All That I Need

Kapitel 1

Es war noch früh am morgen, als Hermine aus einem unruhigen Schlaf erwachte. Ihr erster Gedanke galt wie immer Viktor und sofort sah sie zum Fenster, in der Hoffnung dort eine Eule zu sehen. Aber nichts war dort. Sie seufzte. Man sollte meinen, dass Entfernungen für Zauberer und Hexen das kleinere Übel waren. Doch Viktor wusste nicht, wohin er apparieren sollte und Hermine hatte bei längeren Strecken einfach Angst irgendwo stecken zu bleiben. Zum Fuchsbau hin und zurück, das machte ihr nichts aus. Außerdem hatte sie da schon genug Übung drin. Sie stieß einen zweiten Seufzer aus und drehte dem Fenster den Rücken zu.

Er hat sicherlich viel zu tun, redete sie sich ein und dachte an die Wohnung, die er noch einrichten wollte und seine Arbeit, die er auch bald aufnehmen würde. Der 1. September rückte immer näher. Das wäre ja auch alles gar nicht so schlimm, wenn Hermine sich mal entscheiden würde, was sie jetzt – beruflich gesehen - machen sollte. Sie hatte den besten Abschluss von allen und alle Türen standen ihr offen. Wer die Wahl hat…

Sicher, sie könnte sich Harry und Ron anschließen und die Ausbildung zum Auror machen. Aber war es wirklich das, was sie wollte? Auror werden? Außerdem hielt sie es für Zeit, ihren eigenen Weg zu gehen. Weiterhin dachte sie darüber nach, Lehrerin in Hogwarts zu werden. Alte Runen könnte sie vielleicht unterrichten. Oder – und das klang noch viel besser…

Sehr lange hatte sie an B.ELFE.R herumgefeilt, auch wenn sie nicht sonderlich erfolgreich damit gewesen war. Aber lag das nicht daran, dass kaum einer um die dramatisch schlechten Arbeitsbedingungen der Hauselfen wusste? Wenn sie jetzt aber im Ministerium arbeiten würde und dort an entsprechenden Gesetzen mitwirken könnte… Hermine wurde ganz aufgeregt. Das war es. Sie würde noch heute ins Ministerium gehen und sich um eine Stelle in der Abteilung zur Führung und Aufsicht Magischer Geschöpfe bewerben. Sie hatte sich damals in ihrem vierten Schuljahr bereits über diese Abteilung informiert, auch schon einmal einen Brief mit der Aufforderung den Hauselfen mehr Rechte zu geben geschrieben. Erfolglos. Aber damit war ja zu rechnen. Wahrscheinlich war ihr Brief direkt im Papierkorb gelandet.

Sie brummelte vor sich hin und kam immer mehr zu dem Entschluss, dass sie das wirklich machen sollte: Ins Ministerium marschieren und sich als Assistentin bewerben. Vorerst. Dann würde sie weitersehen.

Aber jetzt… jetzt würde sie noch ein wenig schlafen. Ihre Bewerbung würde sie dann später vorbereiten.

Hermine hatte sich alles genau überlegt. Sie hatte Argumente für ihre Einstellung gesammelt, aufgeschrieben und auswendig gelernt. Vielleicht hätte sie noch McGonagall um eine Empfehlung bitten sollen, aber es war nicht mehr genug Zeit dafür. Außerdem wollte sie das auch gar nicht wirklich. Es war mehr so ein Gedanke, der plötzlich in ihr aufkeimte. Bevor er sich entfalten konnte, erstickte sie ihn mit den Worten „Blödsinn" und widmete sich weiterhin ihren Argumenten.

Innerlich dachte Hermine, dass der Abteilungsleiter sie einfach nehmen musste! Ihre Noten waren tadellos, sie hatte jeden UTZ erreicht und überhaupt gab es doch gar nichts, was dagegen sprach sie einzustellen. Dennoch überkam Hermine große Unsicherheit. Vielleicht war es so, wie ihr Inneres es sich vorstellte, aber konnte es nicht auch ganz anders kommen?

