alles nichts, ich wusste, dass ich gehen würde. Egal, wie klein und unbegründet die Hoffnung, dass der Zettel von Potter kam, auch war.

Auf jeden Fall konnte ich nicht still sitzen bleiben, bis es soweit war. Deswegen ging ich Schritt für Schritt die Treppe zum Gemeinschaftsraum hinunter und sah mich um. Warum sollte Harry schon mit mir reden wollen, nein, das war unmöglich.

„Draco, was machst du da?", hörte ich eine altbekannte Stimme fragen. Ich kehrte gedanklich in die Realität zurück und sah Pansy an, die vor mir stand und die Stirn runzelte, an.

„Ich steh hier rum, was dagegen?"

Sie zuckte mit den Schultern und wollte weitergehen, doch ich hielt sie an der Schulter zurück.

„Was ist eigentlich los mit dir?", wollte ich wissen. Ob es wegen Raven war? Der Typ schaffte es ja, alle zu verunsichern. Und was war mit mir los? Seit wann interessierten mich die Probleme anderer Leute, war das Blaise' Einfluss?

Pansy seufzte. „Tja, auch wenn du es nicht glauben wirst, aber ich bin etwas verwirrt."

„Glaube ich dir sofort. Ist es wegen deinen Eltern, die du bald sehen musst?"

Sie schüttelte den Kopf. Ich wunderte mich, was hatte Pansy denn sonst für Probleme? Sie schaute sich um und zog mich in eine Ecke – ein Deja-vu bahnte sich an, aber ihre Worte verhinderten, dass ich wirklich eins bekam.

„Es ist wegen Greg, Draco."

Mir klappte der Mund auf, auch wenn nichts rauskam. Doch das war egal, sie redete sofort weiter.

„Wir waren bis vorkurzem zweieinhalb Wochen zusammen, ich habe Schluss gemacht, weil mir alles so unwirklich erschien."

„Du warst... du und... Greg?"

„Ja, ja. Jetzt guck nicht so, Draco, war doch deine Idee gewesen!" Mit einem Finger schloss sie meinen Mund. Ich kam dadurch ein wenig zur Besinnung. Das konnte doch alles nicht wahr sein.

„Aber das war doch eher... keine Ahnung! Ich wusste eben, dass du nicht darauf eingehen würdest!"

Sie verschränkte die Arme und ihr Blick wurde böse. „Also wolltest du nicht nur das Beste für uns? Weißt du was, Malfoy? Du wirst dich nie ändern!" Mit diesen Worten düste sie in ihren Schlafraum.

Zwar wusste ich, dass sie nicht lange sauer sein würde – ich wettete, schon zu Weinachten bekam ich ihre Entschuldigungseule– doch irgendwie fragte ich mich, warum sie dachte, ich sollte mich ändern. Stimmte etwas nicht mit mir?

Den Rest des Tages verbrachte ich damit, meine Nägel zu säubern, mir die Zähne zu putzen, meine Kleidung glatt zu streichen und mir die Schuhe ordentlich zu schnüren. Ich wusch sogar meinen Amethysten, nachdem ich ihn stundenlang bearbeitet hatte. Doch diesmal wurden meine Nerven dadurch nicht beruhigt.

Angespannt machte ich mich endlich auf den Weg zum Pokalzimmer und sagte es mir immer und immer wieder: Es ist Raven, der dich da erwartet.

Trotzdem dachte ich mehr an Harry und stellte mir vor, wie es wäre, wenn er dort zwischen den Pokalen sitzen würde.

Als ich dann dort ankam und die Tür aufstieß, war noch niemand drin. Ganz toll. Na gut, es war ja auch erst kurz vor neun, trotzdem sollte man mich, wenn man mit mir reden wollte, nicht warten lassen. Das war ungesetzlich und deutete auf einen miesen Charakter hin.

Also doch Raven. Ich seufzte. Denn Harry wäre überpünktlich gewesen, so wie immer.

Drei Minuten nach neun dann ging die Tür auf und ich versteifte mich. Licht fiel von draußen herein, im Zimmer selber war es dunkel. Ich hatte kein Feuer angemacht, doch das holte ich jetzt mit einem Zauberstabschlenker zu den Fackeln hin nach.

„Wow, ich hätte nie gedacht, dass du tatsächlich kommst. Wo du doch so abweisend warst und alles", sagte Raven.

Diese Stimme, dieses Gesicht, dieser Junge! Von nun an stand fest, dass ich ihn für immer und ewig hassen würde! Sicher war ich darauf vorbereitet gewesen, doch es war trotzdem enttäuschend, ihn zu sehen. Warum war es nicht Harry? Womit hatte ich nur verdient, dass er mir so sehr die kalte Schultern zeigte?

„Worüber willst du reden?", fragte ich in meinem eisigsten Ton und mit der Absicht, dies so schnell wie möglich hinter mich zu bringen.

