Ihr Lieben,

ihr habt ein bisschen länger warten müssen diesmal, (nicht zuletzt, weil ich zwei Tage auf meinem Update saß, weil die Seite down war), aber dieses Kapitel war komplex und ziemlich schwere Arbeit und ist schließlich doch befriedigend lang geworden. Wir werden ein paar Knalleffekte erleben und einige Fragen beantwortet bekommen, hoffentlich zu Eurer Zufriedenheit.

Ein Kapitel kommt noch in den nächsten Wochen, dann ist diese Geschichte abgeschlossen und ich kann mich einer neuen Idee zuwenden, die sich in meinen Hirnwindungen eingenistet hat.

Wer sich das im Laufe des Kapitels erwähnte Artefakt mal ansehen will (die transfigurierte Kopie, soll das heißen), kann das unter weh-weh-weh-punkt-gnm-punkt-de-Slash-Sammlungen-Slash-Sammlung-Underslash-Waffen-Underslash-H8-Punkt-htm tun. Ein Blick lohnt sich. Tut mir leid, dass ich den Link so verschränkt formulieren muss, aber er wird sonst vom Layout „gefressen". Slash ist der Schrägstrich, Underslash ist der tief gesetzte Bindestrich. Mailt mich auch gerne an, falls der Link unklar ist.

Ich bedanke mich bei allen, die das letzte Kapitel so lieb reviewt haben, und entschuldige mich für meine verspäteten Antworten.

Außerdem entschuldige ich mich für das doppelte Gummihuhn. Nein, es gibt keine Gummihuhn-Verschwörung, aber das wäre doch mal ein cooler Titel für eine Geschichte.

Soundtrack: Mal wieder hat mir die Musik von „Pirates of the Caribbean" gute Dienste geleistet, zusammen mit dem Soundtrack von „Chamber of Secrets" (Danke Dani!), und sehr passend ist diesmal auch bisschen was älteres: ich empfehle B.B. King: Better not look down.

Disclaimer: Der fabelhafte Wolf und der zuckersüße Hund gehören mir leider immer noch nicht, und der eklige Voldemort glücklicher Weise ebenso wenig.

Also, halten wir's mit Padfoot (entliehen von B.B. King): „Better not look down, if you want to keep on flying… you can keep it moving if you don't look down!", und geben wir Gas!

oooOOOooo

Sieben: Falken im Sturzflug, ein Wolf auf der Jagd, Dunkle Magie, wo man sie am wenigsten vermutet, heiße Typen und ihre Schattenseiten, ein gegrillter Hund und sehr viel kursiv Gesetztes

Zentaurea. Was für ein Name, und was für eine Frau. Eine Alpha-Wölfin, wenn die Welt je eine gesehen hat. Eine schmale Person mit strengem, haselnussbraunem Dutt und kornblumenblauen Augen, denen ich zutraue, rasch und analytisch den Grund meiner Seele zu katalogisieren, ehe ich auch nur „Hallo" und meinen Namen gesagt habe.

Zeit für Höflichkeit hat sie nicht, und dem Grunde nach hat sie damit Recht (ich stutze trotzdem; die Begrüßungsformel „Der Hund bleibt draußen" ist mir nicht geläufig). Der Geschäftsmann mit der Straßenkarte hat sich als Falke entpuppt und die schwarze Limousine als innenraumvergrößert, was sie auch dringend sein muss, denn mindestens ein Dutzend Falken drängen sich darin. Die Damen vom Kaffeekränzchen sind vollzählig versammelt, und zwischen zwei jungen Männern in Trainingsanzügen sitzt Leo und fingert nervös an dem Blumensträußchen, das ob des eigentlich feierlichen Anlasses sein Revers ziert.

Der Hund durfte natürlich trotzdem mit rein, nachdem er als Teammitglied deklariert wurde, und hat einen komfortablen Platz für seinen Kopf gefunden (auf Angelinas Knie, die, im Bewusstsein der eigentlichen Natur des Hundes, heftig errötet und zaghaft die seidenweichen Ohren streichelt), und schließlich hat auch Severus seinen gemurmelten Monolog über die Unmöglichkeit dieser Arbeitsbedingungen beendet (er hat es ein wenig eng an der Tür) und wir können uns endlich über den Stand der Dinge informieren.

„Sind endlich alle da?" sagt Zentaurea. „Sehr gut. Sprechen alle deutsch?"

„Der Hund nicht" sagt Emilia.

„Ist das eine Art von britischem Humor, die du adoptiert hast?" sagt Zentaurea. „Wir haben keine Zeit dafür."

„Aber" sagt Emilia.

„Ist egal" sage ich. „Ich übersetze, was er wissen muss."

Padfoot schnauft und schielt zu mir hinüber. Mir ist klar, dass ich ihm in Interesse aller Beteiligten von komplexen Zusammenhängen verschonen werde.

„Schön" sagt Zentaurea. „Die Lage ist folgende. Antonia befindet sich in der Hand der Prätorianer. Die Information, dass sie sich hier im Verbindungshaus befindet, ist mit hoher Wahrscheinlichkeit richtig, denn sie haben das Haus verrammelt und mit Schutzzaubern belegt, und sie haben außerdem Wachtposten auf der Straße vor dem Haus eingerichtet."

„Dieser Ausdruck des blinden Vertrauens in meine Fähigkeiten rührt mich zu Tränen" sagt Severus.

„Sie sind der Legilimens?" sagt Zentaurea. „Gut zu wissen. Für Sie werden wir sicher noch Verwendung haben."

„Ich glaube nicht" sagt Severus und öffnet die Autotür. „Der Grad meiner Kooperationsbereitschaft ist sehr abhängig von den Umgangsformen, die man mir entgegen bringt."

Ich erlaube mir für eine Sekunde, die Augen zu schließen. Ausatmen, Schultern fallen lassen. Und lächeln. (Los doch. Lächeln.)

„Gibt es schon ein Plan?" frage ich, während Emilia sich in Severus' Ärmel verkrallt und beschwörend auf ihn einredet.

„Sie wissen, dass wir vor Ort sind" sagt Zentaurea. „Wir müssen uns nicht verstecken. Lediglich unsere Anzahl und unsere Möglichkeiten müssen wir geheim halten. Wir schicken einen Unterhändler, um zu erfahren, was sie überhaupt bezwecken. Ich nehme an, es wird eine Forderung geben."

„Die wir natürlich keinesfalls erfüllen werden" sagt Sabine Schwarz. „Wir sind nicht erpressbar."

„Sind wir schon" sagt Leo. „Ich will kein Risiko für Antonia!"

„Dann hättest du sie nicht mit uns bekannt machen dürfen" sagt Sabine trocken.

„Wir brauchen die Forderung, um Zeit zu gewinnen" sagt Zentaurea. „Und um zu wissen, was sie im Schilde führen. Selbstverständlich werden wir sie nicht erfüllen – höchstens zum Schein. Die meisten Erpressungen scheitern an der Geldübergabe. Unser Vorteil ist, dass wir mit den Engländern ein paar Joker haben, über deren Fähigkeiten sie nicht Bescheid wissen."

„Sie wissen wahrscheinlich, dass einer unter uns ein Legilimens ist" sage ich. „Und den Animagus haben sie gesehen."

„Ich glaube nicht" sagt Rhea. „Sie haben ihn erst bemerkt, als er sie anfiel. Ich denke nicht, dass sie seine Verwandlung gesehen haben."

„Ein Animagus" sagt Zentaurea und betrachtet Padfoot interessiert, der winselt und sich zwischen Angelinas Knie duckt. „Er geht ziemlich auf in seiner Tiergestalt, würde ich sagen."

„Das ist ein andere Problem" sage ich.

„Ja" sagt sie. „Im Idealfall habt ihr alle noch ein bisschen mehr drauf als nur das Offensichtliche. Immerhin seid ihr die Speerspitze der englischen Widerstandsbewegung, oder nicht?"

„Wir tun, was wir können" sage ich und denke, dass wir mehr könnten, wenn wir mehr Personal vom Falkenschlag hätten.

„Dann sollten wir jetzt gehen und die Forderung einholen" schlägt Doktor Claudia vor. „Wer geht?"

„Ich" sagen Emilia und Leo gleichzeitig.

„Du nicht" sage ich zu ihr. „Sie denken, du wärest noch im HiFi-Keller eingesperrt, und das soll auch so bleiben."

„Du willst ja bloß wieder irgend ein Risiko von mir fern halten" sagt sie.

„Das auch" sage ich, und sie seufzt.

„Also Leo" sagt Zentaurea.

„Wir haben einen Tarnumhang" sage ich. „Eine Person könnte ihn unsichtbar begleiten, um Informationen zu sammeln."

„Der Legilimens?" sagt Zentaurea.

„Sie könnten meinen Namen benutzen, wenn Sie sich die Mühe gemacht hätten, sich dafür zu interessieren" sagt Severus säuerlich. „Und nein. Es ist unwahrscheinlich, dass ich nahe genug an einen der Entführer heran komme, um ein verwertbares Ergebnis zu erzielen."

„Wie nah müssen Sie denn heran?"

„Schritte" sagt Severus. „Legilimantik ist keine Wunderwaffe, wissen Sie."

„Ich gehe" sage ich. „Ich verstehe etwas von Abwehrzaubern. Ich kann etwas über ihr Sicherheitssystem heraus finden, während die Verhandlung läuft."

„Also, dann los" sagt Zentaurea. „Ihr anderen, auf Position, wie besprochen. Bleibt in Kontakt. Hat jeder sein Gerät?"

Zu seinem Missfallen muss Padfoot seinen Kopf verrücken, als Angelina sich verrenkt, um in der Enge der Rückbank etwas aus der Gesäßtasche ihrer Jeans zu fischen.

„Ja" sagt sie und hält das kleine Mobiltelefon hoch. „Gehen wir, Mädels."

Emilia beugt sich über Severus hinweg und klopft gegen die Fensterscheibe. Es dauert eine kleine Weile, dann öffnet sich die Tür von draußen.

„Luft ist rein" sagt der Geschäftsmann, woraufhin lebhaftes Über-Beine-Klettern, Beiseiterücken und Platzmachen seinen Lauf nimmt, bis die richtigen Personen ausgestiegen und die richtigen sitzen geblieben sind (Zentaurea, Severus, Emilia und einer der Trainingsanzugträger). Padfoot winselt und dreht sich um sich selbst, springt dann hinter mir aus dem Auto und drängt sich gegen meine Beine.

„Spezialauftrag für dich" sage ich ihm, und er fixiert mich mit himmelblauen Augen und wedelt hoffnungsvoll.

„Emilia beschützen" sage ich ihm, und das Wedeln wird matter. „Geh ihr nicht von der Seite. Lass nicht zu, dass sie eine Dummheit macht. Keine spontanen Rettungsversuche oder dergleichen. Kleb an ihr wie ein Schatten, verstanden?"

„Ich höre dich, Remus Lupin" sagt sie von innen. „Jedes einzelne Wort."

„Prima" sage ich und nehme James' Mantel von Severus entgegen. „Dann weißt du ja gleich, was geschlagen hat."

Sie beugt sich nach vorne und wirft mir einen Blick zu, der sich nicht zwischen Entrüstung und Belustigung entscheiden kann.

„Fertig?" sagt Leo neben mir und zieht nervös sein Jackett gerade.

Ich schlüpfe unter den Mantel und lege mir die Kapuze über.

„Fertig" sage ich.

Das Haus liegt friedlich, von der Sonne beschienen und von alten Bäumen umstanden, an der Straße. Es gibt eine Gartenpforte mit hellen Sandsteinpfosten, einem Klingelknopf und einem polierten Messingschild, das in der Sonne blitzt: „Praetoria" steht darauf in verschlungenen Lettern, darunter: „Pro patriam, pro gloriam, pro libertatem" und eine Zahl, 1887, womöglich das Gründungsjahr. Ich sehe, wie Leo zögert und die Finger um seinen Zauberstab schließt, den er griffbereit im Ärmel hat. Dann streckt er den Finger aus und klingelt.

