Es war zu viel Zeit vergangen, bis die AAW ihre Zustimmung zur Bewegung der Schüler gegeben hatte. Es gab Schüler, die verletzt wurden, die vielleicht sogar keine Aussicht auf Heilung hatten. Fluchwunden waren immer schwierig.
Es war Oktober geworden. Die Bäume ließen ihre Blätter fallen und da es früher dunkel wurde, wurde es schwieriger, die Schüler nach draußen zu lassen. Die Schatten hatten viel bessere Ausgangspunkte für Spähangriffe und nicht jeder Schüler schien in der Lage, Auren erspüren zu können.
Albus wusste, dass sie alle gespannt gewartet hatten. Es war natürlich nicht so einfach. Die Schüler waren beinahe ein dreiviertel Jahr in Unruhe gewesen. Immer auf der Flucht und immer ohne zu wissen, wann es weiter gehen würde. Heute würde sich das allerdings ändern.
„Kommt bitte alle hier zusammen.", sprach Albus an die Menge gewandt.
Sie saßen alle zusammen, eine gemischte Gruppe an Menschen, eine bewundernswerte Ansicht. Schnell entschuldigten sich Unsägliche und Auroren, Helfer und Betreuer und langsam kamen mehr Schüler dazu. Albus blickten nach und nach in immer mehr neugierige und junge Augen.
Er lächelte in die Menge, „Ich kann verstehen, dass die aktuelle Situation nicht gerade ideal ist. Und um Verwirrungen wegen Details vorzubeugen, möchte ich eine einfache Bekanntmachung machen: Alle Schüler werden auf den amerikanischen Kontinent gebracht und werden dort bis auf Weiteres leben. Es ist für Unterkunft, Betreuung, und vor allem für Bildung gesorgt."
Überraschtes und aufgeregtes Gemurmel ging durch die Menge. Hannah Abbot drehte sich zu einer jüngeren Schülerin um, um mit ihr zu reden.
„Dasselbe gilt auch für Ihre Eltern. Schüler haben nicht die Möglichkeit, sich der Evakuierung zu widersetzen. Es gibt Spezialfälle unter Ihnen, die eventuell Gründe vorbringen könnten, zu bleiben. Wir wissen im Vorfeld von diesen Spezialfällen und wenn sie sich angesprochen fühlen, dann wenden Sie sich dazu bitte an Remus Lupin oder Aberforth Dumbledore."
Ein Raunen ging durch die Schüler. Langsam zerstreute sich die Menge wieder. Die Schüler wandten sich dem Packen zu.
Aberforth stand neben ihm und behielt den Blick starr auf die Menge gerichtet. Sein Bruder hatte ein wenig Mühe, sich an die neuen Umstände zu gewöhnen und Albus konnte es ihm nicht verdenken. Sie alle hatten einen großen Teil ihres Lebens aufgegeben, als sie aus Großbritannien geflohen waren und sie alle hatten etwas zurückgelassen.
„Sie sind wie emsige Bienen, findest du nicht?", fragte Albus seinen Bruder.
„Ist das dein Gesprächsstarter? Bienen? Aber ja, sie sind alle sehr aufgeregt. Vielleicht können wir uns jetzt mehr auf die Offensive konzentrieren.", erwiderte Aberforth kurz angebunden. Sein Bruder war eher von der direkten Sorte. Er nahm kein Blatt vor den Mund und er konnte sich das auch erlauben.
„Vielleicht ist es aber wichtiger, den Menschen zu helfen, die noch unsere Hilfe brauchen.", meinte Albus dann. Man konnte nie wissen, wie viele sich noch verbargen, auf Hilfe wartend.
Aberforth schnaufte, „Sind dafür nicht die Unsäglichen da? Internationale Hilfe der AAW? Oder Delacour, der sich darum kümmert? Es muss jemanden geben, der zurückschlägt."
Albus nickte und kommentierte es nicht. Man musste sich seine Kämpfe aussuchen.
„Glaubst du, dass es gut geht? Mit den drei Kindern?", fragte Aberforth dann.
Albus musste schmunzeln, „Ich dachte, ich hätte bereits mehr Vertrauen in die Kinder gezeigt als du bereit warst zu geben."
„Das mag sein, das hat aber nichts damit zu tun ob du tatsächlich den Schwachsinn glaubst, denn du verzapfst."
„Was ich verzapfte, wie du sagst, ist immer das, was ich glaube.", widersprach Albus.
„Na wenn das keine Lüge war, weiß ich nichts mehr. Du, Albus, warst schon immer ein Lügner. Seit wir Kinder waren und du hast auch nicht damit aufgehört.", brummte Aberforth leise, aber nicht unbedingt unfreundlich, und folgte Remus aus dem Raum hinaus.
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Harry sah Ron, wie er aus dem Gebäude trat. Thomas und er waren gerade dabei, die Schüler zu sichern. Eine solche Menge an Portschlüsseln hatte ihren Preis. Die amerikanischen Portschlüssel erlaubten ihnen nach Amerika zu kommen, allerdings konnten sie trotzdem verfolgen werden.
Ron schritt direkt auf ihn zu und wirkte ein wenig nervös. Harry konnte sich den Grund dafür nicht erklären, doch Ron sprach ihn erst an, nachdem er durchgeatmet hatte,
„Hey, Harry."
Harry war von Rons Zögern ein wenig verunsichert, „Brauchst du meine Erlaubnis für irgendwas? Ich dachte ich hätte die gegeben."
Ron seufzte einmal ausgiebig, bevor er begann, „Du weißt, dass normalerweise ohne Ausnahme alle Schüler das Versteck verlassen müssten. Und das machen wir auch bei fast allen, doch… Luna ist nicht nur ein Sonderfall, was ihre Stellung mit der anderen Seite anbelangt, sondern ebenfalls in der Hinsicht, dass sie darum gebeten hat, zu bleiben."
Harry wandte sich verwirrt um, „Ich bin mir nicht sicher, wieso man freiwillig bleiben sollte. Konnte ihr Vater sie nicht umstimmen?"
Ron schüttelte lächelnd den Kopf, „Ich glaube da ist der Mann tatsächlich mal auf deiner Seite. Doch Luna ist stur und hat auch ein Haufen Gründe wieso man sie hier behalten sollte."
„Ich sollte hingehen, oder?", fragte Harry nun, teils auch zu sich.
