All That I Need
Kapitel 3
„Miss Granger? Hören Sie mir überhaupt zu?"
Hermine schreckte hoch. Sie erkannte Mr Diggory vor sich, der sie nun fragend ansah.
„Ich… es tut mir leid. Was meinten Sie gerade?"
Mr Diggory schüttelte mitleidig den Kopf.
„Ist alles in Ordnung mit Ihnen?"
Hermine nickte schnell. Mr Diggory sah sie zweifelnd an und meinte dann, dass sie eine Pause machen könnte.
Es war ihr erster Arbeitstag und irgendwie ging alles schief. Es gelang ihr einfach nicht, sich genügend zu konzentrieren. Ihre Gedanken machten sich so oft wie möglich selbstständig. Nein, eigentlich war gar nichts in Ordnung.
Hermine saß an ihrem Schreibtisch und trank einen Kaffee. Meine Güte, dachte sie, jetzt reiß dich doch mal zusammen. Geheult hast du gestern schließlich genug! Doch je öfter sie an Viktor dachte, desto trauriger wurde sie. Was hatte sie denn bloß falsch gemacht? Sie kramte in ihrem Gedächtnis herum. Dabei wurde ihr eine Sache plötzlich bewusst: Viktor hatte nicht versucht, sie am gehen zu hindern. Er hatte tatsächlich keine Anstalten gemacht, sie überreden zu wollen, noch eine Woche länger in Bulgarien zu bleiben. Gut, wahrscheinlich hätte sie eh abgelehnt, da sie einfach noch zu viel zu Hause regeln musste. Trotzdem hätte er es doch wenigstens versuchen können. Wahrscheinlich war er aber froh, dass er sie endlich los war! Ja! Genau!
Hermine wurde ganz schlecht bei diesem Gedanken. Ihr Kopf dachte sich diese ganze Geschichte bloß aus, hörte sie sich selbst in ihrem Inneren sagen. Viktor ist der ehrlichste Mensch, denn sie kannte. Wenn er etwas verheimlichen sollte, dann würde das nur zu ihrem Besten geschehen.
Hermine stöhnte leise auf. Konnte jemand dieser inneren Stimme vielleicht mal das Maul stopfen? Die Stimme wurde nämlich immer lauter und übertönte die in ihrem Kopf. Was sollte sie denn nur glauben? Viktor liebt mich, er wird bald kommen. Ich muss nur noch ein wenig warten. Gut. Ihre innere Stimme, die irgendwo aus der Bauchgegend kam, hatte gesiegt.
Like a flower
Waiting to bloom
Like a lightbulb
In a dark room
I'm just sitting here waiting for you
To come on home and turn me on
"Alles ok mit Ihnen, Miss?" hörte sie plötzlich jemand nach ihr fragen. Hermine war so in ihren Gedanken vertieft, das sie gar nicht mitbekommen hatte, wie sich jemand auf ihren Schreibtisch setzte und sie mit hochgezogenen Augenbrauen anschaute. Strahlend blaue Augen ruhten jetzt auf ihr und brachten sie regelrecht in Verlegenheit. Vor Hermine saß ein junger Zauberer. Er war ihr heute schon mal aufgefallen, als sie mit Mr Diggory die Zauberwesenbehörde aufgesucht hatte.
„Ja" antwortete sie zögernd.
„Sie machen mir aber nicht den Eindruck, als ob es Ihnen gut ginge." Er legte seinen Kopf schief und musterte sie eingehend. Hermine war das mehr als unangenehm und sie fragte sich, was das hier eigentlich sollte.
„Hören Sie, ich möchte nicht unhöflich erscheinen, aber ich wüsste nicht, was Sie das überhaupt angeht."
„Also ist doch nicht alles ok?" Er sagte das in so einer liebenswürdigen Art und Weise, dass Hermine nicht wusste, wo sie noch hinschauen sollte. Eigentlich kam sie selten in Verlegenheit und wenn, dass wusste sie diese immer gut zu überspielen.
„W-wer sind Sie eigentlich?" fragte sie deshalb um mal von der ganzen Sache abzulenken.
„Ich hatte gehofft, dass Sie mich das fragen. Flynn Boyl", er reichte ihr die Hand und Hermine schüttelte diese schnell und ohne ihm großartig ins Gesicht zu gucken. Stattdessen schaute sie interessiert auf ein blankes Stück Pergament.
