A/N: Einen schönen Guten Tag! Ich hoffe, alle überstehen diese Zeit gut - aber um nicht mehr so viel drum herum reden zu müssen, kommt hier das Kapitel!
Hmm... Disclaimer: Mir gehört nichts. Dass ich absolut keine Rechte an diesen Geschichten habe, bestätige ich bereits mit dem Hochladen auf dieser Website. Dass ich das schreiben darf ist eine Kulanzregelung der Verläge dem Fans gegenüber.
„Ein Brief fehlt.", erklärte Thomas ruhig. Beinahe beiläufig. Voldemort hatte also etwas mitgehen lassen. Emilia sah über seine Schulter auf die Liste, die er dem Archiv entnommen hatte.
Der Verwaltungsangestellte tat so, als würde er sich nicht dafür interessieren.
„Bist du dir sicher? Du hast vermutlich seit Jahrzehnten keine Inventur dort gemacht.", murmelte Emilia.
„Ich kenne wahrscheinlich die ursprüngliche Position jedes einzelnen Steines in diesem Gefängnis.", flüsterte Thomas zurück.
„Okay. Ist es ein wichtiger Brief?", hakte Emilia nach und Thomas zuckte mit den Schultern.
„Vielleicht. Ich benötige etwas Zeit um mich an den Inhalt zu erinnern. Aber es ist eine sehr spezielle Sache, die fehlt und es war ein persönlicher Brief von Gellert an Albus."
In Emilia wurde die Neugier geweckt. Sie hatte ja mittlerweile auch begriffen, wie die Gefühl von Albus Dumbledore für Gellert Grindelwald geartet waren. Auch wenn sie, was das anging, vielleicht Spätzünderin war. Wenn sie daran dachte, wie unglaublich lange es bei Jason gedauert hatte, schämte sie sich doch etwas.
„Okay.", flüsterte sie dann zurück. Sie wusste überhaupt nicht, wieso sie flüsterten. Laut fuhr sie fort, „Wann hast du Feierabend?"
Thomas sah hoch, „Was? Oh ich arbeite überhaupt nicht. Ich bin gewissermaßen freiwillig hier."
„Dann wirst du jetzt freiwillig nach Hause gehen."
Thomas schmunzelte, „Du verkaufst es mir nicht gerade."
„Wenn du nicht immer sofort an die Arbeit denken würdest, sobald ich dir drei Sekunden den Rücken zuwende, würde dir das auch nicht so schwer fallen.", erwiderte Emilia schnippisch.
Thomas schüttelte den Kopf. Sie dankten dem Angestellten und machten sich auf den Weg.
„Ja genau, weil ich jetzt die Zeit aufbringen könnte, neben der Arbeit auch noch schnitzen zu lernen."
„Von Schnitzen habe ich überhaupt nichts gesagt, aber danke. Jetzt weiß ich was ich dir als nächstes schenke.", entgegnete Emilia.
Thomas schmunzelte wieder, „Außerdem habe ich noch ein Hobby bei mir zu Hause sitzen, dass sich permanent dazu entschlossen hat, bei mir zu wohnen."
Emilia grinste, „Gern geschehen. Außerdem lebt Harry auch noch irgendwie bei dir."
Thomas schüttelte den Kopf. „Nach dir.", sagte er mit einer Geste auf den Transportraum. Drinnen fuhr er fort, „Harry schläft immer irgendwo und ich weiß überhaupt nicht, ob er einen Ort hat, den er als sein zu Hause empfindet. Ich glaube auf Nachfrage würde er noch immer Hogwarts sagen. Aber er ist damit nicht alleine. Es ist ja klar, dass die Bindung der Kinder zu diesem Ort sehr eng ist wenn sie so viel Zeit dort verbringen. Eingangshalle."
Sie wurden weggezogen und standen alsbald in einem identisch aussehenden Raum.
Emilia konnte das eher weniger nachvollziehen, „Bei mir löst die Zentrale eher gegenteilige Effekte aus, da habe ich solche Probleme nicht."
„Japp, sonst hättest du das Kind überhaupt nicht genommen.", kommentierte Thomas. Emilia blieb beinahe stehen und es juckte ihr in den Fingern, ihm böse Worte an den Kopf zu werfen.
„Wie bitte?", zischte Emilia stattdessen.
Thomas seufzte, „Du möchtest doch ab jetzt ehrlich sein. Also reden wir auch um sowas nicht drum rum. Du mochtest das Kind sehr und das konnte auch jeder sehen. Aber deine Hauptmotivation war nicht deine Kinderliebe sondern die Tatsache, dass du nicht wolltest, dass es durch den Prozess der Zentrale geht."
„Nimm meinen Arm.", sagte Thomas dann. Emilia ergriff ihn widerwillig und Thomas brachte sie nach Hause.
Sie landeten mitten im Wohnzimmer. Emilia drehte sich wieder zu Thomas um, der ruhig zur Küche ging und Wasser aufsetzte, „Du magst ja überhaupt keine Kinder."
Thomas lehnte sich gegen die Arbeitsfläche während der Kessel auf dem Gasherd stand, „Woher möchtest du das bitte wissen?"
„Ich habe dich nie mit ihr oder, wenn ich richtig darüber nachdenke, mit irgendeinem Kind interagieren sehen.", gab Emilia zurück. Thomas schüttelte den Kopf.
„Ich habe einmal wochenlang auf James Potter aufgepasst als der sich noch in die Hosen gekackt hat.", murmelte Thomas, beinahe zu sich selbst.
„Wow. Wirklich? Wie alt warst du da?", fragte Emilia dann. Thomas blickte sie darauf an und sie verstand ihren Fehler.
„Das führt uns zu der nächsten Sache. Wir müssen uns nichts vormachen und ich glaube, dass es gut wäre, es einmal richtig auszusprechen. Ich bin 73.", sagte Thomas nun.
Emilia verschränkte die Arme, „Wow, jetzt wo du es so sagst klingt es überhaupt nicht so schlimm. Ich meine, es gibt doch sicherlich Frauen, die so etwas mögen. Bei mir ist es nur etwas spezifischer."
Thomas hielt einen Moment inne. „Ich hatte nicht erwartet, dass du mich so bald schon damit überfällst."
Emilia lachte freudlos, „Jetzt tu nicht so als wäre es nicht abzusehen gewesen."
„Wenn du dich erinnerst, ging ich doch sehr davon aus, dass ich sterben würde. Wie konnte ich wissen, dass Albus sich selbst tötet und mich weiter leben lässt?", zischte Thomas nun und Emilia verstand sofort, was mit ihm los war. Sie hätte es direkt sehen sollen. Natürlich.
„Du bist traurig.", flüsterte sie.
Thomas blickte sie nur abschätzig an. Irgendwann pfiff der Kessel und Thomas goss Tee auf.
„Schreibst du für mich bitte etwas nieder, was ich diktiere?", fragte er dann. Emilia nickte und fummelte einen Stift aus ihrer Umhangtasche. Sie ließ einen leeren Zettel heranschweben.
Thomas wandte sich mit dem Tee zum Fenster, „Lieber Albus. Es ist nun beinahe eine Ewigkeit vergangen, dass wir uns zum letzten Mal gesehen haben. Ich schreibe diese Worte in dem Wissen, dass sie deine Augen nie erreichen werden. Ich habe meinen Weg gewählt und du den deinen. Ich kann mich nicht dafür entschuldigen und du weißt, dass ich glaube das Richtige zu tun. Doch das tust du wohl auch.
Ich weiß auch, dass wir beide dasselbe Ziel haben. Dennoch lastest es schwer auf meinem Gewissen, was in meinem Namen geschieht. Welches Leid ich verursache. Ich wanke nicht in meiner Überzeugung. Im Gegenteil: Das Leid, dass die Menschen in der Lage sind zu verursachen bestärkt mich nur in meinem Vorhaben. Macht mein Ziel klarer. Dass die Nichtmagier sterben müssen.
Herr Hitler ist ein paranoider, wahnhafter, aggressiver und leichtgläubiger Tyrann. Er ist das Werkzeug, mit dem die Welt sich selbst hinrichten wird. Doch die Lawine, die in Deutschland angetreten wurde, ist schwer zu kontrollieren. Es gibt Versuche, Magie zu nutzen und zu missbrauchen. Ich habe es natürlich vorhergesehen, aber durch das Erkennen ihrer Pläne sind mir Einzelheiten entschwunden. Nun, da ich weiß, um was es sich handelt, sorge ich um die Zukunft der Magie auf unserem schönen Kontinent.
Sie gehen nach Osten. Sie sind auf der Suche und werden nicht halt machen. Doch ich hoffe, dass du schneller sein wirst und die Artefakte vor denjenigen verstecken, die sie verwenden wollen, ohne sie zu verstehen. Für das größere Wohl, Gellert."
Als der Kugelschreiber den letzten Buchstaben des Namens schrieb, blickte Emilia zu Thomas auf und sah eine Sorge in seinen Augen.
„Was hat das zu bedeuten?", fragte Emilia.
Thomas setzte sich zu ihr, „Ich weiß es nicht. Die Zeit wird es zeigen. Erstmal muss herausgefunden werden, was mit den Todessern geschehen ist. Wieso die Schatten sich so verhalten, wie sie es tun. Bevor wir das wissen, gibt es für uns nichts als Abwarten."
Emilia lächelte, „Ich habe eine Idee, wie wir die Wartezeit schöner gestalten könnten."
