Ron hatte noch nie so weit sehen können. Die Luft war extrem klar und als er in die Ferne sah, bemerkte er deutlich die Krümmung des stillen Wassers.

Die Krümmung ging nur in die falsche Richtung. An den Rändern der Welt, ganz weit in der Ferne, schien sich der Ozean leicht nach oben zu wölben. Eine versammelte Mannschaft von neun Leuten stand auf einer kleinen, kaum aus dem Wasser herausragenden Insel von etwa 8 Metern Durchmesser.

„Was machen wir jetzt?", fragte Hermine von hinten, „Das ist nicht gerade die große Insel, die ich mir vorgestellt hatte."

„Wir sind auch noch nicht da.", kommentierte Luna abwesend.

„Na dann machen wir uns mal auf die Suche.", sprach Jason und es gab ein kurzes, beinahe nasses Geräusch, und die Umrisse des Unsäglichen verschwammen für den Bruchteil einer Sekunde.

Jason sah verwirrt an sich herunter.

„Kein Apparieren?", fragte Alexander und Jason nickte nur.

„Hat sich komisch angefühlt?", fragte Alexander weiter und wieder nickte Jason.

„Springen funktioniert auch nicht.", kommentierte Emilia.

Harry meldete sich am Schluss zu Wort, „Wir könnten ein Boot beschwören."

Ron versuchte seinen Blick von dem endlosen Ozean zu lösen und sah sich nach hinten um.

Hermine, Luna und Harry standen da. Und hinter ihnen fünf Unsägliche die Ron alle anstarrten.

Wobei Thomas eher gelangweilt aussah. Emilia wirkte wie ein unerschöpflicher Geduldstopf. Jason und Alexander waren eher damit beschäftigt, Steine über das Wasser zu werfen. Caroline sah auch eher auf die Wellen als auf ihn.

Okay, vielleicht war seine Anführerrolle noch nicht so gut ausgeprägt, aber irgendwo musste jeder mal starten.

„Also wir nehmen Harrys Idee und beschwören Boote.", forderte Ron dann, „Jeweils zwei Leute."

„Ich nehme Luna!", rief Emilia fröhlich und begann eine Kaskade von seltsamen Ausrufen der Unsäglichen. Natürlich sprangen Alexander und Jason sofort mit ein, aber es war nicht so als wollten sie sich selbst melden, vielmehr unterbrachen sie alle anderen mit Dingen wie „Thomas sollte mit Hermine fahren!" oder „Caroline und Ron wäre toll!"

Also stieg Ron dann am Ende tatsächlich mit Caroline in ein von Hermine beschworenes Boot. Zumindest konnte Ron damit noch eine weitere Person befragen. Er wollte wirklich nicht so nervig sein – aber die Fragen brannten Hermine und ihm schon lange auf der Zunge. Es war ja auch eine riesige Organisation, die IVZ, die urplötzlich stärker in ihr Leben getreten war.

„Und du… arbeitest viel mit Thomas zusammen?", fragte er dann mit einem Höchstmaß an Geschicklichkeit.

„Seit mehreren Jahren. Er ist mein Abteilungsleiter und unter den Chefs, die ich mir in der Zentrale hätte aussuchen können, sogar einer der Einfühlsamsten."

„Einfühlsam?", fragte Ron nun. Normalerweise hatte er ja einiges erwartet, aber Caroline wuchs noch darüber hinaus mit der Aussage.

Caroline verschränkte ihre Arme und erklärte, „Japp. Einfühlsam. Damit meine ich keine Umarmungen oder irgendwelche sentimentalen Dinge, die ich in meinem Beruf überhaupt nicht brauche. Ich meine damit, dass Thomas sehr gut versteht, was los ist und auch extrem genau darauf reagieren kann. Er ist ein guter Vorgesetzter und kann sehr gut planen. Aber ich glaube, dass du das überhaupt nicht wissen möchtest. Du hältst dich mit Dingen auf, die längst vorbei und entschieden sind, statt deine Gabe für Dinge einzusetzen, die jetzt stattfinden."

Ron hob verteidigend die Hände, „Ich verstehe was du meinst, das tue ich wirklich, aber du musst auch verstehen, dass wir als Zauberer es nicht einfach mit Moral haben. Wir haben wenige Menschen, die sehr mächtig sind und das ist ein Problem."

„Mhm nein ich glaube du verstehst nicht, dass es dennoch Wege gibt, Thomas unschädlich zu machen, sollte er die Sicherheit von Menschen bedrohen. Menschen, die wirklich gefährlich sein werden, sind die, die durch ihren Reichtum Macht über andere Menschen haben. Und dafür müssen wir eine Lösung finden. Delacour hat die Krise genutzt und sich ein Imperium aufgebaut."

Die Sicht fand Ron überhaupt nicht gut, „Du musst aber zugeben, dass Voldemort die Menschen auf einer beachtlich großen Insel bereits seit einem Jahr unterdrückt und vermutlich fünf bis sechsstellige Summen umgebracht hat. Da -"

Caroline unterbrach ihn, „Und wir arbeiten an der Lösung. Was ich sagen möchte ist: Die Zentrale hat sehr robuste interne Prüfmethoden ob wir uns gut verhalten."

Ron war skeptisch, „Interne Prüfmethoden klingt als würdet ihr euch nur selbst eine Medaille verleihen, weil ihr so toll seid. Ich meine, was war die Motivation, dass ihr nichts gegen Voldemort unternommen habt, als er noch nicht am Leben war?"

Caroline machte einen verwirrten Gesichtsausdruck, „Haben wir. Doch statt auf Voldemort sind wir auf Nester von Schatten gestoßen."

„So viele, dass ihr nichts gegen Voldemort unternehmen konntet?", hakte Ron nach. Es erschien ihm irrwitzig.

Caroline atmete einmal tief durch, bevor sie begann, „Wir haben Voldemort 92 wieder aufgespürt. Vorherige Sichtung war in Hogwarts, was für uns Sperrgebiet ist. Damit hatten wir unser erstes Problem. Solange Harry Potter in Hogwarts ist, durften wir dort nicht arbeiten. Ausgenommen war der Tod eines Schülers."

„Oh.", rutschte es Ron in dem Moment heraus.

„Japp, oh. Durch eine erstaunliche Verkettung von Umständen ist nie jemand gestorben."

„Bis Cedric.", schloss Ron dann.

Caroline nickte, „Thomas hat Dumbledores Entscheidung durch eine interne Beschwerde aufgehoben. Aber da sind wir überhaupt noch nicht. Denn es ist uns ebenfalls aufgefallen, dass wir ein Problem mit den Schatten haben. Nachdem Dumbledore und Thomas glaubten, alle Nester ausgelöscht zu haben. Dumbledore hat dann 92 mehrere Wochen aus der Zentrale gearbeitet, als uns Emilia über den Weg gelaufen ist."

„Als wir im zweiten Jahr in Hogwarts waren? Wow. Uns wurde gesagt, das Ministerium hätte ihn rausgeschmissen.", erwiderte Ron erstaunt.

„Ja, wow könnte man es nennen. Lustig war es nicht gerade. Ich glaube ich habe Thomas noch nie so traurig gesehen."

Ron konnte das verstehen. Die Schatten taten unaussprechliches.

„Gewissermaßen war sein Lebenswerk damit kaputt. Er war eigentlich an einem viel besseren Punkt in seinem Leben. Er war zufrieden, doch dann kam heraus, dass er sein Ziel überhaupt nicht erreicht hatte."

„Aber…", setzte Ron an, doch Caroline unterbrach ihn, „Ja ich weiß Emilia und so aber trotzdem. Aber ich bin nicht der Typ für Was-Wäre-Wenns. Aber zu deiner Bemerkung: Wir waren auf dem Friedhof und haben alles geprüft. Wir haben Voldemort ein Jahr lang nachgestellt doch die große Schwierigkeit war, dass wir nicht wussten, wie viele Schatten es noch gibt und daher wollten wir einen Konflikt vermeiden. Bis zu dem einen Tag an dem Harry Potter glaubte, in eine Abteilung der Zentrale einbrechen zu müssen."

