Titel: Heero's Eleven
Autoren: Zanna & Laren (ZaLa)
Disclaimer: siehe Prolog
Kommentar: Sorry für die lange Wartezeit, aber wir waren beide ziemlich im Streß. Wir hoffen daß es in Zukunft nicht mehr so lang dauern wird.
Kapitel 14
Quatre setzte seinen undurchdringlichsten Gesichtsausdruck auf und folgte Treize auf die kleine Tribüne hinauf. Er hätte jetzt wirklich alles andere lieber getan als dabei zu sein wenn Treize das Hotel seines Vaters sprengte, aber er hatte leider keine andere Wahl. Sein Vater war absolut nicht in der Verfassung diesem Ereignis beizuwohnen, und für die Presse wäre es sicherlich ein gefundenes Fressen gewesen, wenn keiner der Winner-Familie hier erschienen wäre. So blieb Quatre nichts anderes übrig als eine gute Miene zum bösen Spiel zu machen.
Aus den Augenwinkeln ließ er seinen Blick über die anderen Anwesenden schweifen. Da waren der Bürgermeister, zwei Mitglieder des Stadtrates, die beiden Boxer die demnächst diesen ach so wichtigen Kampf bestreiten würden, und natürlich Treize Khushrenada und dessen blondes Gift von Freundin. Außer Quatre selbst schien sich jeder hier durch und durch wohl zu fühlen. Klar, warum auch nicht? Es war ja auch schließlich nicht deren Hotel das in den nächsten Minuten zu Staub gemacht würde.
Nachdem der Bürgermeister ein paar kurze Worte gesprochen hatte, trat nun Treize an das Mikrophon und begann seinerseits eine kurze Rede zu halten. Quatre unterdrückte einen Seufzer und ließ um sich abzulenken seinen Blick stattdessen über die Menge schweifen. Glücklicherweise neigte Treize nicht zu Geschwätzigkeit – einer der wenigen Pluspunkte des Mannes – Quatre würde das hier also nicht mehr sehr viel länger ertragen müssen.
Plötzlich stutzte Quatre und sein Blick kehrte zu der Stelle zurück über die er eben geschweift war. Hatte er das richtig gesehen? Das war doch... Ganz genau, dort in der Menge stand Zechs! Was tat der denn hier? Hatte er denn nichts anderes zu tun? Es war ziemlich leichtsinnig einfach hier aufzutauchen. Was wenn Treize ihn später erkennen würde?
Quatre runzelte die Stirn. Wen oder was starrte Zechs denn da so konzentriert an? Zechs' Blick war eindeutig nicht auf die Tribüne gerichtet, sondern auf irgendeinen Punkt mitten in der Menge. Quatre folgte Zechs' Blick – und konnte einen herzhaften Fluch gerade noch unterdrücken.
Heero! Verdammt nochmal, was trieb Heero denn hierher? Schlimm genug daß Zechs einfach so vor Treizes Augen herumstolzierte, mußte Heero es denn auch noch tun? Quatre hätte Heero eigentlich für intelligenter gehalten. Was sollte das ganze nur?
In diesem Moment traten der Bürgermeister und einer der Boxer vor und legten ihre Hände gemeinsam auf den Fernzünder. Wie auf Kommando drückten beide den großen Hebel langsam herunter und lösten so die Sprengung aus. Sofort richteten sich alle Blicke auf das große Hotel im Hintergrund, das in einer riesigen Staubwolke in sich zusammenbrach.
Alle Blicke – bis auf den von Heeros. Quatre fluchte nun doch unterdrückt. Verdammt! Die gesamte Zuschauermenge hatte sich umgedreht, um das Hotel einbrechen zu sehen. Nur Heero stand noch immer da und starrte einfach mit unlesbarem Gesichtsausdruck auf die kleine Tribüne und die Menschen die darauf versammelt waren! Wollte Heero etwa Treizes Aufmerksamkeit auf sich ziehen? Denn eins war klar, Treize konnte Heeros Anwesenheit unmöglich übersehen haben! Nicht nachdem sich Heero derart dumm verhalten hatte! Quatre schüttelte leicht den Kopf. Sobald sie alle zurück im Hotelzimmer wäre, würde er Heero zur Seite nehmen und ihm gehörig die Meinung geigen!