Ich atme durch, konzentriere mich und nehme Witterung auf. Seit ich stablose Magie praktiziere, habe ich ein gewisses Gespür für die arkanen Ströme entwickelt und wie sie verwirbeln, wenn jemand Magie wirkt. Es ist letztlich nichts anderes, als einen vorbei strömenden Fluss zu betrachten. Dieser hier fließt ruhig und verwirbelt erst in der Nähe der Hauswand. Ich wirke einen raschen Detectis und lasse mir das Ergebnis bestätigen: Pforte und Gartenweg sind nicht gesichert. Vermutlich ist ihnen das Risiko zu hoch, Aufsehen zu erregen, indem sie versehentlich den Postboten petrifizieren.

Dann bewegt sich ein Vorhang im ersten Stock und eine Person erscheint am Fenster. Leo bleibt stehen und richtet die Schultern gerade. Bewegung entsteht an einigen weiteren Fenstern, und dann zuckt Leo zusammen, als die Gegensprechanlage an der Gartenpforte knackt.

„Was wollen Sie?" fragt eine kurz angebundene männliche Stimme.

„Ähm" sagt Leo und beugt sich zögernd zu der geschlitzten Metallplatte. „Ich bin der offizielle Unterhändler. Ich nehme an, Sie wollen eine Forderung stellen."

„Warten Sie" sagt die Stimme, und die Gegensprechanlage schaltet sich knackend ab.

Wir warten. Ich denke daran, über die Pforte zu klettern und mich zwischenzeitlich auf dem Grundstück umzusehen, aber dann fällt mir James ein und wie er bei einer ähnlichen Aktion mit dem Mantel hängen blieb und der interessierten Öffentlichkeit ein paar Turnschuhe präsentierte mit Beinen daran, die im Nichts endeten, und beschließe, die Minute Wartezeit in unsere Sicherheit zu investieren und mich zu gedulden.

Es dauert nicht lange, aber ich kann Leo ansehen, dass er es als Ewigkeit empfindet, bis die Gegensprechanlage wieder knackt.

„Nehmen Sie ihren Stab und werfen Sie ihn in den Briefkasten" ergeht die Anweisung. „Versuchen Sie keine Tricks."

„Okay" sagt Leo und gehorcht zögernd. Die Klappe des Briefkastens quietscht, und wir hören beide, wie der Stab gegen die blecherne Innenseite des Briefkastens klappert.

„Hab ich" meldet Leo.

„Gut" sagt die Stimme. „Dann gehen Sie durch die Pforte, und zwar exakt bis zum Fahnenmast. Ein Schritt weiter, und Sie werden verkohlt."

„Das ist ein Bluff" flüstere ich an seinem Ohr. „Keine Sicherungszauber bis zur Fassade."

Leo lässt sich nichts anmerken. Er öffnet die Pforte und lässt sie hinter sich offen, damit ich hindurch schlüpfen kann. Er geht auf dem gepflasterten Gartenweg bis zur beschriebenen Stelle und bleibt stehen. Ich wage mich ein wenig näher, aber nicht auf den sorgsam kurz geschnittenen Rasen, denn ein aufmerksamer Beobachter könnte das Abknicken der Halme unter meinen Füßen bemerken. Ich will versuchen, einen Blick durch die unteren Fenster zu werfen, vielleicht gibt es einen Spalt im Vorhang, eine Ritze im Fensterladen, als die Haustür sich öffnet und ein großer, blonder Mann in königsblauer Robe auf die Schwelle tritt.

„Du" sagt Leo fassungslos.

Und auch ich kenne das Gesicht, das kräftige Kinn, den sorgsamen Haarschnitt, die schönen geschwungenen Lippen und die dunklen Augen, die einen interessanten Kontrast zu dem blonden Schopf darstellen. Es gibt ein Bild, eines der wenigen, das Emilias Rachefeldzug an der unbelebten Materie heil überstanden hat, sie hat es mir vor ein paar Monaten gezeigt: er hält sie im Arm, sehr fürsorglich, und sie lachen gemeinsam über etwas, das der Fotograf sagt. Ein glückliches Bild, ein schönes Paar. Selten habe ich mich abgerissener und schäbiger gefühlt als bei diesem Anblick. Außer vielleicht gerade jetzt, da mir ein prominentes Stück von Emilias Vergangenheit persönlich gegenüber tritt, die Arme vor der Brust verschränkt und kühl lächelt.

„Die Welt ist ein Dorf" sagt er. „Was führt dich hierher, mein Freund?"

„Du weißt, was" sagt Leo, er hat sich wieder gefasst und klingt nicht über die Maßen unfreundlich. „Ich will eure Forderung hören."

„Forderung?" sagt der Königsblaue und zieht in gespieltem Erstaunen die Augenbrauen hoch. Ich gebe mir einen mentalen Tritt und zwinge mich, mehr wahrzunehmen als nur die beeindruckende Gestalt im Türrahmen, wenn gleich es viel mehr nicht zu sehen gibt. Hinter ihm befindet sich ein kleiner, nichtssagender Windfang mit Fußabstreifer, Schirmständer und Garderobenhaken. Die Tür zum weiteren Innern des Hauses hat er hinter sich geschlossen, vermutlich, um neugierige Blicke draußen zu halten. Zu dumm, wenn man es mit Profis zu tun hat.

„Vergessen wir die Spielchen" sagt Leo. „Ihr habt meine Frau entführt, mitten aus der Hochzeitsgesellschaft. Und obwohl wir diese Methoden für verachtenswert halten, sind wir bereit, die Forderung anzuhören, die ihr zweifellos an uns stellen wollt. Und ihre Erfüllung in Betracht zu ziehen, allerdings nur, wenn ihr mir beweisen könnt, dass es Antonia gut geht."

„So" sagt der Königsblaue. „Dir ist also deine Braut abhanden gekommen. Wer sagt dir, dass wir sie haben?"

„Es war knapp" sagt Leo. „Wir waren euch auf den Fersen. Wir haben ein paar Gesichter gesehen."

„Warum kommt eure Chefin nicht selbst?" fragt er. „Ist ihr das Leben der süßen Antonia nicht wertvoll genug?"

„Ich bin gekommen" sagt Leo, der mit souveräner Ruhe seine Stellung verteidigt. „Ich bin ihr Ehemann."

„Tja" sagt der Königsblaue und mustert den Unterhändler mit gut einstudierter, nachlässiger Überlegenheit. „Die Ligusterfrauen haben durchaus ihren Reiz, nicht wahr?"

Ein Knurren steigt die Kehle des Wolfes hinauf. Ich lege mir die Hand über den Mund, um jeden Ton zu ersticken, und versuche, durch eines der Erdgeschossfenster etwas zu erkennen. Der Vorhang auf der anderen Seite der Scheibe bewegt sich leise, eine Stabspitze teilt die Falten, dahinter sehe ich Bewegung, aber nicht mehr.

„Also" sagt Leo. „Was ist eure Forderung?"

„Wem wirst du sie denn ausrichten?" fragt der Königsblaue. „Oder bist du mittlerweile weit genug aufgestiegen in eurer Hackordnung, um selbst etwas entscheiden zu können?"

„Das lass meine Sorge sein" sagt Leo. „Die Forderung, bitte."

„Also gut" sagt der Königsblaue. „Im Namen des Praetors, richte Zentaurea folgendes aus: Wir sind bereit, Antonia einzutauschen, gegen etwas, das sich ohnehin rechtmäßig in unserem Besitz befinden sollte, nicht in eurem. Das Stundenglas."

Es entsteht eine Pause. Ich sehe über die Schulter zu Leo. Er steht an seinem Fahnenmast und ist ein ganzes Stück blasser als soeben noch.

„Problem damit?" fragt der Königsblaue freundlich.

„Ich werde es ausrichten" sagt Leo, und sogar seine Stimme klingt blass. „Jetzt zeigt mir Antonia, damit ich weiß, dass sie am Leben ist."

„Ich schätze, das ist fair" sagt der Königsblaue. „Allein schon, um einen Anreiz zu schaffen."

Er verschwindet aus meinem Blickfeld ins Innere des Hauses. Ich höre eine Tür klappen und Stimmen. Dann sehe ich, wie Leo einige Schritte rückwärts macht und den Blick hebt. Ich würde gerne sehen, was er sieht, aber ich bin nicht zur Befriedigung meiner persönlichen Neugier hier. Dicht am Haus entlang führt ein gepflasterter Weg in den hinteren Teil des Gartens, und ich halte James' Mantel eng um mich und folge dem Weg in den hinteren Teil des Gartens.

Es ist ein Garten, der mir gefallen könnte, wäre ich unter anderen Umständen hier: Rosenbeete, jahreszeitgemäß noch kahl, alte Obstbäume, die niedrigen Zweige sorgsam mit Pfählen gestützt, ein Holzschuppen mit einer Bank davor, und seitlich der Hauslinie folgend etwas, das wahrscheinlich im Sommer ein Gemüsegarten ist. Jemand hat sich sichtlich Mühe mit der Pflege dieses Gartens gegeben, und für einen Augenblick bekämpfe ich das innere Bild eines Todessers in wallender Robe und weißer Maske, der sich zum Unkrautjäten bückt. Ich biege um die Ecke und sehe mir die hintere Fassade an. Auch hier sind die Fenster verrammelt. Ein Weg führt von der anderen Seite ums Haus herum und endet an drei Treppenstufen, die zu einer Hintertür hinauf führen. Ich spüre die Sicherungszauber, die auf ihr liegen, und dann spüre ich noch etwas anderes, eine arkane Präsenz, gut versteckt im Magiefluss der Sicherungszauber, aber nicht gut genug. Der Wolf stellt die Nackenhaare auf. Es fühlt sich an wie ein Patronus, nur… unerfreulich. Ein Wächter?

Ich bleibe stehen. Der Wolf will nicht näher, und ich teile seine Vorsicht. Ich nehme mir einen Augenblick, um mich wirklich tief zu konzentrieren. Ich will keinen Zauber wagen, ich bin zu nah, jemand im Inneren könnte aufmerksam werden, falls auf dergleichen geachtet wird.

Ich versuche, in den arkanen Fluss zu steigen, ohne die Ströme zu verwirbeln. Ich gleite hinein und lasse mich treiben wie ein Stück altes Holz, ganz passiv, kaum ein Plätschern verursachend, und tatsächlich ringelt und windet es sich auf der Hintertreppe, eine wachsame Präsenz, entstanden aus arkaner Energie wie ein Patronus, nur nicht sichtbar für das stoffliche Auge. Eine Wächterschlange. Dem Wolf stellen sich die Nackenhaare auf. Ich ziehe mich zurück, vorsichtig, erst auf der arkanen, dann auf der stofflichen Ebene, und umrunde das Haus, ehe ich aufatme.

Fünf Minuten später bin ich wieder in der schwarzen Limousine, James' Mantel zusammengeballt im Schoß und schwer bedrängt von Padfoot, der mich, unbeeindruckt von der relativen Enge im Auto, euphorisch anspringt und versucht, mein Gesicht abzulecken. Leo ist schon eingetroffen und immer noch sehr blass. Der Geschäftsfalke mit der Straßenkarte (ein Falk-Plan, kalauert eine höchst unpassende Stimme in meinem Kopf, die sich verräterisch nach Sirius anhört) hat sich hinter das Steuer gesetzt und fährt los, sobald ich die Tür hinter mir zu gezogen habe.

Wir fahren langsam einmal um den Block, während ich befragt werde.

„Ich denke, sie haben nicht genügend Leute, um zu sichern alle Schwachstellen von das Haus und dann noch zu bewachen ein Gefangene" schließe ich meinen mageren Bericht an Padfoots glücklichem Hundegesicht vorbei, das mein Sichtfeld füllt. „Eine Wächterschlange ist ein kompetente Schutzzauber, aber es ersetzt nicht ein menschliche Wächter, der kann immer handeln intelligent und sich anpassen."

„Können Sie eine Wächterschlange neutralisieren?" fragt Zentaurea.

„Aus!" sage ich. „Padfoot! Runter da, verdammt, und Schluss jetzt!"

Padfoot jault in ungebrochener Begeisterung, steigt mir mit seinen dicken Pfoten auf den Brustkorb und vergräbt die feuchte Nase zwischen meinem Hals und Hemdkragen.

„Und so gut erzogen" sagt Emilia und rollt die Augen.