Ron nickte und begleitete ihn hinein. Harry hatte sich wortlos von Thomas abgemeldet, welcher kurz allein weitermachen würde. Harry schluckte und Ron klopfte ihm aufmunternd auf die Schulter, ehe er sich in Richtung Küche verabschiedete.
Aberforth und Remus würden Luna anhören, während ihr Vater sie umzustimmen suchte. Harry war sich gar nicht sicher, auf wessen Seite er war, aber er hielt es für seine Obligation, Luna zu unterstützen, egal, was sie vorhatte. Sie konnten auch noch diskutieren, wenn sie allein waren, doch wenn sie zusammen irgendwo hingingen, sollte er auf jeden Fall auf ihrer Seite sein.
Die Schüler würden direkt im Erdgeschoss von einem der Wohnhäuser mit Portschlüsseln weggebracht werden. Es gab ein Großaufgebot an Unsäglichen und die AAW hatte ebenfalls Magier zur Aufsicht abgestellt.
Wenn jemand irgendeinen Disput hatte, so konnte er ihn vorbringen – und zwar im Erdgeschoss vom Gemeinschaftshaus. Das Esszimmer war groß und der lange Esstisch war zur Seite geschoben. Ein kleinerer Tisch war am Ende des Raumes und als Harry dort ankam wurde Lunas Stirn von der Sonne beleuchtet. Ihre Haare leuchteten im Sonnenlicht.
Aberforth und Remus saßen ihr gegenüber, während ihr Vater neben ihrem Stuhl stand, jedoch sehr unruhig wirkte.
Remus war der Erste, der ihn bemerkte, „Harry, ich hatte mir schon gedacht, dass du früher oder später hier auftauchst. Setz dich doch."
Harry nickte und nahm einen der Stühle, die neben Luna standen. Diese blickte ihn kurz seitlich an und schien seine Reaktion abwarten zu wollen. Immerhin konnte sie sicherlich nicht einschätzen, auf welcher Seite er gerade war. Allerdings wusste Harry auch aktuell noch von überhaupt keinen Seiten.
„Was ist los?", fragte er dann.
Remus seufzte, „Wir lassen normalerweise nicht zu, dass Schüler zurückbleiben. Ihr habt bereits eine solche Sonderrolle, dass wir keine Wahl haben. Luna hier hat Argumente, die ihr Bleiben unterstützen würden, und wir wägen ab, ob sie genug Gewicht haben, dass wir es zulassen."
Harry nahm Lunas Hand, die auf der Armlehne ruhte. Sie wirkte noch immer angespannt.
„Luna hat immerhin engen Kontakt zur anderen Seite. Und es ist nur eine Frage der Zeit bis sie wieder eingreifen, da ist es in der Tat doch eine Erwägung wert, ob wir sie nicht hier behalten.", sagte Harry nun. Luna entspannte sich augenblicklich.
„Mister Potter ich bin nicht sicher was sie meiner Tochter in den Kopf gesetzt haben, aber…", setzte Xenophilus an,
„Hat er nicht!", rief Luna auf einmal aus. Da sie nicht sonderlich oft laut wurde, hatte sich Harry nicht darauf einstellen können und zuckte genauso wie die anderen zusammen.
„Wir sind alle besorgt um die Kinder.", sprach nun Aberforth mit kratziger Stimme, „Sie hier zu haben ist ein Sicherheitsrisiko. Nicht nur für euch, sondern auch für uns. Wir müssen auf euch aufpassen und das lenkt von anderen Aufgaben ab. Außerdem verstehe ich dich nicht. Ich möchte nicht hier sein, ich kann mir nicht vorstellen, wie es dir geht."
„Es geht überhaupt nicht um Wollen oder nicht wollen. Ich habe eine Aufgabe zu erfüllen. Wenn ihr sie mir nicht ermöglicht, dann werden die Konsequenzen …"
Harry hatte das Gefühl, dass Aberforth vielleicht nicht der Richtige für diese Entscheidungen war. Er dachte intensiv daran, Ron zu rufen, vielleicht klappte es und der Rotschopf würde bald in der Tür erscheinen. Niemand konnte mit Ron über irgendwas streiten.
„Rede so nicht mit uns. Du magst Verbindung zur anderen Welt haben, aber wir haben für diese Welt gekämpft! Wir haben Wissen gebannt und dafür gesorgt, dass niemand darauf stoßen wird! Egal welchen Handel du mit ihnen auszutragen hast, es gibt keinen Grund, weswegen du hier bleiben solltest. Du bist nicht trainiert. Du hast keine Kampferfahrung."
„Ich möchte das doch mal bestreiten. Immerhin hat sie vor einem Jahr mit uns gegen Todesser gekämpft."
„SIE HABEN MIT EUCH GESPIELT!", rief Aberforth aus, „Du weißt ja garnicht, wovon du redest, Junge! Es waren duzende Unsägliche zu der Zeit bei der Arbeit! Schatten haben die Mysteriumsabteilung überrannt und alles menschenleer gemacht! Ihr wurdet kontrolliert zusammengetrieben und sonst nichts! Was glaubst du hat Albus gemacht bevor er zu euch gestoßen ist? Er trinkt ja nicht zuerst seinen Tee leer, wenn sein Goldjunge in Gefahr ist!"
Es klopfte an der Tür und Ron steckte seinen Kopf in den Raum. Harry war froh, ihn zu sehen.
„Harry hat mich gerufen.", grüßte er die Anwesenden ruhig. Vielleicht konnte er ein wenig Licht ins Dunkle bringen.
„Hallo Ron, schön dich zu sehen. Ich nehme an, Harry hat wegen unserem aktuellen Dilemma nach dir geschickt?", fragte Remus dann.
„Na toll, jetzt fangen wir auch noch an uns fremdbestimmen zu lassen.", grunzte Aberforth ungehalten.
„Es kann ja nicht schaden, sich anzuhören, was er zu sagen hat.", widersprach Remus ruhig, „Ron, du hast ja schon mitbekommen, was hier los ist."
Ron nickte. Für einen Moment sah er nervös aus. Vielleicht mochte er es am Ende doch nicht sonderlich, im Mittelpunkt zu stehen.
„Ich weiß Luna möchte hier bleiben. Und ihr habt in der Tat recht, dass die andere Seite ebenfalls dafür ist. Das heißt natürlich nicht, dass es die beste Entscheidung ist. Wir könnten vermutlich auch auf andere Weise ihren Handel mit der anderen Welt auflösen."
