Die Geräte die Aberforth und Harry von den Kobolden bekommen hatten waren faszinierend. Beide waren allerdings sehr unzuvorkommend mit genaueren Informationen gewesen. So blieb es an Hermine und, zu ihrem Erstaunen, auch Luna, herauszufinden, wie sie funktionierten.
Albert Bridger markierte vor ihnen verschiedene Positionen auf der Karte, an denen er noch Messungen benötigte. Die vier Jugendlichen – obwohl sich Hermine mittlerweile gerne als Erwachsene bezeichnete – saßen direkt davor. Im Hintergrund standen Thomas und Emilia. Emilia würde ihnen helfen können, da sie magische Spuren sah. Sonst im Raum hatten diese Fähigkeiten nur Luna und Harry, obwohl Luna diese Fähigkeit wohl etwas seltsam entwickelt hatte.
Harry und Ron konnten aber natürlich nicht bei der Sache bleiben und so musste sich Hermine wohl ausschließlich auf sich selbst – oder noch schlimmer – auf Luna verlassen. Vielleicht konnte sie Emilia dazu bringen, ihr zu helfen statt zu sichern, damit sie noch jemanden dabei hatte, der sowohl fokussiert als auch klar im Kopf war.
Sie hatte natürlich nichts gegen Luna. Man konnte sie nur nicht als sonderlich klar im Kopf bezeichnen. Aber das war auch nicht schlimm, vielleicht war das gerade das was Harry suchte. Hermine versuchte in jedem Fall sich nicht einzumischen.
Hermine hielt eines der schweren Instrumente in der Hand. Es waren nicht einfach nur metallene Scheiben mit irgendwelchen Ringen drin, wie Harry sie beschrieben hatte. Es war viel mehr als das. Hermine ließ ihren Finger an der Fassung des Instrumentes entlanggleiten. Es war perfekt glatter Stahl. Die äußere Fassung stand etwas nach innen über und das tat auch jeder Ring. So sollte es eigentlich unmöglich sein, dass sich einer der Ringe löste.
Außerdem enthielten die Ringe eine Gravur in einer Schrift, die Hermine nicht entziffern konnte. Man hätte es vielleicht als ein Muster bezeichnen können, aber die Regelmäßigkeit war nicht künstlerisch, sondern vielmehr sprachbedingt.
„Hermine?", fragte Ron und sie schreckte auf. Sie wollte natürlich nicht zu viel Zeit verschwenden. Harry und Emilia übernahmen den Weg nach England. Sie wollten niemanden durch Apparieren auf sich aufmerksam machen und anscheinend war es schwerer zu erkennen, wenn jemand das Schattenspringen verwendete.
Die Luft in Wales war kalt und die Umgebung nebelig. Es war ein kleiner verlassender Bauernhof und die Positionen, an denen gemessen wurden, wurden mit einer Mischung aus mathematischer Notwendigkeit und strategischer Sicherheit ausgewählt.
Hermine hatte den kleinen Stapel von Instrumenten unter ihren Arm geklemmt. Die gefährlichste Stelle war während dem Durchführen der Messung, da sie an dem Punkt auf jeden Fall einiges an Aufmerksamkeit erregten.
Zusammen näherten sie sich einem der markierten Punkte. Sie mussten versuchen so wenige Fehler wie möglich bei der Platzierung der Messgeräte machen. Sie hielt das Gerät etwa auf Schulterhöhe und ließ es dann los. Zum Glück fiel es nicht wieder herunter, wie die ersten zehn Male, in denen sie versucht hatten, die Geräte zu bedienen.
„Alle auf dieselbe Höhe zum Terrain oder auf dieselbe Höhe zur Waage?", fragte Emilia nun von der Seite.
Hermine schüttelte den Kopf, „Wir haben es bisher immer zum Terrain gemacht und ich denke nicht, dass wir das ändern sollten. Außerdem war das auch die Empfehlung von Bridger, um störende Effekte aus dem Boden zu mitigieren."
Sie gab Luna und Emilia die anderen Geräte und justierte selbst das vierte Gerät. Kurz darauf schwebten die alle Geräte in der Luft und die Ringe lösten sich langsam aus ihren Fassungen. Hermine konnte das von Harry beschriebene blaue Leuchten natürlich nicht sehen, doch sie spürte deutlich, wie die magischen Felder um sie herum verstärkt wahrnehmbar wurden. Als wäre es auf einmal kälter geworden – immerhin lag etwas Schattenmagisches über dem Land.
Hermine schritt zur Seite und griff sich den Notizblock mit den anderen Messungen. Luna und Emilia schritten zu den einzelnen Ringen und holten improvisierte Messgeräte hervor. Ein kleines Farbrädchen sorgte dafür, dass die beiden, die die magischen Felder sehen konnten, eine ungefähre Skala hatten, wie unterschiedlich die Feldstärken waren.
„Wie viele haben Messungen haben wir noch?", fragte Luna nun und Hermine spinkste nochmals auf die Liste in ihrer Hand.
„Zwei.", antwortete sie schließlich, „Diese hier und dann noch eine in Schottland."
Luna summte für einen Moment ein Lied, das Hermine nicht kannte, während Emilia zu Hermine trat und ihr über die Schulter sah.
„Benötigen wir keine neutrale Messung? Damit wir wissen, wo der Nullpunkt der Instrumente liegt?", fragte Luna dann und Hermine schielte sie an, erwiderte jedoch nichts.
„Sie hat durchaus recht.", murmelte Emilia und Hermine erwiderte auch darauf nichts. Sie sagte nur, „Die Werte bitte."
„7.6 und 7.7", sprach Luna darauf und Emilia sagte, „7.55 und 7.6" von der Seite.
Hermine notierte die Werte und drückte Emilia zwei Maßbänder in die Hand, „Jetzt die Harmonien bitte."
Luna war sich noch sicherer mit den Messungen als Emilia und Hermine war nicht gerade begeistert von der augenscheinlich plötzlichen praktischen Begabung des Mädchens. Vielleicht war sie unfair zu dem Mädchen, immerhin hatte Hermine ihr vielleicht Gründe gegeben, sich dafür zu schämen, wie sie war. Vielleicht wollte sie nun zur Abwechslung so tun als wäre sie normal.
„Ich hatte dich nie für den Wissenschaftstypen gehalten.", murmelte Harry, nachdem er sich in die Nähe von Luna positioniert hatte. Hermine ignorierte ihre Unterhaltung.
„Wenn du ehrlich bist", erwiderte Luna fröhlich, „Weißt du auch nicht, was für Fächer ich in Hogwarts gewählt hatte."
„Und einer der Wahlfächer war Messungen an magischen Feldern mit…", Harry gestikulierte in Richtung der leuchtenden Ringe, „Was auch immer das hier ist?"
Luna würdigte Harry keines Blickes, als sie antwortete, „Ich habe eklektische Interessen."
Ron lachte von der anderen Seite und Harry machte eine fröhliche, aber beleidigende Handgeste dem Rotschopf entgegen. Zu Luna gewandt sagte er, „Ist ja auch egal, ich liebe dich auch ohne zu verstehen was du sagst."
Luna flog das Maßband aus der Hand und es schnappte zu, rotierte in der Luft und als sie sich danach Bücken wollte, knallte sie mit Emilia zusammen, die sich ebenfalls danach gebückt hatte. Eine neue Welle von schallendem Lachen kam von Ron, welcher nun sich gegen das alte Bauernhaus stützte, hinter dessen Hof sie maßen.
„Das war wirklich lustig, Ron.", rief Harry ihm schmunzelnd entgegen. Luna, mit rotem Kopf, formte Worte mit dem Mund, brachte jedoch keinen Ton heraus, als sie das Maßband wieder ansetzte. Emilia schielte zur Seite und klopfte ihr zur Beruhigung auf die Schulter, als sie für das Mädchen die Werte durchgab, „Ich habe 100 auf beiden Seiten und Luna hat 120 zu 90."
