Anmerkung
Titel: Die Domänen
Genre: Abenteuer, Alternative Universe, ein klein wenig Romantik. Crossover HdR / Darkover
Disclaimer: Figuren und Handlungsschauplätze sind aus den Büchern von J.R.R Tolkien, Marion Zimmer Bradley, sowie (mit freundlicher Genehmigung der Autorin) aus der Geschichte "Den Jäger erlegen" von Sleepy Tiger entlehnt.
Kapitel 12: Ohnmächtige, Streitgespräche und Resignation
Legolas saß auf einem großen Kissen. Wolkenfetzen jagten in schneller Folge über den Himmel und sagten ihm, dass es draußen stürmte. Immer wieder verschleierte sich der Mond und das Zimmer wirkte noch düsterer. Nur zwei spärliche Kerzen brannten in ihren Haltern. Er befand sich hoch oben im Turm der Burg, denn es waren sehr viele Stufen gewesen, die er Rakhal Ardais schlaffen Körper hatte tragen dürfen. Das Getränk, welches Marguerida ihm gereicht hatte, stand unberührt auf dem Boden.
Rakhal Ardais lag nur wenige Meter von ihm entfernt auf einigen Kissen. Unter einer Vielzahl von Decken begraben erweckte er den Eindruck zu schlafen. Dabei war dieser Mann vor nicht allzu langer Zeit, es schien schon Äonen her zu sein, mit einem Dolch auf ihn losgegangen.
Mit seinen elbischen Instinkten hatte er sich gewehrt und Rakhal fiel einfach um. Dabei war sich Legolas sicher ihn nicht getroffen zu haben. Und bevor er überhaupt wusste was geschah, stand die Bewahrerin von Arilinn vor ihm und befahl, Rakhal hier herauf zu bringen. Warum, darüber rätselte er noch immer.
In den ganzen 3000 Jahren, die er auf dieser Welt weilte, überraschte und verwirrte ihn dieses Land und diese Begebenheit immer mehr. Hier entsprach nichts dem, wie es sein sollte:
Ein Stallbursche entpuppt sich als eine Art Prinzessin, das Land, das Sauron die Stirn bot, besaß nicht einmal eine Grenzverteidigung, Männer fielen grundlos in tiefe Ohnmacht, selbst die Sonne war rot. Als nächstes würde wohl ein Menschenmädchen aus dem Himmel fallen und ihm ihre unsterbliche Liebe beteuern. Hier war alles möglich.
Selbst seine Träume konnten sich diesem Land entziehen. Besuchte er im Schlaf immer seine geliebte Asani, so dachte er mit Scham an diesen seltsamen Traum im Gasthof. Da erwartete seine Frau sein Kind, und er ging in Gedanken mit einer anderen fremd. Er fühlte sich schuldig.
Sein Blick wanderte zu dem Bewusstlosen, dann schlich sich ihm ein kalter Schauer über seinen Rücken. Rakhal hatte sehr konfus gesprochen direkt vor dem Angriff: Margueridas Ehre wiederherstellen, Unrecht rächen, ein Kind…
Sollte dieser Traum etwa der Wahrheit entsprechen! Aber es war so irreal. Seine Liebe gehörte ganz allein Asani, sein Herz war an sie gebunden.
--Das eine musste mit dem anderen nichts zu tun haben,-- meldete sich eine kleine unangenehme Stimme in seinem Kopf. Oh Eru, wenn wirklich… Wenn ihn seine Schuld nicht tötete, so würde Asani es ganz gewiss tun.
Aber warum hatte Marguerida sich an jenem Morgen in keinster Weise geäußert? Und vielleicht war Rakhal auch einfach nur verrückt …psychisch überlastet, … eifersüchtig auf eine sehr verquere Art und Weise…
Die Tür öffnete sich und die beiden Frauen traten mit einem jungen Mann in den Raum. Marguerida trug nun eine ähnliche Robe, wie die beiden anderen, sehr warm. Sie war eindeutig geborgt, da sie um einige Zentimeter zu lang war, dafür saß sie um die Hüfte reichlich eng. Die Umrisse eines Verbandes zeichneten sich darunter ab, von dem Schnitt den sie im Eifer des Gefechts abbekommen hatte.