„Stopp.", unterbrach ihn Aberforth, „Was redest du, Junge?"
„Bitte was?", fragte Ron verwirrt.
Remus lächelte, „Was Aberforth so unschön zu formulieren versucht: Du kannst zwischen dem Willen der anderen Seite und der Bewertung der Entscheidung differenzieren?"
„Ich weiß nicht was das heißt aber ich kann zwischen ihnen unterscheiden. Ich spüre, dass das eine aus einer anderen Richtung kommt. Aber was die Allgemeinsituation angeht: Ich sage es gibt vielleicht eine bessere Möglichkeit, Luna von ihren Banden zu erlösen, aber für die jetzige Situation… Es wäre falsch, sie wegzuschicken. Aberforth hat Recht – wir, und vor allem Harry, werden eventuell… abgelenkter sein, aber ich weiß nicht ob irgendeiner von euch zu der Entscheidung stehen möchte, sie wegzuschicken. Was Harry angeht, ist es zudem besser, wenn sie hier ist. Sie ermöglicht ihm mehr Kontrolle und wirkt gegen die Tatsache, dass er mit weißer Magie in seinem Körper eigentlich Schmerzen erleiden sollte."
„Moment was?", fragte Harry verdutzt. Rons Gespür war viel detaillierter, als irgendjemand von ihnen gedacht hatte. Harry wusste nicht so recht etwas damit anzufangen, was sein Freund da erzählte.
„Viel mehr habe ich insgesamt auch nicht dazu zu sagen.", sprach Ron dann.
„Ganz unrecht hat er wahrscheinlich nicht", gab Aberforth zu, „Potter ist nicht gerade die hellste Kerze am Leuchter. Unterstützung wäre vermutlich gut."
Remus nickte zufrieden. Ihm war es womöglich überhaupt nicht so wichtig, oder er wusste etwas über Luna, was seine Entscheidung beeinflusste.
„Xeno, hast du noch Anmerkungen?", fragte Remus nun an den Mann gewandt. Anmerkungen, wiederholte Harry in seinem Kopf, nicht Einwände. Anscheinend wollte Remus verdeutlichen, dass die Entscheidung schon längst getroffen war.
Der Mann war starr und gegen die Wand gelehnt, „Ich gebe nicht vor zu verstehen, was hier vor sich geht. Aber ich gebe mich geschlagen. Ich weiß vielleicht nicht, was das Beste in irgendeiner gegebenen Situation ist, aber ich kann Ihnen Folgendes sagen: Es ist mir egal, ob Harry Potter lebt oder stirbt, ob er die Kontrolle verliert oder ob er kampffähig ist. Es ist mir nur wichtig, was mit meiner Luna ist und ich werde sie beschützen."
Harry konnte den Mann gut verstehen.
Remus nickte erneut zufrieden und nahm eine Feder in die Hand, „Ich halte hiermit fest, dass Luna Lovegood und Xenophilius Lovegood im europäischen Widerstand gegen den dunklen Lord bleiben werden. Wir wünschen ihnen Erfolg und Sicherheit."
„Das wird der letzte Fall gewesen sein.", knurrte Aberforth, als er aufstand, „Niemand anders ist derart dumm und unreif."
Remus und Ron verließen auch schnellstmöglich den Raum – sodass nur noch Harry mit Luna und ihrem Vater anwesend waren. Dieser starrte Harry ein wenig an, allerdings konnte Harry es nicht einordnen. Wütend sah der Mann nicht aus, aber auch nicht gerade freundlich.
„Papa, bevor du etwas sagst, lass mich mit Harry kurz alleine reden.", sprach Luna ihn an. Er seufzte und verließ den Raum.
Es verging ein Moment der Stille, doch da er mit Luna alleine war, war die Stille auch nicht unangenehm.
„Du warst auf meiner Seite.", kommentierte sie, „Das war sehr nett von dir."
Harry lächelte und strich sich durch die Haare, „Ich dachte, naja… Egal, was wir unter uns ausmachen, es ist doch besser, eine geschlossene Front nach außen zu präsentieren."
„Also stimmst du mir nicht zu?", fragte sie dann. Es war nicht anschuldigend, sondern nur ehrlich neugierig. Ihre Stimme hatte allerdings noch nicht ihre verträumte Komponente zurück.
Harry fand es eigentlich relativ lustig, „Ich glaube, dass ich mich selbst überzeugt habe. Ich hatte Zweifel, als ich in diesen Raum gekommen bin, doch jetzt bin ich auf deiner Seite."
„Na dann, nochmal danke. Ich finde es schön, wenn du an mich glaubst.", erwiderte sie dann und drückte ihn an sich.
Er küsste sie auf den Kopf, „Immer."
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Hermine hatte zu Anfang Zweifel gehabt. Doch mit der Zeit hatte sich ihr Körper umgestellt und sie… mochte ihre Gabe. Sie hatte keine Ahnung, ob Ron oder Harry so empfanden, doch bezweifelte sie es. Rons Gespür konnte ihm Vorteile bringen, aber nur bei ethischen Fragen. Harry war ein besserer Frontsoldat für die andere Seite geworden, sie war sich allerdings überhaupt nicht sicher, was sie bezwecken wollten. Bisher hatte Harry nur das Geheimnis um Nurmengard aufgedeckt – auf Anweisung der Stimme in seinem Kopf und damit wohl auf Anweisung der anderen Seite.
Es war fast passend, dass Harry Interesse an Luna gezeigt hatte.
Hermine war nicht nur nicht fremdbestimmt von der anderen Welt, sondern war ihrer Welt auch viel mehr verbunden. Es unterstützte ihren Drang, mehr zu wissen. Dinge zu erforschen. Sie konnte es einfach.
Sie war in ihrem Zimmer. Es war schon relativ spät, denn sie wusste, dass das Abendessen vorbei war.
Sie konnte nochmals nach den Horcruxen suchen. Eine solche Tat würde ihr etwas Übung verschaffen und war auch noch nützlich. Wenn sie nur wüsste, wie sie es steuern könnte. Es wäre natürlich sinnvoller, direkt die Position von allen Horcruxen zu bestimmen.