Hermine notierte die Werte und wandte sich wieder von ihnen ab. Während Hermine sich Notizen machte um sich die Hessematrix zu skizzieren. Ron hingegen hatte aufgehört zu lachen und schritt gemütlich auf Harry zu, „Das war sehr amüsant von euch und ich muss sagen, dass Luna ihren Teil sehr schön gestaltet hat! Und Emilia war sogar so freundlich mitzumachen!"
Emilia grinste ebenfalls, „Ich dachte nicht, dass sie sich danach bückt, immerhin lag es direkt bei mir!"
Luna stand noch immer mit rotem Kopf da, bis Harry schließlich in den Kreis schritt und sie drückte.
„Herzallerliebst!", rief Ron, „Und du kannst mir auch nicht vorwerfen ich wäre neidisch und würde euch deshalb necken! Ich muss überhaupt nicht neidisch sein!"
Das brachte Hermine dann doch zum Grinsen. Als Ron das sah, ergänzte er, „Ich kann es immerhin auch!"
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„Das ist eine vollständige Auflistung der Feldstärken und das hier…", sagte Bridger und kramte ein gefaltetes Poster aus der Tasche, dass er ebenfalls an die Wand hing, „Ist eine Berechnung, die ich machen ließ. So sieht der magische Effekt etwa aus."
Thomas stand neben Bridger und sie sahen sich eingefärbte Karten an. Harry war sich nicht unbedingt sicher, was er auf denen sah, aber Bridger hatte mehrere Kopien der Karten anfertigen lassen und sie mit hell- bis dunkelroten Markierungen eingefärbt. Eine der Karten war beinahe uniform in einen leichten roten Teint getaucht. Doch obwohl England stark unter dem Einfluss der Kraft zu stehen schien, reichte auf keiner der Karten der eingefärbte Bereich über das Meer.
„Es reicht nicht bis Frankreich. Es muss an dem dunklen Mal liegen, dass Draco Malfoy erkrankt ist. Wie ist sein Status?", fragte Thomas darauf.
„Stabil aber schlecht.", gab Bridger zu, „Wir müssen ihn irgendwie lösen, aber ich fürchte, dass das darauf hinauslaufen wird, das dunkle Mal lösen zu müssen."
Harry fühlte sich etwas fehl am Platz bei der Unterhaltung, aber vermutlich musste er das Gefühl überwinden. Immerhin waren sie Teil von dem, was geschah, und hatten auch ein Recht, alle Informationen zu bekommen. Harry sah sich um und Luna lächelte, als sich ihre Blicke kreuzten. Hermine und Ron jedenfalls schienen sich nicht so unwohl zu fühlen wie Harry, allerdings konnte es auch sein, dass er ihre Mimiken nicht richtig deutete.
„Wie stabilisiert ihr ihn?", fragte Hermine nun, „Ich habe nichts mitbekommen!"
Bridger wandte sich um, „Er wird intravenös versorgt und wir geben ihm Tränke."
„Was für Tränke?", hakte Hermine natürlich nach, „Ich habe das nachgesehen und in der Muggelwelt ist die Krankheit bekannt und wird im Allgemeinen als unheilbar angesehen!"
Bridger seufzte, „In der Tat ist es ein trickreiches Phänomen. Wie alle Proteinfaltungskrankheiten ist sie schwer zu behandeln, da der Körper nicht dagegen ankämpfen kann. Wir verwenden einen neu entwickelten Proteolysetrank. Proteolyse ist der körpereigene Vorgang, Proteine wieder zu zersetzen und der Trank ist in der Lage, das auch bei schwierigen Proteinen zu forcieren. Im jungen Draco Malfoy allerdings sorgt das dunkle Mal dafür, dass in seinem Gehirn immer neue Proteine falsch gefaltet werden. Wir können die Ausbreitung eindämmen, allerdings ihn nicht heilen, solange er dieses Mal hat."
Hermine nickte zufrieden. Harry konnte gut verstehen, dass sie es genau wissen wollte, aber auch, dass Bridger sich nicht immer wiederholen wollte.
„Der Einfluss kommt definitiv aus Hogwarts oder?", fragte Thomas dann.
„Dort ist das Feld jedenfalls am Stärksten.", erwiderte Bridger.
Für einen Moment hielten alle im Raum inne. Bis schließlich Thomas sich wieder zu Wort meldete. „Ich kenne die Signatur, die über England liegt."
Ron sprang auf, „Echt?"
Thomas nickte, „Unsäglicher Bridger wird das vielleicht nochmal prüfen wollen, aber… Scheinbar ist es die Signatur von Erick."
Das war ein sprichwörtlicher Schlag in die Magengrube für Harry, „Wirklich?"
Es verging ein Moment in Stille, und Harry hakte nach, „Wie kann das sein? Nachdem wir so viel Arbeit darein gesteckt hatten, damit wir ihn los sind?"
Thomas sah kurz zu Bridger, als würde er nach Bestätigung suchen. Dann erklärte er, „Es kann sein, dass wir nicht sauber getrennt wurden. Das muss nicht heißen, dass wir noch verbunden sind oder dass mein Ende der Verbindung nicht sauber ist aber, dass… Seine Magie vielleicht erwartet hat, mit etwas verbunden zu werden. Voldemort hat vielleicht eine große Chance verpasst, als er ihn getötet hat."
„Aber was hat das hiermit zu tun? Voldemort hat Erick getötet, weil er der Ansicht war, dass er so herausfindet, wie er so etwas auch für sich erschafft.", fragte Harry.
Bridger räusperte sich, „Was Unsäglicher Thomas zu sagen versucht ist, denke ich, eine Theorie, die wir schon einige Zeit diskutieren. Wenn Ericks Seite der Verbindung noch irgendwie… offen war, dann hat seine Zerstörung vielleicht ein Ungleichgewicht der Magie an Voldemort und vielleicht sogar an die ganze Gegend geheftet. Die These war, dass der dunkle Lord versucht, den Schaden von sich abzuwenden."
„Aber…", setzte Harry an, „Das hieße ja, dass er von den Aufklärern wusste, die das dunkle Mal trugen. Draco ist offensichtlich, aber die Aufklärer und damit vielleicht auch…"
Thomas nickte, „Ich denke, dass wir davon ausgehen müssen, dass Severus ebenfalls betroffen ist, wir ihn bisher nur nicht gefunden haben."
Bridger schüttelte den Kopf, „Wenn wir ihn bisher nicht behandelt haben, dann ist der Mann nicht mehr als ein lebloser Haufen Fleisch."
„Aber normalerweise ist der Krankheitsverlauf doch…", setzte Hermine an, doch Bridger unterbrach sie.
„Normalerweise ja, aber nicht in diesem Fall.", pampte er, „Wie ich eben erklärt hatte, sorgt das dunkle Mal dafür, dass die Krankheit künstlich beschleunigt wird. Aber um ehrlich zu sein habe ich hierfür überhaupt keine Zeit. Belassen wir es einfach dabei, dass es anders ist. Entschuldigen Sie mich."
Bridger schritt schnell aus dem Raum und Harry sah ihm noch einmal hinterher. Der Mann war doch mehr von seiner Gefangenschaft beeinflusst worden, als Harry lieb war. Hoffentlich war er in Therapie.
„Wir erwischen ihn auch immer an schlechten Tagen, oder?", fragte Harry dann, „Gestern war er noch besser drauf."
„Wir sollten uns vielleicht lieber um die Probleme kümmern, für deren Lösung wir bezahlt werden.", erwiderte Thomas, „Ich habe vollstes Vertrauen in unsere Heiler."