Thomas blickte sie humorlos an. Emilia rollte mit den Augen, „Nicht das du Arsch."
X
X
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Es waren nun drei Wochen. Harry war regelmäßig in die Zentrale und besonders in den Krankenflügel gesprungen. So auch an diesem Abend.
Draco ging es nicht viel besser als vorher. Seine Koordination ging den Bach herunter. Er schien allerdings noch immer nicht das Gefühl zu haben, krank zu sein. Wenigstens ein Trost war das wohl. Es wäre wohl schlimmer gewesen, würde Draco merken, was mit ihm geschah.
Harry stand am Fußende des Krankenbettes, als Bridger eine erneute Untersuchung durchführte. Harry war sich nicht sicher, was die Zentrale überhaupt tat. Aber hier gab es einen gesamten Gang in dem Doppelagenten lagen, die nun alle die gleichen Beschwerden hatten. Und viele davon waren ziemlich jung. Lag es daran, dass junge Menschen eher noch zweifelten an dem, was ihnen aufgetragen wurde? Es wurde eigentlich immer gesagt, dass Menschen in Harrys Alter noch einfacher zu beeinflussen waren.
„Das ist nicht normal, oder? Immerhin geben Sie ihm den Trank.", fragte Harry. Bridger war seelenruhig, während er die Überprüfung von Draco durchführte. Harrys Hass gegenüber seinem ehemaligen Mitschüler war gänzlich verschwunden, nun, da er ihn so leiden sah.
Bridger schüttelte den Kopf, „Wenigstens haben wir so eine Chance, die Hirnfunktion zu retten, selbst, wenn der magische Einfluss nicht abnimmt. Der Trank hemmt Kommunikation zwischen Neuronen. Sie wissen nicht viel von diesem Phänomen, oder?"
„Nein, davon habe ich noch nie gehört… Aber ich wusste vorher auch nicht, dass Gedächtniszauber solche Schäden verursachen können. Wie sicher sind wir denn, dass es aus seinem dunklen Mal kommt? Oder könnten es doch Gedächtniszauber sein? Vielleicht wurden sie alle obliviiert, weil sie entdeckt wurden."
Bridger seufzte, „Was soll ich denn dazu sagen? Ich weiß natürlich nicht, wie oft Mister Malfoy obliviiert wurde. Allerdings denke ich schon, dass die Zerstörung aus seinem dunklen Mal kommt. Alles, was wir bisher getestet haben, deutet darauf hin. Außerdem ist der Fortschritt des Zerfalls deutlich schneller als bei normaler magischen Neurodegeneration."
„Wieso obliviieren wir überhaupt, wenn es solche Nebeneffekte hat?", fragte Harry dann empört.
„Was sollen wir denn sonst machen?", fragte nun eine neue Stimme. Harry drehte sich um und sah, wie Remus in den Raum kam, „Und mit wir meine ich jetzt die Zauberergemeinschaft. Der Schutz unserer Welt ist uns gewissermaßen heilig. Wir können Muggel nicht einfach mit dem Wissen davonkommen lassen, dass Magie existiert."
„Außerdem, Unsäglicher Potter, müssen sie das in Perspektive setzten.", fuhr Bridger nun fort, „Magische Neurodegeneration ist meldepflichtig in der Muggelwelt – natürlich unter anderem Namen – und wir haben eine Inzidenz von etwa einem Menschen pro eine Million. Das ist sehr niedrig und viel niedriger als andere neurodegenerative Krankheiten, die auftreten können. In dem Fall müssen sie Situationsethik walten lassen, Unsäglicher Potter."
„Remus, weißt du etwas von Snape?", fragte Harry nun. Er wollte sich nicht weiter auf die ethischen Fragen einlassen.
Remus lächelte, wahrscheinlich, weil er Harry nicht mehr korrigieren konnte. Dann jedoch verschwand das Lächeln schnell, „Wir wissen nicht, wo er ist. Vermutlich leidet er gerade alleine und wir können nichts tun. Aber was sollen wir auch tun? Wenn er irgendwo ein geheimes Labor hat, dann haben wir keine Chance, ihn aufzuspüren."
„Wir können Hermine fragen. Habt ihr das probiert? Weil die Agenten der Zentrale hat sie auch gefunden.", riet Harry dann.
Remus hielt inne, „Ich hatte das vergessen. Ich war mir gar nicht bewusst, dass… Naja ist ja auch nicht so wichtig. Ich verstehe das alles nicht so richtig, aber ich habe mich auch nicht damit befasst. Für mich seid ihr immer noch Schüler."
„Du warst nur ein Jahr Lehrer für Verteidigung.", kommentierte Harry trocken und Remus lächelte wieder reumütig.
„Wissen wir etwas von anderen Todessern?", fragte Harry nun.
Bridger beendete seine Untersuchung von Draco und schrieb etwas in die Akte, „Üblicherweise begeben sich Kriminelle nicht zu uns in Behandlung. Aber wenn ich Lucius Malfoy sehe, werde ich ihn nach seinem Wohlbefinden für Sie fragen, Unsäglicher Potter."
Damit verschwand der Heiler.
Remus runzelte die Stirn. Harry seufzte, „Wenn ich etwas Falsches gesagt habe, tut es mir natürlich leid."
„Mir brauchst du das nicht zu sagen.", schmunzelte Remus, „Ich bin genauso verwirrt wie du. Und ich kenne den Mann noch nicht einmal."
„Also, wir wissen überhaupt nichts von den anderen Todessern? Irgendwelche Neuigkeiten? Wenn alles still ist, dann würde doch…", setzte Harry an, doch er wusste überhaupt nicht, was er sagen sollte.
„Ich weiß es nicht, Harry. Aber wir können es nur schwer überprüfen.", stellte Remus fest.
Harry sah nochmal zurück auf Draco, der bewusstlos im Bett lag. Er hatte verschiedene Manschetten am Arm, darunter auch einer zur intravenösen Versorgung.
„Aberforth wird etwas wissen.", erwiderte Harry, „Ist er in seinem üblichen Versteck?"
Remus schüttelte den Kopf, „Was er macht ist verrückt, Harry. So nahe am Zentrum setzt er sich nicht nur der Gefahr aus, entdeckt zu werden, sondern zeigt auch noch Leichtsinn, den andere vielleicht nachahmen."
„Aber er hat bisher Erfolg. Er kann helfen.", widersprach Harry, „Ich muss es auf jeden Fall versuchen."
Remus machte eine ausladende Geste, „Tu, was du nicht lassen kannst. Aber sei bitte vorsichtig. Und ich werde Thomas sagen, was du vorhast."
Harry schüttelte den Kopf, „Ich glaube nicht, dass er sich Sorgen machen wird. Ich habe ja wohl bewiesen, dass ich klar komme. Man muss sich nicht um mich kümmern."
Er ließ Remus im Krankenflügel stehen. Doch Harry war zu entschlossen. War es, weil er Draco helfen wollte, oder weil er Schadenfreude gegenüber den Todessern empfand? Wenn sie alle litten, dann hatten sie die Möglichkeit, einzugreifen. Voldemort zu schlagen. Hogwarts würde die Antworten bereit halten, die er suchte. Immerhin hatte sich der dunkle Lord dort eingenistet. Es war dem Mann wohl egal, dass man ihn aufspüren konnte. Er musste nicht mehr im Geheimen leben. Nun, da Dumbledore tot war, fühlte er sich wohl auch noch unverwundbar.
Vielleicht konnten sie ihm ja beweisen, dass er es nicht war.
„Rettungswache.", sprach Harry kalt dem Transportraum entgegen. Von dort aus kam man am Schnellsten zu einer Apparationszone. Wenn sie aus den Hallen sprangen, dann nur, weil die Feldzauber dort gelockert wurden.
Die Zauberer in Uniformen mit Signalstreifen beachteten ihn überhaupt nicht mehr. Sie waren wohl mittlerweile daran gewöhnt, dass er ihren Bereich als seinen Ein- und Ausgang missbrauchte.
Er zögerte nicht, als er nach England sprang. Es war ein weiter Weg, doch das störte ihn nicht. Er spürte nicht den Zug seiner Magie, als er angekommen war und auf gewisse Art merkte er, dass es lange her war, seitdem er das Brennen seiner Magie gespürt hatte.
Ein Brennen, dass omnipräsent sein sollte.
Er zögerte allerdings doch, als er im Begriff war an die Tür von Aberforth zu klopfen. Hogsmeade war komplett verlassen und Harry befürchtete, dass das Dorf leergefegt war. Was machte Aberforth hier? Vielleicht traute sich auch nur niemand aus seinem Haus heraus.
Aberforth öffnete die Tür schnell und ruckartig, nachdem Harry nur einmal geklopft hatte.
„Die Kreatur hat dir nichts beigebracht, wenn du es tatsächlich für eine gute Idee hältst, vor meiner Tür in Unsäglichenuniform zu stehen. Komm rein."
Mit diesen Worten packte ihn Aberforth an der Schulter und zog ihn mit sich in den Eberkopf.
„Was dachtest du dir? Dass du einfach hierhin spazieren kannst? Glaubst du es interessiert mich wenn du mich auf dem Pott erwischst? Du sollst hier rein springen!", knurrte Aberforth ihn dann an.
Harry schüttelte die Hand von Aberforth ab. Der Mann trat zur Seite und hinter die Theke. Harry näherte sich langsam und vorsichtig. Er wollte den Mann nicht noch weiter irritieren.
