„James", hauchte Sirius erschöpft. Der Zauber hatte ihm viel Kraft gekostet.
James sagte nichts, sondern schaute Sirius nur ungläubig an. Dann versuchte er sich aufzurichten, doch ließ sich mit einem leisen Stöhnen wieder auf sein Bett fallen.
„Hey, bleib liegen. Du bist doch gerade erst wach geworden." Sirius Stimme zitterte leicht. Ein schwaches Lächeln zierte sein Gesicht, welches seine Augen aufglänzen ließ.
Nach einigen Augenblicken des Schweigens öffnete James den Mund. Seine Stimme klang rau und heiser: „Was ist passiert?"
Ihm schien das Reden schwer zu fallen.
Jetzt meldete sich auch Madam Pomfrey zu Wort. Sie hatte sich zuvor mit Dumbledore im Hintergrund gehalten.
„Sie lagen im Koma, Mister Potter. Hätte ihr Freund hier nicht sein Leben für Sie riskiert, wären Sie vermutlich jetzt nicht mehr am leben!"
James reckte vorsichtig seinen Kopf zur Seite und starrte nun die Krankenschwester mit entsetztem Blick an.
„Was? Warum lag ich im Koma? Und wie lange?", fragte er schnell und mit weit aufgerissenen Augen.
Sirius hörte nur zu, er brachte kein Wort mehr heraus. Er konnte es noch nicht fassen.
James war wach, er war gerettet. Es würde alles wieder gut werden. Die zwei Jahre waren nicht umsonst gewesen.
Diese ganzen Gedanken musste er erst einmal begreifen und ordnen.
Doch langsam machte sich ein wunderliches Gefühl in ihm breit. Er konnte es nicht genau definieren, doch es fühlte sich merkwürdig vertraut an, obwohl er sich sicher war, es bisher noch nie gespürt zu haben.
Außerdem war er eigenartig müde. Er hatte Schwierigkeiten, seine Augen offen zu halten und sein Mund war ausgetrocknet.
James Worte rissen ihn aus seinen Gedanken.
„Ich glaube, ich erinnere mich wieder an etwas… das Quiddichendspiel… die Slytherins… was haben sie mit mir angestellt?"
Diesmal antwortete Dumbledore: „Sie sollten sich erst einmal ausruhen, Mister Potter. Es war ein schwieriger Zauber und ich kann von Glück sagen, dass er Mister Black gelungen ist." Dumbledores Stimme hörte sich eigenartig steif an.
„Welcher Zauber?" James wandte seinen Kopf wieder zu Sirius. „Was hast du gemacht?", fragte er aufgebracht.
Doch Sirius schüttelte den Kopf.
„Du solltest dich wirklich besser ausruhen, James. Ich werde dir alles in Ruhe erzählen… Morgen, sobald es dir besser geht.", sagte er liebevoll.
Doch James zog die Augenbrauen zusammen.
„Mir geht es gut.", erwiderte er monoton.
„James, ich kenne dich jetzt schon viel zu gut, du kannst mir nichts vormachen!" Auch Sirius wurde ernst.
Von James kam nur ein leises Schnauben.
„Ja, ich glaube, da hast du Recht. Aber bitte bleib hier, ok?" Er ließ seinen Kopf wieder auf das Kissen zurücksinken und schloss erschöpft die Augen.
Sirius griff nach seiner Hand.
„Natürlich. Ich gehe nicht mehr.", sagte er sanft und setzte sich auf den Stuhl an James' Bett.
Es dauerte nicht lange bis James eingeschlafen war.
Sirius wandte sich leise an Dumbledore und Madam Pomfrey.
„Ich kann doch hier bleiben, oder?", fragte er nervös.
Dumbledore lächelte und nickte leicht.
„Ich glaube, das wäre am Besten. Aber legen Sie sich lieber auch schlafen, Sie sind bestimmt genauso erschöpft, wie Mister Potter."
„Nein! Es geht schon. Ich fühle mich hellwach.", log Sirius.
Doch Dumbledore erwiderte zu seiner Verwunderung nichts, sondern schenkte ihm noch ein verständnisvolles Lächeln und verließ den Krankenflügel.
Madam Pomfrey beobachtete nur alles stumm. Sie holte Sirius eine Decke und zog die Vorhänge zu.
Er schaute auf James und lächelte. Er fühlte sich so unbeschreiblich erleichtert und glücklich.
Er würde jetzt ein neues Leben beginnen, ein Leben, in welchem er bei seinen Freunden sein konnte. Verbunden mit James. Die Ausmaße des Zaubers begriff er noch nicht, doch es war ihm relativ egal. Hauptsache James war gerettet.
Sirius legte seinen Kopf auf die Bettdecke und schloss langsam die Augen. Sein Körper entspannte sich und er fiel in einen leichten Halbschlaf.
Automatisch kamen Erinnerungen in ihm hoch, er ließ es geschehen. Er ließ seinen Gedanken freien Lauf…
„Nein, Sirius. Warum hast du das gemacht?", rief James aufgebracht.
Sirius stand nur da und starrte auf den regungslos daliegenden Rosier.
„Wieso, Sirius? Du hast… du hast ihn…." Weiter kam James nicht. Er schaute hektisch zwischen Sirius und Rosier hin und her.
