Ihr Lieben,
nicht immer sind spontane Ideen die besten, aber entgegen sonstiger Gewohnheit bin ich der spontanen Idee gefolgt, das letzte Kapitel zu teilen. Es sind zweierlei Inhalte darin, die beide wichtig genug sind, um für sich zu stehen. So beschere ich Euch also hiermit ein kurzes achtes Kapitel, und in den nächsten Tagen dann Acht, zum Zweiten. Ein Experiment, zu dem ich mich hinreißen lasse, und das sich hoffentlich nicht als Blödsinn heraus stellt. Ich erhoffe Euer mildes Urtiel.
Disclaimer: siehe Kapitel eins.
Acht, zum ersten: Tänze, Essgewohnheiten und ein Vorhang, der die Sicht versperrt
„Ich will Gummibärchen" sagt Emilia.
„Oh, nein" sage ich. „Nicht die Gummibärchen-Nummer!"
„Doch" sagt sie. „Gummibärchen. Die sauren, mit dem weißen Überzug. Ich habe das Mittagessen verpasst! Wovon soll ich dein Kind ernähren, bitte schön?"
„Nicht von Gummibärchen" sage ich.
„Aber…" sagt sie.
Es hat sich gerade angelassen, allen Widrigkeiten zum Trotz doch noch ein richtiges Hochzeitsfest zu werden. Die Rückkehr der Braut zur Festgesellschaft geschah im Triumph, und keiner der paar Hundert Hochzeitsgäste hat sich an dem Dutzend neuer Partywilliger gestört, die in Antonias Gefolge eingetroffen sind (und nur für das geübte Auge den Eindruck einer Leibgarde erweckt haben mögen).
„Hör mir gut zu" sage ich. „Ich besorge dir aus dieser Küche alles, was du willst. Die können kochen, die machen dir bestimmt etwas zu essen, wenn du nicht aufs Abendessen warten willst. Aber ich werde nicht, hörst du? Nicht! Von Tankstelle zu Tankstelle apparieren auf der Suche nach verdammten Gummibärchen!"
„Ist ja gut" sagt sie verwundert. „Was ist nur los mit dir?"
„Ich habe eine Bibliothek angezündet" sage ich. „Meine Nerven sind vielleicht ein wenig angegriffen."
„Oh" sagt sie. „Ja, dann. Wie wär's mit Pommes? Und Mayo. Und Ketchup. Und wenn sie einen schönen, matschigen Hamburger machen können…"
„Nein!"
„Warum nicht?"
„Weil ich nicht zulasse, dass du die noch nicht mal fertig ausgebildeten Arterien meines Kindes mit Junk Food verstopfst!"
„Wenn du glaubst, dass ich mich nur noch von Salat und Äpfeln ernähre, bis es da ist, hast du dich gründlich verrechnet, mein Freund!"
„Warum schreit ihr?" fragt Laura interessiert und schaut zu uns hinauf.
„Wir schreien nicht!" schreien wir.
„Tut ihr aber doch" sagt Laura besorgt. „Hab ihr euch nicht mehr lieb?"
„Natürlich haben wir uns lieb" sagt Emilia. „Deshalb schreien wir ja."
„Ihr spinnt" sagt Laura kopfschüttelnd.
„Komm" sage ich zu der Kleinen und halte ihr die Hand hin. „Tante Lila muss ausruhen. Wir gehen ansehen die Küche, willst du?"
„Tante Lila muss kein bisschen ausruhen" sagt Emilia. „Tante Lila will Junk Food! Und einen Mann, der sie versteht."
"Du kannst dich hier hinsetzen und warten, bis ich dir etwas Vernünftiges zu essen bringe" sage ich ihr. „Oder du kannst das gleiche tun, aber mit einem sehr klar instruierten Hund vor deinen Füßen. Was ist dir lieber?"
„Du würdest nicht Padfoot als Waffe gegen mich verwenden" sagt sie.
„Würde ich nicht?" sage ich.
Sie rollt mit den Augen, aber sie lacht dabei.