Der junge Mann zündete weitere Kerzen an und Legolas erkannte, dass dessen Robe blau, Margueridas grün und Leonies karmesinrot war. Maguerida holte einige Decken aus einem versteckten Wandschrank und reichte sie Leonie und dem Mann, die sich auf den Kissen niederließen. Sie gab auch Legolas eine Decke, der daraufhin das Schweigen brach:
„Was ist eigentlich passiert?"
Aber nicht Mag, sondern Leonie antwortete:
„Die Umstände zwingen uns einen Fremden, Euch, in eines unserer Geheimnisse einzuweihen, wenn wir Rakhals Leben retten wollen. Marguerida beteuerte Ihr seid ein Ehrenmann, Ihr gehört dem alten Volk an. Dieses Unternehmen läuft stillschweigend ohne Zustimmung des Rates. Euer Ehrenwort darauf, dass alles was Ihr in diesem Raum erfahren möget, niemals außerhalb dieser Türen gelangt. Vor allem, ich betone noch einmal, ganz besonders Eurem König darf unsere Welt nicht enthüllt werden."
Seine Skepsis spiegelte sich überdeutlich auf seinem Gesicht. Mag bat ihn eindringlich:
„Bitte, Herr Legolas, willigt ein. Es handelt sich um nichts Unmoralisches, über das Ihr schweigen sollt. Rakhal ist ein halsstarriger Volltrottel, das kann ich nicht abstreiten, aber lasst ihn nicht sterben. Helft ihm!"
Etwas in ihren grünen Augen erinnerte ihn an Asani. Dies und die Tatsache, dass er einem Mann nicht kaltherzig die Hilfe verweigern konnte, bewegten ihn schließlich zögerlich zuzustimmen:
„ Ich … geben Euch mein Wort. Verratet mir, was Ihr von mir erwartet!"
Leonie griff unter den Deckenstapel auf Rakhals Brust und förderte ein Seidensäckchen zu Tage. Vorsichtig knüpfte sie es auf und schlug die Seidenlagen zur Seite, bis ein bläulich leuchtender Kristall zum Vorschein kam.
„Dies ist ein Matrixkristall, Rakhals Matrixkristall. Das Kristallgitter ist genau auf sein Gedankenmuster abgestimmt und verstärkt seine natürlichen Gaben. Dadurch reagiert dieses System auch sehr empfindlich gegenüber äußeren Einflüssen."
„Seine Gaben? Und Ihr habt einen Weg gefunden sie zu verstärken. Das ist ja ungeheuerlich. Was hielt Rakhal dann davon ab, mir das Hirn aus den Ohren zu quetschen…?"
Das Gesicht des fremden Menschenmannes verzog sich vor Abscheu:
„Ihr seid ein Fremder, Herr Elb, sonst wäre Euch die Ächtung unserer Gesellschaft allein für solche Gedanken sicher. Niemals bräche ein Comyn seinen Eid Menschen mit seinen Gaben unter keinen Umständen Schaden zuzufügen. Hastur, der Sohn des Lichts, gab sie uns, um in dieser unwirtlichen Region zu überleben und den Nicht-Comyn zu helfen. Nicht aber um uns gegenseitig umzubringen. Das alte Gesetz aus der Zeit der Hundert Königreiche verbietet alle Waffen, die dem Angegriffenen nicht gleichzeitig die Chance geben den Angreifer zu töten. Bei Euren Gedanken kann sich die Welt glücklich schätzen, dass Euer Laran so gering ausgebildet ist."
„Vielen Dank, Danilo!", unterbrach Leonie die Tirade des Mannes scharf und wandte sich wieder Legolas zu.