„Aber… Die Mysteriumsabteilung ist doch im Gebäude des britischen Zaubereiministeriums."

„Aber dort arbeiten Unsägliche und die unterstehen der IVZ. Großbritannien hat nichts mit den Arbeiten in dieser Abteilung zutun. Das hat historische Gründe – als Austausch für internationale Beteiligung mussten die Briten darauf verzichten, das Tor zu besitzen. Aber das ist auch vollkommen egal. Schatten haben das Ministerium überlaufen, alle Unsägliche entfernt, damit Voldemort seine Show dort abziehen konnte.", erklärte Caroline erschöpft.

„Wieso haben die Schatten die Unsäglichen nicht getötet?", fragte Ron. Es war zwar eine sehr gemeine Frage, aber Ron wollte die Antwort wissen.

Caroline schüttelte den Kopf, „Schatten denken so nicht. Wir glauben, dass ihnen befohlen wurde, die Unsäglichen zu vertreiben und nicht zu töten. Außer Bridger und Croaker haben uns etwas nicht erzählt. Wir sind da."

„Was?", fragte Ron, doch Caroline zeigte nur an ihm vorbei. Tatsächlich, am Rande des nach oben gekrümmten Horizonts erschien langsam eine Insel als würde sie aus den Wolken nach unten schweben – was natürlich Illusion war.

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Hermine wurde langsam ein kleines bisschen schwindelig. Thomas auf der anderen Seite vom Boot ging es natürlich blendend. Zumindest wirkte er ruhig, während er auf den unechten und verwirrenden Horizont starrte.

Ein Horizont der sich nach oben krümmte. Als würden sie in einer Schale sitzen. Als würde die Anziehungskraft nach außen gehen. Als wäre die…

Den Gedanken wollte sie nicht einmal zu Ende führen. Sie ließ ihren Blick noch einmal dahin schweifen, wo sie hin wollten. Kleine schwarze Spitzen stiegen in der Ferne empor. Hermine fragte sich, was sie waren.

„Wieso greifen wir nicht die Gelegenheit beim Schopf und reden darüber, was Sie und Mister Weasley bedrückt.", eröffnete Thomas dann. Hermine fand immer noch, dass zu der Erscheinung dieses Mannes diese Ausdrucksweise überhaupt nicht passte.

Thomas fuhr fort, „Sie machen sich Sorgen um Harrys Befinden, oder um seine Psyche, und finden, dass ich zu wenig in dem Gebiet unternehme."

Hermine konnte nichts tun, außer zuzustimmen. Immerhin war es wahr. Lügen wollte sie in dem Moment auch nicht.

„Miss Granger, Sie verkennen wohl die Rolle, die ich in Harrys Leben einnehme. Ich begleite Menschen nicht auf ihren seelischen Reisen und ich kann ihn auch nicht in geistigen Problemen unterstützen. Wenn Sie denken, dass ich so ein Mentor sein sollte, dann bin ich wohl nicht geeignet für diese Rolle. Ich werde allerdings mit Ihnen teilen, wieso ich mir keine Sorgen um Harry mache."

Hermine war ganz Ohr.

„Er hat seine Freunde und er hat sein Umfeld, dass ihm durch die bloße Präsenz hilft. Außerdem erzählt er Ihnen alles. Probleme entstehen dort, wo er denkt, er muss Dinge verheimlichen."

„Nicht dann, wenn es ihm nicht gut geht?", fragte Hermine darauf.

„Miss Granger, damit sind wir wieder bei meinem ersten Punkt. Wir haben es versucht – Emilia jedenfalls – und Harrys seelisches Befinden liegt außerhalb unserer Kompetenz. Nicht, weil wir es so wollen, sondern weil Harry es so möchte. Also kann ich Ihnen nicht weiterhelfen.", erwiderte Thomas.

Hermine war dennoch stutzig, „Aber er ist nicht nur euer Kollege! Er hat ein verdammtes Zimmer in deinem Haus!"

Thomas starrte sie für einen Moment an, ehe er erwiderte, „Und du glaubst nicht, dass es da gewisse Stufen gibt?"

Thomas war sehr gut darin, Hermine den Wind aus den Segeln zu nehmen. Allerdings schien er auch nicht so als wollte er die Unterhaltung weiterführen.

Die Insel kam in Sichtweite – allerdings hieß das nicht, dass sie nahe dran waren. Durch diese unendlich seltsame Krümmung der Umwelt fiel es Hermine aber erst spät auf. Die schwarzen Spitzen stellten sich als die Äste eines trockenen oder kranken Baumes heraus, der über der gesamten Insel thronte und viel größer war, als alle Bäume die Hermine je gesehen hatte.

„Noch ein Kilometer etwa.", kommentierte Thomas von der Seite und Hermine hatte keine Ahnung, wie er unter diesen widrigen Umständen eine Entfernung schätzen konnte.

Als sie an Land kamen, war bereits ein Dorf in Sicht. In der absolut klaren Atmosphäre war es sehr gut zu sehen. Wie Schlangen verliefen die Straßen von dem Baum im Zentrum nach außen. Es war von Bergen eingekesselt und die Anhöhen versteckten einige Winkel der Insel hinter sich.

Die Küstenregion war sehr hart und steinig, und abgesehen ob dem Anlegeplatz, den Hermine gerade hinter sich gelassen hatte, ragten die Küsten jeweils viele Meter aus dem Wasser.

Dazu kam noch die Tatsache, dass man, egal wo man hinsah, überall den nach oben gebeugten Horizont des Wassers sehen konnte. Hermine mochte diesen Ort nicht. Alle Weltoffenheit konnte sie nicht auf diesen Ort vorbereiten, wo sie buchstäblich von der Welt eingekesselt waren. So – jetzt hatte sie den Gedanken endlich zugelassen. Es sah aus, als befänden sie sich innen, statt auf der Erde.

Doch es war eine ganz andere Begrüßung als sie es in dem Paganandorf erfahren hatten. Sobald sie ein Feldarbeiter sah, ließ er seine Harke liegen und schrie etwas auf einer Hermine unbekannten Sprache.

„Das klingt… nicht gut?", sagte Harry darauf.

„Wer weiß, wie lange niemand mehr hier war. Ich kann nicht überblicken, wie viele Einwohner dieses Dorf hat.", sagte Thomas dann, „Die Architektur ist mir etwas fremd."

„Circa 500 Menschen leben hier.", erwiderte Harry, „Gerade genug, um sich am Leben zu erhalten. Allerdings bin ich nicht sicher, wie die Zeit hier vergeht."

„Vermutlich gar nicht.", sprach Emilia dann und stellte sich neben Harry, „Siehst du die Verzerrung in der Luft? Ich sehe sehr starke Unterdrückungszauber. Deswegen funktioniert weder apparieren, noch läuft die Zeit normal."

Harry nickte nur langsam, als würde er signalisieren wollen, dass er nichts verstanden hatte.

„Heißt das, wir kommen genau wieder zu dem Zeitpunkt an, als wir verschwunden sind? Es vergeht also überhaupt keine Zeit, solange wir hier sind?", fragte Ron.

Emilia blickte zurück und sagte, „Ich glaube nicht, dass der Wiedereintritt in die normale Zeit so funktioniert, aber ich bin auch kein Arithmantiker, der das durchrechnen könnte. Wir schwingen ja nicht mehr richtig, wenn wir zurückkommen, sozusagen."

In der Ferne liefen ein paar der Einwohner auf sie zu. Die Felder waren nun vollständig menschenleer und Einige, der auf sie Zulaufenden, trugen Kettenrüstungen und Dolche. Darunter trugen sie Arbeitskleidung – sie wurden gerade gerufen und hatten ihre Arbeit niedergelegt, um das Dorf zu verteidigen.