„Nichts Grünes" sagt sie und lässt sich an dem Tisch nieder, auf den ich gedeutet habe. „Kein Salat, oder Broccoli. Und nicht zu gesund, ja?"
„Ich werde sehen, was ich machen kann" verspreche ich ihr und nehme Laura mit auf einen Küchenraubzug.
Nachdem die Besichtigung der Küche abgeschlossen und ein Keks in Empfang genommen ist, geht Laura ihrer Wege, um auf dem gegenüber liegenden Spielplatz eine Runde zu schaukeln. Ich warte vor der Küche auf Emilias Nudeln. Ich bin ein bisschen müde, und mein Kopf fühlt sich an wie leer gesaugt. Ich frage mich, ob ich wohl derzeit in der Lage wäre, auf magischem Wege eines der Informationsblättchen vom Tresen über die Kante zu schubsen, stablos oder nicht. Ich versuche es. Ich bin in der Lage. Beruhigt hebe ich das bunte Faltblatt auf und lege es zurück auf den Stapel. Ein paar Leute gehen an mir vorbei rein und raus, ich erinnere mich nicht an ihre Namen, werde aber trotzdem freundlich angelächelt und lächle zurück. Dann kommen zwei aus dem strahlenden Spätnachmittag nach drinnen, eng umschlungen, und pausieren in der dunklen Ecke bei der Garderobe, um sich zu küssen.
Ich bin ein sehr diskreter Mensch. Ich käme nie auf die Idee, Dinge zu beobachten, die nicht für meine Augen bestimmt sind. Aber es zieht, und ich stehe ein bisschen im Weg, und deshalb muss ich ein paar Schritte machen, schräg hinüber, und niemand kann mir verdenken, wenn mein Blick versehentlich auf die Garderobe fällt, wo, im Schutz von Mänteln und vergessenen Regenschirmen, Sirius' und Angelinas Lippen sich in einem innigen Tanz verschmolzen haben.
In meinem leer gesaugten Gehirn bildet sich ein Fragezeichen.
Später, die Nudeln sind längst mit gnädiger Herablassung vertilgt, beweise ich mir dann selbst, dass ich nur sehr bedingt aus meinen Fehlern lerne: Mische dich nicht in Sirius' Frauengeschichten, heißt die Lektion, die ich schmählich leugne, als ich mich zu ihm nach draußen geselle, wo er auf der niedrigen Mauer sitzt und Zigarettenrauch in den dunkelblauen Abendhimmel bläst. Sein rotes Tüchlein ist verschwunden (ich werde es später an Angelinas Handgelenk entdecken), und die silbrige Öse, in die man die Leine am Halsband einhakt, glitzert über seiner Kehle.
„He, Moony" sagt er, und fast habe ich den Eindruck, er hätte rasch etwas wie Nachdenklichkeit von seinem Gesicht gewischt (man stelle sich die Schlagzeile vor: „Sirius Black beim Nachdenken ertappt!") „Wie geht's? Hast du Spaß? Musstest du schon tanzen?"
„Noch nicht" sage ich und setze mich neben ihn auf die Mauer. „Und du? Hast du… deinen Spaß?"
„Wie meinst'n das?" sagt er, und ich bemerke wieder einmal, dass ich ihm nichts vormachen kann.
„Weißt du" sage ich und bringe vorsichtig meine Schulter gegen seine. „Es ist ganz bestimmt irritierend, wenn die eigene Freundin immer wieder das Aussehen wechselt, und vielleicht hast du dich einfach durcheinander bringen lassen, aber vorhin, das Mädchen in der Garderobe, das war nicht Tonks, oder?"
„Nein" sagt er unbeeindruckt. „Das war Angelina."
„Aha" sage ich.
„Mann" sagt er sinnend. „Hat die Ohren!"
„Was?" sage ich, und er grinst und macht eine beidhändige Geste, die recht eindeutig darauf verweist, dass er nicht ihre Ohren meint.
„Sirius" sage ich.
„Nein, echt" sagt er. „Die ist wirklich süß. Die könnte mir gefallen."