„Erschießen" sagt Severus.

„Er soll aufhören, oder ich schmeiß ihn raus" sagt Zentaurea ungerührt. „Ich habe keine Zeit für einen durchgeknallten Animagus, der ausgerechnet jetzt seine Profilneurose ausleben muss."

Ich finde, sie trifft den Nagel ganz gut auf den Kopf, und auf Padfoot macht sie zumindest so viel Eindruck, dass er ein tiefes Hundeseufzen ausstößt und sich zwischen meinen Knien niederlässt (in Ermangelung von Angelinas Knien, wie ich glaube, denn die ist patrouillieren).

„Beantworten Sie bitte meine Frage" sagt Zentaurea.

„Ja" sage ich. „Problemlos, ziemlich wahrscheinlich."

„Gut" sagt sie, „denn wir werden stürmen müssen."

Ich bekomme das Gefühl, etwas verpasst zu haben.

„Ich schließe daraus, das Stundenglas ist keine Option?" mache ich meinen Informationsrückstand deutlich.

„Korrekt" sagt Zentaurea düster. Ich warte eine Weile. Der Geschäftsmann bremst, um jemanden über die Straße zu lassen. Das Schweigen dehnt sich. Padfoot schnauft.

„Vielleicht es ist eine menschliche Schwäche" sage ich vorsichtig, „aber ich bin wirklich neugierig."

Emilia seufzt. „Die Lage ist noch ein bisschen ernster als angenommen" sagt sie. „Weißt du, was ein Horcrux ist?"

Ich frage mich, ob wirklich gerade dieses Wort gefallen ist, aber die Chance, dass es im Deutschen etwas zum Verwechseln ähnlich klingendes gibt, ist nicht sehr hoch.

„Was?" sage ich, ziemlich fassungslos.

„Ein Horcrux ist ein Artefakt, das mit ziemlich Schwarzer Magie hergestellt wird und in der Lage ist, die Essenz einer menschlichen Seele aufzunehmen" sagt Emilia. „Der Zauberer, der einen hat, ist quasi unsterblich, bis der Horcrux vernichtet ist."

„Ich weiß, was ein Horcrux ist" sage ich. „Ich kann es nur nicht glauben."

„Tut mir leid" sagt sie. „Ich wusste es nicht, bis vor fünf Minuten."

In meinem Kopf reihen sich mit irrsinniger Geschwindigkeit Gedanken aneinander und führen, zwingend wie eine Lokomotive, die nicht von ihren Schienen kann, zu einem erschreckenden Ergebnis.

„Sag nicht, das Stundenglas ist ein Horcrux" sage ich. Vielleicht habe ich mich ja verrechnet.

„Wir können es nicht mit letzter Sicherheit sagen, aber es ist ziemlich wahrscheinlich" sagt Emilia geknickt.

„Und jetzt" sage ich, „sag mir, ich irre mich, wenn ich denke an ein bestimmte Hersteller."

„An wen denkst du denn?" sagt Emilia.

„Worst case?" sage ich.

„Yes" sagt sie. „Worst case."

„Hast du dich nie gefragt, warum er in der fraglichen Nacht nicht ums Leben kam?" sagt Severus fast sanft. „Er hätte tot sein müssen. Es ist ein Avada Kedavra auf ihn zurück geschlagen. Fast ein Wunder, dass bisher niemand diese Möglichkeit in Betracht gezogen hat."

„Oh, Merlin" sage ich.

„Bitte keine Weltkriegs-Szenarios" sagt Zentaurea. „Denken wir kleinräumig. Wir haben das Stundenglas, und wir können es ihnen nicht überlassen. Wir müssen also die Festung stürmen und die Prinzessin befreien."

„Gleich" sage ich. „Ich habe noch eine Frage. Wie kommt ein Organisation wie dieses in Besitz von eine solche Artefakt?"

„Sie meinen, wie kommt eine provinzielle Feld-Wald-und-Wiesen-Resistance an eine grundlegende Stütze Voldemorts?" sagt Zentaurea mit humorlosem Lachen. „Tja, man weiß eben nie, auf wen das Leben sein Scheinwerferlicht legt. In diesem Fall, auf einen Falken, der in den Reihen der Prätorianer einen so gefährlichen wie wertvollen Job als Informant erledigt."

„Eine weise Maßnahme" wirft Severus ein, seine Augen glitzern.

„Ja" sagt Zentaurea. „Unser Informant wurde Zeuge einer Unterredung, die der Prätor – sozusagen Voldemorts deutscher Statthalter – mit dem Führer der hiesigen Prätorianer hatte. Es ging dabei um ein Artefakt von enormer Bedeutung, das an seinem bisherigen Aufbewahrungsort nicht mehr länger sicher sei und deswegen von dort geholt und anderweitig verwahrt werden müsse. Es hatte die letzten zehn oder fünfzehn Jahre als Ausstellungsstück in einem Muggelmuseum verbracht."

„Genial in seiner Einfachheit" sagt Severus. „So im Zentrum der Aufmerksamkeit, dass keinem Zauberer einfiele, gerade dort danach zu suchen, und hinreichend gut gesichert durch Muggeltechnik."

„Unterbrechen Sie mich nicht ständig" sagt Zentaurea unwirsch. „Das Artefakt – das Stundenglas – sollte nun als Leihgabe an eine Wanderausstellung gehen. Der Prätor wollte offenbar das Risiko der veränderten Umstände und möglicherweise schlechteren Sicherheitsvorkehrungen nicht eingehen und befahl, das Stundenglas sicher zu stellen. Nur dass wir schneller waren. Wir stahlen das Artefakt und hinterließen eine sehr gute transfigurierte Fälschung. Sehr gut, um Muggel zu täuschen, muss ich hinzu fügen, denn den Prätorianern fiel der Zauber natürlich sofort auf, und sie hatten wohl gleich eine Idee, wer ihnen da zuvor gekommen sein könnte. Zu diesem Zeitpunkt hatten wir übrigens keine Ahnung, womit wir es zu tun hatten. Das dämmerte uns erst, als wir uns näher damit befassten."

„Und wo ist es jetzt?" frage ich.

„Das wissen wir nicht" sagt Zentaurea.

„Pardon me?" sage ich.

„Das ist ja gerade das Verteufelte" sagt Leo niedergeschlagen. „Wir haben den Ort mit einem Fidelius-Zauber gesichert. Keiner weiß, wo das Stundenglas sich befindet, außer dem Geheimniswahrer. Und rate, wer das ist."

„Wer?" sage ich, während meine Gedanken schon wieder anfangen, sich zu überschlagen (sie überschlagen sich doppelspurig: die einen versuchen, zu erfassen, was die Existenz eines Horcrux für den weiteren Verlauf unseres Widerstandes zu bedeuten hätte, während die anderen sich fragen, ob eigentlich jemals etwas Gutes aus der Anwendung des verfluchten Fidelius entstanden ist; ein mentaler Salto Mortale, sozusagen).

„Antonia" sagt er. „Sie war eine perfekte Wahl. Sie ist eine Muggel, sie stand nie im Rampenlicht der Falconia. Sie hat eigentlich mit der ganzen Sache nichts zu tun. Nach außen. Und sie ist mental blind. Es gibt keinen Zauber, mit dem man ihre Gedanken lesen kann."

„Eine Art geborene Okklumantin" fügt Severus hinzu. „Eine seltene Gabe."

„Das heißt, die Prätorianer haben das einzige Schlüssel für das Horcrux, und wissen es nicht" sage ich. „Sie wissen es nicht, oder? Doch. Warte. Natürlich wissen sie es."

„Was? Warum wissen sie es?" fragt Emilia blass.

„Weil sie sonst dich genommen hätten, anstelle zu sperren dich in ein Keller" sage ich. „Sie wollten aber Antonia, explizit."

„Heilige Maria und ihre komischen Heiligen" sagt Emilia. „Aber woher…?"

„Sie sollten Ihre Gesinnungsgenossen auf ein Informationsleck überprüfen" sagt Severus mit kaum dem Anflug eines Lächelns. „Ein unsauberes Leck, denn offensichtlich wissen sie nichts über die mentale Verfassung der Geisel."

„Sie sah nicht aus, als hätte man versucht, gewaltsam in ihren Geist einzudringen" sagt Leo. „Sie war wohlauf, als ich sie am Fenster sah. Und sehr wütend."

„Wütend ist gut" sagt Emilia finster.

„Sie haben wenig Ahnung von der mentalen Verfassung Ihrer Angetrauten, nicht wahr?" sagt Severus. „Das einzige, wovor sie wirklich keine Angst haben muss, sind mentale Übergriffe."

„Schnappen wir uns einen von ihnen und holen wir uns die Antworten" sagt Zentaurea. „Wozu warten. Wir stürmen."

Sie zieht ein kleines Mobiltelefon aus ihrer Tasche und tippt es mit ihrem Zauberstab an, bevor sie es sich ans Ohr hält.

„Falken" sagt sie, „Sturzflug drei in T minus fünf. Sabine, du gehst mit nach vorne. Claudia, du nimmst den Hund und Lupin mit rein."

„Aha" sage ich und warte wieder ein wenig, ob sie sich erklären will. Will sie nicht, offensichtlich. Der Geschäftsmann-Fahrer lenkt das Auto an den Straßenrand und hält an.

„Und ich?" sagt Emilia.

„In unseren Offensivplänen hast du noch nie eine Rolle gespielt, Herzchen" sagt Zentaurea.

„Bisher war auch noch nie meine Schwester entführt!" protestiert sie.

„Das ändert nichts" sagt Zentaurea und stößt ihre Tür auf.

„Ich habe einen ganzen Haufen gelernt!" sagt Emilia hitzig. „Du glaubst nicht, wie gefährlich England ist!"

„Der Countdown läuft" sagt Zentaurea, die schon halb aus dem Auto ist. „Was glaubst du, wie viel Zeit ich habe, um zu diskutieren?"

„Geben Sie uns eines Ihrer Kommunikationsgeräte" sagt Severus. „Wir bleiben hier und bilden die Einsatzzentrale. Wir können koordinieren und von außen eingreifen, falls es nötig wird."

Zentaurea macht einen tiefen Atemzug. „Gabriel" sagt sie dann, und der Geschäftsmann hinter dem Steuer nickt und händigt dem Tränkemeister ein kleines, silbernes Telefon aus. Emilia starrt Severus an, wenig überzeugt.

„Ich nehme an, Sie wissen, wie man das bedient" sagt er und dreht das kleine Gerät zwischen den weißen Fingern.

„Ja" sagt sie zögernd.

„Lupin" sagt Zentaurea von draußen. „Kommen Sie schon, und nehmen Sie den Hund mit."

„Animagus" sage ich, abgelenkt von dem Zwist, der seine Spur über das Gesicht meiner Liebsten zieht. Padfoot hufft und wedelt ein wenig.

„Ist mir auch recht" sagt sie. „Hauptsache, Sie bewegen sich."

„Okay" sage ich zu Emilia.

„Okay" sagt sie, ihre Stimme klingt ein wenig verloren.

„Ich bin gleich zurück" sage ich. Sie beugt sich zu mir, ihre Augen sind groß und glänzen verräterisch hinter den Brillengläsern. Wir küssen uns, und ich spüre, wie ihre Lippen zittern.

„Lupin!" bellt Zentaurea von draußen. „Habt ihr keine Disziplin in England, oder was!"

„Bring's für mich in Ordnung, ja" sagt Emilia. „Und pass bloß auf dich auf."

„Versprochen" sage ich und reiße mich endlich los. Draußen auf dem Gehsteig drehe ich mich zu Padfoot, der noch im Auto zu Emilias Füßen sitzt und mich fragend ansieht. Ich klopfe mit der Hand gegen mein Hosenbein, und in einem Wirbel aus schattenschwarzem Fell ist er an meiner Seite und steckt die Nase in meine Hand.

„Und Sie sind sicher, dass da ein Zauberer drin steckt" sagt Zentaurea, als wäre sie es nicht.

„Ja" sage ich. „Meistens."

„Na gut" sagt sie. „Ich plane, ihn als Spürhund einzusetzen. Er soll auf schnellstem Weg Antonia lokalisieren, sobald ihr drin seid. Und jetzt Bewegung."

