Wenn es eine Eigenschaft gäbe, die seinen Spion beschriebe, dann wäre es Undurchsichtigkeit. Es war eine Eigenschaft, die Lord Voldemort zugleich schätzte als auch darüber Verdruss empfand. Es war die Art, wie sich der Tränkemeister hielt, wie er redete. Sein Geist war gänzlich unantastbar, jedenfalls auf den ersten Blick.

Für jemanden wie Severus Snape musste man sich Zeit nehmen.

„Mein Lord, ihr habt nach mir geschickt.", tönte der Bariton des Tränkemeisters in der steinernen Halle von Hogwarts.

Es erfüllte Lord Voldemort mit Leben, etwas so Totes zu sehen wie das Schloss von Hogwarts. Sie fanden Türme und Gänge eingestürzt vor, nicht mehr fähig, ohne Magie getragen zu werden. Der natürliche Prozess war vorangeschritten, der Tod hatte Einkehr gehalten und Lord Voldemort war ihm gefolgt.

Nun genoss er den Geruch, welcher noch nicht ganz vertrieben worden war, und wie er sich mit den Schmerzen und der Angst seiner Gefolgschaft mischte. Wie die Hoffnung rausgetrieben wurde und nur als etwas Korrumpiertes zurückblieb, als etwas, was gar unnatürliche Züge annahm.

Lord Voldemort war guter Dinge.

„Steh auf, Severus. Wir haben viel zu bereden.", antwortete der dunkle Lord dem Mann, der vor ihm kniete.

Snape schritt einige Meter auf ihn zu und Voldemort spürte einen Anflug von Nervosität doch nichts außerhalb des Üblichen. Seine Gefolgschaft musste nervös sein, auf der Hut, denn wenn sie es nicht war, wandten sie sich gegen ihn. Doch Voldemort nahm das Monopol der Sicherheit in Beschlag. Von ihm wurde die Richtung vorgegeben und kein Todesser wagte es, aus der Reihe zu tanzen.

„Wie geht es mit den neuen Rekruten voran, Severus?", fragte der dunkle Lord nun. Man musste einen sanften Einstieg schaffen, sodass sich der Mann in Ruhe wiegen konnte.

„Sie haben Lucius Übungen angemessen behalten, doch es fehlte ihnen der Antrieb, der Durst. Dadurch ist ihr Potential… limitiert.", antwortete Severus ergeben.

„Jedes Potential ist limitiert, lieber Severus, es ist an uns, das Potential zu nutzen und dorthin zu führen, wo seine Bestimmung liegt.", warf Voldemort zurück und Severus nickte ergeben. Das Wort von Lord Voldemort war Gesetz, und es war an Voldemort, was das Gesetz des Tages war. Es konnte ein Neues sein, es konnte vollkommen entgegen des Vortags gehen. Doch niemand würde ihn infrage stellen.

„Mein Lord, was wünscht ihr, was ich mit den Rekruten tue?", fragte Severus nun.

„Überlass sie Bellatrix. Sie war schon immer gewandt darin ungeahnte… Abgründe freizulegen.", befahl Voldemort und hielt inne, während sich Severus nicht regte, doch sich sichtbar entspannte.

„Wie hat sich der Orden an die neue Ordnung gewöhnt, Severus?", fragte Voldemort nun ohne Umwege. Severus musste auch manchmal vor Augen geführt werden, was sein Zweck war.

„Sehr langsam, Milord. Sie taten in den letzten Monaten genau das, was Ihr von ihnen verlangt habt. Sie schaffen es nur sehr schwer, die Kinder wirklich außer Reichweite zu bringen.", sagte Severus, allerdings verschlossener als zuvor.

„Mein lieber Severus,", sprach er, „Du kannst nicht erwarten, dass Jahrhunderte alte Ordnungen über Nacht verschwinden können, ohne, dass es Wellen schlägt. Nun ist für uns nichts mehr außer Reichweite. Festung um Festung wird fallen. Doch es fehlt noch eine."

Der Tränkemeister blickte auf und Voldemort erkannte durch seine Augen seine Anspannung. Severus Snape hatte Angst. Das war der Moment, den Voldemort vorhergesagt hatte.