„Also um mal zusammenzufassen", meldete sich Ron zu Wort, „Wir haben starke magische Wesen, die durch Schattenmagie beeinflusst werden und dann auch noch kranke Todesser. Und alles damit Voldemort nicht selber unter dem leidet, was er sich eingefangen hat?"
Thomas nickte bedächtig, „Ich denke, dass er einen Weg gefunden hat, die zerstörerische Magie von sich abzulenken. Schattenmagie benötigt zwar Lenkung, aber sie im Körper zu haben ist dennoch ein hohes Risiko."
„Es gibt ja einen Unterschied zwischen dem Verwenden und der Präsenz von Magie.", fügte Emilia an.
„Voldemort hängt an seiner Stärke!", warf Hermine ein, „Sicher könnte er die Schattenmagie in sich aufnehmen, aber das würde bedeuten, dass er seine normale Magie aufgeben muss."
Thomas blickte kurz zu Harry und erwiderte, „Wir wissen noch nicht einmal, ob das der Fall ist. Harry kann anscheinend normale Magie wirken."
Hermine und Ron blickten zu ihm und Ron klappte der Mund auf.
Harry zuckte mit den Schultern, „Ich weiß noch nicht einmal wie weit das reicht, ich würde meinen Zauberstab benötigen um wirklich festzustellen ob es geht. Wenn es ihn noch gibt."
„Der Zauberstab wurde intakt gefunden und der Beweismittelsicherung übergeben.", antwortete Thomas, „Das ist jetzt sogar eine gute Gelegenheit. Folgt mir."
Der Zauberstab von Harry war sogar beinahe griffbereit, was Harry ein wenig misstrauisch machte. Allerdings hatte er Emilia von seinen Erfahrungen erzählt und auch Thomas wusste davon. Dass sie seinen Zauberstab bereits beantragen würden hätte er sich denken können.
Harry hatte keine Erwartungen als er seinen Zauberstab in die Hand nahm, allerdings dachte er schon, dass irgendetwas passieren würde. Als er seinen Zauberstab das erste Mal berührt hatte, hatte er es deutlich gespürt. Vielleicht war seine Beziehung zu seiner alten Magie noch nicht so stark, denn der Zauberstab fühlte sich für ihn an wie ein einfaches Stück Holz.
Vielleicht war es aber auch situationsbedingt. Wenn er sich auf seine normale Magie konzentrierte, konnte er den Zauberstab vielleicht erwecken? Würde die Schattenmagie ihn vielleicht beschädigen und noch viel wichtiger – was war mit der weißen Magie, die er laut Aberforth gewirkt haben sollte?
„Ich werde euch nun alleine lassen. Findet heraus, wie weit Harrys Fähigkeiten gehen. Ich muss mich um England kümmern.", sagte Thomas und verließ den Raum.
Ron sah ihm mit hochgezogenen Augenbrauen hinterher, „Ist etwas hochmütig aber okay."
Harry lächelte entschuldigend, „Naja, England ist glaube ich das Genaueste, was wir dazu haben."
Ron ging darauf nicht weiter ein, sondern forderte stattdessen: „Also, wollen wir? Wir können ja mal schauen ob der Trainingsraum frei ist!"
Der Raum war tatsächlich frei und es schien als wären die Feldzauber ausgeschaltet. Keiner von ihnen wusste, wie man die in Gang setzte, allerdings wollten sie sich auch gar nicht gegenseitig bekriegen.
„Ich frage mich wirklich, ob das so funktioniert, oder ob es nur an der Situation lag.", murmelte Harry. Luna drückte aufmunternd seine Hand.
„Also schön!", rief Ron entschlossen, „Dann wollen wir das mal testen! Entwaffne mich!"
Harry sah Ron unsicher an, doch der Rotschopf wirkte zuversichtlich. So stellte er sich Ron gegenüber und sprach mit einer, was er hoffte, entschlossenen Stimme war, „Expelliarmus!"
Der Zauberstab flog ohne große Geräusche aus Rons Hand. Harry wusste nicht, was er erwartet hatte, aber es war sehr seltsam. Es funktioniert einfach. Er fühlte sich aber nicht anders und war nach wie vor noch so kalt wie vorher. Doch das war wahrscheinlich auch vollkommen etwas anderes. Ein Schattenmagier, das war, was er war und die Magie war das, was er konnte.
„Das war super!", rief Ron, „Jetzt probieren wir am besten noch was anderes, öhm…"
Er sah sich kurz um, und wirkte etwas unsicher, „Hat jemand ein Streichholz?"
„Ein Streichholz?", fragte Harry etwas verdutzt.
Hermine meldete sich zu Wort, „Erinnerst du dich nicht? Die erste Lektion in Verwandlung. Streichholz in eine Nadel verwandeln."
Harry nickte bedächtig, „Macht irgendwie Sinn. Ich weiß gar nicht, ob das mit der Verwandlung noch klappt. Dieselben Dinge mit Schattenmagie zu machen ist so anders dass ich nicht weiß ob ich mich jetzt wieder an Normalmagie gewöhnen kann."
„Das musst du auch überhaupt nicht.", erwiderte Hermine, „Allerdings ist der Überraschungsmoment sicherlich groß, wenn du auf einmal normale Magie wirken kannst."
„Ganz zu schweigen von der Tatsache, dass du auch fähig sein solltest, weiße Magie zu wirken.", warf Luna ein.
Harry seufzte, "Eines nach dem Anderen bitte."
„Streichholz!", rief Ron nochmal. Luna fummelte in ihrer Tasche und holte doch tatsächlich eine kleine Papierschachtel heraus. Sie schob sie auf und holte ein Streichholz heraus.
„Japp. Streichholz.", murmelte Harry und blickte Luna ein wenig verwirrt an. Diese zuckte nur mit den Schultern. Die Lektionen von McGonagall waren alle nicht sonderlich einfach gewesen – besonders am Anfang. Verwandlung hatte einige unterschiedliche Phasen und die erstmal alle gemeinsam hinzukriegen war nötig bevor man überhaupt seine allererste Verwandlung durchführen konnte.
„Brauchst du Hilfe?", fragte Ron belustigt.
„Ich benötige einen kleinen weiteren Moment bevor du mir direkt vorwirfst ich hätte alle vergessen.", grummelte Harry.
Er schwang seinen Zauberstab und visualisierte alle einzelnen Komponenten der Verwandlung in seinem Kopf. Es geschah langsam, aber schlussendlich verwandelte sich das Streichholz in eine Nadel.
„Sehr gut!", rief Luna darauf und Ron klopfte ihm auf die Schulter.
„Hat es sich anders angefühlt als früher?", fragte Hermine nun.
„Ich weiß nicht was das heißt.", erwiderte Harry.
„Wie fühlt es sich denn insgesamt an?", fragte Ron.
Mit einem Seitenblick auf Luna antwortete Harry, „Wie Wärme. Als würde ich fremde Magie wirken. Allerdings kann ich mich ja auch irren. Es ist schwierig Veränderungen an mir selbst zu bemerken. Das wird auch das Problem anderer Schatten sein."
„Außerdem ist es hier drin super kalt und jede Magie ist wahrscheinlich deutlich spürbar.", beschwerte sich Ron.
Hermine lächelte und setzte sich neben Ron, welcher den Arm um sie legte. Das war durchaus neu und Harry war gar nicht bewusst gewesen, dass seine Freunde sich endlich dazu entschlossen hatten, sich etwas näher zu kommen. Harry löste seine Augen von den Beiden als Luna ihm in die Wange piekste. Die Berührung sandte allerdings eine Welle der Wärme durch seinen Körper, die ihn komplett aufzuheizen schien.
Harry lehnte sich zur Seite und murmelte, „Irgendwann finde ich heraus wie du das machst."