Sie hatte ganz ähnlich angefangen. Genauso verfahren wie als Dumbledore sie angeleitet hatte. Sie versuchte, nicht zu sehr zu den Seiten zu sehen und nicht zu sehr sich zu verlieren. Sie war sich allerdings auch nicht unbedingt sicher, was verlieren in diesem Zusammenhang hieß.
Es war ein ganz ähnliches Gefühl wie das, dass sie beim letzten Mal gehabt hatte. Der Horcrux strahlte eine ganz besondere Macht aus. Es war mehr als nur ein Teil, sondern ein Gefängnis, welches einen solchen Sog hatte, dass die eingeschlossenen Seelen nicht entkommen konnten. Es war so stark, dass das Gefäß es nur beinahe halten konnte. Zerstörung schwappte aus dem Gefäß hinaus und breitete sich in die Umgebung aus. Es war das Bild der Zerstörung, dass an so vielen Orten schon gesichtet wurde. Es war das Bild, welches sie beim letzten Mal wahrgenommen hatte.
Es war relativ plötzlich. Es war, als wäre sie oben auf einer Achterbahn. Sie hatte Schmetterlinge im Bauch und hatte das Gefühl, dass sie wage Ahnungen einer Position hatte. Doch als sie die Augen schloss, kippte ihre Wahrnehmung um und es war als würde sie mit der Achterbahn nach unten fahren.
Sie spürte harten Stein unter sich, als sie auf dem Boden landete, und ihre Augen öffnete. Es war ein kalter und dunkler Raum. Der Schnitt des Raumes, das Blut an den Wänden und die besondere magische Präsenz um ihr herum verriet ihr eines.
Sie war mitten in einem Nest gelandet.
Die Dunkelheit klärte sich nur langsam auf und sie erahnte, dass sie sich hinter die Wände des Raumes zurückgezogen hatte. Sie konnte raus in den Flur treten. Ob das Artefakt für irgendetwas vorbereitet wurde? Normalerweise gab es weniger… geschäftige Endlagerstätten.
Kaum als sie die Tür erreicht hatte, hörte sie einen spitzen Schrei hinter der starken Tür und ihr gefror das Blut in den Venen. Es war der Schrei eines kleinen Mädchens.
Sie trat durch die Tür hindurch, kurz die Augen schließend. Als sie sie öffnete, sah sie, wie ein Mädchen entlanggeschleift wurde.
Sie konnte ihren Blick nicht abwenden und schritt zügig hinter den Schatten hinterher. Sie wusste, dass sie sie nicht sehen konnten, doch blieb sie instinktiv auf Abstand, ohne wirklich Schutz zu suchen. Es war eine irrationale Reaktion ihres Körpers.
Das Mädchen war relativ dunkelhäutig, aber nicht afrikanisch. Vielleicht Südamerikanisch. Hermine konnte es garnicht genau ausmachen. Sie folgte den Wachen weiter, bis sie an einer Zelle angelangt waren. Sie wurde aufgestoßen und mit präzisen Handgriffen wurde das Mädchen in eine Zelle gesteckt und eine schwere Metallkette schnappte nach ihr wie eine Viper, die geduldig auf ihr Futter gewartet hatte.
Die Wachen verschwanden und es wurde urplötzlich still im Raum.
Hermine machte die Dunkelheit aus, wie sie wieder begann, enger zu werden. Sie hatte vielleicht nicht mehr viel Zeit.
„Wie heißt du?", fragte Hermine an das Mädchen gewandt. Vielleicht geschah ja ein Wunder.
„Juliette", antwortete das Mädchen ruhig, als wäre sie in Trance. Ihre Schreie verstummten augenblicklich und sie wurde ruhig, beinahe künstlich ruhig. Wie sediert drehte sich das Mädchen langsam zu ihr, ihre Kleidung dreckig mit dem Staub des Nestes.
„Wo kommst du her, Juliette?", fragte Hermine nun sachte.
„Kourou.", war die Antwort des Mädchens.
Hermine wollte erst fragen, wo dieser Ort lag, doch plötzlich kam die Dunkelheit schneller und schneller auf sie zu. Beinahe hatte sie das Gefühl, zersplittert zu werden, als sie das Gefühl für ihren Körper verlor und herausgeworfen wurde.
Mit einem spitzen Schrei erwachte sie, wie aus einem Alptraum und für einen Moment hatte sie Mühe zu registrieren, dass sie noch immer auf ihrem Bett saß und sich kaum gerührt hatte.
Sie war fest entschlossen, etwas zu unternehmen, doch sie konnte das Mädchen nicht selbst retten und in Nestern kannte sie sich auch nicht aus. Zudem würde sie als Normalmagierin darin auffallen wie ein bunter Hund.
Harry würde nicht auffallen. Sie raffte sich schnell auf und trat aus ihrem Zimmer heraus. Den Gang hinunter wäre sie fast gegen Harry gerannt, welcher gerade sein Zimmer verlassen wollte.
Er sah sie überrascht und verunsichert an. „Hermine, was ist los? Du bist außer Atem."
„Du musst mir helfen.", sprach sie dann. Sie hatte keinen Plan, aber sie wusste, dass sie unbedingt handeln mussten.
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„Kourou?", fragte Harry verdutzt. Er war ihr in ihr Zimmer gefolgt, wo sie nun gehetzt in einem Bücherregal umhersuchte.
„Ich weiß auch nicht genau, was es bedeutet. Aber es klingt für mich entfernt… DA!"
Sie zog mit etwas mehr Gewalt als nötig ein Buch aus dem Regal heraus. Es war ein relativ schlankes Buch, allerdings deutlich größer als normale Bücher.
„Ich habe einen Atlas zur Not eingepackt. Und bevor du fragst, wofür zur Hölle man einen Atlas brauchen sollte, die Antwort ist: Genau für diese Situation.", erklärte Hermine ohne, dass er fragen musste.
„Ich habe überhaupt nichts dagegen gefragt. Aber ich stelle es mir doch relativ schwierig vor, eine Stadt zu finden, von der du nur den Namen kennst.", erwiderte Harry.
„Das Mädchen war dunkelhäutig, aber nicht schwarz. Spanisch oder Lateinamerikanisch vielleicht. Daher kann ich es auch einschränken. Außerdem kommt mir der Name der Stadt bekannt vor.", erwiderte Hermine ruhig. Sie schlug den Atlas auf und blätterte ihn durch. Es war ein praktisches Buch, da jeder Kontinent und jedes größere Land eine eigene Seite zu haben schien.