„Ich sehe dass du genau weißt, wovon ich rede.", sprach Voldemort gebieterisch und stand auf.

„Wir werden eine Reise machen, Severus.", verkündete er dann und Severus richtete sich langsam auf.

Voldemort nutzte die Gelegenheit. Er erschuf einen Tunnel, für sich und seinen Diener, und Snape verschwand mit ihm, unfähig, sich gegen die Apparation zu wehren.

Entsprechend desorientiert wirkte Severus, als sie landeten. Sein Geist war zunächst unfähig zu begreifen, was vor sich gegangen war, doch Lord Voldemort winkte ab. Sie hatten viel Größeres zu bereden als bloße Zauberkunst.

„Sag mir, wo wir sind, Severus.", befahl er nun an seinen Diener gewandt. Die ersten Ausflüchte würde er erkennen können. Die Frage war, wie viel Severus von Dumbledore wusste, oder vielmehr; Wie viel er vor Voldemort geheim hielt.

Severus sah sich vorsichtig um und in Anbetracht der Größe dieser Festung war es unwahrscheinlich, dass es Severus tatsächlich nicht wusste. Der Mann war zu helle, zu… informiert. Doch für gewöhnlich war das nicht widersprüchlich seines Zweckes. Severus sollte informiert sein, genau wie Lucius schmierig war und Bellatrix wahnhaft. Sie alle hatten ihre Rollen zu spielen und nur er, Lord Voldemort, wusste diese Rollen zuzuweisen und zu nutzen.

„Wir sind bei dem Gefängnis Nurmengard.", antwortete Severus.

Es war ein warmer Sommerabend, doch der Himmel begann, sich zuzuziehen. Eine passende Szenerie, die sich bot.

Es war nun sichtbar. Der Zauber, mit dem Gellert Grindelwald das gemeine Volk von seinem Schloss fernzuhalten versuchte, war kein Hindernis, dass Lord Voldemort nicht umgehen konnte. Nun konnte er es sehen und jeder seiner Diener würde es sehen können.

„Severus. Die Festung bleibt für uns unantastbar doch… Wir machen Fortschritte. Genau wie Hogwarts einst unantastbar blieb und die Zentrale der Bluthunde. Doch nichts bleibt unantastbar. Nicht Harry Potter. Nicht Hogwarts. Und so auch nicht Nurmengard, nicht Thomas Grindelwald und auch nicht Albus Dumbledore.", sprach Voldemort nun.

Gemäß der Erwartung war die erste Reaktion von Severus, sich dafür zu entschuldigen, Lord Voldemort nicht selbst die Identität des Bluthundes übermittelt zu haben, doch der dunkle Lord winkte ab.

„Spar dir deine Entschuldigungen auf, Severus. Wir wissen, dass ein Eid dich gebunden hat für dieses Geheimnis, so tragen wir dies nicht nach. Doch sei gewarnt. Alles, was mir verheimlicht wird, deckt sich mit der Zeit auf.", drohte Voldemort, „Was ich jedoch für ein Mysterium halte… Ist diese Festung."

Severus blieb standhaft stehen, während Voldemort weiter um ihn herum schritt. In der Abenddämmerung fingen die Raben an, ihr Unwesen zu treiben und kreischende schwarze Punkte jagten über sie hinweg.

„Gellert Grindelwald ist gefährlich gewesen. Zu seiner Zeit war er nach Hunderten von Jahren der Erste, der den Kontakt und die Loyalität der Schatten gewonnen hatte. Er war nicht nur ein brillanter Mann, sondern schien auch immer genau zu wissen, welche Menschen er zu welchem Zeitpunkt begegnen musste, und wie er die Muggelwelt ins Chaos stürzen konnte. Er war einst eng mit Dumbledore verbandelt und Dumbledore, nachdem er sich dazu durchgerungen hatte, Grindelwald endlich gegenüber zu stehen… Ließ ihn am Leben. Habe ich bis hierhin alles richtig, Severus?"