„Kommen Sie" sagt Leo zu mir. „Ich sage Ihnen unterwegs, was Sie wissen müssen."

„Danke" sage ich, erleichtert, dass ein neuerlicher Informationsrückstand abgewendet ist.

T minus eins findet uns an der rückwärtigen Grundstücksgrenze, gut verborgen durch die dichte Hecke, und wir warten. Doktor Claudia hat die Zweige der Hecke vorsichtig aufgebogen und linst hinüber zur Hintertreppe.

„Alles ruhig" sagt sie. „Denkt daran, nicht zu apparieren, wenn wir gleich rein gehen. Es haben sich schon Leute in Tausend-Teile-Puzzles zerlegt an solchen Appariersperren."

„Es gibt eine Appariersperre?" sage ich. „Danke für den Hinweis."

„Hat Leo es Ihnen nicht gesagt?" sagt sie. „Sie haben eine fest installierte über dem Haus, eine handelsübliche Klasse-Drei-Sperre. Wir können nicht apparieren, aber sie können es auch nicht."

„Es geht los" sagt Leo, der das kleine Mobiltelefon am Ohr hat, und zieht einen Zauberstab aus dem Ärmel, den er sich ersatzweise irgendwo besorgt hat. „Sie kommen die Straße runter. Sie gehen rein… durch den Garten… sie klingeln an der Haustür."

Er nimmt das Telefon vom Ohr, ohne es auszuschalten, und gleich darauf erfahre ich das seltsame Stereo-Erlebnis eines Knalls, der sowohl aus dem kleinen Lautsprecher als auch von der anderen Seite des Hauses zu mir dringt.

„Los" sagt Leo. Gleichzeitig schon entlässt Doktor Claudia einen blau glitzernden Blitz aus ihrem Stab, der eines der Heckengewächse bis auf die Wurzeln verdampft und uns bequemen Zutritt ermöglicht. Leo und Claudia springen durch die Lücke, ich bleibe zurück, Padfoot bei Fuß. Leo und Claudia sprinten hinüber in die Deckung, die der Geräteschuppen bietet, während ich meinen Patronus auf den Plan rufe.

Die Kombination von Schokofröschen und Schottenkaro tut ihm offensichtlich gut. Er ist nicht länger der schmale, aber zähe, beinahe entschuldigend mondlichtschimmernde ätherische Vierbeiner, den ich kannte, sondern ist zu einem großen, zottigen, fast bärengleichen Gesellen angewachsen, der vor arkaner Vitalität sprüht und sich wie der Wind auf die Wächterschlange stürzt, als ich mit dem Stab hinüber zeige. Etwas Silbriges materialisiert sich auf den Stufen, schlängelnd, dann gibt es einen Blitz und eine arkane Verpuffung, und die Wächterschlange ist Geschichte. Ein Schatten des Patronus bleibt auf den Stufen, oder eher ein Nachglühen, und dann sind schon Claudia und Leo zur Stelle und befassen sich mit der Tür. Ich rücke mit Padfoot bis zum Geräteschuppen auf und behalte wie besprochen die oberen Stockwerke im Auge. Nichts rührt sich dort, es steht zu hoffen, dass wie geplant alle Aufmerksamkeit auf den vorderen Angriff gelenkt ist. Ich hole James' Mantel aus der Jacke, ich habe ein paar Knoten hinein gemacht, um ihn zu kürzen.

„Halt still" sage ich zu Padfoot, dann breite ich das spinnwebfeine Gespinst über ihn und fixiere es provisorisch an seinem Halsband (leichter gesagt als getan, nachdem ich weder Hund noch Halsband mehr sehen kann).

„Du weißt, was du zu tun hast" sage ich zu meinem unsichtbaren Gefährten. „Geh rein und spüre Antonia auf. Lass dich auf nichts ein, und verlier bloß den Mantel nicht!"

Die Luft hufft, dann kratzen seine unsichtbaren Krallen auf dem Gartenweg und ich nehme an, dass ich alleine bin.

Die Tür ist offen, Leo späht ins Innere und zieht den Kopf ein. Ein Zauber schlägt im Türrahmen ein und hinterlässt ein rauchendes Loch. Ich packe meinen Stab und renne. Leo und Claudia springen von der Treppe und gehen in Deckung. Mich hat man möglicherweise noch nicht bemerkt, also schlage ich einen Bogen und nähere mich von der Seite. Da ist ein Fenster, schwere Samtvorhänge versperren den Blick ins Innere und auf die Verteidiger der Hintertür. Ich mache mir nicht die Mühe eines artikulierten Zaubers. Die Luft schwirrt von arkaner Energie. Ich muss sie nur sammeln, eine ausholende Bewegung, und werfen.

Ich bin selbst verblüfft über den Effekt. Es gibt einen gewaltigen Donnerschlag. Das ungeformte arkane Geschoss trifft auf Sicherungszauber, absorbiert ihre Energie und drückt die Fenster mitsamt den Fensterrahmen nach innen. Die Scheiben werden zu Glasmehl zermahlen. Die Vorhänge gehen in Fetzen. Die Luft füllt sich mit Staub und Putzbrocken. Ich hebe das Gesicht aus den Armen und schüttle den Kopf, damit der Piepton aus meinen Ohren verschwindet, während mein kleiner interner Professor in Ekstase gerät (gefasste und rohe Magie, Addition, möglicherweise Multiplikation der arkanen Faktoren, Kettenreaktion, chaotische Kulmination!). Seine Begeisterung ist ansteckend, aber ich dränge ihn trotzdem in den Hintergrund (später, ja, wir gehen es nachlesen), ich will einen kühlen Kopf behalten.

Allerdings will der kühle Kopf nicht mich behalten. Etwas Seltsames geschieht, als ich mich dem Zerstörungswerk nähere, das ich mit einer einzigen Geste verursacht habe. Etwas wie Hitze steigt in mir auf, etwas, das ein Gemisch aus Wollen und Können ist, ein fiebriger Bewegungsdrang. Es ist der Wolf, und er will jagen, und es fühlt sich unglaublich gut an

Mit einem Sprung bin ich seitlich an der neu entstandenen Fensterhöhlung und werfe einen Blick ins Innere. Ein junges, weißes Gesicht starrt mich an, als sei ich die personifizierte Apokalypse. Ich werfe einen Petrificus, ehe der andere sich von seinem Schreck erholt hat.

Das Fenster führt tatsächlich in den Raum mit der Hintertür. Es ist eine Art Versammlungsraum, groß, mit einem langen Tisch und Stühlen in der Mitte und einem mächtigen Kronleuchter darüber. An der Wand mir gegenüber hängt ein großer Teppich mit dem verschlungenen Verbindungswappen, daneben eine Muggel-Fotogalerie von gewichtig aussehenden Männern mit Verbindungsmützen und Schärpen. Eine Tür führt weiter ins Haus, sie steht einen Spalt offen, Kampflärm und das Zischen fehlgeschlagener Zauber ist von dort zu hören. Rechts von mir tobt der Kampf um die Hintertür. Zwei kauern dort im Türrahmen und zaubern nach draußen, ein dritter bewegt sich geduckt hinter der Stuhlreihe in meine ungefähre Richtung. Ich brauche eine Ablenkung.

Ich ziele auf den Kronleuchter. Das arkane Geschoss lässt ihn mit gewaltigem Knall explodieren, Glassplitter fliegen in alle Richtungen, dann löst sich das schwere, metallene Gerüst aus seiner Verankerung und stürzt ab. Ich stütze mich hoch, hechte durch die Fensteröffnung und komme auf dem Boden auf, gerade als der Kronleuchter knallend auf der Tischplatte aufschlägt. Der hinter den Stühlen hebt seinen Kopf, um meine Position auszumachen, den Stab im Anschlag. Ich sehe, wie seine Lippen sich bewegen, und bin schneller. Ich muss nicht mehr als einen Zeigefinger bewegen, und der Kronleuchter schnellt vorwärts wie eine gigantische, roboterhafte Spinne, rutscht mit hässlichem Schaben über die Tischplatte und stürzt auf meinen Gegner hinunter, der auf diese Art säuberlich zwischen Tisch und Wand eingekeilt wird. Sein Kopf schaut oben aus dem Gewirr der Kronleuchter-Spinnenbeine heraus wie eine seltsame Warze, und er öffnet den Mund zu einem Schrei, als das schwere Ding ihn nach unten drückt. Ich spüre, wie er einen Leviosa versucht, aber er kann die Stabhand nicht richtig gebrauchen, und der Kronleuchter zittert kaum. Sekunden später bin ich bei ihm und strecke die Hand nach ihm aus. Rotgoldene Energie tropft mir von den Fingerspitzen.

„Stab, bitte" sage ich zu ihm, und blass fummelt er mir seinen Zauberstab durch das Geflecht der Metallstreben. Ich stecke ihn in den Ärmel und wende mich zur Hintertür, wo einer der beiden Prätorianer sich petrifiziert auf dem Fußboden befindet. Der zweite kriecht auf Händen und Füßen rückwärts, während Claudia und Leo die Treppe einnehmen, von einem blau schimmernden Kraftfeld umhüllt. Seine Beine scheinen ihm nicht mehr zu gehorchen, mir sieht das nach einem sehr gelungenen Wackelpudding-Hex aus.

Expelliarmus" sage ich zu ihm, und „Vielen Dank", als sein Stab in meiner Hand landet.

„Alles in Ordnung?" fragt Claudia mich.

„Bestens" sage ich beschwingt. Ich weiß nicht, was in mich gefahren ist, ich war nie ein großer Kämpfer, aber die plötzliche Euphorie, die mich füllt, ist elektrisierend, vielleicht eine Nebenwirkung einer Überdosis stabloser Magie.

„Gehen wir" sagt Leo. „Suchen wir den Hund."

Wir rücken bis zu der Tür auf, die weiter ins Innere führt. Putzbrocken knirschen unter unseren Schritten. Wir postieren uns, Stäbe im Anschlag.

„Auf drei" sagt Claudia.

„Drei" sage ich und zerblase die Tür zu Sägemehl.

„Oh" sage ich gleich darauf. „Entschuldigung. Tut mir leid. Ich wollte nicht, ich bin nur…"

Letzteres sage ich zu einem leeren und sehr staubigen Zimmer, denn Claudia und Leo sind Profis und haben sich nicht damit aufgehalten, mit mir die Grundlagen des Zählens bis Drei zu erörtern. Alles, was ich bekomme, ist ein vernichtender Blick durch die blaue Brille, als sie voran stürmen. Ich schüttle ein bisschen Sägemehl von meinem Ärmel und folge ihnen.

Wir befinden uns in einem großen Treppenhaus. Vor mir, am anderen Ende, steht die Zwischentür offen und lässt die halb offene und etwas schief in ihren Angeln hängende Haustür sehen. Die Falken in den Trainingsanzügen stehen dort und haben die Tür gesichert. Auch das Treppenhaus lässt Spuren eines Kampfes erkennen (davon ausgehend, dass es üblicherweise nicht mit den Überbleibseln von Verstrickungszaubern und mit schwarzen verschmorten Flecken auf den Bodenfliesen verziert ist). Auf der Treppe, die nach oben führt, kauern Sabine und Rhea, in zweifelhafter Deckung hinter dem Geländer, und arbeiten sich Stufe für Stufe hinauf, Rhea feuert Energieblitze aus ihrem Stab, während Sabine ein schimmerndes Schutzfeld um die beiden aufrecht hält.

„Padfoot?" sage ich, so laut ich es wage, aber es kommt keine Antwort.

„Wohin?" fragt Leo die Trainingsanzugträger.

„Nach oben" sagt der eine. „Den Keller haben wir im Griff."

Von oben kommt ein arkaner Wirbel, ein Betäubungszauber wahrscheinlich, und Sabines Kraftfeld erzittert. Wir lassen uns nicht bitten.