„Es scheint nicht in Frankreich zu sein.", murmelte sie.
„Kourou klingt für dich Französisch?", fragte Harry verdutzt. Es machte irgendwie Sinn, aber es kam ihm doch komisch vor, dass Hermine sofort auf eine bestimmte Sprache schließen konnte.
Sie nickte und blätterte bis ganz zum Ende des Atlanten. Auf ein paar weißen Seiten sah sie auf einer Liste nach und blätterte nach einigen Momenten wieder nach vorne. Sie schlug zwei Seiten auf, auf der die nördlichen Hälfte von Südamerika zu sehen waren.
„Hier!", rief sie aus, „Es ist eine Kolonialstadt von Frankreich! Französisch-Guayana!"
Sie sah auf, allerdings war sie nun unsicher, „Das ist bestimmt zu weit weg. Wie machen wir das?"
„Ich bin mir nicht sicher. Ich habe die Distanz Straßburg-Paris geschafft, aber das hier ist eine ganz andere Hausnummer. Unsere Portschlüssel werden nicht funktionieren und mit dem Besen fliegen wird mindestens einen Tag dauern – ganz zu schweigen von der Tatsache, dass ich den Weg wohl nicht selbst werde finden können."
Du kannst in der Tat nicht hinspringen, tönte die zweite Präsenz in seinem Kopf. Ihre überlagernden Stimmen hallten unangenehm in seinem Bewusstsein, Du benötigst Proviant. Du kannst nicht über Süden gehen, die Distanz über das Meer ist zu weit. Du wirst Rast in Kanada machen müssen. Wir können die Strecke einteilen, damit du die Sprünge im Einzelnen schaffst. Es wird schwer werden, und ebenfalls lange dauern, doch das ist die einzige Möglichkeit, die sich bietet.
„Ich werde Zeit brauchen. Ich bin vielleicht in sechs Stunden oder so da.", erklärte Harry dann, an Hermine gewandt.
„Kein Sprung über das Meer? Musst du durch Grönland?", hakte sie nach und Harry nickte.
„Bereite du dich vor. Ich kann dir ein paar Sachen packen. Ich bin sofort wieder da!", fuhr sie fort.
Mit einem Mal war sie verschwunden und Harry begab sich in sein Zimmer.
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Albus setzte sich langsam hin. Es herrschte Stille in diesem und in umliegenden Räumen, aber das war nicht anders zu erwarten. Thomas hatte diesen Raum extra ausgesucht, damit sie ungestört waren.
„Der dunkle Lord hat nicht geschafft, ein neues Tabu zu installieren.", sprach Thomas nun.
„Ich nehme an, dass Harry ihn gestört hat?", fragte Dumbledore nun. Thomas wusste genau, was der Mann wissen wollte.
„Die andere Seite hat die Kontrolle übernommen und er hat es als Aussetzer beschrieben. Allerdings meinte er auch, dass eine Stimme ihn vorgewarnt hätte.", antwortete Thomas.
„Eine Stimme?", fragte Albus nun, „Eine bewusste Stimme?"
„Das ist das, was ich seinen Erzählungen entnehmen kann. Außerdem scheint er kommunikativ mit der anderen Seite. Er kann Wissen abrufen, welches normalerweise nicht zu seiner Gabe gehört und außerdem kann er seine Freunde rufen. Telepathisch."
„Das ist sehr interessant. Wir werden es weiter beobachten. Fürs Erste ist es wohl klug, abzuwarten, und zu sehen, was geschieht. Gibt es Neuigkeiten aus der Zentrale?", fragte Albus dann.
„Wir haben insgesamt 8 Aufklärer, die verdeckt für den dunklen Lord arbeiten. Es ist schwierig, an solche Leute zu kommen und noch schwieriger, sie einzuschleusen. Es gibt ein paar darunter, die das dunkle Mal tragen, allerdings ist es den Voraussetzungen für das dunkle Mal geschuldet, dass wir sie aus den Reihen der Todesser angeheuert haben. Alle anderen Aufklärer arbeiten in der Peripherie.", erklärte Thomas.
„Die Situation in Großbritannien?", fragte Albus dann.
„Höchstwahrscheinlich ist die Queen geflohen. Der Palast ist versiegelt. Neben den Opfern, die der Angriff auf London zur Folge hatte, gibt es insgesamt mehr als zehn tausend Tote. Diese Zahl kommt aus den Schätzungen zustande, die die Luftspäher gemacht haben. Es gibt Aufnahmen aus der Luft, sowohl von Städten, als auch von Festungen der Todesser. Hauselfen bestellen Felder und sorgen anscheinend für Nahrungsnachschub und… Es scheint als wäre die Zauberwelt in einer Schockstarre. Zumindest was die Bevölkerungen von Großbritannien und Frankreich angeht."
„Es ist bereits ein dreiviertel Jahr vergangen.", gab Albus zu bedenken. Solche Aussagen machte er normalerweise nicht. Er hatte angefangen, Thomas als einen Menschen auf Augenhöhe wahrzunehmen, da hatte sich sein Gesprächston geändert. Thomas war es zunächst nicht aufgefallen, doch kleinere Dinge machten es sehr deutlich. Alleine die Tatsache, dass Albus nicht so tat, als machte er keine Fehler oder als würde er sich niemals versprechen.
Albus war sich sicher gewesen, dass Harry Potter, wenn überhaupt jemand, die Gabe erhalten würde, die Albus erhalten hatte. Er hatte sich geirrt – doch natürlich durfte er das nicht nach außen tragen. Thomas verstand es sehr gut. Man wollte das Bild wahren. Thomas hatte auch sein eigenes Bild zu wahren, wenngleich es ein Anderes war.
In seinem Umfeld verschoben sich die magischen Verhältnisse. Die Aura des Raumes änderte sich. Thomas wurde aufmerksam und richtete sein Gespür nach außen. Ein Normalmagier trat in die Küche, die nebenan gelegen war.
„Wie ich spüre, ist Miss Granger auf nächtlicher Tour.", sprach Albus dann und Thomas stimmte zu.
Sie hielt sich einen Moment in der Küche auf und es war als würde sie Dinge zusammensuchen. Thomas drehte seine Handfläche nach oben. Wie von selbst konzentrierte sich auf seiner Handfläche magische Kraft. Eine silbrige Silhouette entstand, verfestigte sich, bis schließlich eine Spinne aus einer Handfläche nach unten sprang und unter dem Türschlitz durchkroch.