„Du meinst wie du es so wenig machst, dass nicht alles in Flammen aufgeht?", fragte Luna schnippisch und Harry musste grinsen.
„Das wäre nicht gerade romantisch, da hast du Recht."
„Also gut, wir wissen schonmal, dass Harry wohl Zaubern kann. Nicht gut, aber er kann es!", rief Ron jovial.
Harry sandte dem Rotschopf nochmal einen beleidigten Blick zu und auch Hermine schlug ihm auf den Arm.
„Zu viel? Ja gut. Aber wir müssen nur noch herausfinden was die Sache mit der weißen Magie ist."
„Das wird denke ich nicht so einfach sein.", erwiderte Harry, „Immerhin habe ich vermutlich nicht so viel Kontrolle über die weiße Magie und außerdem ist es ja auch nichts womit man einfach zielen und feuern kann."
„Aber du musst zugeben, dass es wohl ein Vorteil sein wird. Niemand wird damit rechnen, dass du das im Kampf machst."
„Aber es wäre nur so lange ein Vorteil bis die Magie sich dazu entscheidet, dass ich der Böse bin und mich tötet."
„Fangen wir doch mit dem Patronuszauber an!", sagte Hermine dann, „Das sollte nicht so schwierig sein. Statt ihn zu beschwören musst du ihn nur rufen!"
„Nur rufen?", wandte Harry skeptisch ein, „Wie soll ich das denn machen?"
„Das kann dir niemand richtig sagen.", erwiderte Luna, „Das musst du am besten selbst wissen."
„Das ist nicht gerade aufmunternd. Soll ich meditieren oder so?", fragte Harry nun.
Natürlich gab es auch darauf keine Antwort.
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Als Aberforth wieder nach vorne in die Stube seines Lokals kam, sah er, dass die Kreatur auf einem der Barhocker saß und an einem Feuerwhiskey nippte.
Aberforth setzte den Stapel von Tellern ab, den er getragen hatte und setzte sich auf seinen eigenen Hocker hinter der Bar, gegenüber der Kreatur.
„Man sollte meinen, dass du nichts trinkst, wenn du im Dienst bist.", brummte er schließlich, als der andere Mann keine Anstalten machte etwas zu sagen.
Darauf setzte er schließlich den Feuerwhiskey ab, „Ist es nicht seltsam, dass die einzigen Menschen, die Albus hinreichend kannten, trotzdem eine vollkommen unterschiedliche Sicht auf den Mann haben?"
„Du hast vielleicht Nerven hier aufzutauchen. Als würde es nicht auffallen, wenn ein Feuerwerk Schattenmagie auf einmal in einem der Gebäude sitzt.", antwortete Aberforth. Die Kreatur regte keine Miene und er war wieder wie Aberforth ihn eigentlich kannte und nicht, wie er sich verstellte um menschlicher zu wirken.
„Ich denke nicht, dass der dunkle Lord sich darum schert, wer in diesem Dorf herumläuft. Wenn es dir nicht aufgefallen ist, ist er ist aktuell mit etwas Anderem beschäftigt.", antwortete Grindelwald ruhig. Er setzte das Glas mit dem Feuerwhiskey ab und sah Aberforth mit kalten Augen an. Absolut nichts hatte sich geändert und Albus war zu blind gewesen um das zu sehen.
„Wo ist Fawkes?", fragte Grindelwald dann beiläufig.
Die Kreatur wollte ablenken, aber wieso sie gerade das als Thema auswählte, wusste Aberforth nicht, „Wieso glaubst du ich würde dir das sagen?"
Grindelwald spielte mit dem Rand des Glases, „Du weißt es nicht? Interessant. Ich hatte das Gefühl, dass Fawkes vielleicht zu dir fliegen würde, nachdem Albus nun gestorben ist."
„Vielleicht ist der Vogel auch mit ihm verbrannt.", erwiderte Aberforth.
„Vielleicht. Aber das käme mir schon sehr seltsam vor. Ich gehe mal nicht davon aus, dass wir ihn dann bald wiedersehen werden. Niemand weiß ja so richtig, wieso ein Phönix überhaupt zu einem Menschen geht. Fawkes hätte jederzeit verschwinden können.", murmelte Grindelwald.
Hoffentlich hatte der Mann nicht Albus Angewohnheit von ihm geerbt, sich in Trampelpfaden zu verlieren.
„Gib schon zu, dass du weißt, was los ist.", zischte Aberforth, „Und du lässt die Todesser einfach verrecken während du das Spiel von Albus übernimmst und jetzt nach und nach die Noten änderst, bis sie zu deinem Lied tanzen."
Grindelwald hatte tatsächlich den Schneid zu lachen. „Weißt du, Aberforth, es wäre vermutlich hilfreich, wenn du ein wenig mehr das Spiel spielen würdest, statt dich hier zu verkriechen, weil es dir nicht anders in den Kram passt. Der junge Harry könnte viel mehr Lenkung vertragen, aber stattdessen wirfst du ihn lieber ins kalte Wasser."
„Manche Dinge kann man nicht erklären und ich kann nicht jedem die Hand halten.", antwortete Aberforth.
Thomas leerte das Glas mit dem Feuerwhiskey und Aberforth machte beinahe automatisch die Bewegung, nachzuschenken, stoppte sich aber rechtzeitig.
„Das gilt aber doch nicht für deinen Nachfolger, so überrascht wir auch davon gewesen sind. Doch im Rückblick macht es natürlich Sinn."
„Also. Raus damit. Was geht hier vor sich? Und keine Lügen und kein drum herum reden!", zischte Aberforth. Er wollte diese Kreatur so schnell es ging wieder aus seinem Lokal raus haben.
„Du denkst schon wieder, dass ich böswillig Informationen vorenthalten würde. Ist dir nicht in den Sinn gekommen, dass ich das tatsächlich gutwillig tue?", entgegnete Grindelwald, „Aber nein, dafür müsstest du mir ein Stück Vertrauen entgegen bringen. Was die vier Kinder im Begriff sind herauszufinden, ist nicht einfach eine Störung der magischen Felder um Großbritannien. Wenn meine Theorie stimmt, dann ist es ein Fehler von dem dunklen Lord selbst, der hierzu geführt hat."
Aberforth nickte bedächtig. Grindelwald fing sogar an, Sinn zu machen, „Die Zerstörung deines Bruders."
Thomas nickte, „So ein hohes Ungleichgewicht verpufft nicht einfach. Zerstörerische Magie hat sich in Erick angestaut und als Voldemort ihn vernichtet hat, ist sie auf ihn übergegangen. Doch ich theoretisiere nur und weiß es nicht genau. Aber um zu deinem ursprünglichen Punkt zurück zu kommen, nein, ich halte ihnen diese Information nicht vor. Wir haben exakt eine Chance, die Betroffenen dieser magischen Verwesung zu heilen, und die baut darauf, dass der Heilende dieses Phänomen durch und durch versteht."
„Du glaubst, dass Potter sie heilen kann.", knurrte Aberforth zurück, „Aber wieso lässt du sie so lange dahinsiechen?"
„Weil das alles mit der Zentrale koordiniert ist. Weißt du, Dumbledore hat seine Spiele immer vollkommen undurchsichtig getrieben. Wenn die Figuren nach meinem Lied tanzen, wie du es so schön formuliert hast, dann ist das abgesprochen, abgesegnet, und drei Redundanzen von Führungskräften wissen darüber Bescheid. Es ist ein bürokratisches Spiel, dass ich treibe. Solltest du auch mal versuchen. Es geht doch nichts über ein Formular, dass einem erlaubt, Menschen blind zu Einsatzstellen zu schicken, um sie zu testen."
„Pah! Das zeigt nur, dass die ganze IVZ verdorben ist."