„Was führt dich her? Bist du der neue Wachhund, der geschickt wird? Es ist nicht gerade umsichtig von der Zentrale, hier ständig irgendwelche Späher rumschwirren zu lassen."
„Nein…", murmelte Harry, als er sich auf einen der Barhocker setzte. Er war ein wenig unbeholfen dabei, sich hinzusetzten. Aberforth stellte ein Butterbier vor ihn, woher auch immer er das nun hatte. Harry zog daran, in dem Moment nicht glaubend, dass Aberforth ihn auch noch vergiften würde. Harry überlegte einen Moment, bevor er fortfuhr, „Draco und die Todesser, die Informationen an die Zentrale geben, sind alle krank. Ihre Magie greift sie an und zerstört ihr Bewusstsein. Ich will wissen, wo es herkommt und ob es auch andere Todesser betrifft. Hast du welche gesehen?"
Aberforth grunzte feindselig, „Normalerweise biete ich diesem Abschaum kein Butterbier an."
Harry schüttelte genervt den Kopf, „So etwas in der Art hat auch der Heiler der Zentrale gesagt aber ernsthaft! Es gibt Patrouillen und dergleichen und außerdem waren die Todesser immer sehr präsent! Hast du welche gesehen oder nicht?"
Aberforth spinkste kurz in seine Augen, ehe er sich umdrehte und antwortete, „Nein, in der letzten Zeit nicht. Allerdings kommen die Todesser auch nicht nach Hogsmeade. Ich nehme an, dass sie sich unwohl fühlen. Kindheitserinnerungen oder so. In Hogwarts zu sein ist vermutlich schon unangenehm genug für sie, dann werden sie nicht hierher kommen. Deswegen kann ich überhaupt nur so lange hier ausharren. Tom benötigt seine Kräfte verteilt in England, wo er Widerstand niederschlagen kann."
Harry nickte. Das klang einleuchtend.
„Wenn du etwas wissen willst, gehst du am Besten direkt zur Quelle. Es gibt hier keine Feldzauber, von denen ich wüsste. Außerdem solltest du sie ja sowieso bemerken können. Geh dahin und such selbst.", knurrte Aberforth darauf.
Es machte Sinn, wenn Harry wirklich wissen wollte, was los war. Doch in gewisser Hinsicht ließ die Möglichkeit ihn zögern. Nach Hogwarts gehen war immer mit Schwierigkeiten verbunden und das Schloss und die Gründe hielten so viel emotionales Gewicht für ihn. Er wusste nicht, ob er sie so desolat sehen können würde.
Er atmete tief ein und fand Überwindung, wo er nicht dachte, wo er sie finden würde. Er konnte Draco nicht so da liegen lassen. So verabschiedete er sich von Aberforth und der Mann nickte ihm nur ruppig zu, als er den Eberkopf verließ – nicht durch die Tür diesmal. Er sprang hinter das Gebäude und besah die kleine Gasse, in der er landete. Ein wenig schmutzig und den Eindruck eines Hinterhofes machend.
Die Sonne verschmolz mit den Dachziegeln eines kleinen Hauses zu Harrys Rechten und mit einem weiteren Atemzug sprang Harry direkt in den verbotenen Wald.
Man verstand oftmals nicht, wie groß Hogwarts eigentlich war. Es schloss nicht nur die Gründe ein und nicht nur den verbotenen Wald, sondern auch einen unglaublich großen See, das Schloss selbst und die Quidditschfelder. Harry näherte sich vorsichtig. Er durfte sich nicht sehen lassen. Das letzte, was er nun brauchen konnte, war ein Kampf mit irgendwelchen Todessern, die gegebenenfalls auch noch den Verstand verloren hatten.
Der Wald war sehr dunkel. Die Ausläufer der Sonne kamen hier nicht weit und der Wald hatte die seltsame Fähigkeit, auch Tagsüber sehr dunkel zu wirken. Harry machte vorsichtige Schritte in Richtung der Schlossgründe. Er würde hinter der Hütte von Hagrid herauskommen und dort hoffentlich beobachten können, wie es auf den offenen Schlossgründen aussah.
Etwas Hartes und Unnachgiebiges traf ihn im Rücken. Harry wurde zu Boden geschleudert und die Luft wurde aus seinen Lungen gepresst. Sein Rücken schmerzte und es war als hätte man ihm mit einer Ramme getroffen.
Er hörte sofort das Aufkommen von mehreren kleinen Objekten. Harry schwang sich auf und löste sich sofort aus der Ebene. Nicht nur konnte er dann beobachten, sondern ebenfalls seine Schmerzen für einen Moment vergessen.
Es war ein Thestral. Es wirkte nicht wie eines aus der Herde von Hagrid. Obwohl es vielleicht sein könnte, denn das vor ihm war kein gewöhnliches Thestral mehr.
Die schattenmagische Aura eines sonst sanften Tieres war nicht zu ignorieren. Dazu kam die Tatsache, dass es ihn zu sehen schien. Harry sprang auf einen der Baumgipfel und hockte dort, als das Thestral in einen Trab ausbrach.
Das Tier drehte darauf schnell und kam mit einem kleinen Rutschen zum Stehen.
Es spürte Harry noch immer. Die Schattenmagie beeinflusste es nicht nur im Gemüt. Es war auch noch schnell und aggressiv. Woher wusste so ein Tier, wie man kämpfte?
Harry konnte und durfte sich damit nicht so lange aufhalten. Wenn er wegsprang, dann verfolgte es ihn vielleicht. Es hatte ihn ja auch initial aufgespürt. Doch wie sollte er es bekämpfen?
Vielleicht konnte er seine neuen Kräfte ja steuern. Die Hand ausstrecken – mehr für sich als zum Zaubern. Vorstellung und Vertrauen. Zielsicherheit. Er wollte, dass der Waldboden brannte.
„Incendio.", zischte er bestimmt. Er kam sich dämlich vor, doch nach einen Bruchteil einer Sekunde spürte er etwas in sich aufwallen. Eine Energie, die er nicht zuordnen konnte.
Ohne, dass er sich geregt hatte, fing der Waldboden Feuer und das Thestral wurde von der Hitze verscheucht. Es lief einige Meter, bevor es wieder zum Stehen kam und zu ihm hoch sah. Es hatte ihn wieder bemerkt.
Harry ließ sich zum Waldboden fallen und mit einer Welle Schattenmagie erlosch das Feuer. Der Thestral trabte sofort wieder auf ihn zu und Harry rollte sich zur Seite um nicht von den Hufen des Biestes getroffen zu werden.
Tut mir leid, Luna., dachte Harry und hoffte, seine Freundin würde es ihm nicht nachtragen.
Mit einem Schwung seines Armes formten sich Raben vor ihm und er wusste überhaupt nicht, wieso er immer dieselben Tiere wie Thomas nahm, doch sie stießen sich von seiner Hand ab und flogen auf den Thestral zu. Sie irritierten die Kreatur und Harry ließ abermals Schattenmagie seinen Körper verlassen.
Sie war nicht wie die Normalmagie. Kälte. Masse. Dann Form und Härte. Der Stab aus Eis formte sich in seinen Fingern und er schwang ihn gegen den Thestral. Als der Stab mit dem Bein der Kreatur kollidierte, stärkte Harry seinen Arm mit Magie und das Knacken der Knochen hallte durch den Wald.
Der Thestral knickte zur Seite weg und kam auf dem Boden auf. Harry ließ den Eisstab verpuffen und mit einem Schwung drückte er seinen Dolch in den Hals des Thestrals.
Die Kreatur schrie beinahe menschlich und sackte schließlich in sich zusammen. Wie ein Schatten reagierte sie negativ auf den Silberdolch. Harry schritt von der Kreatur weg. Es war zweifelsohne ein Thestral, aber auch nicht. Es war ein Schatten, aber ebenfalls nicht. Man konnte Thestrale nicht brechen und man konnte ihnen ihre Magie nicht nehmen. Doch irgendetwas war hier geschehen. Irgendetwas hatte den Thestral verändert.
Harry musste sich beeilen. Er wollte nicht noch mehr Kreaturen begegnen. Was war geschehen?
Die Raben kreisten einen Moment lang und verpufften dann ebenfalls ins Nichts.
Harry ließ eine Welle von Magie die Geräusche seiner Schritte verschlucken und sprintete dann aus dem Wald heraus. Hinter Hagrids Hütte kam er zum Stehen. Es war noch immer extrem kalt in diesem Februar. Es waren keine Todesser zu sehen.
Er sah allerdings ein paar Schatten, die nicht etwa auf Patrouille waren, sondern viel mehr auf den Schlossgründen herumzulungern schienen. Wenn Voldemort mehr von denen ein Bewusstsein schenkte, hatten sie ein ernstes Problem bei der Beseitigung aller Schatten. Aber auf der anderen Seite war sich Harry nicht sicher ob er gegen drei von ihnen ankommen konnte. Dass sie ein Bewusstsein haben durften zeigte ja, dass sie besonders begabt waren. Würde Harry sie vielleicht überraschen können?
Er versuchte, es abzuwägen. Konnte er es mit ihnen aufnehmen? Er wusste es nicht. Doch auf den Schlossgründen war sonst niemand. Ein gewisser rachsüchtiger Geist stieg in Harry auf. Er wollte er versuchen. Nicht nur aus Rache, sondern auch aus dem Wunsch, ihnen weh zu tun wie sie ihm wehgetan hatten.