„Das kann ja sein" sage ich, „aber ich weiß nicht, ob ich das fair finde, was du da veranstaltest."
„Ich veranstalte nichts" sagt er und rollt mit den Augen. „Ich habe nicht vor, ihr ein Kind zu machen, oder etwas."
„Sie weiß nicht mal, wer du wirklich bist. Sie hält dich für einen Schauspieler, ausgerechnet."
„Das ist nicht schlimm" sagt er. „Wir reden nicht besonders viel, weißt du."
„Aber Tonks…" sage ich und zucke zurück, als er von der Mauer springt und seine Zigarette unter dem Absatz zermalmt, als könnte sie etwas dafür (wofür auch immer).
„Ich geh wieder rein" sagt er. „Ist mir zu unentspannt, hier draußen. Kommst du mit, oder willst du noch ein bisschen den Moralapostel markieren? Dann nämlich ohne mich."
„Ich bin kein Moralapostel" sage ich. „Aber du hast diese Neigung, deine Frauengeschichten unnötig zu verkomplizieren, und ich dachte…"
„Denk alleine" sagt er und wendet sich ab.
„Weißt du was" sage ich und rutsche von der Mauer. „Mach doch, was du willst."
„Sowieso" sagt er, und seine Absätze bohren sich ein bisschen zu tief in den Kies auf dem Weg nach drinnen.
Ich verliere ihn aus den Augen im Laufe des Abends, denn die Wogen der Party schlagen hoch. Antonia und Leo müssen sich durch eine Abfolge mehr oder weniger peinlicher hochzeitlicher Gesellschaftsspiele arbeiten, und ich leiste stumm den Schwur, lieber ewig Junggeselle zu bleiben, als zuzulassen, dass man mich in roten Stöckelschuhen über einen Parcours aus Absperrband und Stühlen schickt. Dann gibt es Gulaschsuppe, die ungesund genug ist, um Emilias Gefallen zu finden, und dann werden Tische und Stühle zur Seite gerückt, und der italienische Vetter, der bisher die Musikanlage bedient hat, wechselt zu Tanzmusik. Es ist ein Walzer, von der schmelzenden Wiener Sorte, klassisch und ein bisschen zu süß wie Sachertorte, und Antonia und Leo drehen die Hochzeitsrunde und sehen innig, schön und glücklich miteinander aus. Dann ist die Tanzfläche für die Gäste geöffnet, und mein Rest von Hoffnung, mich drücken zu können, wird im Keim erstickt.
„Darf ich bitten?" fragt Emilia und legt ihre Hand in meine.
„Äh" sage ich, und sie zieht schon an meiner Hand. „Ich kann aber doch nicht tanzen."
„Das macht nichts" versichert sie mir fröhlich, und ich folge ihr zögerlich auf die Tanzfläche.
„Siehst du" sage ich einige „Aua", „Entschuldigung", „Jetzt links" und „Nein, rückwärts" später. „Ich bin ein tanztechnischer Versager. Wenn es sich nicht mit eins, zwei, Wiegeschritt lösen lässt, bin ich nicht zu gebrauchen."
„Egal" sagt sie, löst ihre Hand aus meiner und schlingt mir die Arme um den Hals. „Es gibt so viele andere Dinge, zu denen du zu gebrauchen bist."
Sie hebt ihr Gesicht zu mir, ihre Wangen sind rosig und ihre Lippen glänzen so vielversprechend, dass ich mich ohne Zögern zu allerlei Dingen heranziehen lasse, zu denen ich ganz offenbar viel besser zu gebrauchen bin als zum Tanzen. Irgendwann wechselt die Musik von Sachertorte zu Linzerschnitten, aber nachdem sie sich nicht daran stört, störe ich mich auch nicht. Ich bin so beschäftigt mit Dingen, zu denen ich zu gebrauchen bin, dass ich „Ja" sage, als sie mich etwas fragt, und erst im Nachgang feststelle, dass ich soeben meine Einwilligung für hochzeitsvorbereitende Tanzstunden gegeben habe.
