10 Tage später
JAG Hauptquartier
Falls Church, Virginia
Harm ging langsam auf sein Büro zu, warf kurz einen verstohlenen Blick in das Zimmer seiner Partnerin. Mac saß an ihrem Schreibtisch über Akten gebeugt, schien ihn gar nicht wahrzunehmen. Sie hatte ihre gemeinsame Nacht mit keinem Wort mehr erwähnt, hatte ihn so behandelt, als hätte es nie etwas anderes zwischen ihnen gegeben als tiefe, platonische Freundschaft. Er hatte sich ihrem Willen und seinem Schicksal gefügt, spielte ihr Spiel mit und unterließ es, das Thema auch nur zu erwähnen. Er hatte ihr nach der ganzen Sache mit Webb vor zwei Tagen nochmals angeboten, dass sie mit ihm über alles reden konnte. Doch offensichtlich schien sie nicht bereit dazu zu sein. Clays plötzliches Auftauchen, sein vorgetäuschter Tod, die Art und Weise, wie er sie belogen und betrogen hatte, sie benutzt hatte, um einen weltweit gesuchten, erbarmungslosen Auftragskiller zu fassen und dabei ihr Leben ohne irgendwelche Skrupel aufs Spiel gesetzt hatte, waren ein Schock für sie gewesen. Sie war tief verletzt, enttäuscht über ihren eigenen, mangelnden Instinkt, was die Auswahl ihrer Männer betraf.
Und diese Tatsache würde es ihm gewiss nicht einfacher machen, Mac dazu zu bewegen sich in dieser Situation für einen neuen Mann und somit für ihn zu entscheiden. Er musste akzeptieren, dass sie Zeit brauchte und vielleicht niemals bereit dazu war, eine Beziehung mit ihm zu führen. Er vermiet es mittlerweile auch, dass gesamte Baby-Thema anzusprechen. Er hatte sich im Internet und in Büchern über Endometriose informiert, hatte Möglichkeiten herausgesucht, die es ihnen vielleicht doch ermöglichen konnten, ein Baby zu bekommen. Aber auch dieses Thema hatte Mac komplett abgeblockt, war nicht bereit mit ihm darüber zu reden. Es hatte ihm bewusst gemacht, dass er vielleicht zu selbstverständlich und eigennützig davon ausgegangen war, dass Mac sich so sehr ein Kind wünschte, dass sie seinem Plan ohne zögern zustimmen würde. Doch offensichtlich war ihr Wunsch nach einer Familie lange nicht so ausgeprägt wie seiner. Oder vielleicht vertraute oder liebte sie ihn auch einfach nicht genug, um ihn als Vater ihrer Kinder zu akzeptieren.
Harm wurde aus seinen Gedanken gerissen, als General Cresswell das Hauptquartier betrat und Mac und ihn aufforderte, ihm in sein Büro zu folgen. Harm war kurz stehen geblieben, hatte gewartet bis seine Partnerin aus ihrem Büro gekommen war und betrat nun gemeinsam mit ihr das Zimmer ihres Vorgesetzten. Gordon Cresswell wanderte genervt in seinem Büro auf und ab, wartete darauf, dass seine beiden Offiziere ihm ihre Aufmerksamkeit schenkten. Schließlich blieb er stehen, sah beide ernst an. „ Ich hatte eben ein Treffen mit dem SecNav. Er ist ziemlich aufgebracht. Wie sie sicherlich wissen, haben sich in den letzten Monaten die Fratanisierungsfälle drastisch gehäuft. " Er machte eine kleine Pause, sah prüfend von einem Offizier zum anderen. Harm schluckte. War das ganze eine Anspielung auf seine Nacht mit Mac? Aber wie konnte irgendjemand etwas davon wissen? Hatte sie jemand beobachtet? Er warf seiner Kollegin einen kurzen Blick zu, hoffte an ihrer Mimik zu erkennen, ob sie gerade ebenso geschockt war wie er. Macs Gesichtsausdruck wirkte versteinert, scheinbar wusste auch sie nicht, was sie antworten sollte.