Raben formten sich vor ihm und gleichzeitig stellte sich Harry vor, wie es wäre, wenn die Roben der Schatten brennen würden. Die zwei Magieformen mischten sich in ihm und irgendwie zerrissen sie ihn nicht.
Die Schatten sprangen auf und waren auf einmal wachsam, als ihre Roben Feuer fingen. Sie löschten es schnell. Doch die Sekunde, die sie brauchten war die Sekunde, in der die Raben angeflogen kamen. Als wären sie schreckhaft, feuerten die Schatten dunkle Flüche nach den Raben, doch sie trafen sie nicht.
Harry sprang zwischen sie und schaffte es direkt, einem der Schatten den Silberdolch in den Hals zu rammen. Es war die einfachste Stelle für einen direkten Angriff. Er benötigte nur den richtigen Moment und das Silber würde den Schatten töten, nicht der Stich. Doch das Halsgewebe war so weich. Der Dolch glitt hinein, während Harry einen Fluch eines anderen Schattens abwehrte.
Er sandte einen Kraftstoß auf einen der Schatten und duckte sich unter dem Schwung des Anderen weg.
Er tötete beide mit Todesflüchen. Schließlich kniete er inmitten der drei Leichen auf den Schlossgründen. Es war noch immer niemand zu sehen. Harry stieß die Leichen magisch in Richtung des verbotenen Waldes.
Harry schlich an leblosen Landschaften vorbei zu der Mauer des Schlosses. Er musste sich konzentrieren, um dort hindurch Auren zu spüren, denn die Magie war nicht ganz aus dem Gestein verschwunden.
Doch es war niemand in dem Gang und Harry sprang durch die Mauer hindurch.
Der Gang war leer. Er war auch sehr dunkel und Harry fand das an sich schon ein wenig unheimlich. Was ging hier vor?
Innerhalb der Mauern spürte er es zum ersten Mal. Dieselbe zehrende Kraft, die ebenfalls auch an Draco nagte. Es hatte kein Zentrum. Es lag überall in der Luft und in alle Richtungen war es gleich stark – sogar in Richtung der Wand. Es füllte den Raum komplett aus.
Es waren Stimmen in der Ferne zu hören. Harry löste sich augenblicklich aus der Ebene und verschwand in der Wand. Dort konnte er aber nicht sehen. Vorsichtig tastete er sich ein kleines Stück aus der Wand um zumindest hören zu können.
„Keine Verzögerung. Du weißt, dass der dunkle Lord Verzögerungen hasst. Du solltest dich noch gut an das letzte Mal erinnern.", sprach eine strenge Stimme. Kühl. Aber doch irgendwie… freundlich.
„Ich weiß Vater. Ich weiß es doch wirklich.", sagte nun eine niedergeschlagene Stimme.
Es war Theodor Nott. Harry erkannte die Stimme genau, obwohl er überhaupt nicht viel Zeit mit ihm verbracht hatte. Und die andere Stimme war dann wohl sein Vater.
„Ich weiß, dass es nicht gerade die ideale Situation ist, Sohn. Aber mit gewissen Rückschlägen war zu rechnen. Der Feind ist stark und er ist nicht zu unterschätzen.", erklärte der Vater. Theodors Antwort konnte Harry nicht mehr hören.
Harry bewegte sich wieder in den Gang hinein. Voldemort würde seinen Thronsaal sicherlich in der großen Halle aufbauen. Harry kannte sich noch sehr gut in Hogwarts aus. Er sprang sachte von Gang zu Gang. Er fand die meisten davon leer. Er sprang nur direkt durch Wände. Dort war noch so viel Magie gespeichert, dass sie seine Sprünge verschleiern würden.
Überall war diese erdrückende Kraft um ihn herum. Harry wusste nicht, wie er sie einzuordnen hatte. Als er sich konzentrierte, bluteten wütende Schemen in seine Wahrnehmung hinein. Kleine Rauchschwaden und tanzende Wirbel. Als würden die Steine dampfen.
Die große Halle war allerdings noch das Zentrum der starken brennenden Kraft des dunklen Lords. Harry lief dort langsam entlang. Auch dieser Gang war leer. Es irritierte Harry. Wo waren die Todesser?
Doch aus dieser kurzen Entfernung wurde es ihm schließlich klar. Die große Halle war nicht nur mit der Aura des dunklen Lords und dieser erdrückenden schattenmagischen Kraft erfüllt, sondern auch mit dutzenden dunklen, aber nicht schwarzen, Auren von Todessern, die um den dunklen Lord herum knieten.
Harry verschwand in der Wand. Von dort aus bewegte er sich hinter Voldemort. Der dunkle Lord würde ihn dort vielleicht am Wenigsten bemerken.
Schatten waren hinter Voldemort aufgestellt. Das könnte ein Problem werden. Harry floss mehr in die Ecke hinein.
„Mein Lord.", sprach Lucius Malfoy nun, „Es gibt insgesamt 40 Betroffene."
Malfoy Senior wirkte unberührt.
Voldemort war still und dasselbe galt für die Schatten. Für Harry schien es so, als würden sie sich überhaupt nicht regen. Nicht atmen. Er konnte es aber auch nicht überprüfen, es war schon anstrengend genug den Schall vor der Wand abzufangen. Er verstand auch nicht, wie er das machte. Es war eine Sache, die sein Körper instinktiv tat. Auch das war vielleicht etwas, zudem er Emilia befragen sollte.
„Darunter sind keine hohen Mitglieder. Wir haben allerdings… Severus Snape verloren.", erklärte Lucius zaghaft weiter. Snape war also ebenfalls betroffen. Aber wieso, nach dem was Harry nun spürte, keiner der Anwesenden?
„Es ist schade. Doch wir dürfen uns nicht behindern lassen. Wir müssen nach vorne sehen. Ich nehme an, dass sich Ersatz für unseren Tränkemeister finden wird."
Lucius gab keine verbale Antwort, nickte aber wohl.
Die unterdrückende Magie war noch immer überall. Die brennende Aura von Voldemort überlagerte es ein wenig. Kämpfte vielleicht dagegen an? Harry konnte es nicht genau spüren und wusste auch nicht, wie er es zu deuten hatte. Er entfernte sich wieder aus der großen Halle. Vielleicht würde Aberforth mehr wissen.
Auf dem Weg nach draußen begleitete ihn die Magie wieder. Er konnte nicht verstehen, wieso sie kein Zentrum hatte. Doch er wusste eindeutig, dass was auch immer den Thestral angegriffen hatte, dieselbe Kraft war, die am Schloss und vielleicht auch an den Todessern zehrte. Irgendwie zersetzten sie sich. Verwesten vor den Augen der Unsäglichen und sie waren alle ratlos.
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Das nächste Haus war leer. Ron spinkste nochmals sehr genau hinein, doch er konnte niemanden entdecken. Hermine brachte gerade das Ehepaar aus einem anderen Haus in Sicherheit.
War es falsch, dass sie sich zuerst auf die magische Bevölkerung konzentrierten? Sein Bauchgefühl sagte ihm dazu überhaupt nichts. Wahrscheinlich war es egal, solange sie irgendwen retteten. Da Magie nicht vor Rasse, Geschlecht, oder Reichtum diskriminierte, taten sie das damit wohl auch nicht. Obwohl sie an der Stelle natürlich ebenfalls diskriminierten, da sie hauptsächlich magische Menschen retteten.
Es nagte jedoch etwas an ihm, dass sie womöglich wichtige Personen leiden oder sterben ließen, die ungestört viel Gutes hätten tun können. Aber wie sollten sie herausfinden, um welche Personen es sich handelte? Es ging einfach nicht. Es waren zu viele.
Die Straße der kleinen magischen Siedlung war bald vollständig erkundet. Remus und Tonks bewachten die Familien, die sie bereits aus ihren Häusern entfernt hatten und bald waren sie alle weg. Einige Familien waren selbst schon verschwunden oder, in dem Fall von einem Wohnhaus, waren umgebracht worden. Das war überhaupt das, was den Orden in Alarmbereitschaft gebracht hatte.
Ron strich sich nervös durch die Haare. Es war nicht angenehm in England. Irgendwie lag eine gewisse unangenehme Spannung in der Luft und er konnte es sich nicht erklären. Er hatte das Gefühl, überall wäre ein magisches Feld um sie herum, was eigentlich gar nicht möglich sein sollte.
„Alles ist leer. Wir müssen weg.", sagte Hermine hinter ihm und Ron nickte.
„Hast du auch das Gefühl, dass irgendetwas falsch ist hier?", fragte Ron an Hermine gewandt.
Diese nickte, „Es ist schwierig für mich, meine Kräfte dafür zu benutzen. Aber ich spüre einige Wesen in England, mit denen irgendetwas falsch ist, aber natürlich bin ich nicht gerade die Person für so etwas. Harry ist da eher der Mann für und er untersucht das ja gerade auch."
„Also gut.", murmelte Ron dann, „Lass uns verschwinden bevor uns eines der Wesen angreift."
Hermine nickte und sie näherten sich Remus und Tonks, die beruhigend versuchten, auf die Familien einzureden.
Remus wandte sich zu ihnen um, als sie sich näherten. „Alles bereit?", fragte er dann und sie nickten. Der Portschlüssel würde zu der Zentrale in Straßburg führen. Von dort aus würden sie die Familien in ihre neuen Zuhause überführen.