„Ich bin…"
„Hermine Granger. Ich weiß. Freut mich außerordentlich." Dabei verrenkte er sich so, dass es ihm doch noch gelang, Hermine anzuschauen.
„Nun, Mr Boyl, Sie haben sich ja schon reichlich über mich informiert."
„Ach, wissen Sie… selbst wenn die strahlende Sonne von Regenwolken verdeckt sein sollte, wird sie immer noch die strahlende Sonne bleiben und jeder weiß, dass sie da ist."
Hermine blickte erschrocken auf. „Wa…?" Doch sie sah nur noch den wehenden Umhang von Flynn Boyl, der sich nun wieder an die Arbeit machte.
Noch bevor Hermine über seine Worte großartig nachdenken konnte, kam wieder Mr Diggory auf sie zu.
„Miss Granger, kommen Sie bitte mit. Bei Gringotts spielen die Kobolde verrückt. Wir müssen dort sofort schlichten." Sofort sprang Hermine auf, schnappte sich ihre Tasche und folgte Mr Diggory. Als sie an der Zauberwesenbehörde vorbeikamen sah sie im Vorbeigehen Flynn Boyle dort an einem Schreibtisch sitzen. Und sie hätte schwören können, dass er ihr gerade unverschämter Weise zuzwinkerte.
Schnell lief sie weiter um mit Mr Diggory auf gleiche Höhe zu gelangen. Sie nahmen den Fahrstuhl nach unten Richtung Atrium und reisten dann mit Flohpulver zu Gringotts.
Hermine glaubte, nicht ganz richtig zu sehen. Sie standen in der riesigen Eingangshalle in der ein Gewühle sondergleichen herrschte. Eine handvoll Kobolde versuchte sich gegenseitig den Hals umzudrehen.
„Was geht denn hier vor?"
„Das, meine liebe Miss Granger, wollen wir jetzt herausfinden. Allerdings möchte ich Sie bitten, hierbei lediglich das Protokoll zu führen. Die Verhandlung, wenn es denn zu einer kommen sollte, wird sicherlich nicht ganz einfach sein und viel Fingerspitzengefühl erfordern." Schon war Mr Diggory auf und davon und Hermine hatte Mühe hinter ihm herzukommen. Eilig kramte sie Pergamentrolle und Feder heraus und machte sich daran mitzuschreiben. Wenn es etwas gab, was sie wirklich beherrschte, dann war es das Mitschreiben von wichtigen Informationen. Die letzten sieben Jahre hatte es immerhin bestens funktioniert.
Doch hier musste sie feststellen, dass es keine Möglichkeit zum Nachfragen gab. Aber wahrscheinlich würde der Kobold auch kaum sein „Ich trete ihm in den Allerwertesten, wenn der da nicht endlich mal die Arbeit macht, für die er auch bezahlt wird" genauer analysieren.
Es kamen noch ein paar Zauberer hinzu, so dass die raufenden Kobolde endlich voneinander getrennt werden konnten. Sie wurden ohne große Mühe in ein Büro gebrachte, wo dann Mr Diggory versuchte zu vermitteln. Hermine schrieb eifrig mit, hatte jedoch große Schwierigkeiten, bei dem Durcheinander festzuhalten, wer was gesagt hatte und wer auf welche Aussage reagierte. Und dennoch hatte das ganze seinen ganz speziellen Reiz und Hermine vergaß für die Zeit ihren Kummer.
Am Ende der Verhandlung stellte sich heraus, dass ein Kobold tatsächlich Geld unterschlagen hatte. Und sie waren sich deshalb an die Gurgel gegangen, weil die eine Hälfte der Kobolde nicht glauben wollte, dass so etwas überhaupt möglich war, und die andere Hälfte, nun ja, die anderen überzeugen wollte, dass es sich hier tatsächlich um Diebstahl handelte.
Bis sie das endlich heraus hatten, war es schon Abend und Hermine hatte noch eine zusätzliche Pergamentrolle anfordern müssen.
Als sie und Mr Diggory wieder im Ministerium waren, sah sich Hermines Chef das Protokoll kurz an und meinte, die nächsten Tage könne sie damit verbringen, alles ins Reine zu übertragen. Danach würde sich das Koboldverbindungsbüro dieser Sache annehmen.
