Kapitel 9

Traurig schaute Albus Dumbledore auf James Potter und schüttelte schwermütig den Kopf. Als er sich müde in seinem Stuhl zurücklehnte, war jegliches Funkeln aus seinen sonst so strahlendblauen Augen verschwunden.

Das Gefühl alle ehemaligen und alle jetzigen Mitglieder des Ordens im Stich gelassen zu haben, war übermächtig. Er wusste, dass nicht ein einziger Plan – auch wenn er noch so brillant und gut durchdacht war – je funktionieren würde. Es war zu gefährlich und schlichtweg unmöglich Voldemorts Hauptquartier anzugreifen.

Auch er hatte mit dem Gedanken gespielt. Er war jedoch stets zum gleichen Schluss gekommen. Voldemort hatte alles in seiner Macht stehende getan um sicherzustellen, dass es niemandem gelingen würde das Schloss des Todes zu erobern.

Die Festung war umgeben von mächtigen Schutzbannen, die nicht ohne Weiteres überwunden werden konnten. Er zweifelte nicht daran, dass er mit Unterstützung seines Ordens in der Lage wäre die Schutzbanne außer Kraft zu setzen, doch dazu brauchte man Zeit. Und genau darin lag die Schwierigkeit. Bei einem Angriff würden sie keine Zeit haben.

Voldemort und seine Anhänger würden durch die Zauber natürlich sofort gewarnt werden und da jeder Angreifer geradezu eine ideale Zielscheibe für die Todesser abgeben würde, hätte die Dunkle Seite wahrlich leichtes Spiel jedweden Angriff abzuwehren.

Wie er Tom Riddle kannte, hatte dieser die Schutzbanne höchstwahrscheinlich in solch einer Weise verzaubert, dass nur Zaubersprüche hinausgelangen konnten, aber nicht hinein.

Albus schloss müde die Augen. Er wusste, dass er die Ordensmitglieder und ganz besonders James dazu überreden musste diesen wahnwitzigen Plan aufzugeben. Er spürte jedoch, dass er nicht mehr die Kraft dazu hatte sich seinen Führungsanspruch wiederzuholen und James in die Schranken zu weisen. Und James mit Argumenten überzeugen zu wollen war wohl vergebliche Mühe, selbst wenn sie noch so stichhaltig waren.

James war besessen von dem Gedanken seine Frau zu retten, die er im Hauptquartier Voldemorts wähnte. Seinen Worten würde James kaum Gewicht beimessen. Dazu hasste er ihn zu sehr.

Albus seufzte lautlos. Vielleicht hätte er sich damals doch anders verhalten sollen, als Lily Potter verschwunden war. Vielleicht hätte er einfach vorgeben sollen James zu glauben. Dann hätte er ihm behutsam begreiflich gemacht, dass sie nichts tun konnten um Lily zu helfen und James hätte heute keinen Grund gehabt ihn zu hassen.

Jetzt war es allerdings zu spät. Er konnte sein damaliges Verhalten nicht mehr rückgängig machen, noch die Worte zurücknehmen, die er gesagt hatte.

Die immer lauter werdenden Stimmen ließen ihn die Augen wieder öffnen. Doch er schenkte der hitzigen Debatte über die erfolgversprechendste Strategie keine Beachtung. Seine Blicke wanderten über die versammelten Hexen und Zauberer und Kummer stieg in ihm auf.

Unwillkürlich erinnerte er sich daran, wie jeder von ihnen gewesen war, als sie noch seine Schüler gewesen waren und er sie unterrichtet hatte. Die Jahre verschwanden und für einen flüchtigen Moment sah er sie vor sich: unbeschwerte Kinder, die lachend durch die Gänge rannten. Was war aus ihnen nur geworden? fragte er sich und sah zu James und Molly hinüber.

So viel Schmerz, dachte er. Wie viel jeder von ihnen bereits erlitten hatte. Es gab nicht einen unter ihnen, den der Krieg nicht gezeichnet hatte; nicht einen, der keinen Menschen verloren hatte, den er liebte.

Gegen die gewaltige Welle von Schuld, die auf ihn niederstürzte, war er machtlos. Er hätte den Krieg verhindern müssen, hätte die kleinen Kinder mit ihren individuellen Charakteren, ihrem Lachen, ihren Träumen und ihrer Unschuld beschützen müssen.