Es dauerte einen Moment, bis er etwas wahrnahm.
„Sie packt Proviant ein. Sie wird doch nicht verschwinden wollen.", klärte Thomas tonlos auf.
Albus lächelte und schüttelte den Kopf, „Nein, mein lieber Thomas, ich denke nicht, dass der Proviant für sie ist. Ich glaube, es gibt eine Person, die ihn vielleicht eher benötigt."
„Sie eilt zurück in das Wohnhaus. Soll ich mich an sie heften?", fragte Thomas nun.
Albus verneinte. Thomas ließ die Spinne zerplatzen.
„Ich denke, dass ich weiß, was hier los ist.", sprach Albus dann.
„Du denkst, dass sie wieder nach Horcruxen gesucht hat. Aber sie würde uns das mitteilen. Sie muss etwas Anderes gefunden haben, was ihre Aktionen erklären würde.", folgerte Thomas, „Und sie ist im Begriff Harry zu schicken, um es aufzuräumen. Der Proviant ist dazu da, Harry den Weg zu ermöglichen."
„Ich nehme an, dass Harry mittlerweile dreistellige Distanzen überbrücken kann?", fragte Albus und Thomas bejahte.
„Er hat den Sprung von Straßburg nach Paris geschafft, allerdings nur in über zwei Minuten. Wir sprechen von theoretisch sehr vielen Sprüngen, wenn er auch noch Proviant benötigt. Es wirkt gerade so als müsste er auf die andere Seite der Welt."
„Oder vielleicht sogar auf den amerikanischen Kontinent.", sprach Albus dann, „Eine Nacht und Nebel Aktion muss nicht unbedingt logisch sein. Wenn sie gehetzt und aufgeregt sind, ist es durchaus verständlich, dass sie nicht an die Portschlüssel denken, die wir besitzen. Vielleicht fällt es ihnen ja noch ein."
„Sollte die zweite Präsenz es Harry nicht sagen können? Oder ist das ein besonderer Test der anderen Seite?", hakte Thomas nach, doch Albus wusste natürlich keine Antwort.
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Es war eine so unglaublich lange Strecke, dass Harry Mühe hatte, sie sich vorzustellen. Er hatte einen Rucksack mit Proviant und er hatte Kerzen dabei. Ein paar Feuerzeuge ebenfalls. Harry war sich nicht sicher, ob die Kerzen so viel bringen würden und ob er nicht einfach Treibstoff mitnehmen sollte, doch er nahm, was er bekommen konnte.
Hermine zupfte ihm den Rucksack zurecht.
„Du weißt, wo du lang musst?", fragte sie dann.
„Ich weiß es tatsächlich, allerdings ist es natürlich schwer vorstellbar. Es handelt sich ja nicht nur um einen großen Sprung, sondern direkt um Mehrere.", antwortete Harry leise.
„Denk daran, dass du die Erdkrümmung einberechnen musst. Du musst etwa 784 Meter nach unten, wenn du 100 Kilometer weit springst.", erwiderte Hermine dann.
„Also Entfernungen sind ja okay aber ich versichere dir, dass ich mich durchaus zum Boden lenken kann während ich springe. Das mache ich schon die ganze Zeit.", erwiderte Harry belustigt und Hermine wirkte ehrlich erstaunt.
„Wirklich? Ich musste noch nie darüber nachdenken, da immer die Feldzauber dafür gesorgt haben, dass ich am Boden lande. In Amerika wäre ich echt aufgeschmissen gewesen. Ich lerne Apparation wieder komplett neu."
Harry steckte Zauberstab, Dolch und Schusswaffe ein. Es war immernoch ein sehr seltsames Gefühl, eine Schusswaffe bei sich zu tragen.
„Wir sehen uns dann bald wieder. Ich würde sagen, wenn ich in 48 Stunden nicht wieder da bin oder zumindest eine Nachricht geschickt habe, dann sag einfach Thomas Bescheid. Wenn es länger dauert, kann ich ja vielleicht über die AAW Kontakt aufnehmen.", sprach Harry dann.
„Pass du nur auf dich auf.", erwiderte Hermine, „Ich werde es noch Ron beichten müssen."
Harry lächelte sie an, „Wenn du dabei bist, beichte es bitte auch Luna."
Er sprang. Er stürzte sich freiwillig in den kalten Wind, der ihn von dem Versteck hinweg trug. Er stürzte sich nach Nordosten, da er nicht durch Großbritannien konnte. Es war zu gefährlich. So begnügte er sich damit, dass er einen unglaublich langen Weg über Skandinavien einschlagen musste.
Er versuchte, keine Zeit zu verschwenden. Er landete inmitten eines Feldes in Frankreich. Dann neben Brüssel. In einer Holländischen Küstenstadt musste er verschnaufen. Es waren sehr weite Sprünge und es kam ihm viel länger vor, als es eigentlich war. Er war vor einer Minute erst gesprungen und jetzt kam es ihm bereits wie eine Viertelstunde vor.
Die nördlichste Ecke von Deutschland und Dänemark würde er sich in kürzere Sprünge einteilen. Es war nicht so wichtig, wenn ihn jemand sah. Er würde beinahe sofort wieder weg sein. Er wollte so schnell so weit kommen wie er nur konnte. In Europa wollte er auf keinen Fall Rast machen.
Er landete im norwegischen Gebirge und dann an der Küste. Er nahm die Inseln nördlich von Schottland, die Färöer-Inseln, und Island als Brücke nach Grönland. Es waren so große Distanzen, dass sich Harry sie kaum vorstellen konnte. Er konnte nicht glauben, dass er so weit weg war.
Er war einige Schritte nach Grönland hinein, da bemerkte er das Brennen seiner Magie. Er musste pausieren. Wenn er zu oft hintereinander sprang, dann zersetzte er sich. Er hatte erwartet, zumindest bis nach Kanada zu kommen, bis das geschah, doch das war ihm wohl nicht vergönnt. Thomas würde sicher dennoch stolz auf ihn sein – er hatte immerhin eine riesige Distanz in unter einer Stunde zurückgelegt. Doch die größte Strecke würde es sein, vom Norden Kanadas hinunter nach Französisch-Guyana zu kommen. Es würde nicht einfach werden und er würde vermutlich viel öfter Rast machen müssen, als ihm lieb war.