Am frühen Nachmittag machte sich Hermine auf den Weg zum Ministerium. Mit der Straßenbahn ging es ganz schnell und ehe sie sich versah, stand sie vor der roten Telefonzelle. Sie wählte 68443 und erklärte der körperlosen Stimme, nachdem sie ihren Namen nannte, dass sie sich in der Abteilung zur Führung und Aufsicht Magischer Geschöpfe bewerben möchte. Kurz darauf klimperte es im Münzschacht und Hermine entnahm ihm eine Plakette mit der Aufschrift „Hermine Granger, Bewerberin" und heftete sie sich an ihre Bluse. Dann bewegte sich die Telefonzelle abrupt und versank im Boden.

Im Atrium des Ministeriums ging es geschäftig zu. Fasziniert stieg Hermine aus dem ‚Fahrstuhl' aus und sah sich um. Wo musste sie hier eigentlich hin? Sie beobachtete eine Weile, was die anderen Zauberer und Hexen taten und erkannte, dass sie erst mal zu diesem Sicherheits-Zauberer hin und ihren Zauberstab abgeben musste. Nachdem die ganze Prozedur zu Ende war und Hermine ihren Zauberstab wieder hatte folgte sie der Menge zu einer Reihe von Fahrstühlen. Welchen sollte sie nehmen? Fuhren alle in die gleiche Richtung? Bei verzauberten Fahrstühlen konnte man sich ja nie sicher sein… Sie wollte jemanden fragen, aber es schien niemand Zeit zu haben.

Also bestieg sie den erstbesten Fahrstuhl und hoffte einfach mal das Beste. Weitere Zauberer und Hexen stiegen ein und schließlich setzte sich der Aufzug rüttelnd in Bewegung. Hermine atmete erleichtert auf, als sich die Lifttüren öffneten und eine Stimme verkündete, in welcher Abteilung sie sich befand.

„Siebter Stock, Abteilung für Magische Spiele und Sportarten mit der Zentrale der Britischen und Irischen Quidditch-Liga, dem Offiziellen Koboldstein-Klub und dem Büro für Lächerliche Patente." Einige Zauberer stiegen aus und drängten sich an ihr vorbei. Hermine gelang es jetzt sogar zu lächeln. Sie war auf dem richtigen Weg.

Im nächsten Stock kamen wieder ein paar Zauberer hinzu, außerdem ein paar Papierflieger, worüber sich Hermine mehr als wunderte. Sie hatte keine Ahnung, was sie zu bedeuten hatten.

„Fünfter Stock, Abteilung für Internationale Magische Zusammenarbeit mit dem Internationalen Magischen Handelsstandardausschuss, dem Internationalen Büro für Magisches Recht und der Internationalen Zaubervereinigung, britische Sektion." Die Papierflieger sausten raus sobald sich die Türen öffneten. Neugierig beobachtete Hermine, wo sie hinflogen. Sie reckte ihren Hals und erstarrte augenblicklich.

Ein junger Mann saß da, unweit von ihr entfernt, den Rücken zum Fahrstuhl. Er sah aus wie…

„Viktor!" flüsterte sie und ihr Herz schien Purzelbäume zu schlagen. Da saß Viktor! Aber Moment Mal, das war doch unmöglich! Nein, sie musste halluzinieren. Viktor war in Bulgarien. Und trotzdem… er sah genauso aus wie er.

Hermine blieb nicht lange Zeit zum Nachdenken, denn der Fahrstuhl schloss seine Türen, setzte sich in Bewegung und schon im nächsten Stock musste sie aussteigen.

Verwirrt schaute sie sich um. Ihre Gedanken überschlugen sich regelrecht. Er sah genauso aus wie Viktor… Wo muss ich hier eigentlich hin? … Aber er ist doch in Bulgarien… Wer leitet die Abteilung?... Er hätte mich sicherlich besucht, wenn er in England wäre. So ging das hin und her und Hermine wurde schon ganz schwindlig.

„Miss Granger?" rief sie jemand und erschrocken drehte sie sich um. Der ältere Mann, der jetzt vor ihr stand und sie freundlich anlächelte sah sie fragend an. Er kam ihr vage bekannt vor, aber sie kam einfach nicht drauf.