„Du könntest Severus fragen" sagt Emilia sehr vergnügt und zeigt über die Tanzfläche, wo der Tränkemeister und Donna Anna einen beispielhaften Walzer zeigen.
„Ja, klar" sage ich. „Weil es ja noch nicht genug gibt, womit er mich quält."
„Ich leihe mir Harrys Mantel und mache ein paar Fotos" sagt sie. „Du glaubst nicht, welche Preise wir auf dem Schwarzmarkt von Hogwarts erzielen könnten!"
„Du weißt, ich bin relativ frei von Besitz" sage ich. „Aber ich besitze noch einen Rest Würde, und den möchte ich gerne behalten."
„Ach was" sagt sie und grinst. „Würde wird allgemein überschätzt."
„Ich werde Sirius fragen" verspreche ich ihr, obwohl ich aus verschiedenen Gründen die Qualität dieser Idee bezweifle. Der Erwähnte schiebt sich gerade auf die Tanzfläche, sein blütenweißes Hemd steht am Kragen offen und ermöglicht ungetrübte Sicht auf das lederne Hundehalsband, das seine Kehle ziert. Blicke treffen ihn, die mich im Boden versinken ließen, träfen sie mich, aber er badet darin wie in Rosenblüten. Er grinst und zwinkert mir zu und begibt sich dann in Abfangposition zu Severus und Donna Anna. Ich höre ihn nicht über der Musik, aber ich sehe, wie er schmelzend lächelt und eine kurze Frage formuliert. Donna Anna nickt und löst ihre Hand aus der des Tränkemeisters, sie sieht klar aus, als würde sie es bedauern, und dann wandelt sich ihr Blick in ungläubiges Erstaunen, als Sirius nicht sie, sondern Severus um die Mitte nimmt und beginnt, den überrumpelten und tödlich entsetzten Tränkemeister übers Parkett zu schwenken.
Bis Emilia und ich uns erholt und uns die Lachtränen aus den Augen gewischt haben, hat Severus sich, zweifelsohne gewaltsam, aus Sirius' Zugriff befreit. Sie stehen voreinander, und Severus hat Tötungsabsicht im Blick, während er sich mit harten Bewegungen seine Manschetten zurecht zupft und die Ärmel glatt streicht. Sirius gibt das verletzte Unschuldslamm, nicht sehr überzeugend, denn das breite Maraudergrinsen sitzt ihm in den Mundwinkeln. Eine Menge Ligusters, DiDios und Trapanes haben ihren Spaß an der Szene, und während ich noch überlege, ob Severus mir leid tun soll, ist Emilia schon einen Schritt weiter.
„Warte mal eine Minute" sagt sie zu mir. „Ich muss ihn retten."
Natürlich hat sie den Siriusfaktor nicht einkalkuliert, als sie geht, um ihren verzauberten Tränkemeister zu erlösen (Theorien, er würde sich in einen Prinzen verwandeln, würfe man ihn nur oft genug gegen eine Wand, sind meiner Ansicht nach nicht haltbar). Ich verbleibe also mit meinem hundehalsbändigen Freund und tanze Wange an Wange mit ihm etwas, worauf eins-zwei-Wiegeschritt anwendbar ist. Es ist nur meine zukünftige Schwiegerfamilie. Würde ist verzichtbar.
Es wird dann noch ganz würdelos ein sehr netter Abend. Sirius verlässt mich ohne viel Aufhebens für die engelslockige Angelina, und ich verdränge das schlechte Gewissen, das ich stellvertretend für ihn empfinde und quäle meine Liebste mit Eins-Zwei-Wiegeschritt, bis sie sich freiwillig einen besseren Tänzer sucht. In der Summe habe ich einige sehr nette Gespräche, ein bisschen zu viel Rotwein („Ich verstehe, dass die Erinnerung, eine Bibliothek angezündet zu haben, schwer auf dir lastet" sagt der Tränkemeister, „aber es ist wenig sinnvoll, sie in billigem Rotwein zu ertränken."), eine süße Rache („Du hast recht" sage ich. „Ich tröste mich besser mit den Fotos, die ich von dir und Sirius gemacht habe."), mehr anzügliche Bemerkungen, als ich brauchen kann („Hehe, Moony, hast du mal Feuer? Mwuahahaha!"), ein tröstendes Zusammentreffen mit Emilia in der schattigen Ecke zwischen Küche und Garderobe (hmm), einen kleinen Ausflug zur nächst gelegenen Tankstelle (kein Kommentar zu diesem Thema) und eine lockere Vereinbarung zur künftigen Kooperation von Phönixen und Falken (wenngleich ich nicht sicher bin, ob die Idee des Austausch-Resistance-Praktikanten im schnöden Licht des kommenden Morgens Bestand haben wird).