Ron besah nur für einen Moment den Himmel und die Umgebung. Ein Rabe kreischte und zog über sie hinweg und Ron spürte dessen schattenmagische Aura.
Auch Hermine blickte nach oben. Tonks, Hand am Zauberstab, blickte unsicher auf sie, „Ist irgendwas?"
„Was…", setzte Ron an und sah zu Hermine, welche allerdings nicht weniger unsicher wirkte als er.
„Wir müssen schnell weg.", sagte Ron dann, „Wenn es ein Abbild ist, dann wird es vielleicht ein Nest alarmieren."
Hermine schüttelte den Kopf, „Das kann ich schon sagen. Es ist kein Abbild. Es gehört nicht zu einem Nest. Aber… Was es ist, kann ich nicht sagen."
„Aber ich habe deutlich dessen Aura gespürt. Was es auch ist, wir verschwinden besser gleich.", erwiderte Ron.
Sie berührten den Portschlüssel – einen Holzstab mit Griffen von der Zentrale – und wurden weggezogen. Der Weg nach Straßburg war lang und Portschlüssel funktionierten nicht mehr so wie früher. Es gab nur ein Zentrum, dass ermöglichte, dass sie funktionierten und das war die Zentrale der IVZ in Straßburg.
Die Eingangshalle war weiß und die Familien waren sehr unsicher. Frauen klammerten sich fest an ihre Ehemänner und in manchen Fällen auch umgekehrt.
Remus lief einem der Unsäglichen entgegen, der sie begrüßen wollte. Der etwas bedrohlich wirkende Typ wechselte ein paar Worte mit Remus, ehe er sich umwandte und wieder seine Stellung am Besuchereingang einnahm.
Schließlich kam ein viel weniger bedrohlicher Typ an, welcher augenscheinlich Verwaltungsangestellter war.
„Mister Lupin. Ich habe die Papiere hier. Sie wurden von Ordensmitglied Alastor Moody angeordnet und vom Direktor der Zentrale bewilligt.", sprach der Mann.
Ron näherte sich etwas, um nicht unbedingt mitten im Portschlüsselraum zu stehen. Remus nahm die Papiere an und winkte dann Tonks zu. Zusammen leiteten sie die Familien weg und ließen Hermine und Ron im Eingangsbereich stehen.
Ron wandte sich unsicher zu seiner Freundin um. Hermine sah ihn beinahe erwartungsvoll an.
Ron zuckte mit den Schultern, „Ich nehme an, dass jetzt ein genauso guter Moment ist wie jeder andere. Ich habe aber unglücklicherweise keine Ahnung, wie man dieses Gebäude verlässt."
„Einfach in den Transportraum, Ausgang Straßburg. Dann einfach den Flur entlang und raus.", sprach der große Unsägliche, der den Eingang bewachte.
Ron hob seine Hand als Dankesgeste und leitete Hermine in einen der Transporträume.
Die Straßen von Straßburg waren kalt und es war so nebelig, dass man den Himmel nicht mehr sehen konnte, aber es war nicht regnerisch. Ausgerechnet war der Ausgang der Zentrale im Palais de Justice, dem Justizpalast von Straßburg. Ron konnte die Besessenheit von den Unsäglichen mit historischen Gebäuden nicht verstehen – wenn man bedachte, dass die Organisation an sich noch recht jung war. Sie hätten in der Eingangshalle von jedem x-beliebigen Hotel landen können. Aber nein.
Sie schritten über die kleine Brücke direkt gegenüber dem Palast und Ron warf nochmal einen Blick nach hinten. Autos brausten an dem Gebäude vorbei und wenn man nur aus der Zaubererwelt kam, war der Anblick durchaus seltsam. Hermine hatte wohl keine solchen Bedenken. Sie konnte instinktiv die Straßen und den Verkehr navigieren, eine Sache, bei der Ron doch seine Probleme hatte.
Sie liefen auf die Mitte von Straßburg zu. Als sie in einem verkehrsberuhigten Bereich landeten, fingen sie an zu schlendern und Ron nahm Hermines Hand als sie liefen.
Das entlockte ihr ein kleines Lächeln. Ron konnte aber spüren, dass so etwas wie ein stilles Einverständnis in der Luft lag.
Doch das Lächeln erstarb sehr schnell.
„Glaubst du auch, dass", sagte sie schließlich, „wenn du dir erlaubst, etwas Schönes zu haben, es dir garantiert entrissen wird?"
Ron hatte nicht erwartet, dass diese Unterhaltung so schnell links abbiegen würde.
Er kratzte sich am Kopf, etwas unsicher, was er erwidern sollte. Doch dann fiel ihm ein, was Hermine eigentlich sagte.
„Du machst dir Sorgen, dass du in deine eigene Zukunft blickst? Ich dachte doch, dass es nicht geht?", fragte Ron an sie gewandt.
Diese schüttelte den Kopf, „Natürlich weiß ich das. Aber… was ist, wenn ich mir erlauben würde, dass ich etwas Schönes habe und dann sehe, dass ich es verliere?"
„Aber nochmal – hatten wir nicht festgestellt, dass du unsere Zukunft nicht sehen kannst? Was übrigens unfair ist, weil ich dennoch von Harry den richtigen Weg erspüren kann, obwohl er einer von uns ist."
„Es muss doch nicht mal so direkt sein.", rief Hermine frustriert, „Was ist, wenn ich mich auf das einlasse, was ich möchte, und dann sehe wie in ein paar Jahren alle tot sind!"
Sie blickte ihn direkt an, „Was ist, wenn ich den Friedhof sehe, auf dem Ginny begraben ist, und vor meinem inneren Auge dort ein zweites Grab auftaucht und ich nicht weiß, was ich dagegen tun soll, weil ich überhaupt keine Ahnung habe, welche Abzweigung dazu geführt hat?"
Ron hatte keine Worte. Hermine war aber sowieso noch nicht fertig, „Was, wenn es mir jeden Moment verdirbt, den ich sonst hätte schön finden können?"
Ron zuckte mit den Schultern, „Ich kann dir diese Angst wahrscheinlich nicht nehmen. Aber ich glaube… selbst wenn ich mir sicher wäre, dass alles kaputt geht, würde ich trotzdem die Momente zwischendurch genießen können. Vielleicht würde es sie sogar besser machen."
Hermine grinste auf einmal, „Das ist eine Buddhistische Weisheit. Aber ich gehe mal davon aus, dass das Zufall war."
Ron strich sich nochmal durch die Haare, „Tja weißt du, ich bin nicht sonderlich belesen. Aber auch ich lande mal einen Zufallstreffer.", er seufzte, „Hör mal, ich weiß, dass es schwierig ist, aber… Wir bekommen das schon hin. Ich bin absolut zuversichtlich. Normalerweise bin ich ja nicht so aber dieses Mal…"
Das meinte er wirklich so und nicht nur weil er sie gerne küssen wollte.
Das hieß natürlich nicht, dass es nicht auch schön war, dass es funktionierte.
X
X
X
„Bist du dir sicher, dass du nicht einfach phantasiert hast, Junge?", fragte Aberforth nun ruppig. Aber das war seine Art, nach Details zu fragen. Er dachte nicht wirklich, dass sich Harry etwas eingebildet hatte.
„Es war wie eine Krankheit der Magie. Ich weiß gar nicht wie ich es beschreiben soll. Verwesung. Magische Verwesung.", murmelte Harry darauf. Aberforth hatte ihm eine Schokolade hingestellt.
„Na das klingt ja aufmunternd. Wieso glaubst du, dass es mehr ist als eine Laune der Magie? Immerhin tummeln sich dutzende Schatten in Hogwarts.", sprach Aberforth dann.
Harry seufzte. Es war für ihn natürlich, aber andere konnten sich das wohl nicht vorstellen. „Schattenmagie hat keine Launen. Sie ist nicht wie normale Magie. Sie ist kühl und man ist idealerweise absolut frei von Emotionen, wenn man sie verwendet. Außerdem hat mich ein Thestral angegriffen und auf dem lag die gleiche Energie wie auf Draco."
Aberforth setzte sich Harry gegenüber. „Ein Thestral? Wie weit von Hogwarts entfernt?"
Harry zuckte mit den Schultern, „Ich weiß es nicht, wo weit wie Hagrids Hütte nunmal weg ist, und dann noch ein paar hundert Meter. Aber ist das denn wichtig? Immerhin war Draco den ganzen Weg entfernt in Belgien und dort wurde er dennoch davon beeinflusst. Es betrifft auf der anderen Seite aber nicht alle Todesser. Es müsste es doch, oder?"
Aberforth schüttelte den Kopf, „Nicht wenn Tom einen Weg gefunden hat, seine Lieblinge zu schützen."
„Aber Malfoy sagt, dass es nur 40 Betroffene gibt."
Aberforth spuckte. Die Handlung überraschte Harry doch sehr. „Jetzt glauben wir, was der Schönling sagt? Todesser lügen ständig. Sie lügen auch den dunklen Lord an, wenn es sie besser da stehen lässt. Wenn es nur kleine Lügen sind, merkt er es auch nicht. Sie würden sich gegenseitig unter die Kutsche werfen, wenn sie die Gelegenheit haben."
Schönling war jetzt vielleicht nicht die Beschreibung, die Harry für den alten Malfoy genommen hätte.
