JAG Hauptquartier
Falls Church, Virginia
Harm ging langsam auf Mac zu. Er hatte von seinem Bürofenster aus beobachtet, wie sie vor 20 Minuten von ihrem jährlichen Gesundheitsscheck im Bethesda zurückgekommen war, ihren Wagen auf dem Parkplatz abgestellt hatte und seitdem auf der Bank vor dem Hauptquartier saß. Er war zu ihr hinunter gekommen, weil er sich Sorgen machte. Sie saß einfach nur da und starrte ins Leere, schien es nicht einmal zu bemerken, dass er sich ihr nährte. Sein Blick fiel auf ihre Augen, sie glänzten, in ihnen dieser Schimmer ungeweinter Tränen, der sein Herz zum verkrampfen brachte. Was war wenn ihr die Ärzte schlechte Nachrichten mitgeteilt hatten? Vielleicht hatte sich ihr Gesundheitszustand wieder verschlechtert und die Ärzte ihr somit auch noch die letzte Hoffnung auf ein eigenes Kind genommen. Sie hatten seit ihrem letzen privaten Gespräch nicht mehr über ihren Babywunsch gesprochen, doch er wusste, dass ihr unerfüllter Wunsch nach einer Familie ihr mindestens genauso sehr zu schaffen machte, wie die Enttäuschung und der Schmerz, die Clays Verhalten in ihr hervorgerufen hatten. Doch bis zu diesem Zeitpunkt hatte er immer geglaubt, dass sie, sobald Mac bereit war, ihren gemeinsamen Traum trotz ihrer niederschmetternden Prognose verwirklichen konnten. Doch jetzt, wo er Mac so vor sich sitzen sah, machte ihr Anblick es ihm fast unmöglich noch auf eine gemeinsame Zukunft mit leiblichen Kindern zu hoffen.
Mac war schon immer, in allem was sie tat, äußerst zielstrebig und verbissen gewesen, versuchte das, was sie sich in den Kopf gesetzt hatte um fast jeden Preis durchzusetzen. Aber er hatte sie noch nie so emotional und verletzlich erlebt. Hinter ihrer oft recht kühl und rational wirkenden Fassade, verbarg sich ein sehr gefühlvoller und sensibler Mensch. Ein Mensch, der gegen private und berufliche Rückschläge und Enttäuschungen ankämpfen musste. Aber sie war immer stark gewesen, hatte jede Situation, egal wie kompliziert und schwierig sie auch war, gemeistert. Manchmal mit und manchmal ohne fremde Hilfe. Doch das hier, die Endometriose, ihr unerfüllter Kinderwunsch, war etwas anderes. Sie kämpfte gegen eine fast unbezwingbare Macht – gegen die Natur. Das einzige, was sie tun konnte, war es zu versuchen, die Hoffnung nicht aufzugeben und an Wunder zu glauben. Doch letztendlich lag es nicht in ihrer Hand. Und neben dem intensiven Wunsch nach einem eigenen Kind, war die Tatsache, dass sie ausgeliefert war, hilflos und sich alles außerhalb ihrer Kontrolle abspielte, mit ein Grund dafür, dass Mac so angreifbar war. Harm kannte sie, wusste auch ohne, dass sie etwas sagte, was sie empfand.
Er stand nun direkt vor ihr, kniete sich hin und legte seine Hände sanft auf ihre Beine. Mac drehte ihm den Kopf zu, sah ihm in die Augen. Doch sie sagte nichts, sah ihn einfach nur an.
„ Was ist los? ", fragte er, seine Stimme klang dünn und unsicher. Er hatte Angst. Angst, vor der Antwort, Angst davor, dass er nicht hören wollte, was sie ihm sagte. Angst, dass er sie zum weinen bringen würde. Sie sah ihn immer noch an, es kam ihm wie eine Ewigkeit vor. Dann öffneten sich ihre Lippen, sie sprach leise, mit soviel Ehrfurcht, dass er das Gefühl hatte, das Blut in seinen Adern würde zu Eis gefrieren.
„ Ich … ich … Wir bekommen ein Baby. " Um sie herum war alles still, nichts mehr schien zu existieren, nur sie beide, dieser Moment. Er versuchte seine Stimme wieder zu finden.
