Anmerkung
Titel: Die Domänen
Genre: Abenteuer, Alternative Universe, ein klein wenig Romantik. Crossover HdR / Darkover
Disclaimer: Figuren und Handlungsschauplätze sind aus den Büchern von J.R.R Tolkien, Marion Zimmer Bradley, sowie (mit freundlicher Genehmigung der Autorin) aus der Geschichte "Den Jäger erlegen" von Sleepy Tiger entlehnt.
Kapitel 14: Seltene Ereignisse
Arwen erwachte im strahlenden Sonnenschein. Ein blasslila Himmel, als Äquivalent zu dem Azurblau eines Sommertages, erstreckte sich über den gesamten Ausschnitt des Fensters, den sie sah. Aragorns gleichmäßiger Atem; er schmiegte sich sanft an ihren Rücken; strich sanft über ihren Hals. Ihr Liebster wanderte noch durch Traumwelten. Ein ungewöhnlicher Augenblick, erwachte er doch meist mit ihr.
Die Sonne stand beinahe im Zenit, aber über der Burg und der Stadt lag eine glückselige Stille. Erst in den frühen Morgenstunden hatten sich die Feiernden in ihre Betten begeben, beziehungsweise wurden von weniger betrunkenen Freunden zu einer Liegestatt gebracht. Selbst Lord Hastur konnte sich am Ende des Abends des Alkohols nicht erwehren. Als er sich zurückzog, erlaubte es sich auch das gondorianische Königspaar sich von den Festlichkeiten zu entfernen. Sie beendeten den Abend mit einem ganz persönlichen Gruß an die kürzeste Nacht des Jahres.
Lächelnd ob dieser Erinnerung vergrub sich Arwen wieder unter die wohlig warme Decke und in die Arme ihres Gatten, um noch ein paar Stündchen in Innos Reich zu verweilen.
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Rakhal verschlief den Tag nach Mittsommer und Marguerida beneidete ihn darum, aber ihr gönnte man diese Verschnaufpause nicht. Dank der Verschwiegenheit Danilo Lindirs war ihr kleines Geheimnis noch nicht an die Ohren anderer Comyn gelangt. In diesem ernsten, zurückhaltenden jungen Mann hatte sie innerhalb einiger Stunden einen Freund gefunden. Dafür blieb sie nicht verschont von Besuchen neugieriger entfernter Verwandter, die unbedingt ihre Sensationsgeschichte aus erster Hand hören wollten. Doch sie blieb eisern und erzählte so wenig wie möglich. Sie ließ aber keinen Zweifel daran, dass sie den ihr gebührenden Ratsplatz einnehmen wolle. Gegen Nachmittag flüchtete sie dann aber über versteckte Zugänge an das Bett Rakhals, wo sie sicherlich keiner suchen würde. In diesen paar Stunden der Ruhe bereitete sie sich auf die folgende Ratsversammlung vor.
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Als Marguerida den Kristallsaal betrat und zielstrebig ihren Platz auf dem Ratsstuhl der Aillards einnahm, schwoll das Tuscheln zu einer wahren Woge an. Danilo Lindir, der als einziges "Familienmitglied" ebenfalls einen Platz in der Aillardloge einnahm fühlte sich aufgrund der Aufmerksamkeit, die man ihnen zollte, sehr unwohl. Marguerida reckte sich so gut es ging, um den großen Stuhl mit ihrer schmächtigen Gestalt auszufüllen. Nichtsdestotrotz fühlte sie sich wie ein Kind. Wenn das überstanden war, würde sie dieses hölzerne Monstrum gegen etwas schlichtere und bequemere Sitzgelegenheiten austauschen.
Rakhal suchte kurzen Blickkontakt mit ihr, bevor er sich in die Ardaisloge setzte. Obwohl sein Gesicht keine Regung zeigte, enthüllten seine Augen seine wahre Aufregung. Ein Glück, dass die Ardaisloge nur am Rande ihres Blickfelds lag und sie sich so nicht durch ständige Blicke verraten konnten. Sie schaute stur geradeaus auf Hasturs Thron.
