Kapitel 7

Hermine kostete diesen friedlichen Moment voll und ganz aus. Sie hatte schon ganz vergessen wie es war, in diesen Armen zu liegen. Und jetzt kam es ihr so vor, als wäre es nie anders gewesen. Als wäre sie nie allein gewesen.

Nur noch einen Augenblick, dachte sie glücklich und strich mit ihren Fingern über Viktors nackte Brust. Hermine beobachtete dabei sein Gesicht sehr genau. Eigentlich wollte sie ihn nicht wecken, aber falls er nun doch wach werden würde, wäre es auch nicht schlimm. Und da! Seine Lider flackerten und ein tiefes zufriedenes Brummen schien aus seinem Inneren zu kommen. Als Viktor seine Augen nun öffnete, sah er eine lächelnde Hermine vor sich.

„Gute Morge" meinte er verschlafen und gähnte einmal herzhaft. „Müsse wir heute etwa arbeite?"

Hermine nickte lächelnd und rappelte sich halb auf um Viktor küssen zu können. Warme Lippen trafen sich zu einem zärtlichen und vorsichtigen Kuss. Als könnten beide noch nicht recht glauben, endlich wieder zusammen zu sein. Ungläubig sahen sich die zwei an.

„Ich kann immer noch nicht glauben, dass du tatsächlich hier bist, Viktor" flüsterte sie leise und kuschelte sich noch einmal an ihn.

„Ich auch nicht. Dass das nun alles so gut geklappt hat, überrascht auch mich. Normalerweise benötige die Behörde vielmehr Zeit, jemande zu versetze."

Ja, das war in der Tat merkwürdig…

Aber Hermine wollte darüber jetzt nicht weiter nachdenken. Es war Zeit, sie mussten aufstehen damit sie rechtzeitig zur Arbeit kamen.

„Wo sind eigentlich deine Eltern?" fragte Viktor aus dem Badezimmer, während er sich die Zähne putzte.

„Die sind die ganze Woche nicht da. Irgend so ein Zahnarztkongress."

Viktors Augen funkelten. „Dann sind wir zwei ganz alleine?"

Hermine schaute kurz ins Bad rein und grinste Viktor über den Spiegel hinweg an. „Sieht wohl ganz so aus." Wer hätte gedacht, dass diese Woche noch so viele Annehmlichkeiten für Hermine bereit halten würde?

Viktor und Hermine wollten gerade aufbrechen, da klackerte es am Fenster. Hermine erkannte die Eule gleich, sie war von Ginny. Schnell nahm sie den Brief an sich und nahm sich vor, ihn während der Mittagspause zu lesen. Dann reisten sie per Flohpulver ins Ministerium, wo sich dann im fünften Stock ihre Wege trennten.

Gut gelaunt ging Hermine also an ihren Schreibtisch. Kurz darauf kam Flynn auf sie zu.

„Hallo Sonnenschein. Dir scheint es ja richtig gut zu gehen. Darf man den Grund erfahren?" Er setzte sich wie schon so oft lässig auf die Schreibtischkante und blickte sie mit einem Lächeln an.

„Man darf. Mein Freund ist gestern gerade aus Bulgarien angekommen", strahlte sie über beide Backen.

Flynn jedoch traf diese Aussage hart. Auch wenn er es sich nicht wirklich eingestehen wollte, empfand er für Hermine mehr als nur Freundschaft. Er flirtete gerne, das lag mehr oder weniger in seiner Natur, aber für dieses Mädchen hier hegte er ein reges Interesse. Er schluckte schwer, bevor er dann fragte, ob er dort Urlaub gemacht habe.

„Nein, nein. Er lebt dort. Also ist gebürtiger Bulgare. Wie auch immer. Jetzt arbeitet er hier in England. Hier im Ministerium", schwärmte sie. Eigentlich war es nicht Hermines Art so redselig zu sein, aber sie fühlte sie so glücklich, dass sie hätte Bäume ausreissen und die ganze Welt umarmen können.

„Moment mal", es ratterte schwer in Flynns Kopf, „Der einzige Bulgare, der hier im Ministerium arbeitet und noch dazu erst gestern angekommen ist, ist Viktor Krum. Willst da damit etwa sagen, dass Krum…?" Ohne es zu wollen wurde Hermine rot. An ihrer Reaktion erkannte Flynn, dass er Recht hatte.

„Dann darf ich mir also keine Hoffnungen machen?" fragte er etwas niedergeschlagen, jedoch mit einem Zwinkern.