Aus der Ferne riefen sie bereits wieder Dinge in einer Sprache, die Hermine nicht verstand. Sie fragte sich, wie nahe dran diese Menschen noch am Original waren, oder ob mit der Zeit sich diese Sprache verändert hatte, trotz der Isolation.

Jemand antwortete mit derselben Sprache hinter ihr und erschrocken wandte sie sich um, bis sie realisierte, dass Harry gesprochen hatte.

Ein Wortwechsel folgte, in dem viel ruhiger geredet wurde. Harry gestikulierte an ein paar Stellen in Richtung des Dorfes oder in Richtung der Anderen, doch schließlich drehten sich die Leute um und Harry ging wieder auf sie zu.

„Rückblickend sind wir vielleicht etwas viele Menschen. Allerdings habe ich die Wachen denke ich besänftigt und wir können uns dem Dorf nähern - ohne, dass wir feindlich wirken.", sprach Harry darauf, „Die haben uns übrigens gezählt, also keine Spionage oder so."

„Hm, Mist.", erwiderte Alexander, „Dann nehme ich wohl mal den direkten Weg."

„Ihr bleibt zurück. Die Kinder reden mit den Dorfbewohnern, da sowieso nur Harry sie versteht. Wir sind deren Wache und ihr seid unsere Absicherung. Wir erwarten, dass Voldemort jeden Moment hier ankommt und dann dürfen wir keine Fehler machen.", wies Thomas an.

So schritt Hermine mit den drei Anderen langsam in Richtung des Dorfes. Sie fühlte sich etwas sinnlos, da sie kaum etwas spürte und auch nicht wusste, wo Voldemort war. Die Feldzauber hatten keinen Einfluss auf ihre Wahrnehmung, aber sie wusste überhaupt nicht, wie sie die Eindrücke deuten sollte. Ein kleiner Kopfschmerz machte sich hinter ihrer Stirn wieder breit. Ron legte ihr kurz die Hand auf den Rücken, bevor er ihre Hand in seine nahm.

Als sie die Felder passierten, konnte Hermine an den Hügeln vorbei sehen und ihr stockte der Atem. Eine Ruine eines Palastes war zu sehen.

„Das sieht aus als wären die tragenden Zauber zu Ende.", bemerkte Ron von ihrer Seite, „Ich kann mir vorstellen, dass der Fuchsbau ähnlich aussieht, wenn die Zauber darauf verwelken. Öhm nicht, dass er mal palastartig war, aber du weißt was ich meine."

Hermine sah kurz zu Ron und dann nochmal auf den Palast. Er war erstaunlich groß. Direkt am Fels gebaut, als würde er daraus entspringen. Doch mit eingefallenen Mauern und zerstörten Dächern. Keine Mose oder Flechten hatten sich hier angesammelt. Hermine war unsicher, ob es überhaupt regnete. Wie bewässerten die Menschen ihre Felder?

Jetzt wo sie darüber nachdachte, hatte sie nicht geprüft, ob das Wasser überhaupt salzig war. Das wäre auch nicht das seltsamste an dieser Welt.

Sie ließen sie in das Dorfzentrum vordringen. Der Baum schien verwest zu sein, doch hier und da schaffte er es noch, ein paar Äste zu bilden, die kleine braune Blätter trugen. Die Häuser hier waren nahe aneinander gereiht, sodass es fast etwas städtisch aussah.

Vorsichtig löste sich Luna von der Gruppe und schritt langsam auf den Baum zu. Die Dorfbewohner wurden ein wenig unruhig, aber niemand machte eine Bewegung, sie aufzuhalten.

Als Luna den Baum berührte, seufzte sie laut und gab ein Murmeln von sich, „Oh nein du armer."

Harry wandte sich zu ihnen und er und Ron hatten denselben Gedanken, der Hermine etwas zu spät einfiel. Das hier war der Baum. Das Artefakt, was Voldemort suchte, war unter diesem Baum. Hermine sah an dem Baum nach oben. Der Stamm war mindestens fünfzig Meter hoch. Mächtige Äste wuchsen nach außen, doch sie wirkten verwelkt. Das Holz schien intakt – doch der Baum wirkte… Krank. Verfärbt und zu licht für einen Laubbaum dieser Größe.

Ein Mann näherte sich ihnen von hinten. Harry wandte sich um, um mit ihm zu sprechen. Als er sich umdrehte, sprach er an Thomas gewandt, „Er möchte etwas über unsere Welt wissen, da sie sehr sehr lange keine Besucher hatten."

„Wenn er uns im Gegensatz etwas zu dem Baum erzählt und du ihm mitteilst, dass Voldemort das möchte, was darunter ist.", sprach der Unsägliche darauf.

Harry nickte. Als dieser sich umwandte, um ein paar Sätze in der fremden Sprache zu sprechen, sah Hermine, wie sich die Miene des Mannes schlagartig von Neugier zu Wut verwandelte.

Harrys Reaktion war jedoch sehr schnell, er machte einen Schritt zurück, als der Mann zu einem wilden Schlag ausholte. Mehrere Dorfbewohner ergriffen die Arme des Mannes und zogen ihn zurück. Der Mann schrie mit überschlagener Stimme Unverständliches.

Es sprach Bände, dass keiner der Unsäglichen gerührt schien. Selbst Harry wirkte, als wäre das eine normale Reaktion gewesen. Dieser wandte sich nur ruhig zu Thomas und sprach, „Das Artefakt ist wohl stärker, als wir denken. Sogar der Gedanke daran wird in den Köpfen dieser Menschen einfach unterbunden."

Thomas nickte. Caroline stellte sich neben Harry, welcher den Dorfbewohnern gerade beschwichtigend zusprach. Schließlich kommentierte sie, „Nervige Nebeneffekte von Artefakten gehören doch irgendwie zum Beruf. Hast du einen Plan?"

Diesmal war Harry schon überrascht, „Meinst du mich?"

„Ja.", erwiderte Caroline.

„Ich… Haben wir Zeit, die Dorfbewohner zu befragen? Nach magischen Spuren zu durchsuchen?", fragte Harry nun, diesmal an Ron gewandt.

Ron, neben Hermine, räusperte sich, „Ich weiß gerade überhaupt nicht, was eine gute Idee wäre in diesem Moment. Wir sprechen über das Artefakt und es macht die Bewohner wütend, wir graben und es macht sie wütend und wir warten auf Voldemort und alle sterben. Das kommt mir alles sehr schlecht vor."

„Wir haben uns in eine Ecke manövriert.", kommentierte Jason, „Allerdings mussten wir ja auch wissen, wie viele Menschen hier leben, die sonst schutzlos Voldemort ausgesetzt wären."

„In einer Ecke sind wir dann aber trotzdem, ob aus guten Gründen oder nicht.", schloss Alexander, „Ich werde die Gegend absuchen. Vielleicht finde ich was Anderes."

Thomas wandte sich Alexander zu, „Jason unterstützt dich. Niemand geht alleine irgendwo hin."

„Wir sollten dennoch die Bewohner befragen. Falls das etwas bringt, wäre es dumm, es nicht zu probieren.", stellte Ron fest.

„Thomas und ich werden uns dann in der Nähe des Baumes aufhalten.", sagte Emilia.

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Die Gespräche mit den Einwohnern waren nicht sonderlich aufschlussreich. Der Palast war anscheinend bereits vor Jahrhunderten zerstört worden. Die Bewohner waren zurückgelassen und niemand konnte sich so recht erinnern, was die ursprüngliche Funktion des Baumes überhaupt war. Es gab keine anderen Inseln, trotz der Versuche, Menschen zu kontaktieren.

Sie führten etwas, was man ein Generationentagebuch nennen könnte – Harry hatte das Gefühl, dass in der Übersetzung einiges verloren ging, was er nicht mitbekam.