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Dorothy saß im Wohnzimmer der Suite und kümmerte sich um ihren Teil der Aufgaben. Auf dem Tisch vor ihr ausgebreitet lagen all ihre speziellen Werkzeuge, Sprengstoff, Auslöser und was sie sonst noch benötigte um die kleinen aber feinen Sprengladungen anzufertigen, für die sie fast schon berühmt war. Eins mußte man Heero und Duo lassen – die beiden geizten nicht wenn es um die Qualität der Materialien ging. Doro liebte es wenn sie mit Qualitätsware arbeiten konnte.
Der Fernseher lief, und Doro sah immer wieder von ihrer Arbeit auf um dem Geschehen auf dem Bildschirm zu folgen. Sie hatte eigentlich immer den Fernseher oder irgendwelche Musik laufen, wenn sie arbeitete – dann konnte sie sich besser konzentrieren. Und heute wurde zudem auch noch die Sprengung von Quatres Hotel übertragen! Das würde Doro sich auf keinen Fall entgehen lassen, wo das doch sozusagen ihr Spezialgebiet war!
Endlich kamen die Leute im Fernsehen zur Sache, und Doro beobachtet wie das Hotel in sich zusammenfiel. Sie war davon so sehr gebannt, daß sie gar nicht bemerkte, daß sie sich nur hätte umdrehen müssen, um das ganze live von ihrem Fenster beobachten zu können.
Doro nickte anerkennend mit dem Kopf. Das war saubere Arbeit gewesen. Das Hotel war ordentlich in sich zusammengefallen, es hatte keine Ausrutscher oder Teile gegeben, die irgendwo anders hingefallen waren. Nicht schlecht. Profis halt.
In diesem Moment flackerte das Licht und ging dann komplett aus. Genauso wie der Fernseher. Doro stutzte für einen Moment. Wie jetzt...? Im nächsten Moment kam ihr auch schon ein schrecklicher Verdacht.
„Kacke!" fluchend stand Doro auf und hastete zur Zimmertür. Als sie das Zimmer verließ hängte sie noch das ‚Bitte nicht stören' Schild an die Klinke und stürmte den Flur entlang.
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„Morgen habt ihr tagsüber frei," sagte Duo und blickte einmal in die Runde. „Um halb sechs wird dann zum großen Finale angetreten, in Maske und Kostüm. Howards Lieferung kommt um 19:05 Uhr und Zechs schnappt sich unsere Codes."
Duo ließ seinen Blick erneut über die gesamte Runde schweifen. Es waren alle da – alle außer Dorothy, die aus irgendeinem Grund zu dieser Besprechung nicht aufgetaucht war und die auch keiner von ihnen hatte finden können. Das konnte zum Problem werden, Doros Aufgaben spielten sich zwar größtenteils hinter den Kulissen ab, aber auch sie hatte – wie jeder andere auch – einen kleinen aktiven Part zu spielen.
Sie alle befanden sich in der Lagerhalle in der sie die letzten Tage über rund um die Uhr gearbeitet hatten. Und das Ergebnis ließ sich wirklich sehen. Sie hatten eine exakte Kopie des Tresorraums aufgebaut, und sie konnten jetzt endlich ihren Plan testen.
„Wenn das klappt kann's losgehen," fuhr Duo fort während er sich gemächlich von der gespannt lauschenden Gruppe entfernte. „Um 19:30 Uhr wird Wufei eingeschlossen, ab dann gibt's kein zurück mehr. Dann bleiben uns 30 Minuten um den Saft abzudrehen. Sonst erstickt er."
Während Noin einen der gepanzerten Geldwagen in den nachgebauten Tresorraum schob und in der Mitte abstellte, hatte Duo den Arbeitstisch an der Wand des Lagerraums erreicht und begann suchend in einer der Schachteln zu wühlen. Irgendwo hier mußte doch – ah! Mit einem zufriedenen kleinen Lächeln holte Duo den Schokoriegel hervor und wickelte genüsslich das Papier ab.
„Ist der Strom abgeschaltet werden alle Zugänge zum Tresorraum und zum Fahrstuhl automatisch für zwei Minuten dichtgemacht," fuhr Duo fort während er sich wieder der Gruppe näherte, die gebannt in den Tresorraum starrte. Wufei hatte inzwischen den Deckel des Geldwagens von innen geöffnet und damit begonnen, sich mit viel hin und her winden aus dem Inneren hervor zu arbeiten.