Es wird spät, und dann sehr spät. Die Partygesellschaft schrumpft. Leos Eltern haben sich längst verabschiedet, und Ligusters würden gerne selbiges tun, wenn nicht seltsamer Weise der Wagen gestohlen worden wäre.
„Wir sagen es ihnen morgen" sagt Emilia zu mir und geht, um ein Taxi zu rufen.
Dann ist das Taxi da, die Nacht ist kühl und duftet nach Kirschblüten, und wir warten auf Sirius. Emilia hat ihre kalten Hände in meine Ärmel gesteckt und sieht müde aus.
„Wo bleibt er?" fragt sie.
„Ich weiß es nicht" sage ich. „Er verabschiedet sich vielleicht noch von Angelina."
„Arme Tonks" sagt sie seufzend. „Er ist ein echter Mistkerl. Immer das gleiche mit den schönen Männern."
„Ich befürchte, es steckt mehr dahinter" sage ich. „Er ist unglücklich, aber ich weiß nicht, warum."
„Er ist mit einem Hundehalsband herum gelaufen und hat meine Verwandtschaft schockiert" sagt sie. „Er hat getanzt und getrunken und meine Freundin geküsst. Unter unglücklich verstehe ich etwas anderes."
„Es ist vielleicht seine Art, unglücklich zu sein" sage ich, und sie sieht mich an und denkt offenbar darüber nach.
„Vielleicht gehst du ihn holen" sagt sie und nimmt ihre Hände aus meinen Ärmeln. „Bevor das Taxameter die Familienkasse sprengt."
„Ja" sage ich und küsse ihren Mundwinkel. „Ich bin gleich zurück."
Die Hauptbeleuchtung im Festsaal ist bereits ausgeschaltet. Letzte Grüppchen von Gästen stehen im Halbdunkel zusammen und reden und wirken beiläufig und ein wenig verloren wie die vielen leer getrunkenen Gläser und Flaschen, die auf den Tischen zurück geblieben sind und klebrige Flecken auf den zerknitterten weißen Tischdecken hinterlassen. Es riecht ein wenig nach Gulaschsuppe und verschüttetem Alkohol. Ein Knäuel papierner Luftschlangen von einem der Hochzeitsspiele raschelt unter meinen Füßen. Die Musik spielt noch, leise, als hätte man vergessen, sie abzustellen, und eine einsame Gestalt wiegt sich auf der Tanzfläche und streicht mit den Fingerspitzen immer wieder über das lederne Halsband, ganz versunken, als folgten die Finger einem stummen Mantra.
„Darf ich bitten?" sage ich leise, und er dreht den Kopf und sieht mich an, seine Augen sind sehr blau.
„Moony" sagt er. „He, was machst du hier?"
„Dich suchen" sage ich. „Wir haben ein Taxi bestellt und warten auf dich. Du solltest nicht mehr apparieren. Du hast zu viel getrunken."
Dass es immer nachts passiert, hat System. Wir sind müde, er ist müde und hat nicht mehr die Kraft für seine Siriusmaskerade, und es ist die Eigenart der Nacht, ihm die Maske abzunehmen und ihm sanft die Wahrheit ins Gesicht zu küssen, und ich bin müde und habe den Wolf dicht unter der Oberfläche, und Sirius vertraut dem Wolf tief und bedingungslos, mehr als mir.
