"Wer
bist du?", frage ich sie und sehe ihr in die Augen. Ich verstehe
nicht, was sie mir sagen will. Was habe ich ihr getan?
Sie sieht
zu Boden, als schäme sie sich vor etwas, dass sie nicht getan
hat.
"Eine Tochter der Nacht...", antwortet sie mir
leise, doch sie schaut noch immer nicht zu mir auf. Ich weiß
nicht, was es ist. Ich weiß nicht, warum ihre Gedanken an mir
vorüber ziehen.
Ich höre mein Herz in meiner Brust. Mein
Atem geht zu schnell. Zu schnell für diesen Moment. Ich spüre,
dass sie es bemerkt.
Was soll ich tun? denke ich mir und hebe
meine Hand. Sie scheint es nicht zu bemerken.
Denn plötzlich
dreht sie sich um und geht.
Einfach so.
Und ich bleibe
zurück.
Die Hand, mit der ich sie berühren wollte,
schnellt in die Luft und ich rufe "Bleib stehen!", doch sie
tut es nicht.
Ich überlege, ob ich hinter ihr herlaufen
soll, sie an der Schulter greifen und sie zu mir umdrehen soll. Im
nächsten Moment überdenke ich mein Vorhaben. Vielleicht
wäre es falsch. Ich hätte nichts zu verlieren, wenn ich sie
anhielte. Aber was ist mit ihr?
Und auf einmal bemerke ich, wie
ihre Schritte verstummen. Sie bleibt stehen.
Ich atme auf, ohne,
dass ich weiß wieso.
Einen Augenblick zweifle ich daran,
dass sie sich zu mir umdreht. Doch sie tut es.
Da höre ich
eine Stimme hinter mir, die meinen Namen ruft. Ich achte nicht auf
sie.
Ich stehe auf von der Bank auf der ich sitze gehe einige
Schritte auf sie zu.
Wieder ruft die Stimme.
Sie sieht mich
immer noch nicht an.
"Geh schon...", flüstert sie
und sieht in die Richtung aus der die Stimme kommt.
"Ich
wusste es...", sage ich nur und lege meine Hand um ihr Gesicht.
Es ist kalt. "Ich wusste es, irgendwie..."
Sie befreit
ihr Gesicht und dreht sich langsam wieder um.
"Die Sonne geht
bald auf..."
Dann schaut sie mir doch in die Augen. Einen
Wimpernschlag, dann ist es wieder fort. Noch von diesem letzten Blick
benommen sehe ich ihr hinterher.
Sie läuft davon.
"Vergiss
mich!", höre ich ihre Stimme. Dann ist sie fort.
Noch
einige Minuten sehe ich ihr nach, auch wenn sie längst
verschwunden ist. Eine Hand legt sich auf meine Schulter und in
Gedanken versunken folge ich meinem Freund.
Unter meinen Füßen
knirschen die Steine, genau wie bei ihren letzten Schritten.
So
unähnlich sind wir uns nicht, flüsterte ich ihr zu, und
doch bin ich nicht wie du.