Severus schluckte wahrnehmbar. Seine Miene veränderte sich kaum, doch der dunkle Lord ließ sich durch das Äußere seines Dieners niemals täuschen.

„Soweit ich weiß, mein Lord.", sprach der Mann.

„Sehr gut, Severus. Doch hier wird die Geschichte wirr. Das Bild, das der Welt zuteilwurde, ist brüchig. Die Schatten haben sich zurückgezogen, Severus. Sie verstehen nicht, dass es ein Gefängnis gibt, dass ihren Lord hält. Sie verstehen nicht, dass etwas für sie außer Reichweite sein kann. So denken sie nicht. Und doch… haben sie aufgegeben. Sich zurückgezogen. Sich gesammelt. Mir gefolgt."

„Mein Lord, vielleicht waren sie nur… unfähig, die Magie ihres Meisters zu brechen. Nurmengard wurde von Grindelwald selbst erbaut.", gab Severus zu bedenken. Severus, der sonst so subtil war. Einen solch offenen Versuch, Lord Voldemort abzulenken. Es war beinahe schade.

„Crucio.", sprach der dunkle Lord ohne Regung und augenblicklich ging sein Diener auf die Knie. Ein schmerzender Laut blieb ihm in der Kehle stecken, als er anfing zu krampfen und sich der Schmerz in jede Faser seines Körpers schnitt. Ein spitzer Schrei mischte sich mit dem Kreischen der Raben und Lord Voldemort nahm einen tiefen Atemzug.

„So schwach, Severus. Wovor hast du Angst? Was ist es, dass sich hier verbirgt?", fragte Voldemort nun. In seiner Güte würde er es Severus verzeihen. Er war schließlich ein guter Lord. In großmütiger Stimmung und guter Dinge.

„Ich weiß es nicht, mein Herr.", keuchte Severus erbärmlich.

„Du magst es nicht wissen, Severus, doch du kannst dich nicht erwehren, zu hören. Zu lauschen. Jahrzehnte von Geflüster. Jahrzehnte von brüchigen Bildern. Ich bin diesen Spuren gefolgt und sie haben mich überall hingeleitet. Dumbledore mag Verwirrung über das Land streuen können, doch das Flüstern bleibt.", sprach Voldemort gebieterisch.

Severus regte sich zunächst nicht. Voldemort war seiner Schwäche überdrüssig.

Energie sammelte sich in Voldemorts Fingerspitzen. Pure Magie und Lebenskraft. Der Cruciatus war am Ende nichts weiter als ein Krampfanfall. Sensorische Überladung. Danach waren seine Diener erschöpft und kaum in der Lage, sich auf den Beinen zu halten, und nach einer gewissen Zeit wurde es lästig. Doch bis Lord Voldemort eine bessere Methode der Folter gefunden hatte, musste er ihnen die Kraft zurückgeben, die er ihnen genommen hatte.

„Welches Flüstern hast du mitbekommen, Severus?", fragte der Lord nun nochmals.

„Mein Lord, ich glaube, dass es allen schaden würde, wenn wir frei lassen, was immer hier gefangen ist. Es ist gefährlich und ohne Willen. Nur die reine Zerstörung.", antwortete Severus nun.

Voldemort nickte zufrieden. Er leitete weitere Kraft in Severus rein. Er war ein gütiger Lord.

Mit einem letzten Blick verschwand er und ließ seinen Diener zurück. Unter den Raben, welche kreisten und sich langsam wieder beruhigten.

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Severus Snape versuchte sich zu ordnen im Sturm der widersprüchlichen Eindrücke, die er von Voldemort bekommen hatte. Das dunkle Mal war fest in seinem Arm eingebrannt und die darin enthaltene Magie vermochte ihm Kraft zu nehmen und Kraft zu spenden. Es war das erbärmlichste Sklavenverhältnis, wenn man mit dem dunklen Lord nicht gut stand.

Als er verschwunden war, überkam Severus die Ahnung, dass der dunkle Lord vielleicht seinen Kurs geändert hatte. Dass er vielleicht näher am Geheimnis war, doch Severus konnte es nicht genau sagen, ohne selbst das Geheimnis zu kennen.