„Ich…er…das wollte ich doch nicht!", stotterte Sirius.
„Er ist tot, Sirius. Du hast ihn getötet!" James war blass und zitterte. Er ging langsam zur gegenüberliegenden Wand und rutschte an ihr herunter.
Sirius schwieg nur und hielt sich die Hände vors Gesicht. Er verstand nicht, was er soeben getan hatte.
Die ersten Schreie erreichten ihn. Eine Horde Erstklässler war den Gang entlang gekommen und hatte Rosiers Leiche an der Wand liegen sehen. Sein Kopf lag auf seiner Schulter. Das Genick war gebrochen.
„Was ist hier los?", hörte er McGonagall aufgebracht rufen. „Oh bei Merlin! Erstklässler, alle in eure Schlafräume!"
Sirius spürte, wie ihn jemand schüttelte.
„Mister Black! Ist alles mit Ihnen in Ordnung? Was um alles in der Welt ist passiert? Wer war das?", fragte die Professorin erschüttert.
Doch Sirius konnte nicht antworten, seine Kehle war wie zugeschnürt. Er zitterte am ganzen Körper. Jemand nahm im seine Hände vom Gesicht.
Sirius öffnete langsam die Augen und sah direkt in die seines besten Freundes.
„James…ich…ich wollte das doch nicht!", sagte Sirius aufgelöst.
James drückte ihn fest an sich und flüsterte leise in sein Ohr: „Ich weiß, Sirius, ich weiß… Ich werde zu dir halten, egal was jetzt kommt! Ich werde immer auf deiner Seite sein…bitte… vergiss das nicht…"
Sirius hörte deutlich, dass es James schwer viel, zu sprechen.
Ihm selbst wurde immer mehr bewusst, was gerade passiert war. Was er getan hatte.
Was danach geschah, wusste er nicht mehr. Er erinnerte sich nur noch daran, dass er irgendwie in Dumbledores Büro gekommen war. James stand neben ihm.
„Ihr Vater hat mir auf meinen Brief geantwortet, Mister Black.", sagte Dumbledore in eigenartig strenger Stimme.
„Er wird Sie noch heute Abend abholen kommen.", fügte er noch hinzu.
Sirius stutze.
„Ich komme nicht nach Askaban? Aber ich habe doch…", weiter sprach er nicht. Er konnte nicht über die Sache reden. Jedes Mal, wenn er an Rosier dachte, sah er die Leiche vor sich. Die Bilder gingen nicht mehr aus seinem Kopf. Er wollte die Geschehnisse rückgängig machen, wollte einfach nur aus diesem Albtraum aufwachen.
Doch er wachte nicht auf.
„Sie wissen doch, dass Ihr Vater sehr viel Macht besitzt, Mister Black. Er hat ein gewisses Abkommen mit dem Ministerium gemacht.", fing Dumbledore wieder an. „Sie werden von jetzt an zwei Jahre bei Ihrer Familie wohnen und dort von Ihrem Vater unterrichtet werden. Danach können Sie machen, was Sie wollen. So schreibt es Ihr Vater jedenfalls."
Sirius Augen weiteten sich. Er tauschte einen kurzen Blick mit James, bevor er anfing zu sprechen.
„Aber ich will nicht zu meiner Familie! Sie wollen mich doch nur zu einem Schwarzmagier erziehen! Nur, weil ich dieses verdammte Erbe antreten soll! Aber das will ich nicht! Ich will nicht einer von denen werden!", sagte Sirius laut und abfallend.
Dumbledores Gesicht wurde noch ernster und er senkte seine Stimme: „Mister Black, Sie können sich in Ihrer derzeitigen Situation so etwas nicht erlauben! Die einzige Möglichkeit Askaban zu entgehen ist diese zwei Jahre bei Ihrer Familie irgendwie durchzustehen! Vergessen Sie das bitte nicht."
Sirius schaute auf den Boden.
„Aber Professor Dumbledore! Verstehen Sie denn nicht? Die werden Sirius zu einem Schwarzmagier machen! Sie werden ihm ihre ganzen rassistischen Ansichten eintrichtern, bis er es irgendwann selbst glaubt!", schnaubte James.
Doch bevor Dumbledore antworten konnte, seufzte Sirius.
„Mir bleibt wohl nichts anderes übrig, James.", sagte er leise.
Sirius schaute James an. Beiden war in diesem Moment klar, dass sie sich jetzt für zwei Jahre verabschieden mussten. Und dass danach nichts mehr so wie früher sein würde.
James legte seine Hände auf Sirius' Schultern und schaute ihn mit festem Blick an, Traurigkeit war deutlich in seinen haselnussbraunen Augen zu sehen.
„Sirius. Unsere Freundschaft bleibt bestehen, egal was jetzt noch passiert. Ich werde immer zu dir halten. Das weißt du, oder?"
Sirius nickte. „Ja, das weiß ich."
Er versuchte zu lächeln, doch es gelang ihm nicht. Die Angst auf die kommende Zeit lastete zu sehr auf ihm.
„Ich gehe meinen Koffer packen.", sagte er noch monoton an Dumbledore gerichtet und verließ ohne einen weiteren Blick zusammen mit James das Büro des Schulleiters.