„Tu nicht so, als erinnerst du dich nicht", war die ebenso eisige Antwort. Warum war er hier, was sollte das Ganze? Ich verschränkte meine Arme und wartete ab. Raven kam ein paar Schritte ins Zimmer hinein und blieb dann verunsichert stehen.

„Also... ähm... sicher fragst du dich, warum ich dich geküsst habe?"

„Darauf kannst du wetten."

„Die Sache ist die. Pansy hat... angedeutet, dass du Jungs magst."

„Du hast ihr also geglaubt."

„Na und? Sie war immerhin sehr lange deine Freundin!"

„Weiter", forderte ich ihn auf. Er holte tief Luft und wechselte das Standbein. Außerdem spielte er mit seinen Daumen herum.

„Und ich... auf gewisse Weise auch."

„Wie meinst du das? Du hattest schon dreizehntausend Freundinnen, Raven."

Er wurde rot und blickte mich wütend an. „Na und! Mädchen mag ich auch, was ist schon dabei, wenn man sich nicht entscheiden kann? Ein bisschen bi schadet nie!"

Ich lachte auf. Aber nur kurz, denn ich sah das Ende dieser Konversation schon zum Greifen nahe.

„Okay, gut zu wissen, Raven! Wenn du mich jetzt entschuldigen würdest!"

„Warte, Malfoy! Was ist jetzt mit dir?"

Ich stoppte mich in der Bewegung, zur Tür zu gehen. „Du kannst froh sein, dass ich dich nicht verhext habe! Außerdem hast du Zabinis Freundin flachgelegt, du Schleimbeutel."

Er sah überhaupt nicht schuldbewusst aus. „Habe ich nicht! Ich habe ihr nie falsche Hoffnungen gemacht!"

Nein, natürlich nicht. Raven doch nicht! Ich lachte auf. Der Kerl war echt witzig. Zu schade nur, dass er der größte Arsch der Welt war. Ja, sogar neben Harry.

„Raven, vergiss es! Erstens glaube ich dir kein Bisschen, dass du Interesse an mir hast. Zweitens würde ich dich auch dann nicht wollen, wenn du der letzte Zauberer auf dieser Erde wärst. Ich würde sogar einen Muggel vorziehen, und das will was heißen. Und drittens: so mies, wie du hier alle behandelst, kannst du nicht erwarten, jemals auch nur mein Freund zu werden."

Ich ging endgültig heraus, wobei ich mich nebenbei bemerkt fragte, was das Ganze sollte. Warum hatte Harry mir nicht geschrieben, verdammt?

Apropos Harry. Seufz. Morgen war der letzte Tag für zwei Wochen, an dem ich ihn sehen würde. Über Weihnachten musste ich ihn vergessen. Das würde schwer werden, denn außer meiner Mutter und mir würde niemand sonst in Malfoy Manor sein. Vielleicht sollte ich über die Feiertage jemanden einladen. Fragte sich nur, wen, denn alle hatten ihre eigenen Familien. Und ich war sicher, Potter würde ablehnen. Nicht, dass ich ihn überhaupt erst fragen wollte.

Ich bog um eine Ecke und stutzte. War ich noch auf dem richtigen Weg zum Kerker? Kam mir hier alles so unbekannt vor. Vielleicht lag das an der Dunkelheit? Aber warum waren hier denn keine Fackeln an, das war nicht normal.

Ich beschloss, umzudrehen. Gedacht, getan. Ich stolperte durch das Dunkel, immer Ausschau nach Licht haltend. Das wenige, das durch die Fenster vom Mond hereinschien, trug nicht unbedingt dazu bei, dass ich viel sehen konnte.

Also, so viel war ich auf dem Hinweg aber nicht im Dunkeln gelaufen, ganz sicher. Als sich dann eine Hand in meinen Arm grub und mich in einen Seitengang, der nicht vom Mond beschienen wurde, zog, wusste ich, dass eindeutig etwas falsch lief. Eine Hand wurde auf meinen Mund gepresst.

„Wo ist der Edelstein, Junge?", flüsterte eine raue Stimme. Ich zuckte mit den Schultern, obwohl Panik in mir aufstieg. Er meinte doch nicht meinen Amethysten, oder? Niemand wusste davon. Nun, fast niemand.

Ich erkannte meinen Angreifer nicht, aber von der Statur her war er ein ausgewachsener Mann. Ich fing an, mich nach Kräften zu wehren und herumzuzappeln. Er hielt mich fest, ich verstärkte meine Gegenwehr und dann sah ich, wie er eine Hand erhob. Einen Moment später wurde mir schwarz vor Augen.


Vielen Dank an: SweetVanilla, gugi28, Juliet, Amunet, Alraune, catha, Morne, Veeleria Malfoy, Justine-chan und natürlich LittleWhisper, meine Beta (hör mal, das ist keine Fanliste, du Witzbold, sondern eine Dankesliste! Fand ich aber gut mit dem emotionalen betan... lol was für ein Wort!)