Doch sein Lord schien sich sicher, dass Grindelwald tot war. Was verbarg sich hinter diesen großen Mauern?

Es war die Frage, die sich nun jeder stellte. Severus spürte eine gewisse Gefahr von dem Komplex ausgehen, doch es konnte ein trügerischer Eindruck sein. Es konnte nur von ihm stammen.

Doch nichts, was Dumbledore mit einem solchen Einsatz zu verbergen versuchte, war ungefährlich. Abgesehen von den Dingen, die er nicht versteckte – Werwölfe, Schatten, Basilisken – ging von dem Unbekannten noch eine zusätzliche Gefahr aus.

Die Raben kreisten über Severus. Sie alle waren verstummt.

Langsam begann einer der Raben, in den Sinkflug zu gehen. Ein Flügelschlag fächerte ein wenig Luft gegen Severus, ehe der Rabe neben ihm auf dem Ackerboden saß und zu ihm aufschaute. Severus kniete sich hin.

Der Vogel schien keine Angst zu haben und es war gänzlich untypisch. Vielleicht war die magische Präsenz um Nurmengard herum zu stark. Doch eines war klar. Es lagen keine Verzauberungen auf dem Tier und es schien ganz und gar ein Rabe.

Severus wollte sich erst dem Raben nähern, doch als er plötzlich aufkreischte, spürte Severus auch das plötzliche Einwirken einer fremden Aura. Sie schien direkt aus dem Raben zu kommen und Severus war auf einmal wie paralysiert.

Die Sensation wurde von einem Fesselfluch beendet, welcher Severus an das fesselte, gegen das er aufgeschlagen war. Er war desorientiert.

„Severus.", hörte er in der Ferne die Stimme von Dumbledore, „Wir tappen an die Grenze dessen, was Voldemort wissen darf. Was weiß er, Severus?"

Doch es war keine Frage, auf die er antworten konnte. Denn die kalte, hohle Stimme von Thomas, die er beinahe nicht wiedererkannt hätte, sprach von der Seite, „Tenebris Verba.", und Severus Geist konnte sich nicht gegen die Gewalt des Zaubers wehren.

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„Severus!", rief die Stimme erneut.

Er war noch immer müde gewesen und konnte kaum die Augen offenhalten. Vor allem in der Klasse von Binns, welche nun wirklich nicht die Beste war, um wach zu bleiben.

„Severus!", zischte Lily erneut neben ihm, „Meine Güte, was ist denn los?"

Severus schüttelte den Kopf und lehnte sich ein wenig zurück. Der Schock, kurz eingeschlafen zu sein, würde ihn sicherlich für ein paar Minuten wachhalten können.

„Wenn du mir jetzt sagst, dass sie Professor Binns durch jemanden ersetzt haben, der ein wenig schneller redet, kann ich dir verzeihen mich geweckt zu haben.", murmelte Severus verschlafen.

„Aber er ist doch nicht blind, du kannst hier nicht einfach schlafen!", zischte Lily, „Wieso bist du überhaupt so müde?"

„Frag einfach nicht. Ich wollte noch… etwas nachsehen und dann… bin ich erst in der Bibliothek eingenickt und ehe ich mich versehe scheucht mich die Bibliothekarin raus, weil es bereits nach der Schließung ist."

„Irgendwas ist doch los wenn du immer so müde bist! Ist irgendwas falsch in Slytherin?", fragte Lily nun besorgt. Sie hatte irgendwie trotzdem einen drohenden Unterton. Doch Severus war sowieso schlecht darin, ihren Unterton zu lesen.

„Nichts ist falsch. Mach dir keine Sorgen.", sagte Severus müde.

Lily funkelte ihn wütend an, „Ich mach mir Sorgen wann ich will! Außerdem ist es ja nicht so, dass ich mich um mich sorgen muss! Glaub nicht, dass ich nicht gesehen habe, mit wem du deine Zeit verbringst! Du kannst nicht komplett bei Verstand sein und denken, dass das ein guter Umgang für dich ist!"