„Wir müssen herausfinden wieso die Magie so weit reicht.", meinte Aberforth dann.
„Und wieso nicht alle Todesser davon betroffen sind.", erwiderte Harry.
Aberforth schob ihm zum Schluss noch einen Keks hin. „Wir brauchen ein ganz bestimmtes Gerät. Es ist sehr empfindlich gegenüber magischen Verbindungen. Und es ist aus reinem Koboldstahl."
Harrys Blick wanderte augenblicklich zu Aberforth. „Das klingt nicht gut."
Aberforth nickte, „Das mag jetzt nicht gut klingen – warte ab, bis wir tatsächlich da sind."
Mit diesen Worten schritt er um die Theke herum und sah Harry vielsagend an.
Harry verschluckte sich beinahe, „Jetzt gleich?"
„Nein ich habe noch ewig zu leben, Potter. Natürlich jetzt gleich!", knurrte Aberforth und Harry sprang auf.
Aberforth packte ihn darauf am Arm und Harry spürte das unangenehme Ziehen der Apparation. Nach London zu apparieren war ohne Feldzauber sicherlich nicht einfach und er sandte ein Stoßgebet an wen auch immer, damit er nicht zersplinterte.
Sein Gebet wurde entweder erhört oder Aberforth war sehr gut im Apparieren. Welches es davon war, war Harry an der Stelle ziemlich egal.
Die Winkelgasse war sehr leer – im Vergleich zu seinen letzten Besuchen dort. Doch Leere wäre ihm im Augenblick sehr lieb gewesen. Die vereinzelten Zauberer und Hexen, die hier ihres Abendgeschäftes nachgingen, machten Harry ein mulmiges Gefühl im Bauch. Es war schon sehr dunkel und nur vereinzelte Fackeln erleuchteten die Winkelgasse. Irgendwie wirkte es hier ebenso dunkel wie in manch anderem Zweig dieses magischen Teils von London, obwohl es hier früher sehr lebhaft gewesen war.
Aberforth stieß ihn von hinten an und sie setzten sich in Bewegung. Langsam näherten sie sich der einzigen Zaubererbank, in der Harry je gewesen war. Doch es war aktuell keine Zaubererbank, denn sie bot niemandem den Zutritt. Harry wusste nicht so genau, wie sie sich nähern sollten. Die Kobolde waren nicht gerade freundlich gegenüber den Zauberern gestimmt. Es mochte auch gute Gründe haben, doch es machte ihre Sache natürlich schwieriger.
„Wenn wir gleich dort drin sind.", sprach Aberforth nun, „Keine Magie. Keine Regung. Wir werden dort rein apparieren und uns dann sofort hinknien. Blick auf den Boden und so bleiben, wenn du nicht sterben möchtest."
Harry ignorierte den letzten Teil erstmal, „Wieso haben sie keine Apparationssperren?"
Aberforth schnaubte verächtlich, „Weil sie sie nicht nötig haben."
Damit packte er ihn wieder am Arm und sie verschwanden von der Straße. Harrys Herz hatte ihm vorher schon beinahe aus der Brust springen wollen – nun verging die Apparation für ihn wie in Zeitlupe. Als sie den Wirbel von Magie verließen, bemerkte Harry nacheinander, wie er sich wieder formte und sobald er Beine hatte zum Knien, ließ er sich hinfallen.
Wie durch ein Wunder zersplinterte er dabei nicht, obwohl es hätte sein können mit seiner voreiligen Bewegung. Der kalte und dunkle Steinboden kam in seine Sicht. Neben ihm spürte er Aberforth knien.
Es bewegten sich Wesen um sie. Das klingen von Rüstung und von Schwertern und Äxten.
Schwere Schritte umgaben sie und Harry stockte kurz der Atem.
Etwas Kaltes legte sich ihm in den Nacken.
„Menschen.", grunzte eine tiefe Stimme.
Eine Klinge ritzte ihm den Ärmel auf und berührte beinahe seine Haut. Bei Aberforth war auch ein Ratschen zu hören. Doch sie hatten beide natürlich kein dunkles Mal und so vergingen weitere Momente in Stille. Harry wagte nicht, sich zu rühren, denn die kalte Klinge lag noch immer auf seinem Rücken wie eine Feder. Die Kobolde zitterten nicht. Es war alles still und die Klinge bewegte sich keinen Millimeter.
„Aufstehen.", befahl einer der Gestalten. Harry und Aberforth richteten sich gleichsam langsam auf.
Die Halle war dunkel.
„Nennt uns Gründe euch nicht zu töten.", befahl der Kobold weiter.
Reihen über Reihen von Kobolden mit Rüstung und eine Dunkelheit die Harry kaum fassen konnte. In der Ferne brannten Fackeln, doch der ehemalige Eingang war vollkommen duster.
Auch sie können die Prophezeiungen nicht ignorieren, sprach die Stimme in Harrys Kopf.
Auch mal wieder da, hallten Harrys eigene Gedanken in seinem Kopf.
„Ihr habt gehört, was geschehen ist.", knurrte Aberforth beinahe genauso dunkel. Als hätte er die Stimme auch gehört, „Ihr könnt euch nicht davor verschließen. Ihr währet davon auch betroffen."
Plötzlich schrie einer der Kobolde. Laute, die Harry nicht verstand. Äxte und Schwerter wurden gegen die Brustpanzer gehauen. Eine Symphonie von lauten Schlägen. Vier Male trommelten die Töne der Waffen durch die Halle.
„Wir fürchten keine Menschheit und auch keine Geister, die sich schon vor hunderten von Jahren von dieser Welt abwandten.", knurrte der Kobold. Harry erkannte natürlich keinen von ihnen. Selbst wenn er sich irgendwelche Gesichter hätte merken können – und das war bei Kobolden schon schwierig – waren nun auch noch alle unter Rüstungen verborgen. Silberne und goldene Rüstungen die durch ihre Reflektionen ein winziges bisschen Licht auf den Eingangsbereich warfen.
„Also geht ihr Stolz aber dumm in den Tod? Das Lied ist verstummt, Kobold.", knurrte Aberforth zurück, „Die Waffen werden nicht mehr lange schweigen. Ich möchte sehen wie ihr mit Holz und Metall auf Geister einschlagen wollt, die die Grundfesten unseres Diesseits auseinanderreißen."
„Sagt was ihr für eine Unterstützung für euren kümmerlichen Krieg ihr von uns wünscht. Dass ihr so verzweifelt seid, in euren Tod zu laufen.", entgegnete der Kobold laut.
Die Hälfte der anderen Kobolde schienen ihn nicht zu verstehen und Harry hatte das Gefühl, dass tatsächlich nur ein eher kleiner Anteil der Kobolde Englisch sprach.
Die Magie ist in ihren Urfesten gestört. Wenn das Gleichgewicht noch weiter kippt, leiden auch die Kobolde., diktierte die Stimme ihm und Harry versuchte seine beste und mutigste Stimme aufzusetzen, als er das für die Kobolde wiederholte. Immerhin sah er das Ende der Reihen an gerüsteten Kobolde nicht. Es könnte ewig weiter gehen und er würde es nicht wissen. Ein Licht kam von der Seite und illuminierte eine Reihe von silbrigen Rüstungen, etwa in 30 Metern Entfernung.
Der Kobold, der sprach, hielt inne. Für einen Moment hatte Harry Angst, dass die Stimme ihn ins Verderben geleitet hatte.
Der Kobold wandte sich schlagartig um. Die Reihe die vor ihnen war, barst auseinander und gliederte sich in die Seiten ein. Wie ein Wasserfall wechselten die Kobolde die Positionen und Harry konnte nicht ausmachen, wo die Reihen aufhörten, aber das Geräusch von sich bewegenden Kobolden wollte nicht enden. Einige wenige hatten sich in die endlose Reihe an Kobolden eingereiht.
Der Kobold der noch im Gang stand lief nun vor ihnen, der Schaft seiner Hellebarde rhythmisch auf den Boden schlagend.
Aberforth stieß ihn von hinten an und Harry konnte beinahe nicht glauben, dass er sich bewegen sollte, doch der alte Mann zog an ihm vorbei und Harry zog es in dem Moment vor, nicht bei den Kriegern der Kobolde zurückgelassen zu werden.
Es waren sicherlich mehrere hundert Meter und Harry hatte die Zaubererbank gar nicht so in Erinnerung. Irgendwann blieb der Kobold stehen. Ein anderer kam aus einem Seitengang. Die Reihe von Kobolden barst hier auseinander und sie wurden zur Seite geleitet.
Aus dem Gang an der Seite kam ein weiterer Kobold.
„Begleite sie zu Urithuru. Wenn sie Probleme machen, töte sie.", schnappte der eine Kobold dem anderen entgegen. Darauf wurden noch einige Laute gewechselt.
Der andere Kobold wandte sich ihnen zu und ließ eine Aura frei, die das Licht im Gang zu krümmen schien und auf einmal eine Welle an seelischer Kälte über sie rollen ließ. Dieser Kobold war ein Schatten.
Seine Aura war nicht groß und er wirkte nicht, als wäre er ein bewandter Magier, doch er war eindeutig ein Schatten.
Kobolde können nicht gebrochen werden. Dieser Kobold ist von der Gestalt wie der Thestral, gegen den du gekämpft hast., sprach die Stimme in seinem Kopf.