Der Trick von Emilia, den sie zur Kontrolle ihrer Aura verwendete, half auch ein wenig mit den Symptomen der Erschöpfung. Er sprang wieder.
In der Nähe von Sudbury, Kanada, war er vollkommen fertig und konnte nicht mehr springen. Er behielt dank des Trainings, dass er von Thomas erhalten hatte, eiserne Kontrolle über seine Magie. Doch es zehrte an ihm wie nichts zuvor. Es war so schwierig. Es waren auch schon so viele Stunden gewesen, da er doch länger für jeden Sprung brauchte, als er gedacht hatte. Vielleicht würde er nach 14 Stunden ankommen. Zu spät waren ihm die Portschlüssel eingefallen, die er hätte entwenden können. Doch das hätte natürlich auch Aufsehen erregt.
Hermine hatte ihm Brote geschmiert und bei der seltsam gewöhnlichen Ansicht von eingepackten Broten musste Harry lachen. In seiner Erschöpfung saß er auf einer Parkbank, bei fünf Grad Außentemperatur, aß ein Pausenbrot und lachte. Wenn er nicht bald weiterspringen würde war sich Harry sicher, dass er eingeliefert werden würde.
Mittags kam er in Kourou an – oder zumindest sollte es Mittag sein. Er hatte die Zeitverschiebung vergessen und es schien noch relativ früh zu sein. Er hatte die ganze Nacht damit verbracht, zu springen. Er war sich ein wenig unsicher, was er tun sollte. Er konnte nicht kämpfen. Er hatte ja lange nicht mehr geschlafen. Es war tatsächlich warm genug, dass er draußen rasten konnte. Also begab er sich an ein abgelegenes Stück Küste und schlug sein Lager auf. Er hatte nicht viel dabei. Hermine hatte an eine Decke gedacht, an Getränke und Speisen. Harry sprach Umgebungszauber und als er sich auf die Decke fallen ließ, übermannte ihn die Erschöpfung.
Acht Stunden schlief er dann. Es war ein anstrengender Schlaf, doch ausgeruht war er danach dennoch. Durch die Anstrengung hatte er mittlerweile nicht mehr das Gefühl, dass so viel Zeit vergangen war. Nun war die Zeit ein wenig gestaucht und es half dabei, die Reise nicht zu negativ zu nehmen. Die nächste große Hürde hatte er nämlich noch vor sich – er musste nicht nur das Nest finden, sondern ebenfalls ein Mädchen daraus retten. Ein Bonus war es, den Horcrux zu entfernen.
Du wirst nicht stark genug sein, gegen das gesamte Nest zu kämpfen., sprach die Stimme in seinem Kopf.
Er fand es immer noch seltsam, Dialoge mit sich zu führen, doch ab und zu war es wohl nötig, Dann werden wir gezielt vorgehen und keine zu großen Risiken eingehen. Normalerweise sollte ich nicht zu sehr auffallen, da ich ebenfalls ein Schatten bin.
Wenn du das Kind dabei hast, ist es zu Ende und du musst fliehen. Du kannst zuerst nach dem Horcrux suchen. Es ist eine Entscheidung, die du treffen musst.
Harry war in der Nähe der Stadt, etwa einen Kilometer westlich. Er wusste, dass das Nest nicht direkt daran sein konnte, da es sonst zu auffällig wäre. Außerdem hatten sie noch viele Nester gefunden, die schon lange bestanden und nicht von Thomas entdeckt worden waren.
Ihm fiel jedoch schnell etwas auf. Etwas war falsch an der Umgebung. Er hatte ein vages Gefühl von einem großen Zentrum kalter Magie. Es war nicht sehr deutlich zu spüren, aber es war trotzdem präsent. Es machte ihm etwas Sorgen.
Das Nest in Frankreich war perfekt versteckt gewesen und man konnte es weder von außen erspüren noch gab es irgendeine Indikation dafür, dass es da war. Sie waren versteckt und Harry wusste, dass das natürlich zum Schutz der Schatten war.
Dieses Nest jedoch war nicht versteckt und Harry konnte sich nicht vorstellen wie es für die Anwohner sein musste. Natürlich hatten die Muggel keine Möglichkeit, sie zu spüren, doch die ständige, bedrohliche Präsenz musste selbst für die Muggel spürbar sein.
Außerdem war das ein Armutszeugnis für die magische Regierung von Südamerika.
Er löste sich aus der Ebene und sprang direkt hinein. Die Schutzzauber waren für ihn bedeutungslos.
Es war dunkel und kalt unter der Erde. Die tropische Luft von der Oberfläche drang hier nicht ein und die Atmosphäre war sehr ungemütlich.
Harry sah zunächst nichts. In Nestern war es üblicherweise immer dunkel. Die Schatten brauchten kein Licht und es war auch nicht sonderlich förderlich, den Gefangenen auch noch die Fluchtwege auszuleuchten.
Harry konnte sehen, wenn ihm eine Aura entgegen lief. Es war ein Glück, dass die Schatten für ihn eher silbrig als schwarz aussahen.
An der Wand entlang schlich er zügig voran. Er spürte etwas ein Geschoss weiter unten. Die Stockwerke waren nicht verbunden und so sprang er, in der Hoffnung, niemanden zu alarmieren.
Er landete zwischen Schatten. Kaum als er deren Präsenz entdeckt hatte, spürte er einen Schreck. Sie setzten sich ebenfalls in Bewegung. Er riss seine Hand hoch und sprach einen Frostzauber gegen den Hals des einen. Er fummelte nach seinem Messer und verletzte den anderen Schatten, als er es positionierte.
Der Schatten durfte niemanden warnen. Harry schmiss sich auf das Wesen und stach nochmals mit seinem Dolch zu. Sie landeten mit einem dumpfen Geräusch auf dem Steinboden.
Harry richtete sich wieder auf und starrte wild die Gänge entlang. Er sah niemanden mehr. Die Auren unter ihm verblassten langsam.
Es waren fünf Zellen. In jeder könnte das Mädchen sein. Er glaubte nicht, dass Schallschutzzauber verwendet wurden. Die Schatten störte das Geschrei vermutlich nicht.
Er spürte Auren vor sich, sah allerdings nichts. Es war beunruhigend.
Es handelt sich um Abbilder der Auren von Schatten. Sie werden oft zur Unterstützung eingesetzt. Es erfordert enorme Konzentration, sie autark agieren zu lassen.