„Ich habe kein eigenes Leben" sagt er. „Keine Zukunft. Das hast du mal zu mir gesagt. Ich wäre ein Mann ohne Zukunft, und wie recht du hattest. Alles, was ich habe, jenseits des Krieges, ist dein Leben. Nicht meines. Ich sehe deine Kinde, deine Schule, ich sehe Emilia und ein Häuschen im Grünen und einen hübschen Garten. Ich sehe dich Tee trinken und Zeitung lesen. Aber ich sehe nicht mich. Ich weiß nicht, wo ich sein werde. Ich sehe mein Leben nicht, es ist, als hätte jemand einen Vorhang davor gezogen, und ich könnte nicht dahinter sehen."
Ich öffne die Arme, und er lehnt sich hinein und vergräbt das Gesicht an meiner Schulter, und ich streiche über sein tintenschwarzes Haar und warte, dass es hilft, die einzige Heilung, die es für ihn gibt: die atmende Wärme eines anderen Körpers, der greifbare Beweis, nicht allein zu sein, nicht mehr allein, wie er es an einem fürchterlichen Ort so lange gewesen ist.
„Sie hat sich geirrt" flüstert er gegen meinen Hals. „Sie hat es wirklich gewollt, aber sie konnte es nicht. Es nicht ertragen."
Ich sage nichts, ich habe aufgehört zu reden in solchen Augenblicken, Worte helfen nicht, sondern wenden sich, die doch eigentlich meine Freunde sind, nur zu oft gegen mich. Ich lasse den Wolf damit umgehen, und der Wolf braucht keine Worte.
„Sie konnte die Heimlichkeit nicht ertragen" sagt er und klammert sich an meine Schultern wie ein Ertrinkender. „Das Verstecken. Die ganze Abwesenheit von normalem Leben. Du weißt schon. Spazieren gehen, sich mit Freunden treffen. Sie konnte nicht ertragen, dass ich… diese Träume habe. Nachts. Und dass ich es nicht ertrage, wenn jemand eine Tür zu macht. Und dass ich immer noch glaube, ich darf nicht zu glücklich sein, weil sonst einer kommt und es mir wegküsst. Sie hat mir das alles gesagt. Und dass sie immer nur Nummer Zwei ist. Das konnte sie am wenigsten ertragen, glaube ich."
Er nimmt das Gesicht von meiner Schulter. Meine Hände gleiten wie von selbst aus seinen Haaren und über seine gequälten Wangen, und er lehnt sich in meine Handflächen, wie Padfoot es gerne macht.
„Wo bin ich, Moony?" sagt er und legt seinen blauen Blick auf mich, verschleiert über den Rändern meiner Fingerspitzen. „Wo bin ich in deinem Leben?"
„Du bist immer da" flüstere ich. „Egal, wo ich bin."
Er stößt ein langes, zitterndes Seufzen aus und schließt die Augen, seine geschwungenen Wimpern legen sich wie Schatten auf seine weißen Wangen.
„Ich möchte in den Hund gehen" sagt er, „und immer dort bleiben. Ich möchte bei dir sein, in deinem schönen Haus. Ich möchte vor deinem Kamin liegen und auf deine Kinder aufpassen. Ich möchte meinen Kopf auf deinen Knien haben, wenn du sitzt und Aufsätze korrigierst. Ich möchte mit dir über eine Wiese rennen. Ich möchte in den Hund gehen und nie wieder zurückkommen. Kann ich das?"
„Nein" sage ich. „Ich würde dich zu sehr vermissen."
„Aber für eine Weile" flüstert er. „Darf ich? Nur für eine Weile."
Ich sehe ihn an und wundere mich nicht, dass er mich um Erlaubnis bittet, er ist schon im Hund, er muss nur noch den Körper nachholen.
„Ja" sage ich. „Für eine Weile."
Er seufzt und gleitet an mir nach unten, und geht auf alle viere und löst sich auf, und es ist weniger Auf- als Erlösung, und er jault leise und presst sich gegen meine Beine, und dann bringe ich ihn nach draußen, und meine Hand liegt sachte auf seinem Fell.