„Es geht doch nicht um Umgang oder nicht Umgang! Man hat im Slytherinhaus aktuell einfach keine Wahl!", zischte Severus zurück.

Etwas ruhiger erwiderte Lily nun, „Wenn es so schlimm ist, rede doch mal mit Dumbledore! Ich bin sicher, er wird helfen können."

Sie legte ihm die Hand auf die Schulter und Severus seufzte. „Du weißt, dass Dumbledore nur hilft, wenn es ihm auch etwas bringt! Das haben wir doch durchgekaut!"

„Fang jetzt nicht wieder mit der Werwolfgeschichte an.", murmelte Lily mürrisch.

„Ich verstehe immer noch nicht, wie du einfach runterschlucken kannst, dass Lupin einmal im Monat krank ist, ohne an Werwolf zu denken. Vor allem, nachdem ich dir von dem Vorfall erzählt habe und vor allem in einer Welt, in der das wahrscheinlich ist! Ich weiß dass du von Muggeln abstammst, aber"

„Sag das nicht immer so!", fuhr ihn Lily ungehalten an. Vielleicht hatte er sich ja im Ton vergriffen. Doch es stimmte: Manchmal war sie schlimmer als so manches Reinblut. Als wäre es unwahrscheinlich, dass Lupin ein Werwolf war – in einer Welt, in der Stöcke flogen und das Mischungsverhältnis von Zaubertrankzutaten so gut wie keine Rolle spielte.

Severus legte den Kopf wieder auf seinen Arm und nach wenigen Sekunden war er auch schon wieder eingeschlafen.

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Remus fand Tonks abwesend in ihrem Zimmer sitzend. Sie war nun fast ein dreiviertel Jahr nicht mehr bei ihnen gewesen, doch nun war sie von der Zentrale endlich zu ihnen gestoßen, um bei der Sicherung zu helfen.

Es war an Remus, ihr den Schichtplan zukommen zu lassen. Er hatte keine Ahnung, wieso es gerade ihn traf. Tonks redete mit niemanden. Ein dreiviertel Jahr hatte niemand mit ihr geredet. Remus wusste, dass sie zumindest eine Therapie mit anschließender Begutachtung hinter sich hatte – es war die übliche Vorgehensweise in der Zentrale. Im Orden hatte sie hier und da weiter mitgewirkt, doch niemand hatte sie richtig sprechen können. Doch nun war sie hier.

„Hey.", murmelte er, als er ihr Zimmer betrat. Die Tür hatte offen gestanden.

„Was ist?", fragte sie knapp und wandte sich prompt um und tat so, als würde sie etwas aufräumen.

„Ich weiß nicht, seit wann du hier bist, aber es wäre schön, wenn wir ein wenig Unterstützung bei der Wache haben könnten. Aktuell haben wir jeden Tag mit Angriffen zu rechnen.", erklärte Remus sanft und näherte sich ein wenig. Tonks schien sich anzuspannen und er blieb sofort stehen.

Sie seufzte und ihre Schultern sackten herunter. Als sie sich umwandte, sah sie nur auf den Boden, doch realisierte, dass er ein Blatt in der Hand trug. Sie nahm es ihm schnell ab und sah drauf.

„Das wurde mit einem Drucker erstellt.", sagte sie tonlos.

Remus lächelte verlegen und wippte von Fuß zu Fuß. Er spürte, dass etwas sehr falsch war, doch es war sicher nicht an ihm, diese Probleme zu lösen. Sie hatten sich ein dreiviertel Jahr lang nicht gesehen, nicht geredet. Davor war sie unter der Beeinflussung der verzauberten Galleonen gewesen und er konnte nicht ausmachen, wo sie nun standen. Mit so etwas hatte er nie gerechnet, als diese junge, enigmatische Nymphadora Tonks doch tatsächlich Interesse an ihm gezeigt hatte.

Das lag alles so unglaublich weit zurück, dass Remus Schwierigkeiten hatte, daran zu denken. Daran zu denken, wie alles war, bevor diese Dinge geschehen waren. Er hatte unterschiedliche Leben gesehen, die zerstört wurden, doch er hätte nie gedacht, dass es jemanden treffen würde, der ihm so nahe stand. Es hatte Menschen getroffen, die sie hätten schützen sollen.

