"Wer
bist du," fragt er mich und sieht in meine Augen. Ich sehe mich
nicht in den seinen und schaue zu Boden, wie viel kälter er auch
ist, als das Gesicht, neben dem meinen.
Ich will nicht, dass er
mich erkennt, meine Gedanken errät. Er kann mich sehen.
"Eine
Tochter der Nacht...", flüstere ich.
Ich sehe noch immer
nicht auf zu ihm. Aber ich fühle seine Angst, höre seinen
Atem nah an meiner Seite und doch so fern von mir. Ich spüre was
er denkt.
Ich stehe auf, denn ich weiß was er tun wird. Er
wird darauf warten, dass ich es ihm erkläre. Was er für
mich getan hat, kann ich mit einigen Worten nicht ungeschehen machen.
Er sagt, wir seien uns ähnlich.
Doch ich sehe es
nicht.
Er ist ein Elb. Etwas, das ich vielleicht einmal war, aber
nie wieder sein werde. Er weiß nicht was er zu mir
sagt...
"Bleib stehen," ruft er hinter mir her, doch
ich beachte ihn nicht.
Ich gehe weiter und drehe mich nicht zu
ihm um. Die Bank auf der er sitzt noch vor Augen. Doch ihn nicht
mehr. Der Wind streift über meine Haut, doch ich spüre ihn
nicht.
Ein Elb...
Er hat es verdient eines dieser Geschöpfe
zu sein, denke ich mir und gebe mir Recht. Heller als das Licht, das
ich so fürchte und doch so liebe, so wie mein Herz, das ich
verlor. Schöner als die Nacht, die ich so bewundere, mit
ihren Sternen in der Dunkelheit.
Und auf einmal bleibe ich doch
stehen. Überrascht über mich selbst. Er hält mich
fest, wie der Wind, die Bäume, die er hin und her reißt
wie er will.
Ich kann nicht anders, als ich mich umzudrehen und
ihn anzuschauen.
Wie gerne würde ich weinen, eine Träne
auf meiner Wange spüren um ihm so in seiner Sprache sagen zu
können, dass ich nicht bleiben kann.
Doch ich kann es nicht.
Ich kann nicht weinen und nicht lachen. Nicht so, wie er es verstehen
kann. Als dumm hat man mir die Anderen erklärt. Sie sehen und
hören nicht, was wir sehen. Ich habe nicht daran gezweifelt.
Doch nun merke ich, dass ich diejenige bin, die nichts zu tun
vermag.
Einige Momente verharre ich so, sehe ihn nicht an. Ich
habe Angst davor, dass er mich ansieht. Mich straft sein unschuldiger
Blick, wenn er meinen trifft.
"Legolas!", ruft eine
Stimme weit entfernt. Ich frage mich, ob er sie gehört hat, denn
er rührt sich nicht. Doch sicher hat er sie vernommen.
Schließlich sehe ich seine Augen nicht. Blau wie das Meer. Wie
mögen meine Augen aussehen? Ich habe es vergessen.
Die Stimme
ruft ein weiteres Mal und wird lauter. Er steht auf und kommt auf
mich zu. Die Steine schaben aneinander, es ist ein Geräusch der
Freude in meinen Ohren.
"Geh schon...", sage ich leise
zu ihm, wie zu einem kleinen Jungen. Wie zu einem Freund, den ich nie
hatte, auch wenn ich es dachte. Er war es nicht. Das habe ich
erkannt.
"Ich wusste es...", antwortet er mir nur und
hebt mein Gesicht mit seiner warmen Hand. "Ich wusste es
irgendwie."
Ich glaube ihm nicht. Er wusste nicht wer ich
war. Wer ich bin. Wer ich sein werde, wenn er diese Welt verlassen
hat, auch wenn dieses noch in ferner Zukunft liegt.
Und ich drehe
mich wieder um.
"Die Sonne geht bald auf...", flüstere
ich zum Abschied und sehe ihm dann doch in die Augen.
Ich wende
mich ab und laufe davon. Ich kann es nicht ertragen.
"Vergiss
mich!", rufe ich zurück und beginne zu schluchzen. Doch es
fließen keine Tränen. Wie schön wäre wenigstens
das gewesen...
Und im Stillen denke ich mir jede Nacht, die ich in
die Sterne schaue:
Wäre ich nur wie du...