„Du feuerst, ich verteidige" sagt Leo und springt auf die Treppe. Wir bleiben dicht beieinander, und er wirkt einen Pluteus, in dessen Schutz wir ein paar Stufen erobern und die Damen auf der Treppe überholen können. Dann verschanzen wir uns und geben Feuerschutz, und die Damen rücken vor. Schließlich kann ich einen ersten Blick um die Biegung in den oberen Flur werfen. Es ist dunkel dort oben, alle Türen geschlossen und die Fenster verschanzt, und nur vage nehme ich eine Bewegung am oberen Treppenabsatz wahr. Dann verlässt eine Serie von blauen Blitzen die Spitze eines Zauberstabes und erleuchtet für Sekunden die vordersten paar Schritte des Ganges und eine Handvoll zusammengekauerter Gestalten, die dort eine provisorische Stellung errichtet haben. Dann wird die Sicht blau und flackernd, als die Blitze in unserem Schutzfeld einschlagen.

„Verdammt" sagt Leo zwischen zusammen gebissenen Zähnen. „Das dauert zu lange."

„Der Pluteus" sage ich ihm. „Mach, dass er schwach aussieht."

„Aber dann werden sie schießen!"

„Ja" sage ich, „genau", und er sieht mich an, als hätte ich den Verstand verloren.

„Ich hoffe, du weißt, was du tust" sagt er nach einer langen Sekunde.

„Ja" sage ich ungeduldig, ich will, ich will diese Treppe, diese Euphorie, es ist ein unglaublich starkes Gefühl und es soll nicht abreißen. Leo nimmt den Zauber ein wenig zurück, geschickt lässt er es so aussehen, als hätte der letzte Beschuss ihm arg zugesetzt. Ich spanne mich und sammle. Dann, plötzlich, ändert sich die Beschaffenheit des arkanen Flusses, jemand wirft einen Stein hinein oder bringt einen Zauber auf den Weg, und ich reiße arkane Energie an mich und schleudere sie hinauf gegen den Treppenabsatz und drücke.

Die arkane Druckwelle reißt die Blitze von den Spitzen der Stäbe und die Verteidiger von den Füßen. Von der Energie aus den Blitzen plötzlich vervielfacht, rast sie den Gang entlang wie eine Springflut und bricht sich hinten an der Rückwand. Wilde Entladungen zucken die Wände entlang, ich höre das trockene Knallen von berstendem Glas.

„Sturm!" schreit Leo und springt mit langen Beinen die Treppe hinauf, die Damen folgen unmittelbar. Ein Gewirr von Betäubungs- und Fesselzaubern, und fünf Prätorianer sind ausgeschaltet. Ich folge, ein bisschen atemlos, steige über die benommenen, immobilisierten Opfer meines Experimentes und sammle die Stäbe ein, die verstreut über dem Gang liegen.

„Sieben" sage ich zufrieden. „Wenn wir so weiter machen, reicht's für Mikado."

Ein leises Stöhnen lässt uns in Habacht springen. Da liegt noch jemand, von dem interessanter Weise nur Kopf, Arme und Beine zu sehen sind, und der trotz Ermangelung einer Körpermitte versucht, sich aufzurappeln.

„He" sage ich. „Da bist du ja."

Er werkelt mit etwas Unsichtbarem an seinem Hals und blinzelt mich an.

„Was zum Teufel war das?" fragt er. „Mann! Ich bin ja so gegrillt. Könnt ihr nicht aufpassen?"

„Tut mir leid" sage ich und strecke ihm die Hand hin, um ihm in die Höhe zu helfen. „Ich experimentiere noch."

Er hat endlich den unsichtbaren Knoten gelöst und streift den Umhang ab.

„Ich konnte meine Form nicht halten" sagt er und betastet sein Gesicht. „War das heiß! Sind meine Haare abgesengt?"

„Sonst hast du keine Probleme?" faucht Leo.

„Es ist alles noch dran" beruhige ich meinen mitgenommenen Freund, der endlich meine Hand nimmt und auf die Beine kommt. „Du bist schön wie immer."

„Ein Glück" sagt er und schüttelt den Kopf, als hätte Vierbein Wasser im Ohr. „Warte mal" sagt er dann und starrt mich an. „Du experimentierst noch? Hast du das gerade gesagt?"

„Ahem" sage ich.

„Wir gehen dann schon mal vor" sagt Claudia mit Betonung.

„Nur zu" sagt Sirius. „Sie ist im zweiten Stock, hinten links. Wir kommen gleich."

„Jetzt eine Diskussion vom Zaun zu brechen, könnte ziemlich unprofessionell wirken" mache ich ihn aufmerksam.

„Seine Freunde zu grillen ist auch ziemlich unprofessionell!" schnaubt er. „Was für ein Killerzauber war das?"

„Er hat noch keinen Namen" sage ich bescheiden. „Stablos. Du weißt schon."

„Teufel, Moony" sagt er zwischen Staunen und Empörung. „Das hätte übel enden können. Sieht dir gar nicht ähnlich, so ein Risiko einzugehen."

„Es war keines" versichere ich ihm. „Es war nicht dazu gedacht, jemanden zu grillen."

„Dafür war's aber echt heiß" murrt er und klaubt den Umhang vom Boden auf.

„Ich hätte nicht gedacht, dass du mal ein Problem damit haben würdest, ein echt heißer Typ zu sein" sage ich, und mal wieder starrt mich jemand an, als wäre ich nicht bei Verstand (ich beginne, mich zu fragen, ob vielleicht etwas dran ist an dieser Diagnose).

„Du wirkst so verändert" sagt er. „Ist Vollmond, oder was?"

„Jetzt komm schon" sage ich. „Da oben gibt es sicher noch ein paar, die wir umpusten können."

„Hör wenigstens auf, so zu grinsen" sagt er.

„Ich grinse nicht" sage ich.

„Doch" sagt er. „Diabolisch."

Grinsen hin oder her, T plus zehn findet uns vereint mit den anderen Stoßtrupps der Falken am oberen Treppenaufgang zum zweiten Stock. Die Trainingsanzugszauberer fehlen, sowie Angelina und ein paar, deren Namen mir nicht hängen geblieben sind, sie sichern die unteren Stockwerke und stellen sicher, dass sich niemand aus den Fenstern davon macht. Zentaurea hat zu uns aufgeschlossen und koordiniert den Sturm. Vor uns liegt ein Gang, der weiter hinten eine Biegung macht, und hinter der Tür an der Biegung ist Antonia („Jaaaah" sage ich. „Gut gemacht. Gummihuhn.").

„Wir müssen schnell sein" schärft Zentaurea uns ein. „Sehr schnell. Sabine: Tür. Leo, Keie, Gawain, Rhea: Sturm. Lupin, der Animagus, Claudia: Gangbiegung sichern. Lupin: Gang frei räumen. Jetzt."

„Sekunde" sagt Rhea und hält mich am Ärmel, als ich schon sammeln will. Sie murmelt „Illusio" und schwenkt ihren Zauberstab, und vor uns entsteht das nicht ganz stoffliche, nicht ganz deutliche Abbild eines ihrer Kampfgefährten (Keie?), in Kampfposition hinter seinen Stab gekauert. Sie schickt ihn los, im geduckten Dauerlauf an der Wand entlang, und ich verstehe, was sie bezweckt, und sammle.

Das Keie-Abbild erreicht die Biegung beinahe, dann erscheinen plötzlich geduckte Gestalten an der Ecke, die das Feuer auf das unglückliche Abbild eröffnen. Ich werfe, sobald ich die Bewegung an der Ecke ausgemacht habe, und die Falken stürmen im Kielwasser der Entladung. Sie ist nicht so kraftvoll wie die im unteren Gang, allein schon, weil sie hier oben mehr Platz hat, sich auszubreiten, aber sie fegt die Angreifer von den Füßen und verwehrt anderen, die plötzlich in einer Tür zur Rechten erscheinen, für Sekunden den Zutritt zum Geschehen. Die Falken strömen auseinander. Gawain und Rhea drängen die Angreifer in das Zimmer zur Rechten zurück, Sabine springt zu Antonias Tür, flankiert von Leo und dem Vorbild des illusionären Abbildes. Zentaurea rückt nach, orientiert sich für eine Sekunde und stürmt dann den Raum zur Rechten, in dem die Zauber zischen. Claudia, Sirius und ich rücken wie befohlen zur Biegung vor, von der aus mit eindeutig verzweifelter Note gezaubert wird. Das Team an der Tür liegt unter Beschuss, Leo und Keie halten Sabine den Rücken frei, die an der Tür arbeitet, die mit einem simplen Alohomora offenbar nicht zu öffnen ist. Wir sind an der inneren Wand der Biegung, um aus der Feuerlinie zu sein, haben aber selbst auch kein freies Schussfeld. Für Sekunden kommt der Sturm ins Stocken.

„Hast du noch einen Grillzauber?" fragt Sirius mich flüsternd.

„Ja" sage ich. „Aber kein Schussfeld. Nicht dass mir da wieder Beschwerden kommen."

„Grill sie" flüstert er, wirft etwas Spinnwebenzartes über mich und schubst mich vorwärts. Ich überquere den Gang und presse mich flach an die gegenüberliegende Wand, von wo aus ich die Gegner hinter der Biegung endlich sehen kann. Es sind nur drei hinter einer provisorischen Barrikade aus einem schweren, umgestürzten Tisch. Ich sammle und werfe.

Ich habe, eingedenk der herum schwirrenden Zauber, mit denen es sich addieren oder multiplizieren wird, mein Geschoss klein gewählt, nicht mehr als eine Handvoll, aber es reicht, um den Tisch mitsamt den dahinter verschanzten Prätorianern auf eine abenteuerliche Fahrt gehen zu lassen. Mit ohrenbetäubendem Schleifen und Scharren rutscht der Tisch nach hinten, wo ich Licht und Topfpflanzen sehe, einen Erker oder ähnliches. Ich stemme mich gegen den Tisch und lasse ihn Fahrt aufnehmen. Wie eine große Schneeschaufel räumt der Tisch die dahinter befindlichen Prätorianer weg. Dann kommt die Wand, und ich nehme alle Kraft zusammen und ramme die Tischbeine in den Putz, dass es knallt. Ein paar Topfpflanzen kippen um, es klirrt. Ich nehme mir ungefähr eine Sekunde, um mein Werk zu bewundern und mich wie ein Alpha zu fühlen, dann stürme ich den Tisch, hinter dem langsam Bewegung entsteht. Ein flächig ausgebrachter Petrificus hindert die drei Gefangenen des Tisches an etwaigen Ausbruchsversuchen und bringt mich in den Besitz dreier weiterer Stäbe (zehn, mittlerweile sind beide Gesäßtaschen und beide Ärmel unter Vollauslastung). Dann bringe ich mich zurück an den Ort des Geschehens, wo Sabine zwischenzeitlich die Tür geöffnet hat. Der Raum, ursprünglich etwas wie ein altmodisches Herrenzimmer mit Ledersesseln, Schachtischen und einer Batterie aus Sherryflaschen, ist gestürmt und eine wilde Zauberei im Gange. In der Mitte des Raumes sitzt Antonia auf einen Stuhl gefesselt und offenbar zusätzlich petrifiziert. An ihrer Seite, hinter ihr halb in Deckung, kauert jemand, dessen Gesicht ich jeden morgen im Spiegel sehe. Emilia (die falsche Emilia, ich dränge gewaltsam die Vorstellung zurück, was wäre, wenn es die richtige wäre) ist auch hier und geht unter Rheas konzentriertem Beschuss zu Boden, wo sie, in den langen Rock verwickelt, stöhnend liegen bleibt. Die restliche Lage ist unübersichtlich, Zauber fliegen und ich muss mich, kaum über die Schwelle getreten, flach auf den Boden werfen, um nicht von einem Querschläger-Hex unsanft rasiert zu werden. Ich sehe nach Sirius, er ist zwischen den Schachtischen und pirscht sich von hinten an den falschen Remus heran. Einer der Prätorianer hatte die glorreiche Idee, sich aus dem Fenster davon zu machen, und wird von Sperrfeuer aus dem Garten warm begrüßt. Die Falken unter Zentaureas Führung haben ein Häufchen Prätorianer in eine Ecke zwischen einem Wandschrank und einer riesigen, klobigen Anrichte zusammen gedrängt, ich höre, wie Zentaurea ihnen einige unerfreuliche Alternativen zur Wahl stellt.

Dann ist Sirius hinter dem falschen Remus, der durch ein Zaubergefecht nach vorne beschäftigt gehalten wurde, und tippt ihm auf die Schulter. Der falsche Remus fährt herum.