Harry war entführt und gebrochen worden. Aus einem Grund, der Remus noch immer nicht klar war.

Hermine und Ron hatten jeweils ihre eigenen Traumata erlebt. Ginny war gestorben.

Der Krieg war urplötzlich so nah und präsent geworden.

„Wir können dich mit jedem einteilen, den du möchtest. Du musst einfach Bescheid sagen. Ich weiß nicht, ob du irgendwelche Präferenzen hast aber… Naja ist auch egal. In jedem Fall kümmert sich Thomas um die Patrouillen. Ich weiß nicht, inwiefern…"

„Ist ja gut, ich habe verstanden.", würgte Tonks ihn mürrisch ab. Sie war wieder von ihm abgewandt. Remus hatte natürlich eine Ahnung, wieso sie so war. Doch genau wie mit Harry vor einigen Monaten, musste er auch ihr ein Wort der Warnung vermitteln. Sie waren alle in großer Gefahr. Manchen Luxus konnte man sich nicht leisten.

„Hör zu, Tonks. Wir müssen miteinander arbeiten. Ich weiß, dass die Dinge für dich schwer sind, aber wenn wir nicht auf dich zählen können, werden wir dich nicht einsetzen. Thomas wird das am Ende entscheiden, jedoch musst du dir im Klaren sein, dass es dir nur schaden wird, wenn du so bist."

„Sind das deine Ausbilderreden? Musst du das echt bei jedem machen? Ich weiß doch wohl selbst am besten, was los ist und ich kann kämpfen!"

„Darum geht es nicht!", rief Remus frustriert, „Es geht darum dass dir niemand mistrauen darf! Du musst mit den Leuten reden! Wenn ich raten muss, was los ist, kann ich dir nicht vertrauen!"

„DU KANNST MIR NICHT VERTRAUEN!", brüllte Tonks mit überschlagener Stimme.

Remus atmete durch. Es half ja nicht, auf solchen Dingen herumzureiten.

„Ich nehme das jetzt einfach ganz pragmatisch. Du bist vom Fluch befreit, warst vorher kein Todesser, also kann ich dir auch jetzt vertrauen. Ich kann mir nicht vorstellen, welches Leid du erdulden musstest, doch es lag nicht an dir. Diese Verzauberungen, diese zwanghaften Bindungen… Es ist furchtbare Magie, weil sie einen bei vollem Bewusstsein lassen. Ganz im Gegensatz zum Imperius." Remus hielt seine Stimme möglichst ruhig.

„Ich war bei vollem Bewusstsein. Du kannst dir nicht vorstellen, wie eine Welt für einen aussieht, bei der es keine Auswege gibt. Bei der die einzige Möglichkeit ist, sich zu beugen.", murmelte Tonks niedergeschlagen.

Remus seufzte, „Deswegen müssen wir kämpfen."

„Ich weiß doch…", sagte Tonks vorsichtig, „Aber wie wollen wir verhindern, dass sowas wieder geschieht?"

Remus lächelte, „Wir arbeiten daran, dass die Artefakte für die Galleonen vernichtet werden. Wir können sie auch finden, also mach dir darum mal keine Sorgen."

„Ich weiß nicht… Es fällt mir schwer, das alles zu verstehen. Irgendwie fehlt mir ein Jahr durch die ganze Sache. Welches Datum ist es überhaupt?", fragte Tonks nun.

„Es ist der 21. August 1997.", erwiderte Remus.

Tonks nickte bedächtig. „Mehr als ein Jahr.", sprach sie dann, „In einem Jahr kann so viel passieren man könnte ein Buch damit füllen. Und ich war nicht da."

„Du warst nur wirklich ein halbes Jahr davon verzaubert. Also wäre das eher die Hälfte vom Buch.", erwiderte Remus schmunzelnd.

„Oder ein Buch das seltsame Zeitsprünge zwischen den Handlungen hat.", entgegnete Tonks schnippisch.