Hermine hingegen riss ihre Augen vor Schreck auf. Hatte sie da was nicht mitbekommen?

„Ich… ehm… also… wie jetzt?"

„Keine Angst, ich ich hab dich trotzdem gern." Damit verschwand er wieder und ließ Hermine allein.

„Seltsamer Kerl", murmelte sie und legte die Stirn in Falten. Dann widmete sie sich wieder ihrer Arbeit. Heute schien ein ruhiger Tag zu werden, weswegen sie den Brief von Ginny aus ihrer Tasche kramte und zu lesen begann.

Liebe Hermine,

Alles Gute zum Geburtstag! (Ich hoffe, die Eule ist nicht zu spät bei dir angekommen.) Ach, ich wünschte, ich könnte mit dir feiern. Aber stattdessen hänge ich hier auf Hogwarts fest und muss mich mit meinen Hausaufgaben für Snape beeilen. Ich seh' seine große Nase schon färmlich vor mir, wie er sie ins Pergament steckt und sagt: „Nun Miss Weasley. Sieht wohl ganz so aus, als würden sie sich das unsägliche Talent ihres Bruders Ronald teilen und Hausaufagben mit dem Können eines Hippogreifes erledigen." Bäh. Aber ich schweife aus.

Hermine… ich weiß nicht wo ich anfangen soll. Aber du bist die Einzige mit der ich darüber reden kann. Etwas Merkwürdiges geschieht hier. Nicht nur in Hogwarts, sondern auch mit Harry. Er schreibt immer seltener und ja, wahrscheinlich liegt es daran, dass er seit seiner Ausbildung kaum noch Zeit dazu hat. Aber… auch wenn wir uns in Hogsmeade treffen ist er so verändert. Er wird schnell zornig und sagt abwertende Dinge über Muggel… das ist nicht mehr Harry. Bitte, kannst du nicht mal mit ihm reden? Etwas stimmt da nicht undi ch mache mir wirklich große Sorgen.

Alles Liebe,

Ginny

Hermine runzelte die Stirn. Ginny schien echt verzweifelt zu sein. Was war denn da los? Und was geschieht in Hogwarts? Darüber hatte ihre Freundin nichts Weiteres geschrieben. Dass mit Harry etwas nicht stimmte, darauf war sie auch schon gekommen. Aber dass sie sich ernsthafte Sorgen machen musste…?

Hermine faltete den Brief und steckte ihn in ihrer Umhangstasche. Sie grübelte vor sich hin und bemerkte gar nicht, dass Mittagspause war. Viktor kam auf sie zu. Erst als er vor ihr stand und sie an der Schulter rüttelte, erwachte sie aus ihrer Starre.

„Geht es dir gutt?" fragte er besorgt und sah ihr prüfend in die Augen. Hermine schaute sich um.

„Viktor, ich muss dir etwas erzählen. Hast du Zeit?"

„Wir habe Pause… also… ja, ich habe Zeit. Worum geht es denn?" Hermine stand auf und zog Viktor mit sich ins Archiv des Ministeriums. Hier konnten sie ungestört miteinander reden.

„Du weißt doch noch, was mit Maria war und dass ich den Verdacht hatte, Voldemort könnte sie unterstützt haben, oder?"

„Wie könnte ich das vergesse?"

„Es gibt da noch etwas, was ich dir unbedingt in dieser Sache sagen muss. Mir fiel es erst vor Kurzem wieder ein." Sie machte eine kurze Denkpause. Es gab einfach viel zu viel, was sie ihm sagen musste und eigentlich wollte sie gar nicht mit Maria anfangen, sondern gleich auf Harry zu sprechen kommen.

„Was denn? Nun sag schon!"

„Ja doch. Kurz bevor ich die Treppe hinunterstürzte, konnte ich einen Blick auf ihren linken Unterarm erhaschen."

„Oh nein. Du willst mir doch jetzt wohl nicht etwa sage, dass…?"

„Doch, genau das. Maria ist eine Todesserin."

„Aber wie ist das möglich?" Viktor riss überrascht die Augen auf und stützte sich an einem Regal.

„Ich weiß es nicht. Es gibt eigentlich nur zwei Erklärungen dafür."

„Und die wären?"

„Du willst sie wirklich hören?"

„Natürlich. Also, die erste Erklärung wäre?"

