Flehen
Kate hatte gewartet, bis ihr Lagerfeuer heruntergebrannt war, dann hatte sie es nicht mehr ausgehalten und war wie besessen in den Dschungel gestürmt.
Deal hin oder her, sie musste einfach wissen, was Sawyer Jack wohlmöglich antat.
Sie musste völlig wahnsinnig gewesen sein, auf Sawyers Handel einzugehen. Sie hätte Jack einfach das Buch zurückgeben sollen und Ende der Geschichte, ohne dumme Spiele oder Geschäfte.
Sie rannte leise in Richtung der Höhlen. Gerade als sie aus einem Busch hervorbrach, fielen ihr zwei Schemen am Rande des Wasserfalls auf.
Sie kniff die Augen zusammen – und konnte nur mit Mühe einen Aufschrei unterdrücken.
Sawyer saß halbnackt auf den Knien, der Verband um seinen Arm blutbefleckt und vor ihm lag, ebenfalls ohne Hemd, Jack und sah aus, als könne ihn kein Wässerchen trüben. Er hatte den Kopf auf die Arme gelegt und lächelte leicht – dasselbe Lächeln, das Kate so sehr liebte.
Sie konnte es nicht verhindern, ein lautes Japsen entwich ihr und sie schlug sich die Hände vor den Mund. Doch zu spät, Sawyer hatte den Kopf gehoben und starrte ihr direkt in die Augen.
Sie war sich todsicher, dass er sie gesehen hatte, denn er beugte sich zu Jack hinunter und fragte:
„Was hast du vorhin eigentlich gesucht, Doc? Bevor du mich verarztet hast?"
„Hmm?" Jack schreckte anscheinend aus Träumereien hoch. „Was? Ach das, das war ein…"
„Ein was?", fragte Sawyer, doch sein Blick lastete auf Kate. Sie starrte zurück, hin und her gerissen und immer noch völlig verwirrt, von der Szene vor ihr.
Plötzlich veränderte sich etwas in Sawyers Blick: Die Drohung blieb, doch dahinter war noch etwas anderes; eine Bitte, ein Flehen fast.
Kate erinnerte sich, dass er ihr denselben Blick zugeworfen hatte, als sie das Geheimnis seines Briefes entdeckt hatte.
Damals war sie gegangen.
Und auch jetzt wich sie zurück.
Sawyer hatte ihr klargemacht, dass er diesen Moment nicht zerstören wollte und sie ging darauf ein. So seltsam die Sache auch war, sie hatte kein Recht sich einzumischen. Langsam verschwand sie wieder in der Dunkelheit.
Er hatte es geschafft, Kate war wirklich gegangen.
Sawyer kicherte, als er sich wieder über Jack beugte. Seine Hände fuhren langsam an dessen Hüften hinunter, bis zum Bund der Jeans. Jack schreckte hoch.
„Was tust du?", fragte er heiser. Es war ihm sichtlich unangenehm und er rührte sich leicht.
Sawyer nahm die Hände schnell zurück.
„Nichts", murmelte er.
Er fuhr noch einmal Jacks Rücken entlang und nahm die Hände runter.
„Ich glaube, du bist fertig."
Jack nickte nur, die Augen geschlossen.
„Danke, Sawyer."
„Gewöhn dich nicht dran, Doc! Das nächste Mal verlange ich eine Bezahlung", erwiderte Sawyer und griff nach seinem Hemd.
Jack gähnte und zog die Beine näher an den Körper.
„Und das wäre? Als Beispiel?", fragte er.
„Nun, wir könnten damit anfangen", meinte Sawyer, beugte sich vor und küsste Jack sanft den Nacken.
Der brauchte ein paar Sekunden, um zu begreifen, was geschehen war, dann fuhr er erschrocken hoch, doch Sawyer war bereits verschwunden, und nur sein Hemd, dass auf Jacks Schultern lag, bewies, dass das Ganze kein Traum gewesen war.
Doch Jack war das egal. Er sank zurück auf den Boden und schlief sofort ein.