„Genau dann schlagen wir zu." Duo nahm einen Bissen vom Schokoriegel. Hmmmm. „Ok," rief er Wufei zu der sich inzwischen aus seinem engen Gefängnis befreit hatte und nun am Rand des Geldwagens balancierte. „Du stehst mitten im Raum, drei Meter von allem entfernt." Duo stellte sich zu den anderen und sah ebenfalls zu Wufei hinüber. „Du mußt von da zur Tür kommen ohne den Boden zu berühren. Was tust du?"
„Nen 10er daß er's nicht schafft," sagte Noin.
„Zwanzig dagegen," riefen Zechs, Trowa, Howard, Sally, Hilde und Quatre sofort. Heero schmunzelte nur und warf Duo einen amüsierten Blick zu.
In diesem Moment holte Wufei kurz mit den Armen aus und sprang mit einem Rückwärtssalto direkt auf einen der Geldschränke dicht an der Tresortür. Für eine Sekunde herrschte Schweigen, dann fingen alle an zu applaudieren.
„Fenster- oder Gangplatz, Leute?"
Duo drehte sich in Richtung der Stimme – und zog fragend eine Augenbraue hoch. Dorothy hatte sich scheinbar doch noch entschlossen hier aufzutauchen, doch so wie sie aussah hätte Duo auch gern drauf verzichten können. Doro war von oben bis unten mit – Duo hoffte mal das es Schlamm war, doch der Geruch der von Doro ausging ließ eher etwas anderes vermuten.
„Ja," Doro nickte als sie die erstaunten Blick der anderen sah. „Wir stecken voll in der Scheiße."
„Was meinst du damit?" fragte Heero ruhig.
„Diese beknackten Abriss-Loser haben kein Corax-Lynch genommen um die Mainline abzusichern," schimpfte Doro. „Dadurch haben die Idioten den Mainframe voll in die Tonne geknüppelt!" Mit einer schnellen Bewegung zog sich Doro den besudelten Pullover über den Kopf und klatschte ihn wütend auf den Boden.
Duo schluckte trocken. Uuuh, der Geruch war wirklich widerlich! Wie hielt Doro es nur aus das Zeug direkt auf der Haut zu haben? Duo blickte bedauernd auf seinen Schokoriegel. Verdammt, was für eine Verschwendung. Er hatte kaum abgebissen von dem Ding. Aber so wie es jetzt aussah war ihm der Appetit wirklich vergangen.
„Versteht das irgendeiner?" fragte Quatre mit leiser Stimme und stellte damit die Frage, die wohl den meisten auf der Zunge lag – zumindest wenn man von den ahnungslosen Gesichtsausdrücken ausgehen konnte.
„Ich übersetz es nachher," antwortete Trowa aus dem Mundwinkel. Ok, offenbar hatte das tatsächlich jemand verstanden. Und wenn man von Trowas Gesichtsausdruck ausging, dann war das was Doro da erzählte doch eher besorgniserregend.
„Diese Säcke!" schimpfte Doro weiter. Duo schmunzelte. Je aufgebrachter Doro war, desto blumiger wurde ihre Sprache. „Die sind so Banane, die haben die Backups eins nach dem anderen aufgeraucht! Wie Dominosteine!"
„Doro," unterbrach Heero Doros Schimpftirade mit ruhiger Stimme. „Was ist passiert?"
„Die haben dasselbe gemacht was ich machen wollte," Doro schnaubte. „Nur eben aus Blödheit. Das Problem ist, jetzt kennen sie die Schwachstelle und beheben sie! Sie machen's wasserdicht!"
„Das heißt...?" Heero blickte sie fragend an.
„Das heißt, wenn wir nicht geil drauf sind auf Monaco auszuweichen sind wir voll Backe!" Doro blickte erwartungsvoll in die Runde.
Schweigen. Duo blickte sich schnell um. Oh gut, offenbar ging es nicht nur ihm so. Mann, Doro sollte sich echt mal deutlicher ausdrücken. Was meinte sie damit nur?
„Arschbacke!" rief Doro und sah sie alle mit einem Blick an der besagte ‚jetzt stellt euch nicht blöder als ihr seid'. „Am Arsch!"
Ah! Duo nickte, genauso wie der Rest der Truppe. Das machte Sinn. Gut, gut. Oder vielmehr, nicht gut. Gar nicht gut. Das warf ihre gesamten Pläne über den Haufen. Sie waren darauf angewiesen daß Doro der gesamten Stadt zum vereinbarten Zeitpunkt den Saft abdrehen würde.