Dom Gabriel hingegen spießte sie mit seinen Blicken sprichwörtlich auf und verschüchterte eine junge Verwandte mit einem wahren Wortschwall, der scheinbar nur aus "Was für eine Infamie" und „Es ziemt sich nicht für eine Frau!" bestand.
Dom Hastur betrat endlich den Raum und Dom Ardais verstummte abrupt. Mit einem Stirnrunzeln bemerkte der Regent Margueridas Platz, ließ sich aber nicht weiter davon beeindrucken, sondern schritt ruhig zu seinem Thron. Auch die restlichen Gespräche verstummten und alles wartete gebannt auf Dom Hasturs Worte. Doch dieser begann nicht, wie viele (besonders die Vertreter Ardais) hofften, mit einer Zurechtweisung Margueridas, sondern zählte die Tagesordnungspunkte auf (Binnenzölle, Straßenausbesserungen, Gardenetat, Turmpolitik, Gildenprobleme und Handelsbeziehungen mit dem Königreich Gondor). Und als schon fast der gesamte Saal schlief endete er mit:
"Bevor wir uns diesen Punkten zuwenden können, müssen wir ein dringendes Problem klären. Durch die überraschende Rückkehr von Domna Marguerida Aillard muss die Frage der Herrschaft der Domäne Aillard geklärt werden. Ich erteile der Erbin Domna Aillard das Wort."
Sämtliche Müdigkeit die vorher im Kristallsaal geherrscht hatte war schlagartig verschwunden. Margueridas Magen sprang einen Salto rückwärts und ihr Herz befand sich irgendwo in der Nähe ihrer Zehenspitzen. Ihre Stimmlage verschob sich durch die Aufregung um zwei Oktaven nach oben, kein Faktum das ihrer Rede zuträglich gewesen wäre.
"Geehrte Ratsmitglieder, ich trete als legitime und einzige Tochter...",
Sie blickte in das hassverzerrte Gesicht ihres Pflegevaters und eine seltsame Ruhe überkam sie, die ihre inneren Organe an ihren angestammten Platz verwies und ihre Stimme mit jedem Wort fester werden ließ.
"... von Domna Gavriela Melora Aillard und Dom Rafael Syrtis Aillard vor Euch, um, wie auch Aillards Gesetzte bestätigen, von Euch als Vertreterin meiner Domäne anerkannt zu werden."
"Ich erhebe Einspruch.", erklang, wie nicht anders zu erwarten, Dom Ardais Stimme,
"Ich zweifle an dem Verantwortungsgefühl Domna Aillards. Mit der selbstsüchtigen Befriedigung ihrer Neugier, die sie in fremde Gefilde trieb, riskierte sie die Entdeckung unserer gutbehüteten Geheimnisse. Damit zeigte sie nicht mehr Voraussicht als ein Kind."
"Ihr vergesst, Dom Ardais, Marguerida Aillard war zu diesem Zeitpunkt noch ein Kind.", warf Dom Ridenow ein. Marguerida wusste nicht, wie das ihre Position stärken sollte. Aber Dom Ridenow sprach weiter, die Informationen, die von seiner Frau erhalten hatte wohlweislich einsetzend:
"Und gerade aufgrund ihres Alters konnte Domna Aillard nicht in eigener Sache vor den Rat eintreten. Ihr könnt Euch glücklich schätzen, dass sie jetzt keine Anklage gegen Eure damaligen Pläne führt. Stimmt es etwa nicht, dass ihr Domna Aillard noch bevor sie ihr Erbe antreten würde, einen eurer Söhne heiraten sollte, der damit den Titel Herr von Aillard erhalten würde?"
Nach dieser Frage musste Lorill die erschrockenen und aufgebrachten Ratsmitglieder zur Ordnung rufen. Dom Ridenow führte seinen Schluss unbeeindruckt zu Ende.:
"Meiner Meinung nach, bewies Domna Aillard schon in jungen Jahren schon die Vorausschau, eine solche Machtkonzentration zu unterbinden, indem sie sich Euch, dem direkten Vormund entzog. Sie stellte den Zusammenhalt der Domänen über ihre persönliche Sicherheit, denn diese war stark gefährdet als allein reisende junge Frau. Meiner Meinung nach zeugt dieses schon von der notwendigen Verantwortung."