Die Kreatur hob die Augenbrauen, „Hast du oder hast du nicht Harry Potter mit einem bis auf die Zähne bewaffneten, schattenmagischen Kobold alleine gelassen um die Instrumente wegzubringen, die du gestohlen hast?"
„Potter kam klar und im Gegensatz zu dir habe ich nicht das Bedürfnis ihm jeden Meter hinterher zu stehlen."
„Du glaubst immer, dass ich buchstäblich meine Augen überall hätte, obwohl das nicht ferner der Wahrheit sein könnte."
„Na was soll es denn sonst sein? Die Male in denen ich deine verdammten Biester verscheuchten musste kann ich schon garnicht mehr zählen! Ich wette wenn ich jetzt nach draußen trete, sehe ich sie schon wieder!", knurrte Aberforth.
Grindelwald hatte auch noch den Mumm, zu schmunzeln, „Ich denke eher nicht. Seitdem ich wieder bei Bewusstsein bin, habe ich keine neuen Projektionen erstellt. Der Kampf mit dem Kobold wurde mir von Aufklärern der Zentrale geschildert."
Aberforth hielt inne. Er spürte keine Anzeichen einer Lüge und das machte ihm zu schaffen, „Du lügst, Kreatur."
„Thomas, bitte, aber… nein, das tue ich nicht.", der Ton war vorsichtig und Grindelwald zog seine Stirn in Falten.
„Wäre es nicht so offensichtlich, dass die Raben in Hogsmeade deine Signatur tragen, würde ich es in Erwägung ziehen.", knurrte Aberforth zurück.
Grindelwald verschwand augenblicklich. Er zerbarst in einem Wind aus dichtem schwarzen Nebel und kleinen Eiskristallen. Kurze Zeit später war nichts mehr von dem Mann zu sehen und Aberforth öffnete die Eingangstür. Er war noch immer in der Nähe.
Es dauerte nur zehn Sekunden, bis er hinter Aberforth auftauchte.
„Du hattest Recht.", sagte er. Die Kreatur wirkte bedächtig, „Definitiv meine. Aber ich kann sie nicht kontrollieren. Glaubst du, dass es ein Seiteneffekt meiner Trennung ist?"
Aberforth wandte sich um, „Darum machst du dir Sorgen? Ich dachte, du würdest der Kraft nachtrauern, die du dort hinein gesteckt hast."
Grindelwald machte eine abfällige Geste, „Sandkörner am Strand. Ich mache mir aber mehr Sorgen darum, was aus den Humanoiden geworden ist. Ich spüre sie nicht, und kann sie nicht kontrollieren. Wer weiß was für Schabernack die Abbilder anrichten können, denen ich beigebracht habe zu sprechen."
Aberforth schnaubte abschätzig, „Das bekommt man, wenn man dunkle Magie anwendet. Nicht vorhersehbare Konsequenzen."
Grindelwald zuckte mit den Schultern, „Vielleicht. Aber in jedem Fall sollte ich das wohl melden. Entschuldige mich."
Damit verschwand er wieder.
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Ein weißer Nebel tauchte kurz vor Harry auf, verschwand aber direkt wieder. Es war zum verrückt werden. Er brachte ein schwaches Leuchten zustande, aber es ging einfach nicht weiter.
„Ich dachte das wäre mehr so eine an oder aus Sache. Immerhin sollte die andere Seite doch selbst wissen, wie man die eigene Magie verwendet. Ich habe keine Kontrolle über den Zauber. Wie zur Hölle mache ich ihn dann falsch?"
„Vielleicht bist du nicht in Not genug. Luna, schlag ihn!", schlug Ron nachdenklich vor.
„Ron!", empörte sich Harry. Luna schnippste ihm gegen die Wange und sah mit großen Augen in sein Gesicht.
„Nein.", sagte sie schließlich, „Ich glaube das würde nicht helfen. Aber gute Idee, Ronald."
„Vielleicht ist es wirklich die Gefahr. Oder du musst irgendwie mit der Magie kommunizieren, was du möchtest.", warf Hermine ein.
Harry kratze sich am Kopf, „Ich kann es mir aber nicht so einfach vorstellen. Außerdem weiß ich nicht, was es heißt, wenn ich mit der Magie kommunizieren soll."
„Vielleicht müssten wir es an etwas probieren, dass einen richtigen Zweck erfüllt. Vielleicht ist dein Bedürftnis nicht stark genug, weiße Magie nur zu Testzwecken zu wirken.", sagte Luna.
Harry wandte sich ihr zu, „Du schlägst nicht etwa einen Menschen vor, oder?"
„Eigentlich eine gute Idee.", warf Ron ein, „Jedenfalls haben wir so einen direkten Fokus."
Das klang alles wie eine sehr schlechte Idee für Harry. „Ron.", forderte er direkt, „Bist du dir sicher, dass das eine gute Idee ist?"
Ron zuckte mit den Schultern. Harry seufzte, „Also schön."
Es war nicht so als würde sich Draco Malfoys Zustand sonst irgendwie ändern. Allerdings war Harry dennoch unwohl bei dem Gedanken, mit seiner Magie irgendwo in die Nähe eines lebenden Patienten zu gehen. Er war kein Heiler. Er hatte überhaupt keine Ahnung und er verstand auch die Hälfte der Wörter nicht, die Bridger verwendete.
Dennoch fühlte er sich irgendwie verantwortlich. Obwohl es Emilias Idee gewesen war – dass der Ausgang so verlaufen würde, konnte ja keiner ahnen. Außer vielleicht Thomas, welcher Emilia ausdrücklich gewarnt hatte. Und Dumbledore, der behauptet hatte, man könnte das Böse nicht bannen, das in Nurmengard lauerte. Vielleicht hatte er damit überhaupt nicht Erick gemeint.
Draco war nicht ansprechbar und anscheinend nicht bei Bewusstsein. Der Stationsheiler konnte ihnen nicht wirklich sagen, wie es um ihren ehemaligen Mitschüler stand, allerdings war er auch ein wenig verwirrt von dem plötzlichen Publikum.
„Du musst nichts mit ihm machen. Seine Verbindung zu Voldemort ist hier das Problem und dafür benötigst du kein medizinisches Wissen.", versicherte Luna ihm.
Unsicher blickte Harry auf den Arm von Draco, auf dem das dunkle Mal eingebrannt war. Es ging noch immer eine gefährliche Macht von der Verbindung aus. Harry konnte vage erspüren, dass die Verbindung sehr stark war. Voldemort hatte mehr Macht über seine Todesser, als es den Anschein hatte.
Natürlich war das Harry klar gewesen. Immerhin hatten sich alle Todesser immens Sorgen gemacht, als sie spürten, dass Voldemort vielleicht wieder auftauchen würde. Allerdings musste die Verbindung sogar noch viel weiter reichen als das.
Harry konnte die Verbindung nicht sehen. Dracos Aura war leicht violett zu erahnen, wenn er etwas an dem Jungen vorbei sah. Allerdings war das dunkle Mal, bis auf einen leichten dunklen Schein, wohl nicht so gut mit seinen Sinnen wahrzunehmen. Stattdessen spürte er die Anwesenheit von Voldemort. Es war als stünde er an einem Abgrund und jemand stieß ihn von hinten. So fühlte sich das dunkle Mal für ihn an.
Hier war sein Patronus wohl nicht von großem Nutzen. Doch war konnte er tun?
Wo kam der Patronus eigentlich her? Das wäre ja die Quelle der weißen Magie, die er verwenden sollte. Konnte Harry das überhaupt?
Von ihnen war Ron der einzige, der wusste, wie die andere Seite aussah und nur er konnte wirklich eine Aussage darüber treffen, wie es sich anfühlte, mit der Welt der Geister in Verbindung zu stehen.