Harry und Aberforth folgten nun diesem Kobold. Ein Seitenblick auf Aberforth verriet, dass der Mann ebenfalls begriff, was an diesem Kobold falsch war. Dass die Stimme nun wieder so aktiv in Harry war, konnte auch nichts Gutes heißen.
Aberforth stieß Harry nochmals von der Seite an und zischte ihm zu, „Der Kobold zu dem wir gehen. Er wird haben, was wir wollen. Aber hör genau darauf, was ich sage. Ich war schon hier bevor deine Eltern überhaupt geboren waren."
Harry nickte als Zeichen, dass er verstanden hatte. Der Schattenkobold hatte sie wahrscheinlich gehört, aber es war wahrscheinlich nicht allzu schlimm. Alberforth war ja der Ansicht, dass sie bereits wussten, was sie wollten. Sonst würden sie sie nicht dahin führen, wo sie hin wollten. Eines der großen Probleme aktuell war, dass sie nicht mit den Kobolden handeln konnten. Was hatten sie ihnen schon anzubieten? Sie verstanden ja nicht wirklich, wie deren Gesellschaft oder deren Handelssystem funktionierte. Vielleicht scherten sich die Kobolde auch nicht so sehr um das Bankwesen.
Harry wusste natürlich, dass Bill der Kontakt zu den Kobolden war. Aber das war wohl eher aus Freundlichkeit der Kobolde Bill gegenüber und nicht, weil sie für die Kobolde so wertvolle Partner waren. Immerhin hatten sie auch aufgehört, Lebensmittel von Bill zu kaufen.
Das alte Schienensystem war nicht weniger imposant als bei seinem ersten Besuch. Nur war nun das Problem, dass es viel viel dunkler war als zuvor. Als der Schattenkobold den Hebel betätigte, gab es einen harten Ruck und sie wurden nach vorne befördert. Kleine Fackeln zischten an ihnen vorbei und Harry konnte das Wirken von unterschiedlichen Zaubern spüren. Kobolde hatten vielleicht keine klassischen Zauberer, aber die Bank war dennoch durchzogen von Magie, sonst wäre sie so nicht konstruierbar. Die Frage war, wie viele Schätze der Magier sie einfach einbehalten hatten.
Der Stopp war ebenso abrupt wie der Start der Fahrt. Der Schattenkobold stieg nicht normal aus dem Karren sondern verschwand kurz in schwarzen Rauchschwaden und tauchte dann am Rand von etwas auf, dass auf den ersten Blick wie ein Verließ aussah. Der Kobold wollte wohl zeigen, dass er Harry notfalls würde folgen können. Doch ob sich das bewahrheitete, würden sie dann ja sehen. Das Aufwallen der zweiten Präsenz in seinem Geist drückte er hart nieder. Er konnte es sich nicht leisten, die Kontrolle abzugeben.
Die Wand zum vermeintlichen Verließ war aber nicht geschlossen. Ein kleiner koboldgroßer Durchgang war hier in den Stein gehauen. Es sah aus, als wäre grobe Hammerschläge dafür verantwortlich gewesen. Harry und Aberforth mussten sich beide ducken, um durch diesen Durchgang gehen zu können. Vom Innenraum kam so viel Licht, dass es Harry beinahe blendete. Er konnte sich nicht vorstellen, dass man ohne größere Probleme einfach von dem grellen Licht hier drin wieder nach draußen in die beinahe vollständige Dunkelheit würde laufen können.
Der Schattenkobold nahm nun Haltung an. Keine Haltung wie die der Muggelsoldaten, die auf dem Stützpunkt waren. Der Kobold stand breitbeinig da mit beiden Händen am Schaft seiner Waffe.
Aberforth war einen halben Schritt vor Harry und sie beide starrten auf den Kobold, der mit einem Hammer auf ein kleines Instrument einschlug als hätte ihm persönliches Unrecht getan. Doch nach den ersten zehn Schlägen bekam Harry den Verdacht, dass es irgendwie zum Produktionsprozess gehörte. Wieso er so rabiat mit einem kleinen Instrument umging, war dann wohl Koboldsache. Das kleine eiserne Ding war rund und enthielt kleinere, ineinander verschachtelte goldene Ringe, die der kleinen Bewegung beim Auftreffen des Hammers nach zu urteilen alle beweglich waren. Es wirkte insgesamt nicht wie etwas, auf das man eindrosch als hätte es die Mutter von einem beleidigt.
„Kobold.", paffte Aberforth direkt feindselig. Und er sagte zu Harry, ihm würde sein Leben nicht lieb sein.
Der Schmied – oder etwas, was nach Aberforths Ansicht kein Schmied war – blickte auf und starrte die beiden an.
„Wir suchen den Grund dafür, dass euer Freund dort existieren kann. Wenn es euch nicht in den Sinn gekommen ist, ein Kobold der schattenmagische Kraft hat, bedeutet auch, dass draußen in der wirklichen Welt noch viel mehr Dinge kaputt sind.", forderte Aberforth dann weiter. Wie er immer ein wenig kratzig klang, erstaunte Harry.
Der Schmied hielt für einen Hammerschlag inne. Dann setzte er zum Antworten an, ließ aber weiter seinen Hammer munter auf das Instrument fallen.
„Da bist du hier falsch. Ich habe kein Interesse daran, was in der Welt ganz oder zerbrochen ist. Ich strebe nicht danach, irgendwelche Dinge zurecht zu rücken. Das ist reine Menschensache. Kobolde nehmen die Umgebung so hin, wie sie ist und arbeiten mit dem, was sie bekommen. Und sie sind gut darin. Ich weiß nicht, was du von mir erwartest, Mensch.", knurrte der Hammerkobold.
Der Schattenkobold grunzte wie als Bestätigung.
Ein plötzlicher, ununterdrückbarer Drang entsprang aus dem Ort, von dem die Stimme kam, und übermannte Harry. Er trat nach vorne und konnte die Worte nicht kontrollieren, die aus seinem Mund kamen, „Wann ist der Zyklus zu Ende, Urithuru?"
Das Gefühl von Kontrollverlust machte Harry sehr unwohl im Bauch und er lockerte die Barriere, die er zwischen sich und der zweiten Präsenz geschaffen hatte.
Der Schmied hielt inne. Tatsächlich legte er den Hammer beiseite und schritt in Richtung eines der Regale. Er holte vier dieser kleinen runden Instrumente heraus. Seine schuppigen Klauen umschlossen die Metallgehäuse fest und der Kobold machte einige ruppige Schritte an Harry und Aberforth vorbei, in die Mitte einer der Wände der kleinen Kammer. Er hielt eines der Instrumente vor sich und ließ darauf seinen Arm fallen.
Das Instrument blieb an seiner Stelle stehen und schwebte nun gut einen Meter über dem Boden.
Der Schmied ließ ähnliche Instrumente an den anderen Wänden schweben. Ein blaues Leuchten tauchte in den Ringen auf und einige der Ringe lösten sich aus der Form und schwebten vor den Instrumenten. Sie drehten sich, verformten sich, fingen an rot zu glühen. Kleine Disken von glühendem rotem Metall schwebten in der Luft, als das rote Leuchten die Ringe ausmalte.
Darauf löste sich ein zweiter Ring, welcher Grün zu glühen begann. Dieser Positionierte sich auf die andere Seite von dem Instrument.
Das blaue Glühen verband die vier Instrumente und bildete ein perfektes Quadrat im Winkel zum Raum und rote und grüne Ovale schwebten an den Seiten, alle ein wenig gekrümmt und in eine Ecke des Raumes orientiert. Harry spürte auf einmal die starke Magie des Raumes.
Nein, nicht stark. Sie war nicht stärker geworden. Harry konnte sie nur besser spüren und – dem blauen Leuchten nach zu urteilen – auch besser sehen.
„Nicht anfassen.", zischte Aberforth ihm zu, „Sphärische Harmonien."
Als wenn ihm das irgendetwas sagen würde. Doch Harry schritt mit Aberforth im Raum umher und nun spürte Harry es auch. Das blaue Feld war deutlich verzerrt. Wenn er raten würde, würde er sagen, dass es tatsächlich in Richtung von Hogwarts stärker wurde. Doch die Veränderungen war so leicht, dass es kaum Ausschlag gebend war. Alle grünen Ovale zeigten etwa in die Richtung von Hogwarts, während die roten in die Gegenrichtung zeigten.
Der Kobold stand nun inmitten des blauen Leuchten. Er war selbst nicht beleuchtet und reflektierte das blaue Licht auch nicht und Harry verstand in dem Moment, was diese Instrumente taten. Sie verdeutlichten magische Felder. Als würde man mit einer Lupe darauf sehen.
„Minimal. Unbedeutend. Es gibt kein Problem und nichts bedroht die Existenz der Kobolde. Es ist uns gleich, was mit den Menschen geschieht. Wenn sie von der Kaltmagie verschluckt werden, ist es uns gleich.", knurrte der Kobold und mit einer abgehakten Handgeste waren auf einmal alle Lichter erloschen und die Instrumente klirrten zu Boden.
Aberforth stieß ihn an, als wollte er ihn dazu bewegen, eines davon aufzuheben. Vielleicht war es ja höflich.