Heero, der neben ihm stand drehte leicht den Kopf und murmelte an Duos Ohr, „Wir könnten immer noch..."
„Bis morgen?" unterbrach Duo ihn und schüttelte verneinend den Kopf.
„Hn," machte Heero und runzelte die Stirn.
Plötzlich hob Doro den Kopf. „Sekunde, Sekunde! Wir setzen einen Pinch ein!" Sie strahlte über das ganze Gesicht.
Duo sah Doro verwirrt an und schüttelte leicht den Kopf. Auch Heero sah nicht so aus als wüßte er wovon Doro redete, und so fragte er, „Was ist ein Pinch?"
„Ein Pinch ist ein Apparat der bei allen Stromkreisen sowas wie einen Herzstillstand verursacht," versuchte Dorothy zu erklären. „Noch besser: Pinches sind Bomben, nur eben ohne die Bomben. Also wenn eine Atomwaffe detoniert erzeugt sie einen elektromagnetischen Impuls, der alle Stromquellen im Umkreis der Explosion ausschaltet. Was ja in den meisten Fällen egal ist weil ja so ne Atombombe sowieso alles vernichtet wofür man Strom brauchen könnte. Aber versteht ihr, ein Pinch erzeugt den selben elektromagnetischen Impuls, bloß ohne Nervereien wie Massenvernichtung und Tod. Statt Hiroshima gibt's also das 17te Jahrhundert."
„Wie lange?" fragte Duo.
„Ne halbe Minute schätz ich," antwortete Doro.
„Könnte ein Pinch auch eine komplette Stadt im Dunkeln versinken lassen?" fragte Heero. „Wie zum Beispiel..."
„Las Vegas?" vollendete Dorothy den Satz. „Das wär zu machen. Es gibt leider bloß einen Pinch der sowas bringen würde."
„Wo steht der?" fragte Heero.
Dorothy begann zu grinsen.
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Zechs warf einen Blick aus dem Fenster des Lieferwagens auf das Schild an dem sie gerade vorbeifuhren. ‚California Institute of Advanced Science' stand darauf zu lesen. Er schüttelte leicht den Kopf. Mann, wenn er gewußt hätte was für unglaubliche Dimensionen dieser Auftrag annehmen würde als Heero ihn in der Bar angesprochen hatte – hätte er wahrscheinlich trotzdem zugesagt. Es war einfach unglaublich was man auf die Beine stellen konnte wenn man einen so reichen Geldgeber hatte wie Quatre Winner. Wo trieben Heero und Duo all diese Leute nur immer auf? Es schien echt niemanden zu geben, den die beiden nicht kannten!
Der Wagen hielt vor einem der Seiteneingänge und Heero öffnete die Hintertüren des Lieferwagens und sprang hinaus. „Raus," kommandierte Heero. „Wufei, Doro, kommt!"
Zechs stand auf um den drei anderen aus dem Wagen zu folgen, doch Heero streckte ein Hand aus und hielt ihn auf. „Wo willst du denn hin?"
„Ich komm mit euch," antwortete Zechs, ein wenig perplex. Immerhin, wozu hatte Heero ihn sonst mitgenommen?
„Nein," Heero schüttelte den Kopf und begann die Türen zu schließen.
„Oh nicht doch, nein!" rief Zechs und sah Heero hinterher, der sich vom Wagen abwandte und auf den Eingang zulief in dem schon Wufei und Dorothy verschwunden waren. „Lass mich nicht mit den beiden alleine!"
Doch Heero ignorierte ihn und Zechs ließ sich schwer auf eine der Sitzbänke im Lieferwagen fallen. Womit hatte er das nur verdient? Mit einem tiefen Seufzer und einem gequälten Blick in Richtung der Zwillinge, die auf den Vordersitzen saßen machte Zechs sich auf eine laaaaaange Wartezeit gefaßt.
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Sally hielt auf dem Weg von der kleinen Küche in ihrer Suite zu ihrem Schlafzimmer kurz inne und betrachtete die langhaarige Person die im Wohnzimmer auf dem Fensterbrett kauerte und aus dem Fenster in die Nacht starrte.
Irgendetwas stimmte hier nicht, das konnte Sally deutlich fühlen. Duo war seit Tagen nicht er selbst. Wenn er sich nicht gerade auf ihre Mission konzentrierte war er fahrig, abwesend und beinahe melancholisch. So kannte Sally Duo nicht, und es machte ihr Sorgen.