„Wie hat es sich angefühlt, Ron?", fragte Harry daher. Ron stand noch im Gang, näherte sich aber jetzt, den Blick nicht von Draco nehmend.
„Ich weiß nicht genau. Es ist nicht wie unsere Welt, aber wer hatte das schon erwartet. Man kann es auch nicht komplett begreifen, wenn man ehrlich ist. Ich glaube das hauptsächliche Problem ist die Zeitlosigkeit der anderen Seite. Die Geister haben sich glaube ich etwas davon eingesperrt gefühlt, mir folgen zu müssen, wie ich durch die Zeit gequetscht wurde. Deren Worte, nicht meine."
„Wow, das war erstaunlich einsichtig von dir.", murmelte Harry. Doch Ron hatte ihm tatsächlich geholfen. Harry konnte nicht erfassen, was die andere Seite war, aber seine Verbindung zu ihr war auf jeden Fall da. Er musste nur lernen sie zu interpretieren. Er konnte sie nicht ganz verstehen, aber er konnte zumindest versuchen einen winzigen Teil der anderen Seite zu kapseln und für sich nützlich zu machen.
Die weiße Magie war vielleicht überhaupt nicht so starr und fremd wie die Leute sagten, sondern folgte einfach anderen Regeln in einer anderen Welt. Harry war aber auch kein Physiker, also musste er etwas umdenken.
Vielleicht war die zweite Präsenz und die Stimme einfach sein Weg mit dieser Magie zu kommunizieren und es war töricht, sich davon abzuwenden nur weil er es unangenehm fand, kontrolliert zu werden.
Ich benötige Hilfe., fragte Harry in seinen Geist hinein. Es kam keine Antwort.
Er muss geheilt werden. Dafür muss die Verbindung mit Voldemort getrennt werden., erklärte er dann, doch auch auf diesen Satz war die andere Seite still. Vielleicht war er die Sache doch falsch angegangen. Vielleicht war die zweite Präsenz kein notwendiges Übel, dass er in Kauf nehmen musste, bis es wieder weg war.
Vielleicht war es einfach die Art, mit der er mit der anderen Seite und der dort herrschenden Magie kommunizieren konnte.
Er hat es verdient von seinen Fehlern gelöst zu werden, immerhin hat er schnell erkannt, dass er sich falsch verhalten hat. Voldemort ist hier das Problem und nicht Draco. Der dunkle Lord muss vernichtet werden und damit auch jede Magie, die er gewirkt hat., forderte Harry darauf.
Es verging ein Moment, in dem noch immer Stille herrschte, aber zumindest hatte sich etwas geregt. Harry bekam eine Ahnung der zweiten Präsenz in seinem Kopf, als wäre sie aufgewacht. Es war wie flüchtige Gedanken, die man nicht unterdrücken konnte. Kleine Bilder, die sich vor seinem inneren Auge abspielten.
Trenne die Verbindung!, forderte Harry nun mit Nachdruck. Es konnte doch wohl nicht sein, dass es jetzt daran scheitern würde, dass er sich nicht klar ausdrückte.
Es brannte in seinen Handflächen. Es war wie bei dem Feuer nur brannte er statt seiner Umgebung.
Seine Handflächen begannen zu glühen. Harry konnte die Verbindung zu Voldemort nicht spüren und das machte ihm Sorgen. Er hatte gelernt, dass solche Verbindungen normalerweise eine ganz bestimmte Signatur hatten. Doch Voldemort war natürlich viel schlauer als sich so einfach erkennen zu lassen. Jahrelang liefen Todesser mit dem dunklen Mal herum, bevor sie jemand als Bedrohung erkannt hatte.
Doch das dunkle Mal war ein Bund der Sklaverei. Das durfte nicht zu offensichtlich sein.
Die weiße Magie legte sich um Dracos Unterarm und umhüllte seinen Mitschüler schnell komplett. Die weiße Magie war nicht von dieser Welt. Zusätzlich wirkte sie als wäre sie unerschöpflich und Harry musste seine Zähne zusammenbeißen damit er nicht zurückschreckte. Luna legte ihm die Hand zur Unterstützung auf die Schulter.
Dann verpuffte die Energie und die Lichtverhältnisse waren schnell wieder normal. Doch die Heiler schienen durch das Geschehen angezogen und eine Schar von Krankenhauspersonal rannte den Gang entlang und auf sie zu.
Direkt mehrere Stimmen riefen durcheinander. Harry hörte „Was ist passiert?" oder „Was war das?" heraus und natürlich auch einige „Was haben Sie gemacht?" oder „Was tun Sie hier?".
Es dauerte allerdings auch nicht lange, bis Bridger, angezogen von dem Lärm, durch den Krankenhausflur schritt und mit einem lauten und harten Tonfall alle Heiler nach draußen schickte. Der Stationsarzt blieb allerdings stur im Raum stehen und ließ sich nicht wegschicken.
„Unsäglicher Potter, bitte berichten Sie.", sagte Bridger ruhig. Harry konnte es durchaus verstehen, aber es war schon komisch, dass Bridger sofort davon ausging, dass Harry schuld war, obwohl noch drei andere im Raum gewesen waren.
Es ging aber alles zu schnell und so nahm sich Harry noch einen kleinen Moment seine Fühler nach dem Raum auszustrecken. Die Verbindung zu Voldemort war verschwunden, aber Harry konnte in dem Trubel nicht mehr sagen, ob Draco noch beeinflusst war oder nicht.
„Ich habe die Verbindung zwischen Draco Malfoy und dem dunklen Lord gelöst. Ich weiß aber nicht, ob noch Rückstände vorhanden sind oder was jetzt mit dem dunklen Mal selber ist.", erwiderte Harry.
„Erklären Sie mir doch bitte, wie Sie das bewerkstelligt haben.", forderte Bridger darauf, aber irgendwie abwesend, während er anfing, an Malfoy rumzudoktern.
„Ich habe weiße Magie eingesetzt. Mehr oder weniger nur gefordert, sie solle Draco von Voldemort lösen. Was genau in diesem Prozess vonstatten ging, weiß ich wegen der Natur der weißen Magie natürlich nicht."
„Interessant.", antworte Bridger gefühllos. Bei dem Tonfall des Mannes hatte Harry keine Ahnung, ob er es wirklich interessant fand.
„Sie haben weiße Magie gewirkt, soweit kann ich das bestätigen.", murmelte Bridger abwesend, „Das dunkle Mal strahlt auch nicht mehr so stark. Das kann ich ebenfalls bestätigen. Was glauben Sie war das Problem? Das dunkle Mal oder die Verbindung zu Voldemort?"
„Definitiv Letzteres. Das dunkle Mal hat sich nicht verändert.", antwortete Harry, „Voldemort nutzt es nur mehr als vorher. Ich glaube, dass die Natur des dunklen Males schon immer zerstörerisch war, allerdings war diese Verbindung jetzt zum ersten Mal richtig aktiv."
Bridger nickte bedächtig. Dann wandte er sich Harry zu, „Nun, Unsäglicher Potter, ich hoffe, dass Sie nicht viel zu tun haben, denn ich habe noch einige andere Patienten, die Ihre Hilfe benötigen."
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Thomas kam erst wieder am Abend zu Emilia. Er wirkte nach außen sehr entspannt, doch Emilia konnte die Reste von Sorge in seinem Blick sehen. Er war die ganze Zeit nicht ganz entspannt gewesen.
Wenn sie es genau nehmen wollte, war er vielleicht entspannter gewesen, als er dachte, er würde sterben. Jetzt lastete wohl die Präsenz der Schatten wieder auf seinem Gewissen. Es war nun irgendwie wieder Thomas Aufgabe, sie zu vernichten.
„Klappt es so, wie du dir dachtest?", fragte Emilia, als er durch die Haustür schritt.