Harry bückte sich und wurde beinahe sofort von einem Kraftstoß zur Seite gefegt, der von dem Schattenkobold kam. Harry rollte sich ab und sprang auf, in Kampfstellung gehend. Der Schattenkobold regte sich nicht weiter. Er sollte wohl nur nichts anfassen. Aberforth war in der Zeit zum anderen Ende vom Raum gegangen. Er hatte ihm nicht einmal geholfen und war einfach aus dem Weg getreten. Sehr nett von dem Mann.
„Ihr könnt gehen.", knurrte der Kobold nun. Der Schattenkobold klopfte sich kräftig mit der Klaue auf den Brustpanzer und trat vor Harry und Aberforth aus dem Raum.
Der Weg nach oben war nicht angenehmer als der Weg nach unten, doch nun sah Harry, dass die Helligkeit definitiv abnahm, je näher sie der Oberfläche kamen. Vielleicht war es unten in den Gängen und Hallen ja taghell.
Aberforth stieß ihm aus dem Karren genau in dem Moment, als eine Welle der anderen Seite Harry erfasste und die Stimme in seinem Kopf zischte, Mach dich bereit.
Worauf bereit machen? Harry wandte sich um, doch der Schattenkobold schritt einfach an ihnen vorbei nach vorne, sie in Richtung des Ausganges leitend.
Die Halle war genauso dunkel wie vorher. Es standen noch immer die vielen Kobolde in zwei sich gegenüberliegenden Reihen dort und Harry kam sich schon etwas bedrängt vor, als sie hinter dem Schattenkobold hertrotteten.
Von hinten ertönte plötzlich eine Art Schrei. Es konnte auch ein Ruf sein. Harry hatte keine Zeit, es zu verarbeiten. Aberforth packte ihn an der Schulter und zog ihn mit sich aus Gringotts weg.
Sie landeten in der Winkelgasse. Harry löste sich aus dem Griff des Mannes und starrte ihn fassungslos an.
„Was ist passiert?", fragte Harry hektisch und Aberforth grunzte nur als Antwort. Harry bemerkte erst jetzt, dass der Umhang des Mannes ausgebeult wirkte. Er hatte einige der Instrumente gestohlen. Das konnte ja super werden.
Harry spürte die Aura beinahe augenblicklich und konnte sich und Aberforth aus dem Weg eines Kraftstoßes reißen.
Aberforth disapparierte. Und Harry jagte ein Fluch in Richtung der Aura.
Jetzt formte sich überhaupt erst der Kobold in der Seitenstraße der Winkelgasse. Der Fluch störte ihn nicht. Er schritt langsam auf ihn zu, goldene Rüstung im schwachen Licht glänzend. Der Kobold wirkte nicht verrückt. Er wirkte nicht zerstört oder beeinträchtigt. Er schien ganz und gar wie ein normaler Kobold – mit schattenmagischen Kräften. Schwere Rüstungsgeräusche drangen an Harrys Ohr als der bis auf einen kleinen Schlitz für die Augen vermummte Kobold auf ihn zuschritt.
Du musst loslassen., sprach die Stimme nun erneut. Wie damals in Brüssel. Doch Harry würde den Teufel tun bevor er der anderen Seite wieder eine solche Macht über sich gab.
Der Kobold verschwand und seine Aura wanderte blitzschnell. Harry sprang zurück und ging wieder in Stellung als der Kobold auftauchte und nach ihm schwang. Eine Axt tauchte in der Hand des Kobolds auf und ein schwerer Schwung traf Harry beinahe in die Seite.
Die schwere Metallwaffe krachte in den Stein und trieb Splitter und Staub in die Luft.
Harry sprang von dem Kobold weg. Er musste nachdenken. Das war eine große Axt. Wo war Aberforth überhaupt?
Wir können dir helfen., drängte die Stimme erneut.
Der Kobold sprang neben ihm und schwang wieder mit der Axt. Harry sprang einen Moment zu spät zur Seite und die Axt streifte seinen Arm. Schmerz flammte in ihm auf. Er hatte sich von der Stimme ablenken lassen.
Harry beschwor Schneidezauber, Kältezauber, Todesflüche. Der Kobold wurde zurückgeworfen, rappelte sich aber sofort wieder auf. Was hieß Fluchresistenz denn überhaupt bei magischen Wesen? Harry war das nie klar gewesen.
Harry zog seinen Dolch als der Kobold neben ihn sprang. Er griff den Kobold an und stach mit seinem Dolch zu, doch er kam überhaupt nicht durch die Rüstung. Er verfehlte die Lücken und die Klinge prallte am Metall ab. Der Kobold stieß ihn mit seinem Bein zu Boden.
Eine Fackel löste sich von der Wand und prallte gegen den Schattenkobold. Er wurde zurückgeschleudert – dieses Mal einige Meter.
„Steh auf, Junge.", zischte Aberforth hinter ihm. Das musste er sich nicht zweimal sagen lassen.
Harry schoss Eissplitter aus seiner Hand auf den Kobold. Die waren für den gepanzerten Kobold nur ein Ärgernis.
Mit Aberforth war es ein gleicherer Kampf. Der Kobold ließ die Axt in den Stein krachen und sandte Kraftstöße auf sie. Harry schaffte es deutlich einfacher, diese abzuwehren. Aberforth ließ weiter Gegenstände in den Kobold krachen, doch dieser erwartete das nun.
„Du musst loslassen, Junge.", knurrte Aberforth neben ihm und Harry blieb beinahe der Atem stecken.
Der Kobold warf seine Axt und sie sprangen zur Seite. Es war schon wieder viel zu knapp.
„Ich kann nicht.", rief Harry dem anderen Mann entgegen. Harry sandte seinerseits einen Kraftstoß auf den Kobold, der das Wesen wieder zurückwarf. Doch es störte ihn nicht sonderlich. Harry konnte auch nicht im Nahkampf gegen den Kobold kämpfen. Magische Hilfe oder nicht – der Kobold war überlegen.
„Du musst. Tu es.", pampte Aberforth ihn laut an.
Als der nächste Kraftstoß ihn beinahe wieder umgeworfen hätte, atmete Harry durch. Er löste die Bande um die zweite Präsenz sachte.
Es war als wäre er in Trance gefallen. Seine Hände bewegten sich scheinbar wie von selbst. Seine eine Hand zeichnete auf seiner anderen und eine blutige Schrift erschien auf seiner Rückhand. Seine Hände begannen zu leuchten. Es war reines weißes Licht.
Etwas flammte in Harry auf. Es war wie das Feuer, dass er aussenden konnte, nur um so viel heißer. Glühendes Blut floss durch seine Hand und sein Hals und sein Bauch brannten.
Das Leuchten verstärkte sich vielfach. Eine grelles Lichtformte sich vor seiner Handfläche, bildete die Form eines Hirsches, und galoppierte los. Der Schattenkobold war unvorbereitet. Der Hirsch rannte den Kobold um und dunkles Blut spritzte, obwohl der Kobold nur mit seinem Helm auf dem Stein aufschlug.
Der Kobold sprang beinahe wieder auf. Weißglühende Kugeln schossen von Harrys Händen und der Kobold schrie mit bestialischem Ton als sie ihn umgaben. Ein Zischen war zu hören, als der Kobold wieder zu Boden ging.
Die zweite Präsenz zog sich zurück.
Harry musste schnell sein. Er ließ Magie – Schattenmagie – in seine Arme fließen und zog die Axt aus der Wand hinter sich. Er sprang damit neben den Kobold und schwang mit so viel Kraft wie er aufbringen konnte. Die Halsplatte sprang aus der Niete und die Axt wurde abgefedert. Der Kobold rührte sich. Harry schlug nochmal zu und diesmal glitt die Axt in den Hals des Koboldes.
Das Blut war leicht violett als es herausspritzte. Harry ließ die Axt los und wankte einige Schritte zurück.
„Wieso konnte ich…", setzte Harry an, doch er wusste nicht, wie er diese Frage beenden sollte. Stattdessen sagte er, „Das ist mein Patronus. Das war ein Patronuszauber."
Aberforth schüttelte den Kopf, „Nein, Junge. Das war kein Zauber. Der Patronuszauber beschwört deinen Schutzgeist. Du hast ihn selber gerufen. Das war keine normale Magie, Junge. Das war weiße Magie. Meinen Glückwunsch."
Es war beinahe zu viel für Harry. Er wollte sich setzen.
„Bevor du umkippst sollten wir verschwinden. Wir geben die Instrumente am Besten in deine Zentrale. Wenn jemand für den Besitz davon umgebracht wird, dann doch bitte nicht ich. Bald wimmelt es hier von Kobolden und ich habe keine Lust in der Mitte der nächsten Koboldkriege zu stehen."
Harry nickte, noch immer auf die Stelle starrend, an der der Patronus stand. Dann wanderte sein Blick zu dem Kobold. Harry stand mittlerweile in dessen Blut.
Das war eine wirklich große Axt.
„Ich muss mich bei Professor Binns entschuldigen.", flüsterte er tonlos.
„Du bist im Schock. Ich dachte du hättest schonmal gekämpft, Junge. Jetzt kipp hier nicht um, weil wir ein Biest getötet haben.", brummte Aberforth.
Der Hirsch trabte zu ihm und Harry konnte ihn einen langen Moment ansehen. Der Hirsch wirkte… froh. Froh, ihn wiederzusehen. Als hätte er ihn vermisst.
Schließlich verschwanden das Leuchten und auch der Hirsch. Das Zischen hörte auf und der Platz war wieder ruhig. Aberforth packte seinen Arm und wieder disapparierten sie.