Diese ganze Situation war einfach völlig unbekannt. Normalerweise wenn mit Duo etwas nicht stimmte oder er Probleme hatte, so war er immer zu Heero gegangen und hatte mit diesem darüber gesprochen. Nur hatte Sally von Trowa erfahren, daß sich Heero und Duo vor ein paar Tagen gestritten hatten. Heftig gestritten wenn es sogar in dem mehr als ruhigen Trowa Besorgnis ausgelöst hatte. Doch worum es in dem Streit gegangen war hatte Sally nicht rauskriegen können. Weder Duo noch Heero hatten irgendetwas davon erwähnt. So konnte das nicht weitergehen.
Sally stieß sich von ihrem Platz an der Tür ab und ging langsam auf Duo zu. Sie würde der ganzen Sache jetzt auf den Grund gehen. Allein schon wegen dem Coup den sie alle zur Zeit planten wäre es besser wenn nicht irgendwelche Feindseligkeiten im Raum stehen würden. Ganz zu schweigen davon daß Heero und Duo die besten und ältesten Freunde waren, und Sally alles tun würde damit diese Freundschaft nicht zerstört würde!
„Duo?" rief sie leise als sie sich dem Langhaarigen bis auf ein paar Schritte genähert hatte.
Duo zuckte zusammen und drehte seinen Kopf in Sallys Richtung. „Oh..." machte er fahrig, „Sally. Ich... ich hab dich gar nicht gehört." Mit ein paar hastigen Handbewegungen faltete er einen Stapel Blätter, die geöffnet in seinem Schoß gelegen hatten und die Sally bis eben noch gar nicht aufgefallen waren, zusammen und schob sie in die hintere Hosentasche. „Was gibt es?"
„Was ist das?" fragte Sally neugierig. Duo hatte einen fast schuldbewußten Gesichtsausdruck gehabt als er die Blätter verschwinden hatte lassen. Worum konnte es sich dabei nur handeln?
„Was ist was?"
„Duo," warnte Sally. „Verkauf mich nicht für dumm. Diese Blätter die du da eben hattest."
„Ach das..." Duo brach ab und wurde rot. „Das ist nichts..."
Sally zog eine Augenbraue hoch. Nichts? Dafür das es ‚nichts' war hatte Duos Gesicht doch einen recht interessanten Rotton angenommen.
„Es ist..." Duo biß sich auf die Unterlippe. „Es hat nichts mit dem Coup zu tun, ok? Es ist privat!" rief er schließlich aus und blickte Sally angriffslustig an.
„In Ordnung," sagte Sally und hob beschwichtigend die Hände.
„Gut," nickte Duo und drehte sich dann um, um weiter aus dem Fenster zu starren.
„Duo..." fing Sally erneut an. „Ist alles in Ordnung?"
„Klar," antwortete Duo. „Mit mir ist alles ok."
„Ich meine, ist alles in Ordnung zwischen dir und Heero?"
„Zwischen mir und Heero?" Duos Stimme klang alarmiert und er hatte sich Sally wieder zugewandt. „Was meinst du damit?"
„Nun... ihr habt euch gestritten vor ein paar Tagen..."
„Ach das," Duo ließ sich wieder zurücksinken, offensichtlich wieder beruhigt. „Wir haben das schon geklärt, Sally, keine Sorge."
„Hm," machte Sally und verengte die Augen nachdenklich. Sie hatte Recht gehabt, irgendwas war hier im Gange. Duos Reaktion auf ihre harmlosen Fragen war schon mehr als verdächtig. Und was immer es war, es betraf ihn und Heero – auch wenn offensichtlich nicht der Streit der Grund für dieses Problem war. Doch was immer es auch war, Sally würde es herausfinden.
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Zechs presste sich die Handballen gegen die Schläfen und schloß gequält die Augen. Bitte, bitte, bitte! Könnten diese beiden nicht endlich aufhören? Wenn das noch lang so weiterginge, dann würde es hier gleich einen Mord geben! Oder noch besser, einen Doppelmord!
Seit Heero den Lieferwagen verlassen hatte, hatten Noin und Hilde nicht aufgehört zu streiten. Und das über so dämliche Dinge! Zechs kam sich vor wie im Kindergarten! Das war ja so ungerecht! Warum nur hatte Heero ihn hier zurückgelassen? Zechs hatte sich wirklich darauf gefreut mit ihm, Dorothy und Wufei zusammenzuarbeiten.