Doch er hatte versagt. Er war nicht fähig gewesen Tom Riddle, der vor langer Zeit ebenfalls sein Schüler gewesen war, vor sich selbst zu retten, noch ihn vor der Dunkelheit zu bewahren, die den jungen Zauberer so fasziniert hatte.

Noch war es ihm gelungen den Dunklen Lord zu besiegen und diesen grauenhaften, sinnlosen Krieg zu beenden. Einen Krieg, der unzählige Leben gekostet und zerstört hatte.

Und nun mussten sie auch noch Tom Riddles Sohn fürchten! Die Hoffnung, der junge Lord könnte sich ihrer Seite anschließen, die in ihm erweckt worden war, als er Ginnys Brief gelesen hatte, hatte sich nach dem heutigen Kampf endgültig zerschlagen. Schließlich war er es gewesen, der die meisten Gefangenen gemacht hatte.

Albus dachte an das Zeichen, welches der junge Lord in den Himmel gezaubert hatte und grübelte über dessen Bedeutung nach. Warum hatte der junge Zauberer ausgerechnet drei weiße Lilien und einen glühenden Blitzstrahl als Symbol gewählt?

Es erschien ihm merkwürdig. Eigentlich hatte er erwartet der junge Lord würde das Dunkle Mal übernehmen oder zumindest etwas ähnliches. Lilien jedoch?

Nun, eines war sicher. Heute würde er das Rätsel nicht mehr ergründen.

Mit einem Kopfschütteln zwang Albus sich an die gegenwärtige Situation zu denken. Er ließ seinen Blick über die Ordensmitglieder wandern, die ihm noch geblieben waren und lauschte ihrer Diskussion. Die versteckte Verzweiflung und Angst in ihren Stimmen hörend, setzte er sich unvermittelt auf. Eiserne Entschlossenheit trat in seine Augen.

Sie würden nicht die geringste Chance gegen Voldemort und seinen Sohn haben. Er musste sie davon abhalten das Schloss anzugreifen. Ja, es war sogar seine Pflicht ihnen diesen lächerlichen Plan, der keinerlei Aussicht auf Erfolg versprach, zu verbieten. Er würde James die Führung nicht kampflos überlassen und er würde ihm auch nicht erlauben seinen Orden in eine Katastrophe zu führen.

Albus wollte gerade seinen Mund öffnen, als ein lautes Klopfen ertönte und die Tür aufgerissen wurde. Zu seiner großen Überraschung war es allerdings nicht Severus, der eintrat, sondern zwei in schwarze Umhänge gehüllte Gestalten. Die Gesichter der zwei Neuankömmlinge waren hinter schweren Kapuzen verborgen.

Die kleinere der beiden ließ jedoch ihre Kapuze fallen und gab somit ein bekanntes Gesicht und eine Kaskade roten Haares preis.

„Mum!"

Ginny!", schrie Molly Weasley und sprang von ihrem Sitz auf.

Während Ginny und ihre Mutter sich in den Armen lagen, starrten die anwesenden Zauberer und Hexen sie fassungslos an. Dann, als sie endlich registriert hatten, wer da durch die Tür gekommen war, stürmten fünf Rotschöpfe auf ihre kleine Schwester zu.

„Ginny!"

Bill hob Ginny hoch und wirbelte sie herum. Er konnte es einfach nicht glauben, dass er seine Schwester im Arm hielt, nachdem er noch vor kurzem gedacht hatte, er würde sie nie wieder sehen.

„Bill! Lass mich runter!", sagte Ginny lachend und wurde gleich darauf von den Zwillingen erdrückt.

„Ginny, mein Liebling, geht es dir gut? Soll Poppy dich mal ansehen? Oh, Ginny, endlich hab ich dich wieder! Aber wie um alles in der Welt hast du es geschafft zu fliehen?", schluchzte Molly glücklich, sah ihre Tochter mit strahlenden Augen an und umarmte sie noch einmal.

„Mum, mir geht es gut. Wirklich.", sagte Ginny und löste sich aus den Armen ihrer Mutter.

„Aber ich habe es nicht geschafft zu fliehen.", fuhr sie fort und drehte sich um.

„Harry hat mich gebracht."