„Entschuldigen Sie bitte, Sie sind doch Miss Hermine Granger?" fragte er nach. Langsam dämmerte es bei ihr und erleichtert sah sie ihn jetzt an.

„Oh – ja, die bin ich. Schön Sie wieder zu sehen, Mr Diggory." Sie schüttelten einander die Hand.

„Wo ich Sie hier gerade antreffe: Sie können mir nicht zufällig sagen, wo ich den Abteilungsleiter finde?" Amos Diggory lachte herzlich.

„Der steht vor Ihnen. Kommen Sie mit in mein Büro, dann können Sie mir Ihr Anliegen vortragen." Hermine folgte ihm verdutzt und überlegte, ob nicht vielleicht Mr Weasley einmal erwähnt hatte, dass Mr Diggory diese Abteilung hier leitete. Wie konnte sie das nur vergessen!

Ihr Gespräch dauerte nicht lange. Hermine konnte kaum glauben, wie einfach es war. Ihr Glück, dass Mr Diggory außerdem gerade nach einer fähigen Assistentin suchte. Er konnte sich nicht vorstellen, jemand geeigneteren zu finden.

Er führte sie noch durch die verschiedenen Büros wie zum Beispiel die Tierwesenbehörde, die Zauberwesenbehörde und das Koboldverbindungsbüro. Vor allem das Büro der Zauberwesenbehörde interessierte sie.

„Sagen Sie, ist dieses Büro auch für Hauselfen zuständig?"

„Was? Ehm… ja, das auch. Wie ich eben schon erwähnte…" Sehr gut, dachte Hermine und achtete kaum noch auf das, was Mr Diggory sonst noch so sagte. Sie würde es schon irgendwie schaffen, die Rechte der Hauselfen auszubauen, beziehungsweise, ihnen erst einmal welche einzuräumen. Sie seufzte. Im Grunde genommen ein hoffnungsloses Unterfangen.

„Wenn Sie dann also am 1. September hier anfangen möchten, wäre ich Ihnen sehr verbunden."

Hermine schreckte aus ihren Gedanken hoch.

„Ehm… ja, gerne." Was hatte er noch gleich gesagt? Himmel hilf, das war ja eigentlich gar nicht ihre Art, nicht zuzuhören.

„Gut. Dann freue ich mich. Sie werden das sicherlich ganz hervorragend machen, nicht wahr?" Hermine nickte und ergriff seine dargebotene Hand.

Die beiden verabschiedeten sich und Hermine machte sich wieder auf den Weg Richtung Fahrstuhl. Als sich die Türen im fünften Stock öffneten spähte sie hinaus. Vielleicht war er noch da? Sie widerstand dem Impuls, einfach in diese Abteilung zu laufen und nach Viktor zu fragen. Mit Sicherheit würde man sie auslachen. Ganz bestimmt. „Viktor Krum?", würden sie sagen, „Den suchen Sie besser auf dem Quidditch Platz." Sie seufzte und ehe sie sich versah, schlossen sich die Türen wieder.

Hermine sog die sommerliche, leicht versmogte Londonder Luft tief ein. Es war schön hier im Sommer. Wo sie schon mal hier war, konnte sie auch noch einen Abstecher in die Winkelgasse machen. Sie brauchte noch dringend Pergament und eine neue Schreibfeder. Und vielleicht, aber auch nur vielleicht, würde sie noch bei Fred und George reinschauen.

Seltsamerweise steuerte sie wie von geisterhand geführt als erstes deren Laden an. Das Geschäft war brechenvoll, wie immer, und Hermine musste sich überall durchzwängen um sich etwas anzuschauen.

Sie war schon eine ganze Weile drin, als plötzlich eine Stimme rief: „Na, wenn das nicht Hermine ist!" Sie blickte sich um, konnte aber niemanden sehen; das Gedränge war einfach zu groß. Und dann erkannte sie plötzlich Fred und George vor sich, die wie aus dem Nichts vor ihr auftauchten.

„Unsere neueste Erfindung: Schleich-Schuhe." Er zeigte dabei auf seine Füße.

„Wir tragen sie ständig", grinste George.