Ok, in Wahrheit hatte er sich vor allem darauf gefreut mit Wufei zusammenzuarbeiten. Er bewunderte den chinesischen Mann, wirklich. Wufei hatte – das gewisse Etwas. Zechs wußte einfach nicht wie er es anders beschreiben sollte. Irgendetwas an dem kleinen Chinesen faszinierte ihn ungemein. Nur leider schien das umgekehrt so gar nicht der Fall zu sein.
Eher im Gegenteil – Wufei schien eine ziemlich abfällige Meinung von ihm zu haben. Ständig ignorierte er ihn einfach, und wenn er ihn dann tatsächlich doch einmal direkt ansprach, dann nur um ihm zu sagen, daß er schon wieder etwas falsch gemacht hatte. Zechs seufzte. Es war hoffnungslos.
Aber als Heero ihn ebenfalls auf diesen Ausflug hier mitgenommen hatte, hatte Zechs gedacht daß dies seine Chance wäre. Er hätte dem Chinesen beweisen können, daß er ein genauso wertvolles Mitglied ihrer Truppe war wie all die anderen auch! Und vielleicht würde Wufei ihn dann mit anderen Augen sehen! Aber so wie es aussah würde es wohl nicht dazu kommen.
Zechs warf einen weiteren genervten Blick zu den Zwillingen, dann beschloss er daß es jetzt endgültig genug war. Er öffnete die Tür des Lieferwagens und sprang hinaus. Ein kurzer Blick zurück zeigte ihm, daß weder Noin noch Hilde etwas bemerkt hatten. Was für ein Wunder, wo die beiden doch damit beschäftigt waren sich Nettigkeiten an den Kopf zu werfen. Zechs schnaubte, dann lief er auf die Tür zu und folgte Heero, Dorothy und Wufei hinein.
Nur Sekunden nachdem Zechs verschwunden war öffneten sich zwei Schwingtüren direkt neben dem Seiteneingang und Heero, Dorothy und Wufei kamen hindurch und schoben ein etwa 1,30m hohes und 1m breites Gerät heraus. Der Pinch. Wufei öffnete die Türen des Lieferwagens, und zu dritt hievten sie den Pinch hinein. Danach kletterten sie ebenfalls in den Wagen und nachdem Dorothy die Türen wieder geschlossen hatte fuhr Noin los.
„Gut, ich brauch nen 20er Block Autobatterien," zählte Dorothy auf. „Dazu ein Kupferkabel mit –"
„Wo ist Zechs?" unterbrach Heero sie plötzlich.
„Was?" Dorothy sah ihn verblüfft an, und auch Wufei schien erst jetzt zu bemerken, daß hier doch irgendwer fehlte. „Wo ist Zechs?" wiederholte Heero jetzt lauter.
Noin stieg quietschend in die Bremsen und brachte den Lieferwagen zum Stehen. Dorothy öffnete die seitliche Schiebetür und alle drängten sich davor um zum Gebäude zurückzusehen, aus dem sie gerade gekommen waren.
„Da ist er," sagte Heero plötzlich und zeigte auf eines der Stockwerke.
„Oh nee!" stöhnte Dorothy. „Jetzt seht euch diese Nullnummer an!"
Wufei beugte sich über ihre Schulter und blickte in die Richtung in die Heero gedeutet hatte. Zechs war in dem hell erleuchteten Gebäude mehr als gut zu sehen. Er rannte gerade die Stufen ins nächste Stockwerk hoch, offenbar auf der Suche nach ihnen. Leider waren sie wohl nicht die einzigen denen Zechs' Aufenthalt dort aufgefallen war, denn nicht weit davon entfernt konnte Wufei ein paar Wachleute sehen, die genau in Zechs' Richtung liefen.
„Ungerechtigkeit!" entfuhr es Wufei, bevor er sich auf die Lippe beißen und das Wort unterdrücken konnte. Dieser Idiot! Er würde ihnen noch alles verderben! Wufei schüttelte leicht den Kopf. Dieser Zechs war ja ganz schön anzusehen, aber offensichtlich steckte nicht viel drin in diesem hübschen Köpfchen. Eindeutig nur zu dekorativen Zwecken geeignet. Eine Schande, wirklich.