Nur große Ereignisse oder große Taten waren darin verzeichnet – allerdings reichten sie nicht bis in die Zeit zurück, als die Götter hier auf der Insel waren.

Die Insel selbst hatte allerdings keine feste Größe. Es gab Zählungen jeden Zyklus. Die Einwohnerzahlen variierten sehr stark und mit den aktuell 586 war die Insel sehr klein – Harry wurde von Einträgen erzählt, da waren fünfstellige Einwohnerzahlen, etwa zwei Generationen nach dem Zerfall.

Das Problem war dennoch, dass das Tagebuch dort auch zu Ende war. Weder die ersten Beiden Generationen nach dem Zerfall waren hier abgezeichnet noch Überlebende, die noch die Götter kannten. Harry schritt von den Einwohnern zu seinen Freunden. Die Gespräche mit den Einwohnern und dann die Übersetzung für seine Freunde hatte sehr lange gedauert.

„Was denkst du?", fragte Harry dann, an Luna gewandt.

Luna schüttelte ihren Kopf, „Es ist schade, dass nur so wenig aufgeschrieben wird. Aber so wissen wir, dass das hier weit und breit die einzige Insel ist. Aber… Die Nadel, von der wir in dem Buch gelesen haben, hat wohl den Zerfall ausgelöst. Das heißt, dass niemand etwas darüber weiß und die Menschen hier schon seit sehr vielen Jahren auf dieser Insel leben, so wie sie heute ist."

„Es ist aber komisch, oder?", sagte Harry darauf, „Ich meine… was essen die Leute?"

Hermine schaltete sich ein, „Du hast doch die Felder gesehen. Es ist nicht weit hergeholt, zu denken, dass die Insel für die Einwohner auch immer genug Nutzflächen bietet."

„Ja schon, aber kannst du dir fünfzig tausend Menschen hier vorstellen?", fragte Harry dann.

Ron zuckte mit den Schultern, „Die Insel muss ihre Größe ändern. Aber wieso die Einwohner zurückgegangen sind, aber dafür so langsam, versteh ich auch nicht."

Das plötzliche Einwirken einer brennenden Aura erschrak Harry. Sein Puls raste urplötzlich, doch die Anderen schienen nichts bemerkt zu haben.

Du bist viel sensibler als die Anderen, was Voldemort anbelangt. Aber er ist definitiv hier., sprach die Stimme.

Harry versuchte sich deutlicher zu konzentrieren. Doch Eile und Konzentration waren nicht Dinge, die er gleichzeitig konnte.

„Harry?", fragte Ron von der Seite. Auch Luna war auf ihn aufmerksam geworden.

„Voldemort ist hier. Ich versuche ihn zu finden.", zischte Harry angestrengt. Es brannte so stark. Wieder als würde Harry neben einer Flamme stehen.

Voldemort ist nicht auf dem normalen Weg hierher gelangt. Er hat sich selbst eine Brücke hierher geschaffen.

Das klang nicht aufmunternd – dafür war sicherlich eine riesige Menge an Magie vonnöten. Harry nahm es bereits wahr – zu der Magie von Voldemort gesellte sich ebenfalls eine schattenmagische Kraft. Die Kraft von Erick, die nun an Voldemort zehrte wie eine Krankheit.

„Hermine, spürst du ihn?", fragte Ron darauf. Diese schüttelte den Kopf und schritt ebenfalls neben Harry.

Eine Erschütterung riss Harry fast von den Füßen und ein lautes Grollen schwang in dem Krachen der Erde mit.

Wie eine Schockwelle zuckte eine zweite Erschütterung durch das Gebäude und Harry, dem Durchgang am nächsten, lief nach draußen.

Die Umrisse von Voldemort waren vor einer großen Staubwolke zu sehen. Ein helles Lachen schallte durch das ganze Dorf und für einen Bruchteil einer Sekunde sah Harry den Zauberstab von Voldemort aufleuchten.

Deckung!, schrie die zweite Präsenz in seinem Kopf und Harry hechtete hinter eines der Gebäude.

Die Erschütterung war mächtig und nach einem Moment zog eine Welle in der Luft an Harry vorbei.

Dann ertönte wieder ein tiefes und nasses Grollen.

Durch eine Seitengasse schritt Thomas mit schnellen Schritten, welcher Emilia zu ihm führte. Sie schien nicht ganz sicher auf den Beinen und war am Arm verletzt.

„Sie kann sich nicht selbst heilen. Sieh was du machen kannst.", forderte er und brach in einen unmenschlichen Sprint aus, wodurch er nach wenigen Augenblicken wieder verschwunden war.

Harry sprang in Aktion und sah sich Emilia an. Wunde am Arm. Definitiv irgendein Fluch. Aber welcher?

Einfacher Verwesungszauber, aber sehr mächtig., sprach die zweite Stimme, Du solltest sie heilen können.

Das war etwas schwieriger, als Draco zu heilen. Harry konnte den Einfluss der Magie sehen. Es war wie ein kleines Netz, dass nach innen wuchs und sich nicht an der Schattenmagie störte, die in der Unsäglichen war.

Emilia hatte ihren Blick abgewandt und versuchte wohl, sich gegen die Schmerzen zu konzentrieren.

Harry hatte eine vage Ahnung, wie er den Gegenzauber bauen konnte, aber mit normaler Magie war alles anders. Mit zusammengepressten Lippen und dem sehr starken Gefühl der Eile zog er seinen Zauberstab und fror das Gewebe ein. Emilia schrie kurz auf.

Harry zerstörte den Fluch mit einer Folge von sehr unsauberen Gegenzaubern. Langsam zerfloss die Magie von Voldemort und ihr Arm war frei. Harry heilte den Arm noch vom Frostzauber.

„Ohne Heilerausbildung ging das doch ganz gut.", kommentierte er dann trocken.

Emilia richtete sich wieder komplett auf und atmete einmal durch, „Hätte es nicht so scheiße weh getan hättest du mich auch nie als Versuchskaninchen benutzen dürfen."

Harry nickte, „Das ist fair."

Das Grollen ertönte wieder, begleitet von etwas, was Harry definitiv als Schritte wahrnahm. Er machte drei große Schritte zur Ecke des Gebäudes und spähte in Richtung des Baumes.

Im Staub war eine mindestens hausgroße Gestalt zu sehen. Ein Kopf, den Harry nicht zuordnen konnte und Beine, die plötzlich aus Stellen im Rumpf auftauchten und wieder verschwanden.

Dazu eine starke Aura. Ein Greller Lichtblitz von Voldemort zuckte gegen die Bestie und das Grollen ertönte erneut.

Harry hörte einen Schrei neben sich. Ein Hausbewohner tauchte in der Gasse auf. Mit erhobenem Zeigefinger schritt er auf sie zu und schrie etwas, was in der Übersetzung wohl „Teufel!" hieß.

Emilia stieß den Mann magisch weg. Der Stoß hob ihn von den Füßen und er krachte gegen den lehmigen Boden.

„TEUFEL! TEUFEL! TEUFEL!", schrie der Mann weiter und Harry hörte noch mehr Schritte ihnen entgegenkommen.

Hinter Harry erschien ein Jugendlicher, der sich wie wild auf ihn stürzen wollte. Harry trat zur Seite und der Angriff verfehlte.

Harry beschwor Fesseln und sie legten sich fest um den Jugendlichen. Er krachte mit der Schulter und dem Gesicht auf den lehmigen Boden. Auch er schrie. Seine Hände griffen nach den Fesseln, so fest, dass sie…

Harry erschrak als die Fesseln in die Hand des Jungen zu wachsen schienen. Als er sich umwandte, war die eine Seite seines Gesichtes lehmig. Beinahe bis zum Augapfel hatte sich seine Haut in rissige Erde verwandelt.