Thomas legte seinen Mantel ab, „Nicht ganz, aber fast. Harry benötigt etwas mehr Übung mit seiner Normalmagie, aber darum geht es auch überhaupt nicht. Niemand von uns weiß so richtig, wie man weiße Magie verwendet und die einzige Person, die das vielleicht wusste, ist mittlerweile tot."
„Sicher, dass Albus die einzige Person war? Vielleicht gibt es ja irgendwelche esoterischen Zauberer, die das auch drauf haben. Irgendwo bei den Urvölkern Indonesiens, oder in den Reservaten in Nordamerika, oder auch in China."
Thomas runzelte die Stirn, „Deine Vorschläge sind alle sehr seltsam. Aber das tut auch nichts zur Sache. Immerhin haben wir kaum eine Wahl aktuell. Wir haben nicht viel Zeit. Wir müssen auf dem schnellsten uns bekannten Weg versuchen, die Aufklärer zu heilen und ich denke, dass Harry dieser schnellste Weg ist. Aber wenn wir die weiße Magie richtig verstehen, dann ist sie zu verstehen sowieso der falsche Ansatz."
Emilia nickte, „Ich habe Essen gemacht. Ich nehme nicht an, dass Harry kommt?"
Die Frage war eher rhetorischer Natur.
Thomas nickte bedächtig, „Ich glaube, dass er noch immer ein Problem mit Zugehörigkeit hat. Er bleibt selten lange an einem Ort. Zum Glück hat er eine Freundin sonst würde niemand jemals wissen, wo er ist."
Emilia lächelte, „Sie ist sehr nett. Sehr komisch, aber auch sehr nett. Kannst du glauben, ich habe mich ein Mal mit ihr unterhalten und sie hat mich irgendetwas über irgendeine Verschwörungstheorie gefragt?"
Thomas zuckte mit den Schultern, „Aktuell tut sie ja auch niemanden weh. Wollen wir hoffen, dass das auch so bleibt."
Thomas setzte sich und sie aßen. Dabei verging ein Moment in Stille. Früher hatte es Emilia immer erstaunt, dass Thomas beim Essen absolut keine Geräusche machte. Es war als würde er sich gar nicht bewegen, geschweige denn schneiden oder mit der Gabel den Teller berühren. Mittlerweile hatte sie sich daran gewöhnt, obwohl sie dennoch ab und zu einmal nach oben sehen musste um zu prüfen, ob Thomas noch da war.
Sie hielten für einen Moment inne. Schließlich entschied sich Emilia dazu, das anzusprechen, was sie schon die ganze Zeit ansprechen wollte, „Du brauchst mir nicht hinterher spionieren. Das was du nicht wolltest das ich tue habe ich doch schon längst getan."
Thomas legte seine Gabel hin. „Wie bitte?"
„Der Rabe draußen. Übrigens ein sehr süßes Tier, aber es ist wirklich nicht nötig, dass er da ist."
„Ich muss ein Déjà vu haben. Soweit ich weiß sind alle Abbilder, die ich geschaffen hatte, entweder verpufft oder ich habe die Kontrolle über sie verloren. Bist du sicher, dass es meines ist?"
„Es schwingt jedenfalls so wie du. Außerdem ist es ja nicht so, als wäre deine Magie wie die eines beliebigen anderen Schatten. Auch wenn du nicht mehr mit Erick verbunden bist, ist es dennoch auffällig, dass du als Schatten geboren wurdest und nicht verwandelt wurdest."
„Ist er jetzt auch noch da?", fragte Thomas dann.
„Wenn ich jetzt ja sage, stehst du dann sofort auf oder können wir noch zu Ende essen?", konterte Emilia.
Thomas starrte sie nur an.
Emilia seufzte, „Na schön. Ja er ist noch draußen. Ich glaube nicht, dass er vor hat sich zu bewegen. Ich ging nur davon aus, dass er mir hinterher spioniert, weil er immer auf dem Haus gelandet ist, als ich hier hergesprungen bin. Als wäre er sonst geflogen oder so."
Thomas nickte. „Na schön. Finden wir heraus, was mit den Dingern los ist."
Er lief schon wieder los, ohne auf Emilia zu warten. Etwas genervt folgte sie ihm. Draußen angelangt dauerte es nicht lange, bis der Rabe gefunden war. Üblicherweise gaben die Vögel zumindest ein paar Geräusche von sich, doch dieser Rabe tat das natürlich nicht.
Thomas beschwor Schnur und band die magische Kreatur. Emilia verzog die Miene dabei. Ihr war natürlich klar, dass das kein echter Vogel war, allerdings war es trotzdem nicht nett mit anzusehen. Der Vogel fiel vornüber und landete mit einem dumpfen Ton auf dem Waldboden vor Thomas Haus.
Sie schritten näher und der Rabe bewegte sich nicht.
„Sollte er sich nicht… wehren?", fragte Emilia darauf. Der Rabe tat einfach nichts. Sie konnte sich nicht vorstellen, dass das normal war.
Thomas nickte, „Vielleicht verschwinden sie nur langsamer als gedacht. Die Magie scheint sich zu verflüchtigen. Doch wieso es so lange dauert weiß ich nicht. Entweder sie sollten noch unter meiner Kontrolle sein oder sie sollten von selbst verpuffen. Dass ich sie nicht kontrollieren kann, sie aber noch da sind, ist eigentlich nicht möglich."
„Wegen der Schattenmagie.", erwiderte Emilia.
Thomas nickte. „Ich muss… Eines meiner Abbilder rennt in Menschengestalt jetzt sicherlich wie ein Bescheuerter durch England. Ich weiß nicht, was es mit Humanoiden macht, wenn sie nicht mehr mit mir verbunden sind."
Emilia seufzte, „Ich hatte mich eigentlich auf ein Wochenende gefreut, dass ich nicht damit verbringe, irgendeinem Thomasklon hinterherzujagen."
Thomas stand auf und ließ den Raben verschwinden. „Wir alle haben unsere Last zu tragen. Zumindest funktioniert es noch wenn ich die Zerstörung einleite."
„Können wir jetzt weiter essen?", fragte Emilia genervt.
Thomas berührte sein Abzeichen und grinste sie dabei auch noch an.
„Unsäglicher Thomas?", fragte der Disponent auf der anderen Seite.
„Ich benötige Informationen über den Aufklärer, der auf mein Abbild aufpasst.", erklärte Thomas darauf.
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„Normalerweise ist es ja eher unüblich, dass Unsägliche nichtmenschliche Informanten verwenden. Aber da einer unserer Unsäglichen ein Hauselfe ist, dachte ich mir, ich könnte genauso gut ein Abbild verwenden. Außerdem war für diesen Zweck der Aufklärer da.", erklärte Thomas auf dem Weg durch die Winkelgasse.
Sie trugen beide unauffällige Roben und waren dennoch in großer Gefahr. Auf der Länge der Winkelgasse waren sie vielleicht 40 Menschen begegnet, was nicht sonderlich viel war, allerdings reichte eine einzelne Person, die sie erkannte und meldete.
Emilia hatte keine allzu große Lust jetzt auch noch gegen Todesser zu kämpfen.
„Wir haben es nicht sonderlich weit und sollten es schnell hinter uns bringen können.", versicherte Thomas in diesem Moment, „Die Zentrale hat Brodeur erst heute Morgen kontaktiert."
„Aber nicht persönlich, sondern über sein Abzeichen.", erwiderte Emilia.
Thomas nickte, „Wenn er gerade nicht in seiner Wohnung war, dann ist das auch vollkommen verständlich. Was soll er denn in der Öffentlichkeit machen?"
„Nicht sein Abzeichen verwenden vielleicht.", sagte Emilia.