„ Sicher? " Sie nickte nur, ihr Gesicht blieb völlig regungslos. „ Wir bekommen ein Baby ", sagte er leise vor sich hin. So, als müsste er es wiederholen, um es wirklich zu glauben. „ Du bekommst mein Baby. " In dem Klang seiner Stimme lag die selbe Ehrfurcht und der gleiche Respekt, vor dem, was sie geschaffen hatten, vor dem, was für beide, das größte Geschenk war, dass das Leben einem Menschen geben konnte . Er richtete sich langsam auf, ohne seinen Blick von ihr zu wenden. Griff nach ihren Händen und zog sie zu sich, in seine Arme. Seine Lippen verzogen sich zu einem Lächeln.
„ Du bekommst mein Baby ", sagte er abermals, seine Stimme voll Stolz und Übermut, so als müsste er ihr klar machen, was dieser kurze, unscheinbare Satz für sie beide bedeutete. Dann hob er sie hoch, wirbelte sie im Kreis herum. Mac schmiegte ihre Wange an seine. Er wirkte so erleichtert, so glücklich. Und erst jetzt wurde ihr die Bedeutung der Worte, die der Arzt ihr vor einer knappen Stunde mitgeteilt hatte, die Worte, die sie Harm gegenüber wiederholt hatte, wirklich bewusst. Sie, Sarah MacKenzie, bekam ein Baby. Und nicht nur irgendein Baby, Harms Baby.
Sie war hierher gefahren, hatte auf der Bank gesessen und gewusst, was der Arzt ihr da gesagt hatte, doch erst jetzt, hatte sie es wirklich realisiert. So, als wäre sie aus einem Traum aufgewacht und hatte festgestellt, dass dieser Traum nun Wirklichkeit geworden war. Sie hatte nicht einmal probiert schwanger zu werden, hatte es gar nicht gewagt überhaupt nur zu hoffen. Aber offensichtlich hatte sie das Schicksal mal wieder unterschätzt, war so in Ängste und Trauer versunken gewesen, dass sie diesen kleinen, unwahrscheinlichen Lichtblick gar nicht wahrgenommen hatte.
Harm hatte sie vor sich abgesetzt, hielt sie immer noch fest, dicht an seinen Körper gepresst. „ Wie fühlst du dich? " Er sah sie an, seine Stimme klang sanft und liebevoll. Sie lächelte zaghaft, überwältigt von ihren Gefühlen. „ Ich … ich kann es mir noch gar nicht vorstellen. Es ist alles so unwirklich. " Seine Hand ruhte auf ihrem flachen Bauch.
„ Da drin ist unser Baby " Der werdende Vater lächelte, sah von seiner Hand auf, ihr in die Augen. Seine Lippen berührten sacht ihre, zärtlich, ganz vorsichtig. Zum ersten Mal, seit ihrem letzen Kuss in der Nacht, in der sie dieses kleine Wunder tief in ihr erschaffen hatten. Seit dem Kuss, nach dem er sich so sehr nach dieser Frau verzerrt hatte, es kaum hatte erwarten können, erneut diese zarten, weichen, vollen Lippen berühren zu dürfen. Sie schloss die Augen, genoss, die sanften Berührungen. Dann drückte sie ihn langsam von sich weg.
„ Harm, nicht hier, nicht jetzt. " Er nickte zustimmend, obwohl er eigentlich etwas ganz anderes wollte. Jeder sollte sehen, wie sehr er diese wunderschöne Frau liebte und das er alles dafür tun würde, mit dieser Frau zusammen sein zu können. Doch er wollte diesen Moment jetzt nicht zerstören, wollte nicht mit ihr diskutieren. Er legte seine Hand wieder auf ihren Bauch.
„ Bald wird es für uns beide Wirklichkeit sein, " er grinste sie schelmisch an, „ Spätestens wenn dir deine Uniform zu eng wird. ". „ Darüber freust du dich. ", entgegnete sie schmunzelt. „ Ja. Und weißt du auch warum? Weil dann jeder sehen kann, dass du mein Baby in deinem Bauch trägst. "
Er lächelte, sein Blick war voll Stolz auf ihren Unterleib gerichtet, so als könnte er erahnen, was sich tief hinter seiner Hand verbarg.