„Für heute ist Schluss. Sie können nach Hause gehen."
Laut ausatmend ließ sie sich auf ihren Stuhl fallen und starrte eine Weile vor sich hin. Jetzt sollte sie tatsächlich das alles hier noch mal schreiben? Hermine massierte sich die Hand. Zwischendurch hatte sie einen kleinen Krampf gehabt, weil sie so schnell schreiben musste. Sie war ja das Schreiben gewohnt, aber das war dann doch ein bisschen zuviel auf einmal.
Hermine suchte noch ein paar Sachen zusammen und stopfte sie in ihre Tasche. Doch ehe sie aufstand und gehen wollte, stamd wieder einmal Flynn Boyle vor ihrem Schreibtisch.
Hermine erschrak zutiefst, zumal sie dachte, sie wäre allein im Büro.
„Was machen Sie denn schon wieder hier?"
„Hier", er schob ihr ein kleines Döschen hin. „Für ihre Hand."
„Für meine Hand?"
„Sie hatten heute viel zu schreiben, stimmt's? Die Salbe wird Ihre Hand wieder entspannen, glauben Sie mir. Ich spreche aus Erfahrung." Flynn hatte sich mit beiden Armen auf ihren Schreibtisch abgestützt und sah Hermine jetzt lächelnd an. Wieder spürte sie, wie verlegen sie wurde und bedankte sich kurz bei ihm. Sie nahm die kleine Dose und sah sie sich genauer an.
„Was genau ist denn da drin?" fragte sie jetzt, doch zu spät. Von Flynn war wieder einmal nur der Umhang zu sehen.
„Merkwürdiger Typ" murmelte sie und beschloss, jetzt auch zu gehen und sich später um ihn Gedanken zu machen.
In ihrem Zimmer setzte sich Hermine wieder an ihrem Schreibtisch, um Ron und Harry einen kleinen Brief zu schreiben. Die zwei hatten heute mit ihrer Ausbildung zum Auror begonnen und sie wollte wissen, wie es ihnen ergangen ist. Vielleicht würden sie sich ja auch mal im Ministerium begegnen.
Gerade als sie anfangen wollte zu schreiben, verkrampfte sich ihre Hand. Hermine stöhnte leise auf vor Schmerz und versuchte sie durchs massieren zu entspannen. Da fiel ihr die kleine Dose ein. Sie hatte kein Etikett und Hermine war sich nicht ganz sicher, ob sie es tatsächlich wagen sollte, die Salbe auszuprobieren.
Schließlich siegte das Verlangen nach einer unverkrampften Hand und sie trug die Salbe dünn auf. Sie spürte wie sich der Krampf angenehm löste und ihre Hand sich entspannte.
Hermine schrieb noch schnell den Brief an Harry und Ron, dann zog sie sich um und ging schlafen. Morgen würde sie wieder früh aufstehen müssen und bis dahin wollte sie soviel wie möglich schlafen.
Bulgarien
Es war mitten in der Nacht als Viktor von einem Klackern an der Fensterscheibe geweckt wurde. Noch halb am schlafen stand Viktor auf und ließ die Eule herein und nahm ihr den Brief ab. Als er die vertraute Handschrift erkannte war er sofort hellwach. Rasch rollte er das Pergament aus, hielt es gegen das Mondlicht und las was da geschrieben stand.
Als er fertig war, setzte er sich wieder, den Brief immer noch in seinen Händen. An einigen Stellen war die Schrift verschwommen. Hatte sie geweint, fragte er sich. Er wollte sie ganz bestimmt nicht verletzen. Dass die Sache mit dem Quidditch nun so früh öffentlich bekannt wurde, damit hatte er nicht gerechnet. Er wollte es so lange wie möglich geheim halten. Nur gut, dass nicht noch mehr an die Öffentlichkeit geriet. Zum Beispiel, warum er aufhörte.
Es tat weh, mit dem geliebten Sport aufzuhören. Doch die Liebe zu jemand anderem war größer und mächtiger.
„Meine geliebte Hermine", murmelte er in die Dunkelheit hinein, „warte nur noch ein bisschen. Ich komme bald."
A/N: Wie immer an dieser Stelle: Vielen lieben Dank für eure Reviews! euch mal abknuddelt LG, Galato