Emilia sandte einen Kraftstoß auf drei weitere Einwohner und packte ihn. Emilia streckte ihre Hand nach einem der Dächer aus und eine in Schattenmagie gehüllte Hand brach aus ihrer hervor und packte an das Dach. Harry wurde von Emilia mit einem kräftigen Ruck mit auf das Dach befördert.

Die Beste war noch immer im Kampf mit Voldemort. Thomas sandte ebenfalls Flüche auf den dunklen Lord, die er parierte.

Luna hatte in der Ferne große Steine aus einem Gebäude herausbrechen lassen, die sie mit Ron und Hermine als Treppe nach oben verwendeten. Hinter ihnen fielen Einwohner mit den Steinen zusammen wieder zu Boden in eine der Gassen hinein.

„Was ist hier los?", rief Caroline, als sie sich über die Kante auf das Dach zog. Dieser konnte nur hilflos nach unten sehen, als die Bewohner mit allem zu verschmelzen schienen, was sie berührten.

„Wo ist Jason? Alexander?", rief Emilia dann.

„Sie waren zuletzt hinten an dem Palast! Ich sehe sie nicht mehr!", rief diese über den Tumult zurück.

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Jason rannte über die Anhöhe neben dem Dorf. Die Geräusche waren ohrenbetäubend. Hinter ihnen waren zu viele Schritte. Es klang wie rollende Felsen.

„DA VORN!", schrie Alexander von der Seite.

Ein kleiner, beinahe eingefallener Eingang irgendwo hin. Jason verlor keine Sekunde und machte einen verzweifelten Sprint auf diesen Eingang hin.

Er wagte einen Blick nach hinten und Gestalten rannten ihnen hinterher die nun mehr Stein als Mensch waren. Abgestorbene Gesichter und das dröhnende Geräusch von krachenden Schritten.

Wortlos wirkte er einen Schutzzauber, doch sein Gehirn schrie unterschiedliche Szenarien in seinen Geist.

Er hatte fünf Speicherkristalle in seinem Umhang! Gefüllt mit Magie, vermutlich genug, um mit Dämonenfeuer die ganze Insel zu zerstören!

Er baute eine arkane Brücke und legte den Speicherkristall direkt vor das Schild in dem Moment, als das erste Wesen seelenlos gegen die unsichtbare Wand krachte.

Kreischen war dumpf hinter dem Schild zu hören und unter dem Druck der Wesen krümmte sich das Licht von draußen.

„Wo sind wir?", fragte Alexander dann verwundert, „Das muss eine alte Miene oder so etwas sein. Ich wusste nicht, dass das für magische Zivilisationen so wichtig ist."

Jason wandte sich um und versuchte, die Geräusche hinter sich zu ignorieren. Keuchend atmete er ein paar Mal ein und aus. Es war ein wirklich verzweifelter Sprint gewesen. Verfluchte Apparationssperre. Die alles unterdrückende Hand, die auf der ganzen Insel lag.

„Komm, Jason, das ist der einzige Weg, den wir nehmen können.", sprach Alexander dann als hätte der sich nicht gerade verausgabt.

„Ist ja gut.", brachte Jason heraus, ehe er sich in Bewegung setzte.

„Tja es ist schon ein Vorteil, wenn der eigene Körper nicht in Wahrheit aus einem verformbaren Gelee besteht."

Sie beschworen Leuchtzauber und die alte Miene war erhellt. Eine kleine Schiene in der Mitte und sonst nur sehr alt aussehende Träger. Jason konnte bisher kein Ende erahnen, allerdings war der Tunnel auch nicht ganz gerade. Krümmungen machten es schwer, die Länge oder das Ende zu erahnen.

„Ob es noch einen anderen Ausgang gibt?", fragte Alexander dann.

„Sehr lustig. Wieso sollte ein anderer Ausgang existieren?", erwiderte Jason, „Es ist eine Mine."

„Minen könnten mehrere Ausgänge haben, wieso nicht?", fragte Alexander dann, „Immerhin haben wir sowieso nur eine Richtung, die wir gehen können."

Jason strahlte den Boden an. Er vertraute weder den Gestellen hier noch darauf, dass er nicht irgendwo hineintrat, wo er nicht hineintreten sollte.

Als sie etwas tiefer in die Mine vorangeschritten sind, fanden sie auch ein paar alte Förderwägen. Wobei es auch eher Behälter waren. Jason würde raten, dass Magie letztendlich für den Transport gesorgt hatte.

Noch weiter unten, als das Licht von dem Eingang schon längst nicht mehr zu sehen war, war doch tatsächlich eine Gabelung im Weg.

„Wenn wir uns aufteilen, sind wir tot.", sprach Alexander dann, „Lass es uns zuerst links probieren."

Viel steiler ging es den linken Gang nach unten. Jason wunderte sich, wieso hier überhaupt unterschiedliche Gänge waren. Vielleicht verstand er das Konzept einer Mine nicht. Vielleicht hatten sie dumm gebaut. Es war im Grunde genommen ein Münzwurf, was jetzt zutraf.

Ein wenig später grüßte sie nicht nur Licht, sondern ebenfalls mehr Geräusche.

Rollende Felsen.

Es wurde wieder lauter. Irgendwo war noch ein Ausgang und er war bereits überrannt worden.

„Wir sollten umkehren.", zischte Jason.

Alexander bedeutete ihn zu warten, während er auf leisen Sohlen hin zur nächsten Biegung rannte. Dorthinter konnte man womöglich die Außenwelt sehen.

Geschrei und der Ton von Geröll machten sich breit und Alexander rannte bald wieder in Jasons Richtung.

Dieser reagierte wie automatisch und sprach denselben Schutzzauber wie eben und warf dem Schild einen weiteren Speicherkristall hin.

Das war doch eine tickende Zeitbombe. Das hielt doch keine Stunde. Dann war der Zauber am ersten Eingang schon nur noch bei 50 Minuten. Jason mochte die Rechnung nicht.

„Wir müssen zurück. Immer links entlang.", rief Alexander und eilte bereits in die Gegenrichtung. Es war doch besser, wenn die Gestalten nicht so energisch gegen das Schild trommelten.

Jason folgte ihm so schnell er konnte und er war im Vergleich zu dem Anderen doch ein winziges bisschen tollpatschiger. Verfluchtes Körpergelee.

Der Rückweg war außerdem bergauf und Jason schnaubte genervt, als sie an der ersten Kreuzung ankamen.

„Wie hoch ist die Chance, dass hier auf der anderen Seite nochmal bis zum Tageslicht durchgebrochen wurde?", sprach Alexander dann.

Jason schüttelte den Kopf, „Bei unserem Glück ist das auch überrannt. Sollten wir uns nicht lieber verschanzen?"

Alexander zuckte mit den Schultern, „Das können wir dann immer noch versuchen. Aber für mich klingt das nur als würden wir dann langsam sterben. Ich hätte lieber noch einen Atemzug Frischluft."

„Jetzt tu nicht so als wären wir schon Jahre in dieser Mine gewesen. Wir sind erst seit 20 Minuten hier.", erwiderte Jason.

„Na dann sollten wir lieber beeilen. Dein Schild sah vorhin was wackelig aus.", erwiderte Alexander fröhlich. Beinahe zu fröhlich.

„Halt die Fresse, jedenfalls wurden wir nicht niedergetrampelt.", zischte Jason.

Ein lauter Knall kam aus der Mine. Es hallte drei Mal und jedes Mal zuckte Jason von dem Lärm zusammen.

Der Knall wiederholte sich. Diesmal rüttelte die ganze Mine und für einen Moment sah sich Jason schon von Trümmern begraben.

Ein lautes Knarzen kam aus dem unerforschten Minengang und ein weiterer Knall erschütterte die ganze Struktur bis eine dichte Staubwelle in das Licht ihrer Zauberstäbe kam.