Endlich sprach ihr CO weiter. Der Klang seiner Stimme verriet, wie ernst und schwerwiegend die ganze Angelegenheit sein musste. „ Vor 2 Stunden ist ein anonymer anruft im Büro des SecNavy eingegangen. Eine junge Pilotin wird beschuldigt, eine Affäre mit einem Petty Officer aus ihrer Einheit gehabt zu haben. Sie hat die Affäre bereits vor 7 Monaten beendet, doch wie sich jetzt herausgestellt hat, ist aus dieser Verbindung ein Kind entstanden. Der SecNav möchte, dass diese Angelegenheit nun so schnell und diskret wie nur möglich behandelt wird. Er befürchtet, dass die Medien Wind davon bekommen und der Ruf der Navy noch weiter sinken wird. Er möchte, dass ein dermaßen undiszipliniertes und unverzeihliches Verhalten auf der Stelle vor Gericht verhandelt wird, um dass Gesicht der United States Navy zu wahren und zukünftigen Vorstößen, die uns nach außen undiszipliniert erscheinen lassen, vorzubeugen. " Er hatte erneut begonnen nervös in seinem Büro auf und ab zu laufen, blieb nun kurz stehen und sah seine beiden Untergebenen fragend an. „ Was schlagen sie vor? " Harm räusperte sich. Nachdem nun klar war, dass es nicht um seine Nacht mit Mac ging, fühlte er sich direkt etwas erleichtert. Obwohl er sich nicht sicher war, wie er reinen Gewissens jemanden anklagen sollte, der das gleiche Verbrechen begangen hatte wie er. „ Erst einmal eine Untersuchung nach Artikel 32. Sir, gibt es Vermutungen wer der anonyme Anrufer war? " „ Ja, es wird vermutet, dass es sich bei dem Anrufer um den Petty Officer selbst handelt. Offenbar war er außer sich, da Lt. Biwack ihn seine Tochter nicht sehen lässt. Da hat er beschlossen, ihr das zu nehmen, was ihn scheinbar um seine Liebe gebracht hatte. Nämlich ihre Karriere. " „ Aber Sir, damit würde er ebenfalls eine Bestrafung auf sich nehmen. " Mac sah ihren Vorgesetzten fragend an. Es war das erste Mal, dass sie sich zu diesem Thema geäußert hatte. „ Ja Colonel, manche Männer tun so einiges, wenn ihr männlicher Stolz verletzt wurde. " „ Außerdem hat er ein Recht auf sein Kind, Mac ", warf Harm in seiner gewohnt das Vater-Kind-Verhältnis beschützenden Manier ein. Trotz des ernsten Hintergrunds musste Mac über den Enthusiasmus und die Hingabe schmunzeln, mit der ihr Partner sich immer wieder für Kinder, die vermeintlich ohne Vater aufwachsen mussten, einsetzte. Sie wusste, er würde ein guter Vater sein. Doch sie war nicht diejenige, die ihn zu diesem fürsorglichen, liebevollen Vater machen würde. Nicht dass sie nicht schon unzählige Male darüber nachgedacht und fantasiert hatte, wie es sein würde ein Baby mit Harm zu haben, aber die Natur und das Schicksal hatten offensichtlich andere Pläne für sie. Und denen musste sie sich fügen.
Ihre Gesichtszüge hatten sich verhärtet. Sie hatte dieses Thema in den letzten Tagen erfolgreich verdrängt und hatte auch in Zukunft für, dies mit jedem Gedanken zu tun, der sie an ihre Unfähigkeit ein Kind auszutragen erinnerte.
General Cresswells Stimme hatte Macs Aufmerksamkeit wieder auf ihren Vorgesetzen gelenkt. „ Ok Colonel, Commander, wie ich sehe, sind sie sich der Problematik durchaus bewusst. Ich erwarte eine zügige, gründlich und möglichst dezente Untersuchung des Falls. Weggetreten! "
Kurze Zeit später saßen die beiden Offiziere in einem Auto auf dem Weg zum Stützpunkt. Sie hatten eine ganze Weile geschwiegen, jede Gelegenheit den anderen anzusehen vermieden. Sie hatten in den letzten 10 Tagen nicht viel zusammen gearbeitet und wenn, nicht alleine. Und falls sie doch einmal in die unangenehme Situation gekommen waren, alleine miteinander zu sein, hatten sie ausschließlich über berufliche Dinge geredet. Und Harm wusste, dass ihre Arbeit auch nun ein gutes Thema war, um die unangenehme Stille zu brechen. Er räusperte sich leise und sah seine Partnerin kurz an. „ Und, was ist deine Meinung zu dem Fall, Mac? " Sein Blick blieb einen kurzen Moment auf der Frau neben im ruhen, bevor er sich wieder auf die Straße konzentrierte. Mac zuckte mit den Schultern, ohne ihn wirklich anzusehen. „ Ein klarer Fall von Fraternisierung. Die beiden haben einen Fehler gemacht und müssen nun die Konsequenzen tragen." Ihre Stimme klang kalt und emotionslos, wenn man bedachte, dass sie selbst eine, wenn auch sehr kurze Liaison mit einem Offizier im gleichen Kommando eingegangen war. Harm schluckte. „ Einen Fehler wie wir? Für dich war es doch auch nicht mehr, als eine Affäre, oder? " Er hatte den Wagen auf den Parkplatz des Stützpunktes gelenkt und abrupt angehalten. Er sah seine Partnerin nun ernst an, in seiner Stimme klang deutlich der provozierende Unterton.