Einen Moment lang schienen alle wie erstarrt. Dann kam der Großteil der Ordensmitglieder mehr oder weniger schnell auf die Füße und richtete ihre Zauberstäbe auf die reglose Gestalt, deren Anwesenheit sie alle völlig vergessen hatten. Erschrocken und ungläubig blickten die Hexen und Zauberer den Fremden an.

„Was!", rief Bill aus und richtete seinen Zauberstab ebenfalls auf Harry.

„Nein! Er hat mich gerettet! Und er hat Dads Leben gerettet! Er will uns helfen!", schrie Ginny ihre Brüder an, die langsam auf den Zauberer zutraten von dem sie glaubten, er habe ihre Schwester gefoltert.

Molly starrte ihre Tochter an.

„Arthur lebt? Dem Himmel sei Dank!"

„Was? Wie?", stotterten die Weasley Brüder mit verwirrten Gesichtern und wussten offenbar nicht mehr, was sie tun sollten.

„Uns helfen? Der Sohn des Dunklen Lords? Unmöglich!", murmelten einige Ordensmitglieder.

„Ich denke, wir sollten Miss Weasley zuallererst in Ruhe erzählen lassen, was seit ihrer Entführung geschehen ist. Und wenn es wahr ist, dass Sie Miss Weasley geholfen und Mr. Weasleys Leben gerettet haben, dann sind auch Sie uns willkommen, Mr. Riddle.", erklang Albus' feste Stimme, woraufhin jedes Geräusch augenblicklich verstummte.

Harry kam herein und sagte:

„Danke Dumbledore, aber…"

„Und wenn es eine Falle ist, Albus? Wie, bitte schön, ist er durch die Schutzbanne gekommen? Hätten wir nicht etwas merken müssen? Was ist, wenn Voldemort jetzt gerade draußen steht?", rief James Potter.

James hatte kaum zu Ende gesprochen, als Alastor Moody auch schon zum Fenster ging und hinausspähte. Andere Ordensmitglieder nickten ängstlich.

„Er kann nicht in Hogwarts sein, oder?"

„Und wenn? Dann sind wir verloren!"

„Ruhe!", befahl Albus und schaute zu Ginny und Harry.

„Die Schutzzauber, die Hogwarts umgeben, sind nicht außer Kraft gesetzt worden, noch sind sie zerstört worden. Wäre das geschehen, hätte ich es gemerkt. Es ist in der Tat sonderbar. Wie seid ihr ins Schloss hereingekommen?"

Bevor Harry jedoch eine Chance gehabt hätte zu antworten, lief James auf ihn zu und hob seinen Zauberstab.

„Es ist eine Falle, nicht wahr? Das einzig Vernünftige wäre es, Sie sofort zu verfluchen!"

„James Potter! Setz dich und…"

Albus brach ab und sah verdutzt auf die Szene vor ihm.

Sobald er den Namen von James ausgesprochen hatte, war der Erbe des Dunklen Lords so heftig zurückgewichen, dass seine Kapuze heruntergefallen war und ein aschfahles Gesicht und smaragdgrüne Augen enthüllt hatte.

Die Ähnlichkeit zwischen James und Riddle Junior war verblüffend. Albus schaute zwischen den beiden hin und her und konnte es nicht fassen. In Hogsmeade hatte er keine Gelegenheit gehabt dem Aussehen des jungen Lords mehr als flüchtige Beachtung zu schenken, aber nun betrachtete er ihn ausgiebig und versuchte dessen Alter zu schätzen. Eine mögliche Erklärung schoss ihm durch den Kopf und ihm stockte der Atem.

James hingegen entging die Ähnlichkeit zwischen ihm und dem jungen Zauberer. Während das Licht der magischen Kerzen direkt auf das Gesicht seines Gegenübers fiel, sah er nur die smaragdgrünen Augen seiner verschwundenen Frau. Wie gebannt starrte er diese Augen an und merkte noch nicht einmal, dass er seinen Zauberstab fallen gelassen hatte.

So viele Jahre hatte er gebetet, gewünscht und verzweifelt gehofft Lilys Augen wiederzusehen. Aber sie in dem Gesicht eines jungen Zauberers zu entdecken, erschütterte ihn bis ins Mark. Er öffnete den Mund und schloss ihn wieder. Kein Laut wollte über seine Lippen kommen.