„DECKUNG!", schrie Jason und gleichzeitig beschworen sie Schilde. Die Druckwelle erfasste sie dennoch und sie wurden mit ihren Zauberstäben nach hinten geworfen.

Das Schild zerplatzte und die Staubwelle wurde durch die Mine gedrückt. Jasons nächster Atemzug stach in seinen Hals und in seine Lunge und er musste sofort Husten.

Eine zweite Druckwelle überströmte ihn und kühle Luft machte sich breit. Mit geschlossenen Augen setzte er sich auf und wedelte mit seiner Hand durch die Luft doch spürte nichts.

„Du kannst atmen, Jason.", sagte Alexander ruhig neben ihm.

Jason hustete seine Lunge aus und keuchte ein paar Momente, ehe er sich gefangen hatte und die Augen öffnete.

Eine blau leuchtende Blase aus Luft trennte sie von einem wütenden Wirbel aus Staub und Gestein der dahinter tobte.

„Sollte sich gleich legen, denke ich. Ich habe diesen Zauber noch nicht so oft verwendet, aber in diesem Fall bin ich ganz froh dass ich ihn habe.", erklärte Alexander dann, „Hoffen wir, dass jetzt nicht mehr Explosionen kommen."

Es war eine beachtliche Magie. Sie hatten sicher 4 Meter in jede Richtung Platz, um sich zu bewegen. Jason konnte sogar aufstehen und die oberen Balken der Minenbefestigung sehen. Dahinter schimmerte es blau und dahinter wirbelte ein düsterer Sturm in der ganzen Mine.

Alexander richtete sich auf mimte ein paar Streckübungen, „Wenigstens ist hier nichts explodiert."

„Da wär ich mir garnicht so sicher.", erwiderte Jason erschöpft, „Aber wahrscheinlich war es Voldemort der so rumgeballert hat."

„Ja das nächste Mal, dass ich ihn sehe, würd ich ihn auch abknallen.", murmelte Alexander.

Jason sah sich den blauen Schimmer nochmal an, „Du kannst das nicht bewegen oder?"

Alexander schüttelte den Kopf, „Leider nein. Wär echt cool wenn ich es könnte. Aber ich glaube fürs Erste sollten wir uns darauf konzentrieren hier rauszukommen."

Jason schmunzelte, „Mit einem Ende dieser Mine, dass überrannt ist, und einem anderen, dass es ebenfalls ist, und einem dritten Ende, das Voldemort gerade hat einstürzen lassen?"

Alexander zuckte mit den Schultern, „Wir haben ja noch immer Magie. Irgendwas wird uns schon einfallen. Glaubst du ich kann ein Loch in die Decke sprengen?"

„Das kommt mir wie eine dumme Idee vor. Lass es uns versuchen.", erwiderte Jason.

„Ich werde den Schutzzauber kurz wegmachen, okay? Dann zehn Meter nach vorne an die Decke einen Explosionsfluch. Auf drei.", erklärte Alexander, „Eins."

Jason zog noch einen letzten Atemzug.

„Zwei."

Jason machte seinen Zauberstab bereit.

„Drei."

Jason schloss seine Augen gerade als der blaue Schimmer verschwand. Sofort stürzte Luft auf sie ein die sich anfühlte als wären tausend klein Scherben darin verborgen. Das war doch nicht normal.

Der Anstieg in Magie von Alexander brachte auch Jason dazu, den Fluch zu wirken. Gemeinsam feuerten sie einen Explosionsfluch an die Decke in zehn Meter Entfernung.

Durch seine Augenlider nahm Jason eine plötzliche grelle Einwirkung wahr. Es fühlte sich sofort extrem warm an. Eine Druckwelle erfasste ihn schonwieder und er wurde auf den Boden geworfen. Sein Rücken kam auf dem Holz auf und ein Schmerz stach ihm durch den Körper und er nahm ein lautes Knacken wahr.

Eine Welle kühler Luft wusch wieder über ihn und Jason öffnete die Augen. Der Schutzzauber war wieder da. Die Luft dahinter noch immer unnatürlich aufgebracht. Das mochte aber auch am Explosionsfluch liegen.

„Alles okay?", fragte Alexander zaghaft.

Jason brachte zunächst nur ein Grunzen heraus. Tonlos antwortete er, „Habe schon bessere Tage gesehen."

„Moment. Ich mach eben was.", erwiderte Alexander und tippte Jason mit seinem Zauberstab an.

Knack Knack Knack Knack Knack Knack Knack.

Ein Reißen ging durch Jasons Rücken und die Schmerzwelle brachte ihn zum Aufschreien. Danach war der Schmerz weg.

„Siehst du? Ist doch wie ein Pflaster abziehen. Als Metamorphmagier musst du ja so einen Scheiß verwenden.", sprach Alexander dann.

„Aber nur bei Fluchwunden… Hat es wenigstens was gebracht?", murmelte Jason als Antwort.

Alexander deutete an die Decke, doch Jason konnte nichts sehen. Dann murmelte Alexander einen kurzen Zauber. Der Staub wich schlagartig zur Seite und er war einen kurzen Moment verschwunden – gerade lang genug, dass Jason sehen konnte, dass der Fluch nichts bewirkt hatte.

„Natürlich werden wir jetzt nicht in drei Minuten die Jahrhunderte alten Zauber überwinden, die dieses ganze Gewölbe zusammenhalten.", murmelte Alexander resigniert.

„Also sind wir eingeschlossen.", schloss Jason.

„Es sei denn wir schaffen es hier heraus zu apparieren.", entgegnete Alexander.

„Aber sind wir dann nicht bei dem gleichen Problem? Nur mit noch viel stärkeren Schutzzaubern?", forderte Jason.

„Naja… Vielleicht. Aber auf der anderen Seite… Ich weiß nicht, ob wir nicht vielleicht einen Portschlüssel erstellen könnten."

„Einen Portschlüssel? Durch Feldzauber durch? Ohne zu wissen, wo wir uns eigentlich befinden?", erwiderte Jason skeptisch.

Alexander zuckte mit den Schultern, „Hab das schonmal gemacht. Benötigt nur verdammt viel Energie. Wahrscheinlich mehr als wir zusammen aufbringen können."

Jasons Haaransätze färbten sich rot, „Was soll das denn heißen? Was heißt Energie in diesem Zusammenhang bitte? Ich kann meine Magie nicht mit einer Waage messen."

„Ich meine, dass wir… Ach Jason – Verzerrung durch Feldzauber und Einrechnung von Entfernungen und so. Gib mir einfach die Speicherkristalle."

Jason hob abwehrend die Hand, „Keine Experimente. Keine Tests. Wenn du nicht sicher bist, dass es klappt, dann will ich die lieber für irgendwas Anderes behalten."

Alexander machte eine ausladende Geste, „Für was denn bitte? Willst du die ganze Insel in Dämonenfeuer hüllen, dass wahrscheinlich noch nicht einmal hier herauskann? Lass mich kurz sehen, ob ich einen Ritualkreis mit den dummen Steinen bauen kann, damit wir hier rauskommen."

Jason zog die letzten drei Speicherkristalle aus seinem Umhang und schob Jason die rotglühenden Kristalle zu. Dieser nahm sie an sich und inspizierte sie einzeln.

„Ein Ritualkreis?", fragte Jason dann.

Alexander schüttelte den Kopf, „Das soll auch nur kaschieren, dass ich so schlecht in Arithmantik bin. Der Ritualkreis sucht für mich den optimalen Weg für den Portschlüssel. So muss ich weder schätzen, wo wir sind, noch muss irgendwelche komischen Rechnungen oder Gleichungen darüber anfertigen, wie ich uns hier weg transportiere."

Irgendwie kam das Jason sehr eigenartig vor. Er wusste aber nicht, wieso. Wahrscheinlich wusste er einfach nicht genug darüber. „Und der Ritualkreis sucht dir die optimale Lösung raus?"

