Vorgeschichte, Teil 3: Padfoot

[Anmerkung: Da ich mit dem Schreiben dieser Geschichte begonnen hatte, bevor das fünfte Buch veröffentlicht wurde, stimmen manche Dinge leider nicht mit den Fakten aus Band 5 überein.]

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1 - Prolog

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Der schwarzhaarige kleine Junge ließ die kurzen Beinchen vom Sofa baumeln. Ein deprimierend aussehender Mann, der von Kopf bis Fuß in schwarz gekleidet war und ein Stück Glas vor dem einen Auge trug, stand am anderen Ende des Raumes und unterhielt sich sehr leise mit einer grauhaarigen Hexe mit spitzem Hut und einem hochgewachsenen Mann, der ein ernstes Gesicht und kalte Augen hatte und ebenfalls ganz in schwarz gekleidet war. Der Junge gähnte und rieb sich die Augen. Warum musste er so hier sitzen? Wer war eigentlich diese Frau dort? Warum stand sie mitten in Mummy und Daddys Wohnzimmer? Den alten Mann hatte er schon einmal gesehen - da hatte er ebenso deprimierend gewirkt - erst vor kurzem, als Großmutter 'in den Himmel' gekommen war, wie seine Mutter ihm erklärt hatte. An dem Tag hatte er auch den anderen Mann zuletzt gesehen. Der Kleine wusste noch, dass er diesen Mann 'Onkel' nennen sollte, auch wenn ihm nicht klar war, weshalb. Er war ihm in seinem jungen Leben jedenfalls noch nicht sehr oft begegnet. Und wo waren seine Eltern? Warum kamen sie nicht nach Hause? Und warum war Ellie, seine Babysitterin, heulend in die Küche gelaufen, als diese Leute gekommen waren, und nicht zurückgekehrt? Er mochte Ellie. Er beschloss, sie suchen zu gehen.

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"Ellie?"

Ellen Cole trocknete sich die Augen, als sie das Rufen des Kindes hörte.

"Hallo, Sirius."

Sie rang sich ein Lächeln ab. Sirius kam näher und blickte aus großen, fragenden Augen zu ihr auf. Ellen nahm in auf dem Schoß und drückte ihn an sich, denn sie wusste, dass es sehr wahrscheinlich das letzte Mal sein würde. Tränen fielen aus ihren schweren Augen auf seinen dunklen Schopf. Sirius war erst zwei, er verstand noch nicht, was los war. Er wusste nur, dass Ellie traurig war, und das machte ihn auch traurig. Sie war seine Freundin - die einzige, die er in dieser Welt außer seinen Eltern hatte. Also ließ er zu, dass sie mit ihm schmuste, so wie Mummy, als sie traurig gewesen war, dass seine Großmutter fort war.

So fanden der Bestatter Mr. Mortis, Miss Dolesham und Duncan Black sie einige Zeit später. Sirius schaute argwöhnisch zu ihnen auf und klammerte sich instinktiv an Ellen fest.

"Es wird Zeit, meine Liebe", sagte Miss Dolesham.

"Eine traurige Geschichte", fügte Mr. Mortis hinzu und polierte sein Monokel.

Duncan Black stand bloß da und zog die Stirn zusammen.

"W-was soll aus Sirius werden, jetzt, wo seine - seine Eltern ...?" fragte das Mädchen.

"Er wird zu mir ins Heim ziehen," erwiderte die grauhaarige Hexe.

"Aber ..."

Ellen sah flehend zu Mr. Black.

"Können Sie ihn nicht zu sich nehmen, Sir?"

"Ich?" entgegnete Black verächtlich. "Was soll ich mit ihm?"

"Aber - Sir, er ist Ihr Neffe. Das Fleisch und Blut Ihres Bruders."

"Thomas war ein Spinner", behauptete der Mann bitter. "Oh, ich weiß, ihr Leute nennt ihn einen 'Zauberer', aber meine Eltern und ich erkannten, was er wirklich war. Wir waren froh, als er wegging, um sich der 'magischen Gemeinschaft' anzuschließen, und ich wüsste von keinem düstereren Tag als dem, als er darauf bestand, dass wir alle zu seiner Hochzeit kommen sollten und dabei sein, wenn er eine - eine von seiner Art heiratete. Nein, ich nehme sein Kind nicht zu mir. Von mir aus kann er gern ins Kinderheim und dort bleiben, ich bin froh, ihn los zu sein."

Ellen starrte den Mann ungläubig an, sie traute ihren Ohren kaum. Wäre sie doch nur etwas älter, dann hätte sie den Jungen selbst adoptiert. Aber was konnte eine sechzehnjährige Hexe schon tun? Also überließ sie ihn Miss Dolesham und schaute nur noch ein letztes Mal sehnsüchtig in sein süßes Gesicht, als er von ihr weggetragen wurde.

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2 - Der Anführer des Rudels

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"Also, wer war es?" schnappte Miss Dolesham und blickte wütend in die Reihe der Gesichter vor ihr.

"Wer hat die Stinkbombe in Mr. Featherstones Büro losgelassen?"

Ihre Augen streiften die Reihe. Die Knaben standen alle kerzengerade da, die Brust nach vorn geschoben, die Augen auf den Boden gerichtet.

"Pringle!"

Ein nervöser blonder Junge zuckte.

"Ja, Miss Dolesham?"

"Sagen Sie mir, wer die Bombe losgelassen hat."

Die Stimme der alten Hexe klang fast überredend.

"I-ich weiß es nicht", stammelte der arme Junge.