„Was können wir für dich tun, Hermine?" Fred sah sie fragend an.

„Ihr werdet wohl nie müde, Neues zu erfinden, was?" lachte sie und sah die zwei mit hochgezogenen Augenbrauen an. „Na ja, eigentlich wollte ich nur mal reinschauen."

„Niemand schaut hier ‚nur mal' rein", sagte Fred überzeugt und zog sie mit sich mit. „Und, um deine Frage zu beantworten: Nein, wir werden nicht müde. Solange es Hogwarts gibt, wird es auch Weasleys Zauberhafte Zauberscherze geben, das ist ein ungeschriebenes Gesetz." Hermine ließ ihre Augen rollen.

„Hier, die solltest du mal probieren", Fred hielt ihr etwas unter die Nase, aber Hermine sah gar nicht richtig hin.

„Ich glaub, ich bin zu alt für sowas."

„Für Weasleys zauberhafte Scherze ist man nie zu alt. Du könntest es doch mitnehmen und mal an Ron ausprobieren."

„Seid nicht immer so gemein zu ihm. Also, was ist das denn genau?"

„Sie will wissen was das ist, hast du gehört, George?"

„Ja, Fred. Also", er holte tief Luft, „Das, meine liebe Hermine, ist ein Veritas-Bonbon."

„Du meinst…?"

„Japp! Keine Sorge, es nur ein ganz kleiner Tropfen Veritaserum drin."

„Um genau zu sein, nur ein Viertel eines Tropfen. Ist verdammt nicht einfach, das Serum herzustellen."

„Ihr habt ja 'nen Knall! Ist das überhaupt erlaubt?"

„Einen Knall zu haben? Weiß nicht, was meinst du George?"

„Hört auf, damit!" ging Hermine energisch dazwischen.

„Ach komm, das ist alles völlig harmlos. Die Wirkung verfliegt schon nach einer Minute." Hermine sah die beiden misstrauisch an.

„Wie auch immer", meinte sie schließlich. Es hatte ja eh keinen Sinn den beiden Recht und Anstand zu vermitteln, auch wenn sie innerlich tief von den beiden beeindruckt war – Veritaserum herzustellen gelang nicht jedem. Aber sie würde sich hüten, den beiden ihre Bewunderung auszusprechen. Deshalb fragte sie einfach noch, ob die beiden ihr noch etwas empfehlen könnten und ging eine halbe Stunde später mit einer kleinen Tüte verschiedener „Leckereien" nach Hause. Sie würde sie später an Harry und Ron weitergeben. Aber vorher würde sie ihren Eltern vielleicht noch was von Bertie Botts Bohnen anbieten.

Pergament und Feder hatte sie vollkommen vergessen.

Zu Hause angekommen ging sie wie immer zuerst hoch in ihr Zimmer. Hermine registrierte es zuerst gar nicht, aber da saß tatsächlich eine Eule vor ihrem Fenster. Ungeduldig begann sie nun gegen die Fensterscheibe zu klackern.

Hermine erschrak. Schnell öffnete sie das Fenster und ließ die Eule herein. Aufgeregt band sie ihm das kleie Pergament vom Bein und rollte es hastig aus. Ihr Atem ging schneller und voller Vorfreude las sie die paar Zeilen.

Liebe Hermine,

ich hoffe, es geht dir gut. Es ist hier so einsam ohne dich.
Aber ich bin mir sicher, dass wir uns bald wieder sehen.
Ich kann es kaum noch erwarten, dich wieder in meine Arme
zu schließen…

In Liebe,
Viktor

Hermine fand diesen Brief sehr merkwürdig, aber eigentlich war ihr das jetzt auch egal. Er hatte ihr endlich geschrieben und sie würde wohl noch ein dutzend Mal mindestens seine Zeilen durchlesen. Ein Lächeln spielte um ihre Lippen, als sie daran dachte, wie es war wenn sich seine Arme um sie schlossen.

Ach, wenn er doch schon jetzt hier wäre…

A/N: hey, danke für eure Reviews! Ich hatte gar nicht mit so vielen gerechnet
BlackAngel8: oh, das wusste ich gar nicht. Hab's jetzt geändert.