Alexander nickte abwesend, „Das ist jedenfalls der Plan. Aber in jedem Fall sollten wir irgendwo anders landen. Und aktuell empfinde ich das als eine gute Idee."

Alexander nahm sein Abzeichen von seiner Hüfte und ritzte damit kleine Kerben in den Stein.

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Eine Erschütterung war zu spüren. Emilia ließ Harry stehen und rannte in Richtung von Thomas. Voldemort hatte eine klaffende Wunde in das Wesen geflucht.

Thomas hielt kurz ihren Blick. Wir haben nicht viel Zeit. Voldemort ist nicht zimperlich bei der Suche.

Das war ja wohl eine Untertreibung. Sie suchte fieberhaft nach einer Möglichkeit, etwas zu tun, als eine Stimme neben ihr ertönte.

„Ich will Freiheit.", sagte eine hohle, gurgelnde Stimme. Das Abbild. Wieso war es hier?

Sie hatte keine Zeit für Überlegungen. Mit dem Dolch in der Hand wandte sie sich um, nur um zu sehen, dass das Abbild verschwunden war. Was?

Emilia prüfte schnell, ob sie ebenfalls…

Augenblicklich stand sie auf dem Gebäude gegenüber in der Gasse. Verdammt!

Das hätte ihr viel viel früher einfallen sollen!

Der nächste Schritt: Wo war das Abbild von Thomas? Es war so unübersichtlich. Die Straßen waren voller Menschen, die mittlerweile mehr Lehm und Stein als Mensch waren. Schreie und Krachen ertönte von der Menge.

Das Geschöpf war im Kampf gegen Voldemort und Thomas war ebenfalls da und versuchte, Voldemort abzuhalten.

Das Abbild war irgendwo. Die Jugendlichen versuchten, die Einwohner einzukesseln und zu schützen. Harry war ebenfalls irgendwo vorne, bei Voldemort. Emilia konnte Caroline überhaupt nicht finden, ganzzuschweigen von Alexander und Jason.

Ein kurzes Blitzen war in der Ferne und Emilia hätte schwören können, dass es das Abbild gewesen war. Sie folgte sofort und versuchte zu erahnen, welche Bahnen das Abbild nehmen würde. Sie stoppte vor der Küste der Insel, als sie bemerkte, dass es sich auch von dort entfernte.

Es dauerte jedoch nicht lange, als es umzudrehen schien und nach wenigen Augenblicken stand es vor Emilia und sah sie ausdruckslos an.

„Ich hatte gehofft", presste es hervor, „Mehr von euch weglocken zu können."

„Da fehlt dir etwas Alltagslogik. Nur weil ich es kann, können es ja nicht automatisch alle.", erwiderte Emilia und stieß ein paar der tödlichsten Flüche gegen das Geschöpf, die sie kannte.

Es parierte doch tatsächlich und verschwand. Sie spürte die Magie zu genau, um sich täuschen zu lassen. Bevor es sie von hinten angreifen konnte, drehte sie sich zur Seite.

Sie warf einen Silberdolch nach dem Wesen und einen Explosionsfluch direkt hinterher. Das Wesen blieb still und erwartete, dass der Dolch durch es hindurchflog.

Doch der Explosionsfluch erreichte den Dolch zuerst. Eine silbrige Wolke presste das Abbild nach hinten und das weißmagische Metall zerstörte ein gutes Stück dessen Magie. Selbst eine Kreation von Thomas war nicht so stark.

Es verschwand wieder. Diesmal flog es direkt auf Voldemort zu.

Emilia löste sich auf und folgte dem Wesen. Doch sie lenkte sich direkt auf Thomas zu, der noch immer in der Nähe der Bestie stand und sie heilte und stärkte. Der Lärm war ohrenbetäubend.

„Wo ist Caroline?", schrie Thomas darauf.

„Ich weiß es nicht! Alexander und Jason sind auch weg! Ich glaube, sie haben Probleme mit den Einwohnern bekommen!", antwortete Emilia laut.

„Finde Caroline! Wenn sie alleine ist, stirbt sie!", wies Thomas sie an. Emilia nickte und machte sich auf die Suche.

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Jason war schon fast versucht, kleine Gesichter in die Balken zu ritzen, damit er etwas anderes ansehen konnte als Alexander, der die ganze Zeit mit dem Murmeln nicht aufhören wollte.

„Sag mal bist du sicher, dass das dazu gehört?", fragte Jason ungeduldig.

„Wer von uns ist jetzt hier der Experte. Mach du einfach weiter deine Haare schön.", erwiderte Alexander gelassen, aber genervt.

„Ich meine ja nur dass es auf mich etwas so wirkt als würdest du nur im Dreck zeichnen und mit dir selbst reden.", erwiderte Jason.

„Wirst du jetzt wieder bissig, weil du mit der Situation nicht umgehen kannst? Ich dachte das hätten wir hinter uns.", sprach Alexander dann.

Fast wäre Jason in die Versuchung geraten, ihm irgendetwas an den Kopf zu hauen, „Jetzt aber Schluss."

„Japp, jetzt aber wirklich Schluss. Ich bin fertig.", entgegnete Alexander.

Jason sah zu Alexander herüber. Komplexe Muster auf dem Boden und drei Speicherkristalle die viel heller wirkten als noch vor ein paar Minuten.

„Sicher? Es funktioniert?", fragte Jason entgeistert.

„Japp, tut es.", erwiderte Alexander, „Ähm jetzt musst du die beiden anfassen und ich fasse den dritten an."

Jason runzelte die Stirn, „Ich soll die Speicherkristalle anfassen?", fragte er dann skeptisch.

„Jetzt halt die Fresse und mach was ich sage.", murmelte Alexander, der schon mit beiden Händen den dafür eigentlich zu kleinen Kristall umgriff.

Jason legte seine Handflächen auf die beiden anderen Kristalle.

„Unter keinen Umständen lässt du los, verstanden? Es wird sich sehr eigenartig anfühlen, aber du musst fest dran halten. Es ist wie ein normaler Portschlüssel, wenn auch etwas turbulenter."

„Okay. Das bekomme ich hin", entgegnete Jason.

Alexander nickte zufrieden, zögerte aber einen Moment. In der Ferne waren Schritte zu hören.

„Natoll sie sind reingekommen, dann lass uns mal abhauen.", murmelte er dann und presste dann „Portus. Cella.", hervor.

Blendende Lichter erfüllten Jasons Sicht und er fühlte sich weggerissen. Eine Wucht von Magie übermannte seinen Körper und erfühlte sich wie von einem Katapult abgeschossen.

Sein Körper war verzogen, verwirbelt und verzerrt und irgendwie hielt er doch die Speicherkristalle in der Hand.

Farben rasten vor seinen Augen vorbei und er presste seine Augenlider zusammen damit ihm nicht auch noch schlecht wurde.

Dann war es als wäre er von der Seite mit einem Zug erwischt worden und ein Boden traf ihn mit extremer Geschwindigkeit.

Jason schrie auf. Um ihn herum war es erst still, dann begann ein lautes Getuschel und Gemurmel. Französisches Getuschel und Gemurmel.

Jemand fasste ihm an den Hals. Dann kramte jemand an seinem Umhang herum.

„Unsäglicher Jason?", sprach nun jemand auf Englisch. Nein. Nicht jemand – Jason erkannte die Tageswache der Zentrale. Er war in der Zentrale.

„Sind wir da?", murmelte er trotzdem.

„Unsäglicher Jason, sie haben einen Portschlüssel verwendet. Hilfe ist unterwegs. Können sie sich an etwas erinnern?", fragte der Mann.

„Was? Wieso bin ich hier? Das hat viel besser geklappt als ich dachte…", murmelte Jason darauf.

„Sie haben sich am Kopf verletzt. Wo sind die fünf anderen Unsäglichen, die bei ihnen mit auf Mission waren?", forderte die Stimme. Ein Heilzauber wurde irgendwo in der Ferne gesprochen.