Hermine holte tief Luft. Inständig hoffte sie, dass er ihr glauben würde. Sie war sich manchmal nicht ganz sicher, was Viktor und ihre Vermutungen anbelangte. Aber Viktor war von Natur aus ein misstrauischer Mensch und darum verzieh sie ihm.

„Also gut. Die erste Erklärung ist auch recht harmlos. Maria war einfach schon seit vielen Jahren Todesserin."

„Klingt einleuchtend. Allerdings… Maria ist nicht viel älter als ich, und wenn sie seit viele Jahre Todesserin sein soll, dann hieße dass, sie wäre schon in der Schule in Voldemorts Lager gewechselt. Was ich mir nicht wirklich vorstelle kann."

„Gut, dann siehst du das genauso wie ich. Aber nun meine zweite Erklärung. Als ich sie damals beim Quidditch Spiel Bulgarien gegen Norwegen zum ersten Mal traf, bin ich der Meinung, sie hätte ein kurzärmeliges Shirt getragen – bei der Hitze eigentlich selbstverständlich. Und ich könnte schwören, dass da noch kein Mal auf ihrem Unterarm war."

„Aber das würde dann ja bedeuten…"

„Genau. Voldemort ist hier noch irgendwo. Und glaub mir Viktor, das ist die einzige Erklärung, die ich für plausibel halte."

„Her-minne, wenn das wahr ist, dann stürzt das die Welt in eine weitere Krieg!" Viktor war entsetzt. Vorsichtig berührte Hermine seinen Arm und sah ihn an.

„Du hältst es für möglich, richtig?" fragte Viktor und Hermine nickte bedrückt. „Leider", fügte sie hinzu.

„Du meine Güte. Wem sollen wir es denn erzähle? Wer wird uns glaube? Du weißt doch wie sie mit Harry umgegange sind."

„Ja… wo du gerade von Harry sprichst. Ist dir aufgefallen, dass er sich sehr seltsam benimmt?"

„Ich weiß nicht. Kann schon sein, ich kenne ihn ja nicht gut genug."

„Jedenfalls hat Ginny mir geschrieben. Sie macht sich große Sorgen um ihn. Und in Hogwarts soll auch etwas nicht stimmen. Ginny ist Harrys Freundin."

Viktor ging ein Stück hin und her und dachte nach, während Hermine dastand und grübelte.

„Sag mal, Harry hat ihn doch vernichtet, oder?" fragte Viktor nun wie aus heiterem Himmel.

„Ja, natürlich. Das ist zumindest das, was er sagt."

„Hat er dir erzählt, wir er es angestellt hatte?"

„Wieso fragst du?"

„Hat er oder nicht?"

„Doch. Aber erst nachdem wir ihn alle dazu drängen mussten. Er sagte, er hätte einen Erstarrungszauber angewendet und ihmdann einen Fluch entgegenschleuderte, der Voldemort in tausende von Stücken zerschmetterte. Ein Stück hat ihn an der Hand getroffen."

„Hmm… Her-minne, so unglaublich das alles ja auch klingen mag, aber Zufall kann das nicht mehr sein. Da ist etwas im Busch. Aber jetzt sollten wir uns wieder an die Arbeit machen. Unsere Mittagspause ist gleich vorbei."

Etwas betrübt schaute sie zu Boden.

„Hey, keine Zeit um Trübsal zu blase, ja? Es wird schon alles gut werde." Dann nahm Viktor ihren Kopf in seine Hände und küsste sie zärtlich. In diesem Moment öffnete sich die Tür und Flynn kam herein. Viktor und Hermine erschraken heftigst. Doch Flynn grinste nur und meinte, er wäre wohl zur falschen Zeit am falschen Ort.

„Entschuldige", murmelte Hermine und huschte schnell an ihm vorbei. „Wir sehen uns nachher", rief sie Viktor zu und verschwand.

Viktor hingegen stand Flynn gegenüber.

„Frauen", meinte er entschuldigend und wollte auch gehen. Doch Flynn hielt ihn auf.

„Hey – behandel sie gut, ja?"

Viktor zog eine Augenbraue hoch und antwortete dann mit „Selbstverständlich". Dann ging auch er und Flynn stand alleine im Archiv. Es hatte ihn einen schmerzhaften Stich ins Herz versetzt, Hermine mit ihrem Freund so zu sehen. Doch er hatte auch das Leuchten in ihren Augen erkannt, als sie von Viktor sprach und wusste instinktiv, dass er sie niemals so glücklich machen konnte.