Mac wich einen Schritt zurück. Erst jetzt war ihr klar geworden, was Harm nun von ihr erwartete. Aber sie wollte keine Beziehung, wollte nicht ihr Kind benutzen, um sich in ein Verhältnis drängen zu lassen. Sie liebte Harm, doch an ihren Ängsten hatte sich nichts geändert. Sie sah ihn an, hielt seine Hände in ihren, als sie leise anfing zu sprechen. Ihre Stimme bebte, sie wirkte angreifbar und verletzlich. Doch sie weinte nicht, schien sich dem, was sie sagte, vollkommen sicher zu sein: „ Harm, ich kann nicht mit dir zusammen sein. Nicht jetzt, nicht wegen dem Baby. Das kann ich ihm nicht antun. Ich bin einfach noch nicht so weit. Und du auch nicht. Bedenk doch nur mal, was sich alles verändern würde. Sie würden uns trennen … jetzt, wo wir uns am meisten gegenseitig brauchen. Wo das Baby uns braucht. Harm, ich wollte immer ein Kind in mir tragen, es zur Welt bringen, nur eins großzuziehen reichte mir nicht. Ich wollte keine Minute seines Lebens missen, jede einzelne Sekunde, seit seiner Entstehung miterleben. Harm, ich will die Schwangerschaft erleben, spüren, wie es in meinem Körper heranwächst, fühlen, wie es sich in meinem Bauch bewegt.Frauen werden schwanger, ohne es zu wollen, ohne dieses Geschenk wirklich schätzen zu lernen.
Ich habe nun, dank dir, die Möglichkeit, einem Kind das Leben schenken zu dürfen. Habe die Möglichkeit das Baby zu spüren, es an zu sehen und zu wissen, dass es ein Teil von mir ist, mein Fleisch und Blut. " Mac drückte seine Hände fester, sah Harm tief in die Augen. Ihr Blick war sanft, drückte jedoch zugleich eine solche Zielstrebigkeit aus, dass kein Zweifel bestand, wie ernst ihr die Sache war.
„ Harm, dieses Kind ist auch ein Teil von dir. Egal ob wir nun ein Paar sind oder nicht. Es ist ein Teil von dir, der uns verbindet, denn ich in mir trage und beschütze. Ein Teil, den mir niemand wegnehmen kann. Ich will mich jetzt nicht gezwungen füllen, eine Beziehung eingehen zu müssen, möchte nicht riskieren, dass sie uns trennen und du die meiste Zeit der Schwangerschaft nicht bei mir sein darfst. Ich möchte, dass du die gesamte Schwangerschaft miterlebst. Möchte deinen stolzen Blick sehen, wenn du das erste Mal spürst, wie sich dein Kind in mir bewegt, fühlen, wie du beschützend deine Hand über meinen Bauch streicheln lässt in dem unser gemeinsames Kind heranwächst. Das Kind, dass wir gemeinsam erschaffen haben, dass ein Ausdruck tiefster Gefühle füreinander ist."
Sie hatte bis zu diesem Moment gegen ihre Tränen angekämpft, konnte sie nun jedoch nicht mehr zurückhalten. Harm beugte sich näher, zu der Frau, die er liebte, seine Lippen berührten sanft ihre Stirn. „ Mac, das werden wir alles gemeinsam erleben. Das verspreche ich dir…. Ich liebe dich und ich möchte nichts mehr, als mit dir zusammen zu sein. Und wenn das bedeutet, dass ich auf dich warten muss, dann werde ich das tun. Egal, wie lange es dauert. Und in der Zwischenzeit werden wir uns gemeinsam auf unser Baby freuen. " Seine Hand berührte zärtlich ihre Wange, seine Lippen verzogen sich zu einem Lächeln. „ Und ich werde der stolzeste Mann auf der ganzen Welt sein. " Sie erwiderte sein Lächeln. Sein Verständnis für ihre Situation und ihre Gefühle, riefen ein starkes Bedürfnis nach seiner Nähe und Geborgenheit in ihr hervor. Sie liebte ihn, und sie wusste nun, wenn sie bereit war, dann war er der Mann, der auf sie wartete. Sie presste ihren Körper an seinen und genoss seine Wärme. Er hielt sie liebevoll im Arm, und er wusste, irgendwann, würde diese wunderschöne Frau, die sein Kind unter ihrem Herzen trug, ihm gehören.