„Gerade Euer latentes Laran ist das Problem. Während des Kampfes unterbrach irgendetwas, das Ihr verursachtet, abrupt die Verbindung von Rakhals Geist zu seiner Matrix und schickte sein Bewusstsein in einen Teil der Überwelt. Schätzt Euch glücklich ohne Schaden aus dieser Überlastung herausgekommen zu sein, normalerweise ist so etwas für beide tödlich. Diese Ebene der Überwelt erreichen wir ohne Eure Hilfe nicht. Genauso wenig gelangt Rakhal ohne Euch wieder heraus. Also werde ich Euch beide …" - damit zeigte sie auf Marguerida und Legolas - „In die Überwelt bringen und die Verbindung aufrecht erhalten. Da Ihr an die Arbeit in der Überwelt nicht gewöhnt seid, wird Marguerida Euch begleiten um möglichen Gefahren aus dem Weg zu gehen. Danilo Lindir …" - damit meinte sie den jungen Mann - „…wird uns währenddessen überwachen."
Legolas schluckte. So einfach wie der Plan auch klang, Leonie vergaß eine entscheidende Kleinigkeit:
„Und wie soll gerade ich zu dieser Ebene gelangen. Wenn ich so wenig Laran besitze, wie Ihr sagt; weshalb sollte ich dann etwas schaffen wozu Ihr nicht fähig seid?"
Leonie und Danilo reagierten pikiert ob dieser Anklage. Marguerida zuckte mit den Schultern und meinte lakonisch:
„Es ist alles eine Frage der Muster. Und dieser Ort trägt nun mal die Signatur deines Geistes, also wirst du ihn schon besucht haben."
Legolas tappte aufgrund dieser Erklärung zwar immer noch im Dunkeln, aber er beließ es dabei. Er fand sich langsam damit zurecht, dass die Einheimischen die Umstände besser verstanden als er.
Ihm war die Überwelt nicht fremd, er besuchte sie hin und wieder, und kannte die Unmöglichkeit sich dort zu orientieren. Es blieb ihm unverständlich, wie Leonie oder Marguerida irgendeinen Ort der Überwelt von einem anderen unterscheiden konnten. Verrückt…
„Kommt mit, Ihr werdet es sehen. Wir beeilen uns, bevor zu viele aufgrund eines zu hohen Alkoholspiegels den Bereich der Dämpfer verlassen, die zum Schutze des Festes aufgestellt wurden. Sonst wird es zum Arbeiten zu laut und wir könnten entdeckt werden. Um ehrlich zu sein, ich möchte nicht vor den Rat treten, um diese ganze Geschichte zu erklären!"
Obwohl der Elb resignierte, entschied er sich doch ein bisschen zurückzuschlagen:
„Du meinst du möchtest dem Rat nicht erklären, dass du schwanger bist."
Ihre Gesichtszüge entgleisten, ein Treffer auf voller Linie. Sie lachte gezwungen:
„Wie kommt Ihr denn auf diese Idee, Herr Elb? Ihr habt doch die ganze Zeit auf mich aufgepasst."
Er schaute sie sehr lange und düster an, bis sie sich schaudernd abwandte. Erst dann bemerkte er:
„Es ist für das Kind zu gefährlich. Warum begleitet mich nicht Dom Lindir."
Leonie amüsierte sich prächtig, das konnte Legolas auf ihrem sonst so unnahbaren Gesicht lesen. Sie entschied sich die Wahrheit nicht abzustreiten:
„Dom Legolas, diese Diskussion führte ich schon, bevor wir Euch mit einbezogen. Allerdings benötigen wir Margueridas Spürsinn für den Verschollenen, den jede noch so ausgeprägte Gabe nicht ersetzen kann. Wir riskieren mehr, als ihr erahnen könnt. Ich denke allerdings, wir beginnen jetzt besser."
Er antwortete mit einem knappen Nicken. Mag rutschte, auf der Suche nach einer bequemen Position, auf dem Kissen herum, ehe sie Leonie ihre Bereitschaft signalisierte. Schon spürte Legolas wie Leonie seinen Geist umfasste und sie gemeinsam in die Überwelt wechselten.