„Hi" sagt Sirius, grinst und verpasst ihm einen Aufwärtshaken. Rotes Blut spritzt auf die weiße Schleppe der Braut, und der falsche Remus stürzt nach hinten und schlägt die Hände vors Gesicht, dessen Nase wohl nie wieder aussehen wird wie meine. Sirius verliert keine Zeit, steigt über ihn drüber und macht sich an Antonias Fesseln zu schaffen.

Und dann ist da jemand, dem ich gerne Auge in Auge gegenüber treten möchte. Der Königsblaue steht flach an der Wand, halb hinter dem Vorhang, und sondiert durch das Fenster die Lage im Garten. Seine Robe hat schwarze, verschmorte Flecken, und seine schicke Frisur ist von ein paar anständigen Zaubern gut durchgerührt worden. Ich richte mich auf und nehme den Umhang von den Schultern. („Du machst was?" sagt mein kleiner interner Professor und klingt ein bisschen wie Emilia. „Bist du noch zu retten?". „Halt die Klappe" sagt der Wolf. „Ich will ihn." „Du willst ihn was?" sagt der Professor mit wachsendem Entsetzen. „Ich weiß noch nicht" sagt der Wolf. „Ihm das Gesicht in den Arsch hexen, vielleicht." „Hhhh" sagt der Professor, „Aber… oh, Mist. Verdammter Mist. Hallo? Könnte mal eben jemand…?", und klingt plötzlich wie Sirius…)

…und ist Sirius, bei genauerem Hinhören, Sirius, der plötzlich ziemlich hektisch an den Fesseln zupft, die Antonia nach wie vor auf dem schweren Stuhl halten. Mit zwei raschen Schritten bin ich bei ihm. Er hat etwas in den Händen, das mit Antonias Fesseln verbunden ist und rötlich leuchtet. Antonia, zumindest vom Petrificus befreit, zerrt verzweifelt an ihren Fesseln und ruft um Hilfe.

„Es ist eine Sicherung" sagt Sirius. „Bis eben hat sie nur geblinkt, aber dann hab ich versucht, die Zauber zu lösen, und jetzt zählt sie runter…"

Ich werfe einen Blick darauf. Zwölf. Elf. Darunter ist ein kleines Zahlenfeld wie von einem Telefon.

„Eins-acht-acht-sieben" sage ich zu Sirius. „Gib das ein, schnell!"

Neun. Acht. Sirius wirft mir einen irritierten Blick zu, sieht aber selbst, dass uns keine Zeit für Diskussionen bleibt. Bei Fünf hat er die Eingabe beendet, bei Drei zählt das kleine, runde Gerät immer noch. Ohne groß nachzudenken, fasse ich über seine Hand drüber und drücke eine Taste, auf der ein von oben kommender, nach links zeigender Pfeil abgebildet ist.

Die Zwei springt auf Eins. Das Blinken verlischt. Die Eins bleibt stehen. Nichts passiert.

„Enter" sage ich ein bisschen atemlos.

„Heilige Maria Muttergottes" sagt Antonia und sinkt in ihrem Stuhl zurück. Sie ist so weiß wie ihr Kleid, und feine Schweißperlen stehen ihr auf der Stirn.

„Merlins Bart" sagt Sirius und wischt sich mit dem Ärmel übers Gesicht. „Woher wusstest du das?"

„Glücklich geraten" sage ich. „Ich hab das Gründungsdatum dieses Vereins unten auf dem Schild gelesen."

„Und dir gemerkt" sagt Sirius.

„Du weißt, dass ich ein ganz leidliches Zahlengedächtnis habe" sage ich bescheiden und sonne mich ein bisschen in seiner ungeteilten Bewunderung.

„Mann, Moony" sagt er kopfschüttelnd. „Wenn das mit deiner Schule nichts wird, legst du dir einen schicken Anzug zu und bewirbst dich bei der Queen als Geheimagent. Die brauchen da solche Leute."

„Lieber nicht" sage ich. „Ich mag keine Martinis."

„Ich weiß nicht, ob die zwingend in der Jobbeschreibung stehen" sagt er.

Um uns ist es ruhig geworden. Ein letzter zitternder Hex geistert über die Bar und lässt ein paar Flaschen platzen, bevor er sich im arkanen Nirwana auflöst. Die Falken sortieren und fesseln ihre Beute.

„Wo ist euer Chef?" knurrt Zentaurea, die mit langen Schritten die Reihen der gefangenen Prätorianer abschreitet wie eine Feldherrin (die sie mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit gewesen ist, in einem anderen Leben). „Wo ist Valentin? Hat er euch die ganze Drecksarbeit alleine erledigen lassen, ja? Sieht ihm ähnlich. Na, er wird ein bisschen staunen, wenn er bemerkt, dass ihm sein halbes Gefolge abhanden gekommen ist, nicht wahr?"

„Wir tun nur, was die Große Sache erfordert" sagt einer der Prätorianer mit einem Rest von Würde. Zentaurea lacht und spuckt vor ihm auf den Boden.

„Das ist doch toll" sagt sie. „Karlos und seine große Klappe. Immer der Wortführer, selbst wenn nichts kommt als heiße Luft! Na, wollen mal sehen, ob deine große Klappe dir weiter hilft, wenn die Garde erst mal hier ist und euch alle festnimmt. Entführung und Erpressung, das wird euch alle so lange hinter Gitter bringen, dass Voldemorts Show längst Geschichte ist, bis ihr eure Nasen wieder raus steckt."

„Er wird nach der Machtübernahme wissen, wen er zu belohnen hat" knirscht der Prätorianer.

„Kann ja sein, theoretisch" sagt Zentaurea. „Aber theoretisch oder theopraktisch werdet ihr Verlierer wohl kaum dazu gehören."

„Geht es dir gut?" fragt Sirius Antonia, leise, um Zentaureas Darbietung nicht zu stören. „Kannst du aufstehen?"

„Kann ich" sagt sie schwach. „Aber ich bleibe lieber noch ein bisschen sitzen. Meine Knie sind ein bisschen wackelig…" Sie klaubt ihre rot befleckte Schleppe vom Boden auf und lächelt schief. „Ich kann kein Blut sehen" sagt sie.

„Wenn's weiter nichts ist" sagt Sirius und schenkt ihr sein schönstes Siriusstrahlen.

Ich sehe mich um. Ich könnte langsam ruhiger werden, die Jagd ist vorbei, aber mein Körper will sich nicht entspannen. Ich hole die Zauberstäbe, die ich auf meiner Tour durch das Haus eingesammelt habe, aus Taschen und Ärmeln und sammle sie in meinen Händen zu einem hölzernen Bündel. Vielleicht geht es mir besser, wenn ich sie los bin. Und dann passiert doch noch etwas, und ich handle schnell.

„Halt mal" sage ich dem nächsten greifbaren Falken und drücke ihm das Stabbündel in die Hand.

Null-Null-Moonys scharfem Auge ist nicht entgangen, dass etwas anderes, oder genauer, ein anderer, der ungeteilten Zuwendung seiner Superkräfte bedarf. Einer in königsblauer Robe drückt sich unauffällig an der Wand entlang, es fällt kaum auf, er befindet sich ohnehin in einer Sackgasse – und dann nicht mehr. Ein Knacken, ein leises Quietschen, und ich stoße einen Stuhl beiseite und bin gerade noch rechtzeitig dort, um zu sehen, wie er eine verborgene Tapetentür öffnet und darin verschwindet. Ein Satz, und ich bin auf seinen Fersen. Mein interner Professor macht ein verzweifeltes Gesicht und hebt schüchtern den Zeigefinger, bevor er vom Wolf überrannt wird. Ich stoße die Tapetentür auf, springe hindurch…

… und halte inne.

Halbdunkel umhüllt mich und ein sehr vertrauter Geruch. Trockenes Papier, altes Leder, Staub. Schwere Vorhänge halten Tageslicht und spionierende Blicke draußen. Der Raum ist gefüllt mit Reihen und Reihen schwerer Regale, und die Regale sind gefüllt mit Reihen und Reihen von Büchern. Gedimmte Lampen an den Stirnseiten erzeugen kleine gelbe Lichtinseln und legen einen goldenen Schimmer auf das Holz. Eine Regalreihe weiter hat jemand ein Stablicht erzeugt, ich sehe den scharfen Schlagschatten und höre eilige Schritte. Ich sprinte, fange mich an der Stirnseite des Regals und jage einen Petrificus zwischen die Buchreihen, der allerdings sein Ziel verfehlt, nur ein Rascheln von königsblauen Roben, und es befindet sich eine neue Doppelreihe von Buchrücken zwischen uns. Ich presse mich gegen die Stirnseite meines Regals und spähe um die Ecke. Der schmale Gang ist leer. Wie dunkles Wasser spülen die Schatten um meine Beine. Ich halte den Atem an. Über dem harten Schlag meines Herzens höre ich das verräterische Robenrascheln und eilige, leichte Schritte, es kommt von den Regalen hinten an der Wand, die jenseits eines Mittelganges und quer zu meinen Regalreihen angeordnet sind. Ich tauche geduckt in meine Regalreihe und bewege mich lautlos an ihr entlang, vorbei an schweren Folianten und antiquarischen Schätzen, die mich sonst in einen Taumel der Begeisterung versetzt hätten (ich erkenne eine Ars Magica, deren Buchrücken aussieht, als sei sie aus dem siebzehnten Jahrhundert, der Professor stößt einen langen, lautlosen Atemzug aus, aber der Wolf will vorwärts). Am anderen Ende der Reihe drücke ich mich geduckt gegen Aesculaps Handbuch der Heilung in zwölf Bänden und werfe einen Blick in den Quergang. An seinem einen Ende befindet sich eine Tür, die vermutlich raus auf den Gang führt, und von der ich meine Beute fern halten muss, wenn ich sie nicht durch das ganze Haus jagen will. Links endet der Quergang an der Wand, und von dort sehe ich auch die winzige Spur eines Stablichtes durch die Ritzen im Holz sickern und höre das leise schlurrende Geräusch, mit dem ein Buch aus dem Regal gezogen wird. Ich finde den Zeitpunkt unglücklich gewählt für eine Lesestunde und rücke auf. Ich wage mich in den Quergang, tauche von Schatten zu Schatten und nähere mich. Ein zweites Buch wird heraus gezogen, dann zwei eilige Schritte, dann ein drittes. Ich bewege mich leiser, als ich es für möglich gehalten hätte, und reagiere auch schneller, als Martin plötzlich zwischen den Buchreihen hervor schnellt und eine Serie blau schimmernder Pfeile in meine Richtung jagt.

Ich bin beinahe schnell genug. Ein blitzartiger Schmerzimpuls durchfährt mich und wirft mich gegen das Regal. Für einen Augenblick verklumpen alle meine inneren Organe zu einem steinharten Knoten. Meine Oberschenkelmuskeln krampfen, und ich gehe in die Knie, dann verläuft sich der Impuls langsam und ich kann wieder atmen. Mein rechter Arm fühlt sich heiß an, ich entdecke eine breite, schwarz verschmorte Furche unterhalb der Schulter, in der sich Hemd und Haut in hässlicher Innigkeit verbunden haben. Ich zwinge meine zitternden Muskeln zur Arbeit und ziehe mich am Regal nach oben. Mein Atem geht stoßweise, und ich höre, wie meine Zähne aufeinander knirschen. Ich halte den Atem an und löse meine verkrampften Kiefer. Lauschen.

Stille.

Ich atme und lausche, versuche, über meinem eigenen Atem einen zweiten zu hören.

Ich spüre ihn mehr, als dass ich ihn höre. Er ist noch da, und er bewegt sich an der Wand entlang nach hinten.

„Martin" sage ich und bin überrascht, dass meine Stimme rau, fast schmeichelnd klingt. „Sie wissen, Sie haben verloren. Kommen Sie heraus."

„Kommen Sie und holen Sie mich" kommt seine Stimme genau von dort, wo ich ihn vermutet hatte. „Das Spiel ist lange noch nicht zu Ende."

Schlurrendes Geräusch. Ein Buch wird heraus gezogen.

„Geben Sie auf" sage ich. „Ich kann holen meine Freunde, und wir jagen Sie in eine Ecke."