Dom Ardais fühlte sich in die Ecke gedrängt:
"Es war mein vollen Recht Marguerida zu verloben, schließlich bin ich ihr Vormund. Was sagt uns aber, dass Domna Aillard ihr Land in der Fremde nicht verriet. Oder woher wissen wir, ob nicht gewisse unehrenhafte Dinge gegen ihre Herrschaft sprechen."
Diese Unterstellungen ließen nicht nur Marguerida entsetzt aufkeuchen. Lorill merkte, dass das sehr unangenehm werden konnte. Er warf seiner Schwester einen vielsagenden Blick zu, in der Hoffnung sie möge etwas unternehmen. Der Kampf, der sich in ihrem Gesicht abspielte verwunderte ihn. Als sie sich entschied für Aillards Seite einzugreifen, schien sie Marguerida mit ihren Blicken in Zandrus kälteste Hölle zu schicken.
"Als unsere Gäste eintrafen überprüfte ich sie, soweit es die Höflichkeit zuließ. Und bis auf den Elben und die Gattin Elessars, fand ich keinerlei Hinweis auf Kenntnisse über unser Laran. Und was die beiden elbischen Geschlechts angeht, nun ihre Gaben sind rudimentär und das, was sie wissen, könnten sie gut und gerne auch hier erfahren haben. Aber keiner von ihnen erahnt auch nur einen Bruchteil unserer Möglichkeiten. Und was Dom Aillards andere Sorge betrifft. Ich empfing Marguerida in Arillin, um mich ein wenig mit ihr zu Unterhalten. Zu diesem Zeitpunkt waren sicherlich keine "gewissen unehrenhaften Dinge" eingetreten. Wenn Ihr mir nicht glauben wollt, so kann ich gerne über die Relais eine Aussage meiner Überwacherin Melora Elhalyn einholen. Und ab da an stand sie ja unter dem Schutz Eures Sohnes Rakhal Ardais."
Margueridas Gesicht glühte. Warum nur musste der Rat gerade dieses Thema zur Sprache bringen. Und wenn Leonie nur ein weiteres Wort verlor, dann wäre diese ganze Diskussion unnütz, und sie ständen wieder da, wo sie vor drei Jahren aufgehört hatten. Glücklicherweise dachte Dom Hastur wohl etwas Ähnliches. Er warf Gabriel Ardais einen vernichtenden Blick zu:
"Ich denke, in Anbetracht der anwesenden Damen, müssen wir dieses bestimmte Thema nicht weiter erörtern. Gibt es weitere Einsprüche?"
Dom Ardais sah ein, dass er zu viele Feinde in dieser Sache gegen sich hatte und lehnte sich mit verbitterten Gesichtsausdruck, aufgrund dieser verlorenen Schlacht, zurück.
Dom Hastur blickte ernst jede der sechs Familien an, ehe er schloss:
"Somit wäre diese Frage geklärt. Domna Marguerida Gavriela Aillard, ich begrüße Euch als Herrin von Aillard in diesem Rat. Möge Euer Ratsschluss nur das Beste für das Volk der Domänen bewirken."
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Einige Stunden später saß Lorill Hastur zufrieden in seinem Arbeitszimmer mit einem Glas Wein am Kamin. Die neue Herrin von Aillard war ein Geschenk Aldones. Genau zur richtigen Zeit und als perfekter Gegenpol zu Ardais Machtstreben, bewies sie auch noch erhebliches Geschick mit Worten. Gut, gegenüber Danilo Lindir war jeder, der im Rat den Mund öffnete, ein Redegenie. Aber ihre Anwesenheit hatte einen großen Einfluss, dass diese Sitzung eine der ruhigsten seiner gesamten Amtszeit gewesen war. Außerdem hatte sie sofort zugestimmt, Temoras Hafen für Schiffe aus dem Süden zugänglich zu machen. Er würde es sich zweimal überlegen, sie gegen sich aufzubringen.