„Wir sind fast da, komm."
Das Haus war ein typisches Winkelgasse Gebäude. Die Winkel waren alle nicht rechteckig und die Linien waren krumm. Insgesamt war es ein ulkiges Bild und sie war froh, dass sie in einer Muggelwohnung gewohnt hatte. Auch Thomas Haus folgte nicht den Eigenarten der Zaubererarchitektur, obwohl das auch daran liegen konnte, dass Thomas Deutscher war und damit strengere Linien mochte.
Sie kamen durch eine kleine Seitengasse auf die Hinterseite der Häuser. Hier war eine Eingangstür, die zwar verschlossen aber nicht verzaubert war. Das Betreten eines Hauses war normalerweise nie schwierig, selbst in der Winkelgasse.
Sie stiegen langsam auf die dritte Etage. Thomas hielt inne, und als Emilia an ihm vorbeischaute bemerkte sie, dass die Tür offen stand.
„Immer ein gutes Zeichen. Bereit machen.", murmelte Thomas. Emilia nickte. Es lag plötzlich eine gewisse Anspannung in der Luft, die vorher nicht da war. Es sollte ein einfaches Treffen sein. Ihnen wurde sogar gesagt, dass sie herkommen sollten.
Die Wohnung war mit viel Holz eingerichtet, insgesamt ein wenig ungemütlich, und sehr dunkel. Dicke Vorhänge bedeckten die Fenster und der Raum war im Halbdunkeln kaum zu sehen.
Thomas ließ eine kleine leuchtende Kugel über seiner Hand erscheinen und Emilia tat es ihm gleich.
Es war unordentlich. Sehr unordentlich. Als hätte ein Feuergefecht stattgefunden. Emilia sah Rückstände von Flammzaubern auf der Wand und Holzsplitter, die in der Wand steckten, als hätte man sie als Geschosse verwendet, waren definitiv nicht normal. Zerfetzte Seilstücke lagen herum, die aus irgendeinem Grund nicht verschwunden waren.
Eine schwache schattenmagische Aura lag in der Luft.
„Sie haben ihn gefunden.", murmelte Emilia, „Hier war definitiv ein Schattenmagier."
Thomas nickte, „Du hast Recht. Aber ich verstehe das nicht. Die Zentrale hat behauptet, der Aufklärer würde sich melden und auch die Kugeln sind nicht angeschlagen. Schattenmagie ist zwar nicht auf die Kristallkugeln abbildbar, aber Todesgefahr ist es definitiv."
Thomas ging zur rechten Seite hinunter. Die Wohnung war insgesamt nicht groß. Ein kleines Esszimmer. Ein kleiner Bereich in dem eine Couch stand und eine Küchennische. Zusammen umrahmten die drei Bereiche das Schlafzimmer, dessen Tür geschlossen war.
Thomas schritt zur Tür, die kleine Lichtkugel hinter sich schweben lassend. Er näherte sich mit seiner Hand der Türklinke, berührte sie aber eine Minute lang nicht. Schließlich ließ er seine Hand sinken und das Schloss klickte in der Tür.
„Ein Zauber lag auf der Tür.", kommentierte er beiläufig.
Durch den offenen Spalt konnte Emilia sehen, dass es auch in dem Raum absolut dunkel war. Doch bevor sie mehr ausmachen konnte, schlug Thomas die Tür wieder zu.
So stand er da. Arm gegen die Tür und auf die Klinke starrend. Nach zwei Minuten machte sich Emilia langsam Sorgen, „Ist alles okay? Türklinke doch verflucht?"
Thomas antwortete für einen Moment nicht.
„Wenn du jetzt von irgendeinem dahergelaufenen Schatten verflucht wurdest, dann werd ich aber sauer!"
Thomas schüttelte den Kopf. „Ich denke nach.", sagte er. Er nahm einen tiefen Atemzug und schnaubte als wäre er genervt.
Emilia wollte etwas sagen, doch Thomas unterbrach ihren Gedankengang. „Kopfblasenzauber, bitte."
„Oh scheiße.", zischte Emilia und schritt zu Thomas. Sie legte mit einer Handgeste den Zauber auf sie beide und stieß Thomas zur Seite. Sie öffnete die Tür und ließ das Licht der Leuchtkugeln in den Raum scheinen.
Hier waren keine Spuren eines Kampfes. Doch der Unsägliche infrage war an seinen Handgelenken mit einem Seil an der Decke festgebunden. Emilia stieß die Tür weiter auf, damit auch Thomas hineintreten konnte.
Die Blutlachen auf dem Boden waren beachtlich. Das war keine normale Menge an Blut, jedenfalls nicht von einem Menschen. Der Unsägliche war noch bekleidet, allerdings hatte er keine Schuhe an. Das Gesicht war vollkommen weiß.
Die Lippen fehlten. Der blutverschmierte Unterkiefer hing leicht hinunter und es schien als seien die Zähne in ihren Fassungen explodiert. Emilia machte ein paar prüfende Zauber und stellte fest, dass wirklich Zahnsplitter einige der Wunden verursacht hatten.
Das Durchtrennen der Haut und der Muskeln jedoch war eindeutig mit einem Messer vorgenommen worden.
Hinter Emilia berührte Thomas sein Abzeichen. Es dauerte nicht lange, ehe eine körperlose Stimme in den Raum hallte.
„Japp?", fragte der Disponent salopp.
„Wir…", begann Thomas. Er hielt kurz inne und fing erneut an, „Wir haben die Wohnung, in der Aufklärer Brodeur stationiert war, begangen. Wir haben den Unsäglichen mit eindeutigen Todeszeichen vorgefunden. Alles Weitere kann Ihnen Unsägliche Brown durchgeben."
Emilia wandte sich um und tippte erst ihr Abzeichen an, dann das von Thomas.
„Hier ist Heiler Brown. Unsäglicher Brodeur ist ermordet worden und an seinen Handgelenken aufgehangen wurden. Zähne fehlen, vermutlich durch Explosionszauber. Lippe und Muskeln wurden vom Kiefer komplett entfernt, bis hinten zum Caput Mandibulae. Dieser ist sichtbar. Unterkiefer vermutlich zum Todeszeitpunkt nicht mehr verwendbar. Die Temperaturverhältniszauber sagen aus, dass der Tod wohl vor vier Tagen eingetreten ist.", protokollierte Emilia.
„Brodeur hat viel Blut verloren.", kommentierte Thomas, seine Stimme nun kalt, „Vermutlich ein Quellzauber. Der Unsägliche ist wahrscheinlich lange am Leben gehalten worden. Ich werde alle Tatortaufnahmen durchführen und erbitte darum, dass die Familie informiert wird. Zusätzlich ist relativ sicher ein Schattenmagier dafür verantwortlich."
„Verstanden.", erwiderte der Disponent mit ernster Stimme, „Ich werde alles in die Wege leiten. Ich notiere, dass Unsäglicher Brodeur verstorben ist. Bitte ziehen sie sich so schnell es geht wieder aus England zurück, wenn sie ihre Arbeit getätigt haben."
Mit diesen Worten war wieder Stille im Raum. Emilia wandte sich um. Der ganze Boden war klebrig.
„Quellzauber?", fragte sie an Thomas gewandt.
Dieser ließ den Blick ebenfalls über den Boden schweifen, „Um das Opfer länger am Leben zu erhalten, während es blutet."
Emilia nickte und wandte sich wieder der Leiche zu. „Was musstest du vorhin nachdenken? Das war kein Schattenmagier, oder?"
„Nein.", antwortete Thomas, „Aber wir wissen zu wenig, um etwas Anderes zu behaupten. Bringen wir das hier hinter uns. Ich beginne mit der Spurensuche und du schließt die Untersuchung an der Leiche ab."
A/N: Und wieder da