Harry war unsicher, was er tun sollte. Immerhin war er jetzt blind und musste sich auf das vage Gefühl dieser Auren verlassen. Wieso konnte er sie nicht sehen?
Das hat physiologische Gründe., sprach die Stimme schlicht, ohne auszuführen.
Sie hatten ihn nicht bemerkt. Er kannte die Todesflüche noch, die er von Thomas gelernt hatte. Er sandte zwei aus. Sie verwendeten die Magie des Zauberers gegen ihn. Das sollte auch für nicht physische Wesen gelten.
Er konnte nichts erkennen, doch spürte er, wie sie verpufften. Dass bisher nichts geschehen war, war ein Wunder. Seine Position war noch immer geheim.
Er öffnete die Tür, vor denen die Abbilder gewacht hatten. Die Helligkeit änderte sich nicht, doch nun sah er ein schwaches Leuchten im Raum. Das musste das Mädchen sein.
Zuerst den Horcrux oder zuerst das Mädchen?, hakte die Stimme nun nach.
Die Aura des Kindes war zwar schwach, aber dennoch noch gut zu sehen. Harry war sich nicht sicher, ob er es riskieren konnte, auch noch den Horcrux zu schnappen.
Doch er musste schnell entscheiden und hatte bereits keine Zeit mehr. Er sprang ein weiteres Stockwerk nach unten in den Gang und spürte direkt die Anwesenheit eines dunklen Zaubers.
Zwei Schatten bemerkten ihn und Harry ließ sich fallen. Er sprach hastig einen Schallschutzzauber und feuerte mit seiner Schusswaffe Silberkugeln auf die Schatten. Sie fielen lautlos zu Boden. Er eilte den Gang entlang. Seine Schritte waren kaum zu hören doch Schatten hatten gute Ohren.
Die Tür war sonst unbewacht. Harry trat ein und schritt zügig auf den goldenen Trinkbecher zu. Mit schnellen Handgriffen sprach er Bannzauber, steckte ihn in seine Tasche und sprang wieder in das Stockwerk darüber.
Sie sind auf dich aufmerksam geworden.
Harry musste schnell sein. In die Zelle direkt konnte er nicht. Er sprang direkt davor und stieß die Tür auf. Er beschwor eine Decke und nahm sich das Mädchen. Die Metallkette schien bösartig verzaubert zu sein, doch Harry schnitt sie mit einem Fluch ab und sie blieb liegen.
Er spürte die kalten Auren, als sie um die Ecke bogen. Er dachte gar nicht nach. Er sandte eine Welle seiner Magie aus und sprang direkt danach in Richtung der Stadt.
Die plötzlichen Straßengeräusche gellten in seinen Ohren. Es war mit einem Mal laut. Ein Mann schrie neben ihm.
Er musste schnell weg und sich am besten von dem Mädchen trennen. Sie würden ihn verfolgen, nicht sie.
Ein kleiner See war in Sicht. Er musste schnell weiter und sprang an eine nächstgelegene Kreuzung. Das Mädchen in seinen Armen wimmerte ein wenig, wahrscheinlich tat ihr das Springen nicht sonderlich gut. Es musste kalt und verstörend wirken. Harry musste schnell handeln.
Südöstlich der Stadt ist ein kleiner Wohnsitz. Zu dem gehört sie. Beeile dich.
Harry zögerte nicht und sprang direkt weiter. Er wollte nicht erst vor der Tür landen. Immerhin war er in Eile und konnte sich nicht leisten, auch noch zu verzögern, indem er klingelte.
Eine Frau schrie. Er wusste, dass es nicht feinfühlig war, direkt neben Leuten aufzutauchen, doch er hatte keine Wahl. Er setzte das Kind ab und verschwand augenblicklich. Die Schatten mussten ihm folgen und nicht dem Mädchen.
Er spürte die Präsenz der Auren sogar noch während er sprang. Er konnte sich nicht dagegen wehren. Sie schnitten ihm irgendwie den Weg ab und er schlug hart gegen einen Baum auf.
Der Boden war noch zu weit weg. Er stieß sich mit der Hand ab und löste sich aus der Ebene, um nicht zu fallen.
Vier Auren leuchteten bedrohlich unter ihm. Darunter sogar ein Todesser. Mit dem Horcrux in der Tasche war er sicher hell wie ein Magnesiumbrand.
Er zog seinen Dolch und ließ ihn gegen die Schatten fliegen, doch sie parierten. Harry musste schneller sein.
Er ließ seine Magie sich hinter ihnen sammeln. Der Baum zerplatzte und die Stücke wuchteten herum. Harry konnte einen Schatten damit durchdringen bevor er zur Seite hechten musste.
Ein stechender Schmerz durchdrang auf einmal seine Seite. Der Todesser hatte ihm einen Holzsplitter in den Bauch gerammt. Harry zog seine Waffe und feuerte. Er traf nicht den Kopf, aber die Schulter. Der Mann fluchte und disapparierte. Zwei Schatten waren noch da.
Er wurde langsam panisch. Er konnte nirgendwo hin. Sie kamen langsam auf ihn zu. Vielleicht wollten sie zuerst den Horcrux sichern.
Seine Hände wurden heiß. Er wusste nicht ob das an der Panik lag oder was los war. Er streckte die Hand vor sich aus und die Hitze in seinen Händen nahm schlagartig ab. Es leuchtete hell vor ihm und für einen Moment konnte er nichts mehr sehen.
Eine Druckwelle erfasste ihn. Es vergingen einige Momente doch er spürte, dass keine Schatten mehr da waren. Der Geruch von verbranntem Fleisch drang an seine Nase und es knisterte.
Harry öffnete die Augen als er von oben das Geschrei eines Raben hörte. Es sollte hier wahrscheinlich keine Raben geben. Er war zu erschöpft um darüber nachzudenken.
Es brannte im Wald. Die Holzsplitter waren in einem Inferno entzündet worden. Das durfte nicht passieren! Das war das letzte, was er jetzt brauchte!
Ein Eissturm verließ seine Hand und mit etwas Anstrengung legten sich die Flammen langsam. Harry sackte erschöpft zusammen. Er musste weg. Er atmete durch. Das würde schmerzhaft werden, doch er musste es trotzdem auf sich nehmen.
Er sprang und verschwand. Sein Blut war noch immer auf dem Waldboden.