„Sollte man ihm nicht helfen?" fragte Noin.
„Wahnsinnsidee, Einstein," antwortete Dorothy sarkastisch. „Springen wir aus dem Wagen damit sie uns auch am Arsch kriegen!"
In diesem Moment hörten sie ein lautes Splittern und Klirren, und als sie zurück zum Gebäude blickten, sahen sie, daß Zechs eines der Fenster eingeworfen hatte und gerade auf das Vordach des Eingangs kletterte.
„Fahr zurück," sagte Heero und zog die Schiebetür wieder zu. Sofort legte Noin den Rückwärtsgang ein und steuerte den Lieferwagen direkt vor das Vordach, auf dem Zechs balancierte.
Zechs hatte sie offenbar gesehen, denn er kam direkt in ihre Richtung, und als Noin den Wagen anhielt sprang er vom Vordach hinab auf das Dach des Lieferwagens.
„Lass ihn rein!" rief Heero, und Wufei öffnete die Hintertüren des Lieferwagens und richtete sich auf, um auf das Dach zu blicken.
Doch Zechs ließ sich stattdessen vorne auf die Motorhaube runter rollen und lief dann auf die seitliche Schiebetür zu und stieg dort in den Wagen ein.
„Fahr!" rief Heero Noin zu, die seiner Aufforderung sofort nachkam.
„Du hirntotes Sackgesicht!" fuhr Dorothy Zechs an, während Wufei wild nach den Hintertüren griff um sie wieder zuzuziehen. Dummerweise klappte das nicht ganz so wie geplant und so knallte ihm eine der Türen mit voller Wucht auf seine rechte Hand.
Wufei schrie vor Schmerz auf und zog seine verletzte Hand schützend an die Brust. Sofort ließ Dorothy von Zechs ab und kauerte sich neben Wufei, um sich um dessen Hand zu kümmern.
„Wenn ich sage, warte im Wagen, dann warte im Wagen," fuhr Heero Zechs an. „Klar?"
„Alles klar!" antwortet Zechs.
„Wenn du hier nur einen Augenblick lang nachläßt kommen Leute zu Schaden!" Heero hörte sich wirklich wütend an.
„Ich sagte, alles klar!" rief Zechs.
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Duo nahm einen weiteren Löffel Joghurt und blickte durch die Drehtür hinaus auf die Straße. Er hatte es vorgezogen hier unten auf die Rückkehr von Heero und den anderen zu warten. Dort oben in ihrer Suite war es einfach nicht mehr auszuhalten. Einerseits war da Quatre der wie ein Tiger im Käfig auf und ab lief und ständig „Wo bleiben sie nur?" murmelte, während Howard ihn mit der Stimme von Lyman Zerga zu beruhigen versuchte.
Und andererseits war da Sally, die ihm ständig auflauerte und mit ihm sprechen wollte. Und darauf hatte Duo noch viel weniger Lust. Also hatte er sich nach unten in die Lobby gerettet und beschlossen, sein Frühstück dort einzunehmen während er auf Heero wartete.
Und da war er auch schon. Wie Duo durch die Drehtür sehen konnte, war der Lieferwagen gerade vorgefahren. Heero und Zechs stiegen aus, und der Wagen fuhr wieder davon. Duo schleckte noch ein letztes Mal den Löffel ab, dann ging er den beiden entgegen.
Doch statt ihn zu begrüßen und ihm zu erzählen wie es gewesen war, schwiegen die beiden ihn nur an. Duo zog eine Augenbraue hoch. Nein, das war nicht ganz korrekt, die beiden schwiegen sich gegenseitig an, nicht ihn. Irgendwas mußte vorgefallen sein.
Im Aufzug hielt Duo es dann nicht mehr aus. „Na, schönen Ausflug gehabt, Kinder?" fragte er, doch noch immer antwortete ihm nur Schweigen. Duo blickte nach rechts zu Heero, der geradezu fasziniert die Wandverkleidung des Aufzugs zu studieren schien, dann nach links zu Zechs, der es wohl eher mit dem Fußboden hatte. Dann schüttelte Duo amüsiert den Kopf. Was sollte es. Würde er später eben Doro löchern.
Als sich die Türen des Aufzugs öffneten, erwartete sie dort bereits Trowa. Er sah mehr als nervös aus, und als Duo ihn fragend anblickte antwortete er, „Wir haben ein Problem."