„Das könnten Sie" sagt er, und ein Unterton von Spott lässt rote, heiße Wut in mir sprudeln. „Aber Sie tun es nicht. Sie glauben, das hier wäre eine Sache zwischen Ihnen und mir, aus welchen Gründen auch immer, sonst hätten Sie Ihre Verstärkung schon längst geholt." Schlurr. „Wer sind Sie eigentlich?"

„Ich bin näher, als Sie glauben" sage ich. Ich habe mich im Schutz seiner Worte voran gearbeitet, ich vermute, dass uns nicht mehr als eine Doppelreihe Bücher trennt.

„Sie sind Emilias Neuer" sagt er. „Stimmt's? Und Sie sind hier, um ihr gebrochenes Herz zu rächen. Laurin, wie pathetisch. Seien Sie doch froh, dass ich mich ihrer entledigt habe, sonst wären Sie niemals in den Genuss gekommen." Schlurr.

Ich umrunde das Regal und bin mit einem Schritt in seiner Regalreihe. Ersteht am anderen Ende, in einer Hand seinen Stab, in der anderen ein schmales Büchlein, und mustert mich.

„Du meine Güte" sagt er. „Ich sehe, sie hat ihre Ansprüche nach unten korrigiert. Nun, was bleibt ihr anderes, dem kleinen Schlammblut."

Ich reiße an mich, dass es Funken schlägt, und hole aus. Gleichzeitig flickt er seinen Stab und murmelt ein Wort, und dann fällt etwas Schweres, Klebriges aus dem Nichts über mich, legt sich auf mein Gesicht und um meinen Hals , umschließt mich wie ein Leichentuch und stoppt mich mitten in der Bewegung. Die arkane Energie gerät ins Stocken, es fühlt sich an, als trüge ich flüssiges Silber in meinen Händen. Dicke, klebrige Stricke schießen aus dem Paket, das ich bin, und schlingen sich um die Regale, überkreuzen und verweben sich mit dünneren, die quer laufen, bis ich der Mittelpunkt eines Netzes bin, das sich leicht und elastisch und tödlich unentrinnbar anfühlt.

„Wiedersehen, Verlierer" sagt Martin und berührt mit seinem Zauberstab das Büchlein.

Portschlüssel, denke ich.

Portus" sagt er.

„Nein!" heult der Wolf und will und stemmt sich, nach vorne getrieben von einer wilden, heißen Wut, und ich schleudere, was ich habe, und armdicke Flammen schlagen aus meinen Händen. Es blitzt und knallt rund um mich. Das Netz brennt in Sekunden und fällt von mir ab, und ich springe vorwärts und stürze mich auf Martin, und dann fällt ein Büchlein vor meinen Füßen zu Boden und er ist weg.

„Nein!" schreie ich und schlage die flachen Hände gegen die Wand. Es knallt wieder, Flammen schlagen aus meinen Händen gegen den Putz.

Ich starre auf meine Handflächen, auf denen das Feuer langsam erstirbt. In meinem Rücken wird es heiß. Flackerndes Licht wirft meinen eigenen Schatten vor mir gegen die Wand. Ein scharfer Geruch steigt mir in die Nase.

Ich drehe mich um.

Die Bücher brennen.

Mein Mund wird sehr trocken. Hitze legt sich auf mein Gesicht.

Die vorderste Reihe, dort, wo die dicksten Haltestricke des Netzes befestigt waren, brennt lichterloh. Wirbel aus heißer Luft schleudern Asche und Funken hinauf zur Decke. Weißes Papier krümmt und schwärzt sich und vergeht zu staubfeinen Ascheröllchen. Einbände werfen Blasen und verkrüppeln. Goldschrift platzt ab und tropft aufs Holz, an dem die Flammen gierig lecken. Es knallt, und eine neue Stichflamme schlägt hoch und verschlingt einen großen Folianten mit holzverstärkten Ecken.

Ich habe eine Bibliothek angezündet.

Die Flammen knacken und rauschen und gebären allein ob ihrer Hitze mühelos immer neue Kinder. Ich stehe an der Wand und halte meine Hände von mir, als seien sie vergiftet, und sehe zu, wie der Flammenvorhang vor mir sich schließt.

Ich habe eine Bibliothek angezündet. Da brennen Bücher, und ich bin schuld.

Ich atme, tief und zitternd, und die Luft verbrennt meine Lungen. Der Schmerz bringt mich zur Besinnung. Da vorne, Kranzers Magische Melodien, dem Umfang nach eine Gesamtausgabe, nur ein paar Fingerbreit von den Flammen. Ich mache einen Satz und berge das kostbare Werk in meinen Armen. Wir sind bei den Musikalien offenbar, denn direkt daneben erwartet Welsings Zauberfiedel ein gleiches Schicksal, her damit, und oh Merlin, Streuners Poetica, die Jahreszahl 1699 prangt auf dem Einband. Da, Bachmanns Schattenwelten und Körnings Derwisch, die Totentänze und Ragnars Requiem, eine bebilderte Ausgabe des Feuervogel, Drachenwelten und Zwergenzauber und Merlins Menuette, und auf der anderen Gangseite beginnt Ovid seine Metamorphose von Reim zu Ruß.

Die Luft wird mir knapp. Heißer Wind zerrt an meinen Haaren, und ich höre jemanden verzweifelt schluchzen (mich?). Meine Arme werden schwer. Ich will meine gefährdeten Schätze miniaturisieren, aber das letzte Restchen Magie hat meinen Körper verlassen, ich bin magisch wie ein Muggel und verzweifelt wie nie in meinem Leben. Schwarzer Rauch füllt meine Augen und macht mich blind. Ich umklammere meine Schätze, ich muss sie hinaus bringen und wieder kommen und neue retten, aber die Not der Entscheidung nagelt mich auf dem Boden fest, wie kann ich Ovid verbrennen lassen, nur um Kranzer zu retten, Sallust und Streuner opfern, um Drachenwelten vor dem Untergang zu bewahren?

Die Hitze treibt mich zurück gegen die Wand. Die Appariersperre liegt auf mir wie ein Zentnergewicht, das Heulen der Flammen füllt meine Ohren und ich starre hinein, bis sich dunkle Schatten darin bilden, die ein Trugbild sein könnten, wenn da nicht eine Stimme wäre, die jemanden namens Moony ruft. Ich versuche zu antworten, aber es kommt nichts als ein heiseres Krächzen, das von einem neuen, zischenden Geräusch völlig geschluckt wird. Dicke, weiße Nebelschwaden wirbeln über den Boden, kriechen die Regale hinauf und ersticken die Flammen. Wo sie gewesen sind, überzieht eine dicke, weiße Schicht die schwarzen, rauchenden Überreste. Der Strahl, der den Nebel aussendet, wandert von links nach rechts und teilt den Flammenvorhang, und dahinter wird eine Gestalt sichtbar, die wie auf pudrigen Wolken zu mir in meine feurige Hölle hinab steigt.

„Moony" sagt Sirius. „Um Himmels Willen! Ist alles in Ordnung mit dir?"

„Nein" krächze ich. „Ich habe eine Bibliothek angezündet. Nichts wird jemals wieder in Ordnung sein."

Er steigt über einen Ascheberg und lacht, und die Erleichterung treibt ihm Tränen die Wangen hinunter, und ich frage mich, wie er erleichtert sein kann, schließlich habe ich eine Bibliothek angezündet, und er zieht mich so heftig an sich, dass ein paar der geretteten Bücher zwischen uns zu Boden rutschen, und ich mache einen Arm frei und schlinge ihn um seine Mitte und lege den Kopf an seine Schulter und will sterben.

Aber natürlich lässt man mich nicht. Es sind noch andere Feuerlöscher zu Gange, ich höre Stimmen, darunter auch Emilias. Ich hebe den Kopf, und Zwergenzauber rutscht aus meinen verkrampften Fingern und küsst den Boden.

„Es ist vorbei" sagt Sirius sanft. „Alles ist gut."

Aber natürlich ist nicht alles gut, denn schließlich habe ich eine Bibliothek angezündet.

Ars Magica" murmele ich hustend.

„Komm mit" sagt Sirius und hustet selbst schon, von irgendwo dringt immer mehr schwarzer, stinkender Rauch zu uns. „Ich bringe dich weg hier."

„Nein" sage ich und zeige schwach mit dem Finger. „Dort! Ars Magica. Siebzehntes Jahrhundert."

„Lass die blöden Wälzer!" faucht er. „Wir müssen raus hier, bevor wir eine verdammte Raucherlunge kriegen!" Er zerrt mich voran, und meine Beine sind so weich, dass ich keinen Widerstand leisten kann. Ich klammere mich an ihn und mit der anderen Hand an die wenigen Schätze, die mir nicht aus dem Arm gerutscht sind, und artikuliere schwach meinen Widerstand. Andere Schatten tauchen aus den Rauchschwaden, und dann spüre ich, wie ein Mobilicorpus greift und mich sanft von den Füßen hebt. Ich huste mir die Seele aus dem Leib, und dann kommt eine besonders dicke schwarze Wolke und verschluckt mich, und als sie sich wieder verzieht, ist alles anders.

Es ist hell hinter meinen geschlossenen Augenlidern, und Vögel zwitschern. Ich liege auf kühlem Untergrund. Jemand hält meine Hand. Ich blinzle.

„Da bist du ja" sagt Emilia und sieht sehr erleichtert aus. „Wie geht es dir?"

„Sag mir, dass es ein Traum war" sage ich krächzend, aber ohne zu husten. „Ich habe keine Bibliothek angezündet, oder?"

Sie verzieht das Gesicht und deutet hinter sich. Dort ist die Fassade des prätorianischen Verbindungshauses. Ein Fenster steht offen. Dünne Rauchschwaden steigen von dort in den blauen Himmel, und die helle Fassade ist um die Fensterhöhlung herum hässlich schwarz verfärbt.

„Merlin" sage ich und wende den Blick mit Grausen. „Ich habe eine Bibliothek angezündet."

„Du hast dich beinahe selbst angezündet" sagt sie. „Was um alles in der Welt hattest du vor?"

„Dein Ex" sage ich. „Martin. Er ist mit einem Portschlüssel davon. Ich wollte ihn unbedingt erwischen."

„Alleine?"

„Ich hielt es für eine gute Idee" murmele ich. „Ich dachte… irgendwie… es wäre eine Sache zwischen ihm und mir."

„Du meine Güte" sagt sie. „Das ist ja wohl der größte Schwachsinn, den du jemals von dir gegeben hast."

„Da könntest du wohl recht haben" sage ich.

Schritte nähern sich, dann beugt Doktor Claudia sich mit ihrer blauen Brille über mich.

„Na, Mister Feuerteufel" sagt sie. „Wie geht's uns denn? Ich sehe, die Medizauber schlagen an." Sie betastet meinen Arm, in dem ein leiser, pochender Schmerz sitzt. Ich schiele hinunter. Man hat den Ärmel meines verschmorten Hemdes aufgeschnitten (meines schönen, nagelneuen Hemdes!) und einen Verband unterhalb der Schulter angebracht.

„Spotten Sie nicht" sage ich. „Ich werde braten in ein tiefe, scheußliche Hölle, falls es etwas gibt, post mortem."

„Und die könnte womöglich noch ein bequemer Ort sein, verglichen mit dem, was prae mortem noch auf Sie zukommt" verkündet sie beschwingt. „Zentaurea ist sauer. Himmel und Hölle, ist sie sauer."

„Sie soll" sage ich. „Ich habe es verdient. Ich habe eine Bibliothek angezündet."

„Du wiederholst dich" macht Emilia mich aufmerksam.

„Brauchen Sie mich?" sagt Doktor Claudia. „Es gibt noch ein paar andere flügellahme Falken."

„Nein, danke" sage ich, obwohl die Welt um mich schwimmt.

„Stehen Sie nicht zu schnell auf" sagt sie. „Ihr Kreislauf muss erst wieder in Schwung kommen."

„Ich passe schon auf" verspricht Emilia, und Doktor Claudia nickt uns zu und entfernt sich.

Ich setzte mich vorsichtig auf, und die Welt wirft einige irritierende Wellen, bevor sie sich zu sanftem Schaukeln beruhigt.