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„Hast du Fortschritte gemacht?", fragte Thomas Dumbledore kühl.

„Sein Bewusstsein versucht, Realitätsprüfungen durchzuführen. Er muss sie sich antrainiert haben. Sie werden langsam lästig. Zumal ich die Erinnerungen in bestimmt zehnfacher Geschwindigkeit durch seinen Kopf jage.", erklärte Thomas weiter. Er stand hinter dem auf einem Stuhl kauernden Severus und führte den Zauber aus, der Albus ermöglichte, seine Nachforschungen im Kopf des ehemaligen Professors durchzuführen.

Severus hatte einen ausgesprochen faszinierenden Kopf, doch es war nichts, was sein alter Freund nicht aushebeln konnte. Thomas war präzise und exakt. Dafür hatte man ihn trainiert, seitdem er ein Kind war. Dumbledore konnte über Gellert Grindelwald urteilen, wie er wollte, doch seine Resultate waren stets vorbildlich. Er war extrem intelligent gewesen. Thomas kam ihm in vieler Art nahe, da auch er einen sehr leistungsstarken Geist hatte. Doch Thomas war viel pragmatischer. Er war nicht so visionär, wie Grindelwald es gewesen war. Grindelwald hatte ein anderes Bild von der Welt gehabt und vom zu erreichenden Gleichgewicht, genau wie Dumbledore eines hatte.

Albus hoffte nur, dass seine Vision von der Welt nicht durch die Stränge der anderen gestört würden. Er hoffte, die Kinder entsprechend lenken zu können. Sie mussten schnell handeln. Jeden Tag gab es mehr Zerstörung.

Doch nun galt es, sich auf die Aufgabe zu konzentrieren, die Albus zu tun hatte. Voldemort wandelte in den Schatten und agierte selten selbst, doch er wusste, dass Severus nicht anders konnte, als Ahnungen zu entwickeln. Das Gesehene zu deuten, und sei es noch so flüchtig gewesen. Denn nur so hielt sich ein Spion am Leben. Nur so konnte ein Agent in beiden Sphären des Kampfes gleichzeitig bestehen. Er musste eine zentrale Rolle im Licht wie im Schatten spielen.

Albus sah Severus zu, wie er flüchtige Blicke auf Todesser erhaschte, die mit dem dunklen Lord verkehrten. Zufrieden stellte er fest, dass Severus ihm sofort von den Galleonen berichtet hatte, als er sich sicher gewesen war. Albus hatte glücklicherweise bereits von ihnen gewusst. Man entwendete ihm keine Ordensmitglieder, ohne, dass er davon Kenntnis hatte und natürlich hatte er genau gewusst, wo sich Nymphadora Tonks aufhielt. Es war ein notwendiges Übel gewesen, eines, das Albus in Kauf genommen hatte.

Andromeda war untröstlich gewesen.

Severus hatte in der Tat geschafft, indirekt bestimmte Erinnerungen zu verschlüsseln. Sie würden nicht mehr für Severus selbst zugänglich sein, doch das war das kleinere Übel. Die Information war wichtiger. Voldemorts Fokus durfte nicht auf Nurmengard liegen.

Es ist gefährlich und ohne Willen. Nur die reine Zerstörung.

Das musste die neuste Erinnerung sein. Anscheinend war diese einfacher zugänglich, für den Fall, dass Severus berichten musste. Dumbledore musste nicht verstehen, wie das genaue System hinter Severus Magie und Haushaltung der Erinnerung funktionierte. Es war nicht wichtig. Die Magie selbst würde ihre Wege suchen und Dumbledore würde ihr folgen. Es könnte ein wenig schmerzhaft sein, doch Severus würde die Schmerzen perfekt in seine Erinnerung einbauen können, die Thomas auf seinem Geist hielt. Es war immerhin die schmerzhafteste, die der junge Mann in sich trug.

Dumbledore würde nur suchen, extrahieren. Er dachte an die Informationen, die er brauchte, und seine Magie zwang sie aus Severus heraus. Ein Netz von Verknüpfungen, dass er in das Seinige einarbeiten konnte.

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