Ich laufe durch den Regen zu einem der größeren Gebäude. Der Palast.
Umwuchert von Pflanzen und in mitten von riesigen Bäumen erhebt er sich trotz des Regens leicht und hell vor meinen Augen.
Ich renne die breite Treppe hinauf, an den Wächtern vorbei auf die große Tür zu.
Man öffnet mir und ich trete ein.
Es ist warm und nur ein paar Fackeln erhellen den tagsüber so prächtigen Raum.
Zielstrebig gehe ich einen der Gänge entlang.
Eigentlich sollte ich mich fragen, was ich hier soll, was mein Vater von mir will, doch meine Gedanken führen mich immer wieder zu der Unbekannten zurück.
Ich kenne nicht einmal ihren Namen und doch interessiert sie mich immer mehr.
Vielleicht auch gerade deswegen, weil ich nichts über sie weiß.
Ich trete vor eine größere, schwere Tür und klopfe.
"Komm herein, Legolas..." höre ich meinen Vater sagen und ich öffne langsam die Tür.
Vor mir liegt sein Arbeitszimmer.
Auch hier brennt ein Feuer im Ofen und mein Vater erhebt sich von seinem Stuhl um mir entgegen zu treten.
Besorgt sieht er aus, bemerke ich. Fast erzürnt, wenn ich genauer darüber nachdenke...
"Vater?" Ich verbeuge mich leicht und schaue dann zu ihm auf.
"Legolas, mein Sohn..." Er nimmt mich bei der Schulter und führt mich zu einem Sessel.
Ich setze mich.
Und genau, wie die Frau, die ich diese Nacht bei mir aufgenommen hatte, achte ich gar nicht darauf, was der Mann an meiner Seite mir erzählt.
Ich verstehe, dass er mir zu erklären versucht, dass ich mich bei Empfängen und Festen ein wenig freundlicher zeigen sollte und, dass ich ihm anscheinend Sorgen bereite.
Und? denke ich. Was machst du dir Sorgen? Du bist schuld daran. Du hast mich in diese Welt gesetzt, du bestimmtest mein Leben und du bestimmst es immer noch.
Vielleicht sind meine Gedanken ein wenig zu offensichtlich, denn mein Vater sieht mich sehr merkwürdig an, als wüsste er genau, was ich vor ihm zu verbergen versuche.
"Legolas, ich kann genau sehen, was du denkst. Deine Augen werden dich immer verraten. Hass gegen mich, habe ich nicht Recht?"
Überrascht zucke ich ein wenig zusammen.
Dann nicke ich schließlich sogar.
"Was habe ich getan?" fragt er weiter. "Du kannst so viel tun wie du willst und das weißt du. Doch jedem seine Regeln."
Oh ja, wie oft hatte ich diesen Satz schon gehört und ich war ihm überdrüssig geworden.
Jedem seine Regeln.
Mein Leben ist doch eine einzige Pflicht.
Manchmal sitze ich Jahre neben ihm auf einem Thron und lächele Fremde an.
Wo ist da mein Leben?
"Ich kann nicht tun, was ich will. Und das weißt du, sonst hättest du mich gar nicht erst hierher geholt. Schon lange weiß ich, dass ich nicht hierher gehöre. Ich bin nicht jemand, der sich edel gekleidet unter das hohe Volk mischt und die Staatsangelegenheiten regelt. Das ist nicht mein Leben..."
Ich stehe auf und will gehen.
"Legolas! Es ist deine Pflicht!"
"Eine Pflicht ohne Sinn!"
Und ich gehe einen Schritt auf die Tür zu.
Flieh und du wirst frei sein...
Was war das?
Ich bleibe stehen.
Ich höre meinen Vater hinter mir atmen und versuchen die richtigen Worte zu finden. Dann reiße ich die Tür auf, dass die Flammen wild um sich schlagen und das Holz verzehren.
Auf dem Gang sehe ich mich um.
Was war das?