Doch er musste es wissen. Er glaubte nicht eine Sekunde daran, dass es purer Zufall war, dass dieser Junge die gleichen Augen hatte wie seine Lily.

„Wer ist Ihre Mutter?", presste James mit Mühe hervor.

Einen Moment blieb es still. Dann konnte eine leise Antwort vernommen werden.

„Lily Potter."

„Ich wusste es! Ich wusste, dass Voldemort sie entführt hat! Aber sie ist am Leben, nicht wahr?", schrie James und ergriff Harrys Arme.

Sie ist am Leben, nicht wahr?"

„Sie…starb, als ich sieben Jahre alt war."

James taumelte zurück.

„Nein. Das kann nicht sein.", murmelte er verstört und hob in einer flehentlichen Geste seine Hände.

„Lily…"

Doch bevor seine Beine unter ihm nachgaben, war Sirius Black an seiner Seite. Er legte einen Arm um James' Schultern und stützte ihn.

„James….", sagte er hilflos und brach ab.

Schweigend führte er seinen Freund zum nächstbesten Stuhl und drückte ihn behutsam darauf nieder. Während Sirius seinen Arm ließ, wo er war und versuchte James durch seine Berührung beizustehen, vergrub James sein Gesicht in den Händen.

Nie wieder. Er würde Lily nie wieder sehen. Aber war es wirklich die Wahrheit? Konnte der junge Zauberer nicht gelogen haben?

Doch die winzige Hoffnung, die in ihm aufstieg, erstarb sogleich. Warum sollte Lilys Sohn lügen? Er hatte nicht den geringsten Grund dafür.

Es war so offensichtlich was geschehen war. Voldemort, diesem Bastard, war es gelungen Lily zu entführen. Er hatte sie vergewaltigt und sie hatte ihm einen Sohn geboren.

Oh, Lily, warum musstest ausgerechnet du es sein?

Warum meine Lily?

Gedanken drängten sich ihm auf. Doch er wehrte sie ab. Sie waren zu schrecklich. Er wollte sich jetzt nicht vorstellen, was der Dunkle Lord Lily alles angetan hatte, wollte sich nicht ausmalen, wie sie gelitten haben musste.

Er konnte es nicht. Der Schmerz war einfach zu groß.

Bis zum heutigen Tag hatte ihn seine Hoffnung aufrechtgehalten, aber jetzt hatte er nichts mehr. Außer der Gewissheit, dass er Lily für immer verloren hatte.

Und diese Gewissheit würde ihn langsam töten. Er wusste es.

Wenn er Lily doch nur noch einmal wiedergesehen hätte! Wenn er nur noch einmal ihr silberhelles Lachen gehört hätte! Was hätte er nicht alles dafür gegeben. Und nun war es zu spät, dachte er bitter. Es war alles zu spät.

James ballte seine Hände zu Fäusten und schluchzte auf.

Ginny sah indessen zu Harry und schauderte leicht. Sein Gesicht war vollkommen ausdruckslos. Allmählich hasste sie es ihn so zu sehen. Leblos und kalt wie eine Marmorstatue stand er da.

Besorgt trat sie zu ihm, griff nach seiner Hand und drückte sie. In Richtung ihrer Brüder und ihrer Mutter schauend, die Harry mit Argusaugen beobachteten und über ihr Händehalten wenig angetan schienen, schüttelte sie warnend den Kopf und hoffte, dass keiner von ihrer Familie auf die Idee kommen würde Harry anzugreifen.

„Alles in Ordnung?", fragte sie flüsternd.

Harry erwiderte ihren Blick und nickte. Doch in seinem Gesicht zeigte sich nicht die kleinste Regung.

„Gin, wer von diesen Leuten ist Pettigrew?", wisperte er unvermittelt.

Ginny war über diese Frage so überrascht, dass sie prompt zurückmurmelte:

„Er sitzt neben dem leeren Stuhl. Auf der linken Seite. Der Zauberer mit den blonden Haaren."

Gleich darauf wunderte sie sich, weshalb Harry das hatte wissen wollen. Sie kannte Pettigrew nur vom Sehen, aber von ihren Eltern und Brüdern wusste sie, dass er im Orden keine wichtige Rolle spielte. Also warum sollte sich Harry für ihn interessieren? Sie konnte sich keinen Grund vorstellen.