"Oh, Sie wissen es nicht? Wenn das so ist, dann sollte ich vielleicht einfach annehmen, dass Sie es selbst waren. Mr. Featherstones Rohrstock wird sicher ans Licht führen, wie wenig Sie wirklich wissen."

Der Junge namens Pringle zitterte unter ihrem strengen Blick ganz fürchterlich. Er sah aus, als sei er den Tränen nahe, aber er war offensichtlich entschlossen, nichts zu sagen.

"Na schön", sagte Miss Dolesham und packte ihn am Kragen. "Dann wollen wir mal."

Sie kamen bis zur Tür bevor eine klare Stimme plötzlich rief: "Warten Sie!"

Miss Dolesham blieb an der Tür stehen. Ein schräges Lächeln spielt um ihre Lippen. Sie drehte sich um.

"Ja, Black?"

Sirius trat aus der Reihe hervor, den Kopf stolz erhoben, und seine Augen hielten ihren Stand.

"Pringle hat die Stinkbombe nicht losgelassen. Das war ich, Miss."

Miss Dolesham musterte ihn. Seine Augen waren kalt und unerschrocken, und innerlich musste sie lächeln. Sie kannte diesen Jungen nun schon, seit er zwei Jahre alt gewesen war. Sie wusste, er war ein Störenfried, und sie hatte ihn schon häufig bei seinen Schandtaten erwischt - deshalb hatte sie auch in diesem Fall sofort gewusst, dass er dahinter steckte. Doch welche Fehler der junge Black auch haben mochte, Untreue gehörte nicht dazu. Er war meistens derjenige, der bei dem Unfug, der im Jugendheim angestellt wurde, die Fäden zog. Aber anders als andere 'Bandenführer' schob er nie einem anderen die Schuld in die Schuhe, wenn er etwas ausgefressen oder angestiftet hatte, und sie konnte nicht anders, als seinen Mut zu bewundern, da er nun seinen Freund Pringle in Schutz nahm, der fünf Jahre jünger war und absolut unfähig, sich selbst durchzusetzen. Sie ließ Pringle los und sagte langsam:

"Verstehe. Dann sollten Sie besser mitkommen."

Sirius folgte ihr gehorsam aus dem Zimmer und den Gang entlang, der zu den Verwaltungsbüros führte. Er wusste, oder glaubte zu wissen, was ihm bevorstand. Doch sie gingen nicht in Mr. Featherstones Büro, sondern in Miss Doleshams eigenes.

"Setzen Sie sich", befahl sie.

Sirius gehorchte. Miss Dolesham setzte sich hinter ihren Schreibtisch und lehnte sich zurück.

"Black", sagte sie endlich, und sie klang jetzt viel freundlicher als vorher. "Was soll ich nur mit Ihnen machen? Sie sind intelligent, Sie könnten es weit bringen, wenn Sie nur wollten. Warum müssen Sie sich nur immer selbst mit solchen Kindereien Steine in den Weg legen? Mr. Featherstone hätte Sie schon längst zum Vertrauenssprecher gemacht, wenn Sie nur etwas Verantwortung zeigen würden. Sie könnten über den anderen Jungen stehen, Ihre Betreuer würden Ihnen vertrauen und sich auf Sie verlassen. Warum müssen Sie uns denn so plagen?"

Sirius dachte einen Moment lang nach und sagte dann:

"Es ist nicht, dass ich Sie nicht respektieren würde, Miss Dolesham. Oder Mr. Featherstone oder die anderen. Aber mir macht dieser 'Unfug' nun mal Spaß, und ich glaube nicht, dass ich wirklich über meinen Freunden stehen will. Ich bin gern einer von ihnen, ich will nicht für sie verantwortlich sein. Es sind meine Freunde, ich kann sie doch nicht rumkommandieren."

Miss Dolesham betrachtete ihn einen Moment lang und seufzte dann.

"Wenn Sie das so sehen, dann muss ich gestehen, dass ich Ihre Gefühle verstehe. Aber bitte, Black, versuchen Sie in Zukunft nicht so - schwierig zu sein, wenigstens für kurze Zeit."

Sie lehnte sich vertrauensvoll vor und senkte die Stimme.

"Es schadet wohl nicht, es Ihnen zu sagen. Ich habe Mr. Featherstone überredet, Ihren Namen auf die Anmeldeliste für Hogwarts zu setzen."

Sirius schnappte nach Luft.

"Hogwarts, Miss?"

"Ja, Hogwarts. Aber wenn Sie weiter solche Spielchen treiben, wie Stinkbomben in seinem Büro loszulassen, dann kann es gut sein, dass es bald nicht mehr in meiner Macht liegen wird, ihn zu überreden, Ihren Namen nicht gleich wieder von der Liste zu streichen. Hab etwas Geduld, Sirius", fügte sie sanfter hinzu. "Und benimm dich. Bitte."

Das strenge Gesicht verzog sich zu einem Lächeln.

"Zumindest, bis du deinen Brief erhalten hast."

"Sie - glauben Sie wirklich, es besteht eine Chance, dass ich angenommen werde?"

"Natürlich", meinte Miss Dolesham, jetzt wieder mit ihrer gewohnt energischen Art. "Ich habe keinen Zweifel daran. Wenn Sie Ihren Brief bekommen, kommen Sie damit direkt zu mir. Ich werde alle nötigen Vorbereitungen treffen, mit Ihnen die Schulbücher kaufen gehen - und ich bin fest entschlossen, Sie persönlich zum Hogwarts Express zu bringen."

Sirius grinste. Hogwarts! Dafür lohnte es sich, artig zu sein. So lange es nicht allzu lange dauerte, bis sein Brief eintraf.