„Wie geht es Antonia?" frage ich.

„Gut" sagt Emilia. „Sie hat alles unbeschadet überstanden, abgesehen von dem Schreck. Sie ist fürchterlich geladen, dass die Prätorianer es gewagt haben, ihre Hochzeit zu verderben, aber sie ist auch wild entschlossen, zurück zu gehen und weiter zu feiern."

„Wie spät ist es?" frage ich.

„Etwa halb vier" sagt sie. „Wir sind kaum mehr als eine Stunde weg. Wenn wir die Nerven behalten, können wir es wie eine ganz normale Brautentführung aussehen lassen." Sie seufzt und reibt sich das Gesicht. „Ich nehme an, sie wird ihren Zusammenbruch später haben, wenn die Gäste weg sind" sagt sie. „Das sähe ihr ähnlich. Sie geht drüber hinweg, aber sie wird es nicht einfach so wegstecken."

Ich strecke einen Arm nach ihr aus, und sie rückt näher und lehnt sich gegen mich. Ich vergrabe das Gesicht in ihrem krausen Schopf, in dem noch der Geruch des Feuers hängt, und für eine Weile sitzen wir und atmen ineinander und lassen Spannung abfließen.

Dann fällt etwas Schweres, Eckiges unsanft in meinen Schoß. Ich sehe auf. Vor mir sind lange Beine in rußverschmierten Jeans, und dann geht Sirius vor mir in die Hocke und grinst mich an.

„He, Moony" sagt er. „Kleines Souvenir für dich."

Ich schaue hinunter in meinen Schoß, wo ein dicker Foliant seine holzverstärkte Ecke in mein Knie bohrt. Die Lettern auf dem Einband glänzen golden in der Sonne, Ars Magica, darunter Weimar 1701. Es ist fast unversehrt, nur ein wenig angesengt an einem Eck.

„Das" sage ich und schaue zwischen ihm und dem Buch hin und her, „Das… ich meine, das ist die Ars Magica!"

„Ich bin froh, dass du das sagst" sagt er. „Wäre doch zu dumm, wenn ich die falsche erwischt hätte."

„Aber" sage ich.

„Ich finde, du hast dir eine Belohnung verdient" sagt er. „Das mit Antonias Fesseln war ein Geniestreich."

„Ich habe keine Belohnung verdient" sage ich düster. „Ich habe eine Bibliothek angezündet."

„Wir machen alle mal Blödsinn" sagt er und tätschelt ermunternd meine unverletzte Schulter. „Man lernt, damit zu leben, glaub mir."

„Aber du verstehst nicht" sage ich. „Sirius. Ich habe eine Bibliothek angez…"

„Sag's noch einmal, und ich ziehe dir deine teure Ars Magica über dein Superhirn" sagt Emilia. Sirius lacht und lässt sich rückwärts ins Gras fallen.

„Quäl dich nicht mit der Erinnerung" sagt er. „Das wird Snivellus gerne für dich übernehmen. Wie kam es eigentlich dazu, sag mal?"

„Es war eine Sache zwischen ihm und meinem Ex" sagt Emilia und verdreht die Augen. Ich streichle den Einband der Ars Magica und lege sie neben mir auf die Decke, die man mir unter den Kopf geschoben hatte (ich muss in einer ruhigen Minute über die Besitzverhältnisse des kostbaren Stückes nachdenken; ich kann sie nicht behalten, weiß aber auch nicht, wem ich sie zurück geben soll).

„Dein Ex?" sagt Sirius interessiert.

„Der in der blauen Robe" sagt Emilia. „Martin."

„Das war dein Ex?" sagt Sirius. „Alle Achtung. Gut aussehender Typ."

„Du kannst ihn haben" sagt Emilia. „Er hat in den letzten paar Jahren eine hochgradige Schlammblut-Allergie entwickelt, aber du bist ihm sicher reinblütig genug."

„Nein danke" sagt er. „Keine blassen Aristokraten für mich. Ich bin ein echt heißer Typ, ich brauche jemanden, der richtig Feuer hat."

„Ist Schmerz eigentlich unendlich steigerbar?" frage ich den blauen Himmel über mir.

„Armer Moony" sagt er, und ich höre ihn grinsen. „Dabei will ich doch nur wissen, was zwischen dir und Emilias Ex gelaufen ist."

„Es gab einen versteckten Portschlüssel in der Bibliothek" sage ich. „Er hat ihn benutzt und ist verschwunden. Ich war nicht schnell genug."

„Und vor lauter Wut hast du die Bibliothek angezündet."

„Nicht ganz. Er warf einen Fesselzauber auf mich, ein Netz, und ich hatte – die Hände voll arkaner Energie – ich kann es schlecht beschreiben, aber es hat sich unkontrolliert entladen."

„Weil du so wütend warst" sagt er.

„Nein" sage ich. „Ja. Vielleicht."

„Bist du sicher, dass du die stablose Magie weiter verfolgen willst?" fragt Emilia. „Es ist nur ein Gedanke, aber vielleicht ist der Stab nötig, um wirklich Kontrolle zu behalten. Die stablose Sache klingt wie kindliche Magie, nur viel gefährlicher."

Ich denke an die seltsame Euphorie, die mich angefüllt hat wie eine seltene, verlockende Droge, und ganz offenbar mein Urteilsvermögen entscheidend eingeschränkt hat.

„Ich bin nicht sicher" sage ich niedergeschlagen. „Ich glaube, stablose Magie, wenn man sie auf einem hohen energetischen Niveau betreibt, hat Nebenwirkungen. Euphorisierend. Persönlichkeitsverändernd. Ich glaube nicht, dass mir das gut tut."

„Quatsch" sagt Sirius. „Das war nicht die stablose Magie, da drin. Das war der Wolf."

Ich blinzle. „Was?" sage ich.

„Wusstest du nicht?" sagt er. „Für jemanden, der so viel nachdenkt, hast du erstaunlich wenig Ahnung, Moony. Ich war ein bisschen irritiert am Anfang, weil du so verändert warst, aber du warst mir nicht fremd, und dann fiel mir ein, dass du normalerweise nicht auf zwei Beinen gehst, wenn du so drauf bist. Deshalb kam ich nicht sofort drauf."

„Oh" sage ich. „Ja. Jetzt, wo du's sagst…"

„Siehst du" sagt Sirius. „Und ich hab' noch eine Idee. Ich glaube, dass du es überhaupt nur dem Wolf zu verdanken hast, dass du stablose Magie wirken kannst."

„Was?" sage ich wieder.

„Du glaubst doch nicht, du kannst stablos, nur weil du ein paar dicke Wälzer drüber gelesen hast" sagt er. „Das haben andere auch, und können stablos keinen Grashalm knicken, geschweige denn dicke Tische rücken, um nur das harmlose Beispiel zu nennen."

„Sehr zartfühlend" sage ich.

„Wie immer" sagt er und grinst. „Du weißt, was ich meine, ja? Ich glaube, der Wolf ist irgendwie mit diesen arkanen Strömen verbunden, die du anzapfst. Animagie ist ähnlich, nur nicht so mächtig."

Ich sehe ihn an, und plötzliche Erkenntnis stellt sich ein.

„Weißt du was" sage ich, „für jemanden, der so wenig nachdenkt, hast du erstaunlich viel Ahnung."

„Effizienz, Moony" sagt er. „Minimaler Aufwand, maximaler Erfolg. Oh, seht mal. Das traute Paar."

Selbiges sieht schon wieder ganz präsentabel aus, als es sich zu uns gesellt, um sich nach dem allgemeinen Befinden zu erkundigen. Leo hat offenbar mehr als einen Sauber-Zauber auf sich und seine blütenweiße Frau verwendet, und bis auf eine gewisse Blässe ist ihnen nicht anzusehen, dass sie etwas anderes hinter sich haben als eine gewöhnliche, feucht-fröhliche Brautentführung.

„Und du bist schuld" sagt Antonia zu ihrer Schwester. „Hättest du damals nicht angefangen, die Barbie-Pferde richtig galoppieren zu lassen, wäre ich mit all diesem Zauber-Zeug nie in Berührung gekommen und niemand hätte mir die Hochzeit versaut."

Leo, der fürsorglich den Arm um ihre Schulter geschlungen hat, räuspert sich dezent.

„Okay" sagt sie. „Es hätte dann keine Hochzeit gegeben, aber wenigstens hätte keiner sie versauen können."

„Ligusterlogik" sage ich zu Leo.

„Man gewöhnt sich" sagt er gelassen.

„Was willst du tun?" fragt Emilia. „Das Geheimnis einem anderen übertragen? Ich bin sicher, die Falken hätten Verständnis dafür."

„Ich denke nicht dran" sagt Antonia. „Das wäre doch, womit sie rechnen würden. Es ist am sichersten bei mir, wenn keiner mehr glaubt, dass ich es noch habe. Wusstest du übrigens, dass nicht mal dieses Veritas-Dingens bei mir wirkt?"

„Veritaserum" sagt Emilia.

„Genau" sagt Antonia und grinst. „Ich habe ihnen ein paar ziemlich unerfreuliche Wahrheiten gesagt, aber das Geheimnis konnte ich für mich behalten."

„Du Arme" sagt Emilia und seufzt schwer. „Es tut mir so leid. Es muss die Hölle gewesen sein für dich."

„Ach was" sagt Antonia und macht eine Geste, die ein wenig einstudiert wirkt. „Ich sehe das als langfristige Anlage. Ich plane, mich als Heldin feiern zu lassen, sobald Voldemort beseitigt ist. Und denk mal an die großartige Geschichte, die wir unseren Enkeln erzählen können! Endlich mal etwas anderes als die ewigen Einwanderer- und Pizzabäckergeschichten." Sie streckt Emilia die Hand hin und zieht sie in die Höhe. Emilia lächelt zaghaft.

„Und jetzt?" sagt sie. „Wollen wir noch ein bisschen Stoff für Familiengeschichten schaffen und deine Party anschieben?"

„Ja" sagt Antonia. „Schieben wir sie an. Diese Party soll Geschichte machen."

oooOOOooo

Wer den Schaden hat, braucht für den Spott nicht zu sorgen": Ein Nachspiel in drei Akten.

„Ausziehen" sagt Emilia finster.

„Was?" sagt der gefangen gesetzte Prätorianer verdutzt.

„Ausziehen!" wiederholt Emilia.

„Aber…" sagt der Prätorianer.

„Ist mir egal!" schreit Emilia ihn an. „Ich habe ein halbes Jahr lang Kamele und Cordhosen ertragen, ich will, dass er seinen Anzug zurück kriegt!"

(Ich finde, sie könnte aufhören, auf den Kamelen herum zu reiten. Das Schicksal hat meinen Lebensweg mit dem der Kamele verstrickt, da kann doch keiner was dafür. Und außerdem mag ich es nicht, wenn man über mich spricht, als wäre ich nicht da, wenn ich doch direkt daneben stehe.)

oooOOOooo

„Ich höre, du hast ein Bibliothek angezündet" sagt Severus sehr sanft.

„Es waren nur ein paar Regalreihen" sage ich trotzig.

„Und die Gerüchte über deinen Heldentod bei der Rettung einiger seltener Erstausgaben sind ebenfalls maßlos übertrieben, wie ich sehe."

„Im Falle anstehender Vaterschaft ist Heldentod möglichst zu vermeiden, Severus."

„Ja" sagt er und sieht sinnend auf mich hinunter. „Trotzdem. Sollten dir die schrecklichen Ereignisse den Schlaf rauben, zögere nicht, dich an mich zu wenden. Ich werde tun, was ich kann, um die Last der Erinnerung von deinen Schultern zu nehmen."

„Ich habe nur eine Bibliothek angezündet! Nicht etwa einen Kindergarten in die Luft gejagt!"

„Ganz ruhig" sagt er. „Ich bin sicher, du hast nur getan, was getan werden musste."

oooOOOooo

„Weißt du" sagt Sirius und grinst von einem Ohr zum anderen, „fast schade, dass du keinen Wolfsbann mehr nimmst. Mit einer Olive. Geschüttelt, nicht gerührt."

„Idiot" sage ich mit Gefühl, und beginne allmählich, zu entspannen.