Allerdings machte im Moment eigentlich nichts einen Sinn für sie. Zwar hatte sie erfahren, dass Harrys Mutter James Potters verschwundene Frau gewesen war, aber ihre Frage, was sich in Harrys Vergangenheit abgespielt hatte, beantwortete es nicht.

War Lily Potter auch entführt worden? Hatte sie dieselbe grauenvolle Angst empfunden wie sie selbst noch vor wenigen Tagen? Ginny kam jedoch nicht dazu ihre Gedanken weiterzuverfolgen.

James Potter sprang von seinem Stuhl auf und kam auf sie zu.

„Was ist mit Lily geschehen? Wie ist sie…Hat sie sehr gelitten?"

Seine Stimme brach beinahe, aber als Harry nicht sofort reagierte, schrie er Harry an:

„Antworten Sie mir, verdammt noch mal! Was ist mit ihr geschehen?"

Ginny, die gespürt hatte, wie Harry erstarrt war, als James Potter das erste Mal nach Lily gefragt hatte, fühlte Wut in sich aufsteigen.

Bevor ihr überhaupt bewusst wurde, was sie tat, fuhr sie James an:

„Wie können Sie es wagen, so mit ihm zu sprechen? Sie waren nicht der Einzige, der jemanden verloren und gelitten hat. Harry hat seine Mutter verloren! Und er war damals erst sieben Jahre alt! Was auch immer geschehen ist, hat ihn schon genug traumatisiert, also drängen Sie Harry gefälligst nicht so!"

Als Ginny der empörten Blicke gewahr wurde, errötete sie. Sie konnte nicht glauben, dass sie gerade James Potter, der nicht nur ein hochrangiges Ordensmitglied, sondern auch ein sehr fähiger Auror war, einfach so angeschrien hatte.

„Ginny! Entschuldige dich bei Mr. Potter. Auf der Stelle!", sagte Molly und sah ihre Tochter streng an.

James Potter zerknirscht anschauend, der sie verdutzt anblinzelte, tat Ginny wie ihr geheißen. Schließlich wusste sie, dass er seine Frau sehr geliebt hatte und zu erfahren, dass sie nicht mehr am Leben war, musste ein Schock für ihn gewesen sein.

Während James noch nach Worten rang, sagte Albus Dumbledore:

„Wenn wir uns weiterhin anschreien, wird uns das keinen Schritt voranbringen. Ich glaube, wir sind alle neugierig zu erfahren, was geschehen ist. Warum setzen wir uns nicht alle und versuchen Licht ins Dunkel zu bringen?"

Er sah von James zu Harry und deutete auf einen Stuhl. Harry nickte und ging mit Ginny auf den Tisch zu.

James stand noch einen Moment reglos da. Dann jedoch kehrte auch er zurück zum Versammlungstisch.

Sobald sich jeder gesetzt hatte, sagte Albus:

„Vielleicht wäre es das Beste, Mr. Riddle, wenn Sie…"

„Nein. Sprechen Sie mich nicht mit diesem Namen an. Sagen Sie einfach Harry zu mir.", unterbrach ihn Harry kühl.

Albus Dumbledore nickte leicht und musterte den jungen Zauberer forschend. Nach einem kurzen Zögern, fragte er:

„Ist Voldemort Ihr Vater?"

Einige der Zauberer und Hexen tauschten verständnislose Blicke. Anderen dämmerte es langsam, warum Albus diese Frage gestellt hatte.

Harry jedoch schwieg und Ginny griff abermals nach seiner Hand. Endlich sagte Harry leise:

„Nein, er ist nicht mein Vater. Als meine Mutter entführt wurde, war sie bereits schwanger."

James Potter wandte ruckartig den Kopf und schaute den jungen Zauberer, der ihm schräg gegenüber saß, aufgebracht an.

„Was zum Teufel wollen Sie damit sagen? Lily hätte mich niemals betrogen!"

Harry sah ihn an. Erst jetzt fiel James auf, dass Harrys Augen nicht die seiner Lily waren; es waren fremde, kalte Augen.

„Sie hat Sie nie betrogen. Ich bin Ihr Sohn. Meine Mutter liebte Sie sehr, wissen Sie?"

Den letzten Teil fügte Harry mit beinahe sanfter Stimme hinzu, während er gleichzeitig seine Hand hob.