Mac stand auf und stieg ohne zu antworten aus dem Auto. Sie atmete tief ein, drehte sich schließlich zu ihrem Kollegen um, der ebenfalls ausgestiegen war. „ Was erwartest du von mir, Harm? " Sie sah ihn eindringlich an. „ Ich weiß es nicht, Mac. Du weichst mir seit Tagen aus. Vielleicht erwarte ich einfach nur irgendeine Reaktion. Irgendeine Erklärung warum … "
„ Warum wir es nicht hin bekommen eine Beziehung zu führen? Harm, es gibt immer so viele Komplikationen, Die Arbeit, andere Frauen, die Suche nach deinem Vater. Wieso sollte das jetzt plötzlich alles anders sein? " Sie hatte leise gesprochen, ihre letzten Worte klangen fast flehend, so als hoffte sie, dass er ihr eine Antwort geben würde, die all ihre Zweifel verschwinden ließ und nur noch der Wunsch zurück blieb, mit ich zusammen sein zu wollen. „ Das ist alles vorbei, Mac. Ich will einfach nur mit dir zusammen sein, eine Familie gründen. Ganz langsam, Mac, Schritt für Schritt, ohne Druck. Lass uns doch einfach anfangen und abwarten wie es sich entwickelt. " Er versuchte seiner Kollegin in die Augen zu sehen, doch sie wich seinem Blick aus. Schließlich antwortete sie, sprach leise, ohne ihn anzusehen. „ Ich kann dir nicht das geben, was du willst. Ich kann dir momentan weder die Frau sein, die du dir wünschst, noch werde ich irgendwann einmal in der Lage sein, dir Kinder zu schenken." Sie atmete tief durch, versuchte ihre Stimme fest klingen, ihre aufkommenden Emotionen nicht die Überhand gewinnen zu lassen.
Harm war um das Auto herum gegangen und dicht vor ihr stehen geblieben. „ Vielleicht bist du mir ja wichtiger als ein Kind! " Er hatte versucht nach ihrer Hand zu greifen, doch sie war zurückgewichen. „ Ach Harm, mach dir doch nichts vor. An dem Tag, an dem du Mattie an ihren Vater verlierst, kommst du zu mir und schlägst mir vor, den Baby-Deal einzulösen. Wolltest du dieses Kind nicht benutzen, um die durch Matties Weggang entstandene Lücke in deinem Leben zu ersetzen? " Sie sah ihn fragend an. „ Eigentlich wollte ich dir mit meinem Vorschlag nur klar machen, dass ich mein Versprechen halten möchte. Ich wollte dir die Möglichkeit geben, Mutter zu werden, da ich dachte, dass dein Wunsch nach einer Familie immer noch vorhanden ist. Ich wollte dich nicht drängen, oder zu irgendetwas zwingen, Mac. "
„ Du hast also nur an mich gedacht? Dass heißt, du möchtest gar kein Kind, sondern tust das alles nur für mich? " Ihr Tonfall hatte sich verändern, man konnte deutlich hören, dass sie ihm nicht glaubte, sogar etwas wütend zu sein schien. „ Natürlich möchte ich ein Kind, Mac. Ich möchte unser Kind. Egal wie … es gibt so viele Möglichkeiten …" Mac unterbrach ihn. Sie konnte ihm einfach nicht zuhören. Sie wollte nicht. Wollte nicht mit all den negativen Empfindungen konfrontiert werden, die dieses Thema mit sich brachte. Sie hatte zu lange gewartet, sich immer wieder den falschen Männern hin gegeben und hatte damit ihre Change auf eine Familie verspielt. So sehr sie auch versuchte sich nicht die Schuld an ihrer Unfruchtbarkeit zu geben, so bliebt doch immer das Gefühl als Frau versagt zu haben. Sie hatte das stetige Ticken ihrer biologischen Uhr bewusst unterdrückt, hatte sich immer wieder eingeredet, dass noch genug Zeit übrig blieb. Doch sie hatte sich geirrt. Und damit musste sie nun leben. Sie hatte angefangen zu weinen, versuchte leise und ruhig zu sprechen. „ Harm, ich kann dir nicht geben, was du willst … was du verdienst. Du verdienst eine Familie. Du bist dafür geboren Vater zu sein. Und das würdest du aufgeben, um mit mir zusammen sein zu können. Das kann ich nicht zulassen, Harm. " Sie hatte sich etwas beruhigt, sogar nach seiner Hand gegriffen und sie sacht gedrückt. Er sah ihr in die Augen, wischte vorsichtig die Tränen von ihren Wangen.
„ Ich würde alles aufgeben, um …" Sie hatte ihre Finger auf seine Lippen gelegt. „ Nein Harm, das kannst du nicht. Bitte gib mir Zeit, selbst mit allem klar zu kommen. Und gib auch dir die Zeit, darüber nachzudenken, welche Konsequenzen diese Entscheidung für dich hätte. Werde dir darüber klar, wie wichtig dir leibliche Kinder wirklich sind. Und wenn wir beide so weit sind, dann können wir über uns reden. " Sie sah ihn noch einmal kurz an und ging dann ohne ein weiteres Wort Richtung Stützpunkt. Er sah ihr nach und wusste, dass die einzige Möglichkeit, die Frau die er liebte für sich zu gewinnen war, sie nun gehen zu lassen.