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Grau, grau, grau. Farblos und formlos lag die Überwelt vor ihnen. Ein grauer Nebel umwaberte ihre Beine. Für Legolas war es genauso unspektakulär und langweilig, wie eh und je. Nicht eine Landmarke unterschied das Hier vom Dort. Als Antwort auf diesen Gedanken blitzte ein Licht am Horizont. Seine Elbenaugen gewahrten einen Turm, der immer deutlicher aus dem Dunst auftauchte. Das Bauwerk ähnelte dem Turm von Arilinn, aber unzählige Erker, Außentreppen, Zinnen und Vorsprünge klebten entgegen allen Gesetzen der Statik an dem Gebäude.
„Dort seht Ihr Arillin. Die kleine Melora arbeitet in der Relaisstation und sie vergnügt sich mit solchen architektonischen Spielereien."
Leonie trat neben ihn. Ihr Gesicht wirkte weniger verbittert als in der Realität. Dieser Gedanke, für einen Telepathen wohl laut herausgebrüllt, brachte Mag zum Kichern. Auch sie erschien jünger und offener und es kümmerte Legolas wenig, ob sie das auch mithörte. Immer mehr Landmarken tauchten aus dem Nebel auf, sowie einige Pfade die sich in weiter Ferne im dunstigen Grau verloren.
Er erspähte weitere Türme, einige strahlten kräftig blau, andere glühten nur noch matt oder glichen einem Steinhaufen.
Marguerida zeigte auf die verschiedenen Gebäude und nannte ihre Namen:
„Dort steht Tramontana. Dieser kleine Turm ist Neskaya. Dort arbeitet seit Jahrzehnten kein vollwertiger Zirkel mehr. Sie fungieren genauso wie Thendara nur als Relaisstation."
Legolas drehte sich um und gewahrte das Abbild des Turms von Thendara. In der Nähe waberte ein kompakter Klumpen dunkleren Nebels.
„Das sind die Dämpfer um den Ballsaal. Halte dich von diesem Bereich fern, es ist eine unangenehme Empfindung durch eine Matrix in den eigenen Kopf zurückgeschickt zu werden.
Domna Hastur, können wir mit der Suche beginnen?"
Leonie reichte beiden einen dünnen Faden.
„Bindet das um! Dann könnt ihr ihn nicht aus Versehen verlieren. Wenn ihr in Schwierigkeiten geraten, zweimal kurz ziehen und ich hole euch zurück."
Legolas blickte alarmiert auf den kümmerlichen Strick.
„Aber dieser Faden reißt doch bei der kleinsten Bewegung."
Mag seufzte auf und zog den Elben mit sich fort. Und der Faden hielt trotz des plötzlichen Ruckes.
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Während sie gingen, entfernten sich die Landmarken unverhältnismäßig schnell. Bald schon zeugte nicht einmal mehr ein Glühen von der Existenz des Thendaraturms. Nur der Faden markierte die Richtung aus der sie kamen. Marguerida lief zielstrebig vor ihm. Ihr Kleid bewegte sich in einer sanften Brise, die für den Elben nicht existierte.
Und von einem Moment auf den anderen verschwand sie. Der Faden hing straff gespannt auf halber Höhe und entschwand im Nichts.
„Marguerida, könnt Ihr mich hören?"
Keine Antwort, nur Stille.
„Marguerida; Mag wo bist du?", rief er lauter.
Wieder kein Ton. Panik überkam den Elben. Leonies Worte geisterten in seinem Kopf. „Falls ihr in Gefahr geratet". Befand sich Mag in Gefahr, oder vielleicht auch er. Was hatte diese Anomalie für Auswirkungen auf die Verbindung mit Leonie? Sollte er umkehren und die Bewahrerin holen, oder an Margueridas Faden das Notsignal geben. Das wäre sicherlich das Klügste.
„Oder vielleicht schaut Ihr einfach und seht, dass sie nicht verletzt ist. Oder brecht Ihr Rettungsmissionen immer beim kleinsten Anzeichen von Schwierigkeiten ab?", erklang eine fremde, verächtliche Stimme hinter ihm.
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Anmerkungen: Na, wer mag das wohl sein?