Als ob er auf dieses Stichwort gewartet hatte, trat ein Diener heran und berichtete, dass die Herrin von Aillard vor der Tür sei und ein Gespräch wünsche. Neugierig ließ er sie herein bitten und zu seiner Überraschung begleitete Rakhal Ardais die junge Domänenherrin. Er wirkte sonderbar nervös und hätte beinahe das Glas fallen gelassen, welches ein Diener ihm reichte. Die Aufregung Margueridas zeigte sich in kleinen fahrigen Gesten mit denen sie ihr Kleid immer wieder glatt strich. Keiner der beiden fand den richtigen Anfang.
"Also was führt Euch zu mir?", fragte Lorill in einem, wie er hoffte, beruhigenden Ton.
"Nun, ...", begann Marguerida und wurde rot. Hilfesuchend blickte sie zu Rakhal, welcher nicht minder heftig errötete.
"Also wir...", setzte er fort und schluckte hart, "wir... wollten Euch bitten uns morgen DiCatenas zu trauen."
Das hatte Lorill nun wirklich nicht erwartet. Überrascht und ratlos schaute er von Marguerida zu Rakhal und zurück. Woraufhin sie erklärte:
"Nun, unsere Verlobung wurde nie aufgehoben, also besteht sie ja seit drei Jahren, und das ist ja auch Zeit genug. Und wir, nun... ähm. Nach altem Recht1.) sind wir schon verheiratet, seit ...ähm... gerade eben."
Lorill glaubte zu verstehen und auch seine Wangen färbte ein leicht rosiger Schimmer nach diesem Geständnis.
"Nun ja, also das ist etwas unerwartet. Und vielleicht wäre es besser gewesen, wenn ihr gewartet hättet, wo Eure Stellung doch noch so ungefestigt ist, Domna Aillard. Wie soll der Rat denn nun mit einem Ardais an Eurer Seite fertig werden. Nichts gegen Euch Dom Rakhal, aber Eure Domäne besitzt doch recht viel Einfluss und nun noch Ihr als Herr von Aillard..."
Marguerida warf schnell ein:
"Oh, ich versteht nicht Recht Dom Hastur. Der Rat braucht gar keine Entscheidung zu treffen. Da unsere Ehe erst nach meiner Ernennung geschlossen wurde, kann Rakhal gar keine Ansprüche auf den Domänenvorsitz erheben. Ihr seht, es betrifft den Rat überhaupt nicht."
Ein leises "oh" entkam aus Lorills Mund. Er wunderte sich stark, wie sie einen männlichen Ardais überredet hatte, solch eine Verbindung einzugehen.
"Also, nun. Dann wäre es mir eine Freude euch die Catenas umzulegen..."
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Erst als sie wieder in Margueridas Gemächern waren, atmete Rakhal freier.
"Ich bin froh, dass Dom Hastur unserer Vermählung so schnell zustimmte. Auch wenn mir meine Rolle in dieser Geschichte immer noch nicht gefällt!"
"Oh Rakhal, du musst dich mit deiner Position abfinden. Komm lieber hierher, ich werde dir dein Schicksal versüßen. Es sind immer noch ein paar Beeren vom Dessert übrig."
Er folgte ihr zu den Tisch auf dem die Reste ihres Abendessens standen und ließ sich willig eine Traube in den Mund stecken.
"Weißt du, Mag, was ich mir wirklich wünsche. Dass ich es endlich mal bei vollem Bewusstsein erlebe."
Lächelnd fütterte sie in mit einer weiteren Beere.
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Anmerkung:
1.) Hochzeit nach altem Recht: Mann und Frau müssen sich Haus (also unter demselben Dach sein), Mahlzeit und Bett miteinander teilen
Und wer ganz genau gelesen hat, der weiß, dass sie nicht "gewisse unehrenhafte Dinge" getan haben...