Schlagartig wurde es etwas klarer.

Jason versuchte sich aufzurichten, wurde aber zurückgehalten. „Stopp. Ich bin noch nicht mit ihrer Wirbelsäule fertig. Da war ein sehr sparsamer Heilzauber und sie ist längst nicht in einem guten Zustand."

„Ich war…", setzte Jason an, „Ich war mit einem anderen Unsäglichen gefangen."

„Nah jetzt gerade sind sie alleine.", kommentierte der Mann.

Jason richtete sich auf und ein Schmerz zuckte durch seinen Rücken und durch seine Beine. „Was wo ist er?", rief er dann.

„Waren sie im Kampf? Wo waren Sie zuletzt.", sprach eine neue Stimme als sie Jason zwangen, sich wieder hinzulegen, bevor er auf eine Trage gehoben wurde.

Jason versuchte sich zu wehren aber ein Zauber wurde gewirkt und die Luft wurde aus seinen Lungen gepresst als sich eine erdrückende Hand um seinen Geist legte und er nichts mehr spürte.

Schwach entgegnete er, „In einer Höhle, verfolgt von Menschen, die irgendwie… von einem Artefakt beeinflusst worden sind. Vielleicht hat sein Portschlüssel nicht genau funktioniert und er ist irgendwo anders gelandet."

Einer der Heiler ritzte seinen Umhang auf.

„Code 23.", flüsterte jemand von der Seite. Irgendwo unter der depressiven Hand um seinen Geist schaffte es Jason, sich zur Seite zu wenden.

Der Heiler nahm ein Abzeichen in Empfang, dass an der einen Kante stark beschädigt war. Als hätte man damit Steine bearbeitet.

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Harry versuchte, die Einwohner zu ignorieren. Es war so laut überall. Seine Sinne kämpften etwas dagegen an, aber er wusste nicht, wie er dagegenwirkte, ohne sich magisch taub zu machen.

Voldemort war noch immer im Gefecht mit dem Geschöpf, doch es würde nicht mehr lange dauern, dann würden die Kräfte des Wesens nachgeben.

Thomas war nicht zu sehen, doch Harry spürte deutlich, dass er Voldemort versuchte aufzuhalten. Tatsächlich nicht, indem er den dunklen Lord angriff, sondern indem er das Wesens stärkte. Wunden schlossen sich und Hiebe des Wesens sandten schattenmagische Wellen nach außen.

Schmerz machte sich hinter seiner Stirn breit, als Voldemort versuchte, Kontakt zu ihm aufzunehmen. Harry wusste gerade nicht, wie er ihn aufhalten konnte, so ließ er ihn betreten.

Harry Potter., zischte eine helle Stimme, Du wurdest nun endgültig von alten Mächten berührt. Meine besten Grüße an die andere Seite.

Die zweite Präsenz war still, doch sie würde Voldemort wahrscheinlich einfach aus seinem Kopf werfen können. Wusste Voldemort das? Für wie schwach hielt der dunkle Lord Harry? Es könnte in diesem Moment der größte Vorteil sein.

Deine Freunde handeln edel. Doch wird euch edles Handeln den Sieg kosten. Es gibt nur einen sehr kleinen Unterschied zwischen Rücksicht und Zögern. Du weißt, was das Letztere bedeutet., sprach Voldemort weiter. Ein weiterer Explosionsfluch. Voldemort war wirklich nicht zimperlich.

Die Disziplin von Voldemort war erstaunlich, dafür dass der Mann nicht richtig im Kopf war. Die Schattenmagie war eine starke Präsenz und er verwendete ständig etwas Konzentration dafür, sie von sich fernzuhalten. Ein Selbstschutzmechanismus.

Harry war für einen Moment abgelenkt. Magie sammelte sich hinter ihm und eine Hand glitt durch seinen Bauch hindurch. Der Schock kam schneller als der Schmerz und Harry sprang instinktiv zur Seite und schrie auf.

Das hätte nicht funktionieren dürfen, doch das Wesen vor ihm war körperlos. Das Abbild.

Harrys Magie arbeitete in ihm und heilte ihn, während er seine Hand nach vorne schnellen ließ. Mit einem Grollen und Krachen schnappten grellweiße Peitschen nach dem Abbild, die es packten und nach unten zogen.

Dessen Magie wehrte sich, doch es war zu schwach für diesen Zweikampf.

Es wurde heiß von hinten und Harry rollte sich vor einer Feuerwand weg, die das Gebäude hinter Harry verschlang.

Aus den Flammen schritt Voldemort, dessen Robe an einigen Enden Feuer einfing und schwarzen Rauch aufsteigen ließ.

Voldemort stach mit seinem Zauberstab zu und das Feuer zog sich mit einem Windstoß zusammen und eine flammende Schlange schnappte nach Harry. Der schaffte es gerade, ein Schild zu beschwören, um sich und um das Abbild.

Kniend hielt Harry das Schild. Die Schlange ließ sich auf das Gebäude nieder und um Harry herum zersprang der Stein als das eingeschlossene Wasser verdampfte.

Harry ließ das magische Schild ihn und das Abbild einhüllen, während sich die Schlange um sie herumwandte.

Nur noch einen Moment. Das Abbild musste sterben.

Ein interessanter Vergleich, findest du nicht?, zischte Voldemort in seinem Kopf. Der dunkle Lord stand ruhig auf dem anderen Gebäude. Noch immer in schwarzen Rauch gehüllt.

Harry biss die Zähne zusammen und versuchte das Schild aufrecht zu erhalten. Er streckte seine Hände nach dem Schlangenkopf aus und aus seinem Arm erhob sich ein großer Hirsch, der mit seinem Geweih in die Schlange stach.

Kreischend zersplitterte das Feuer und verpuffte um Harry herum. Die Welle ließ sein Schild zerbersten und Harry spürte die enorme Hitze für einen Moment, ehe der Wind ihn wieder erwischte.

Welcher Wind?, dachte Harry mit etwas Panik. Als er sich umwandte, sah er, dass das Abbild geflohen war.

Harry versuchte, Thomas oder die Bestie zu erspähen, doch sie waren beide nicht zu sehen.

Harry wurde mit einer Hand gegriffen und umgedreht. Voldemort sah ihn aus zu Schlitzen verengten Augen an.

„So mächtig.", sagte er und warf ihn vom Gebäude.

Harry schrie, durch den Schock und die Panik. Die Schritte aus den Reihen der Einwohner klangen wie Felsen, die aufeinander reiben.

Mit einem Stoßzauber machte er eine Lücke zwischen den Menschen. Die Wucht des Zaubers zerdrückte vier von ihnen und Harry sprang sofort mit einem Satz über die improvisierte Mauer, als er den Boden berührte.

VOLDEMORT HAT DIE NADEL!, schrie die zweite Präsenz mit tausend Stimmen in seinem Kopf.

Nagini schlängelte sich aus dem herausgesprengten Loch unter dem Baum hervor, mit etwas im Maul, was so sehr einer Nadel ähnelte wie ein Balken einem Zahnstocher. Die metallische Pieke von sicher einem halben Meter schaute mit der Spitze zuerst aus ihrem Maul hervor.

Bevor Harry reagieren konnte, schnellte Nagini mit dem Kopf in Richtung Voldemort und durchstieß ihm mit der Nadel die Brust.

Voldemort schrie und ein so starker Schmerz breitete sich in Harry aus, dass er ebenfalls schreien musste.

Voldemort ergriff die Nadel und zog sie sich aus dem Brustkorb. Das hatte doch das Herz getroffen. Das hatte definitiv das Herz getroffen!

Das Abbild stand vor Voldemort, welcher seinen Arm zurückschnellen ließ und darauf mit der Nadel die Brust des Abbildes durchstieß.

In Sekundenbruchteilen zuckte ein greller Blitz durch den gesamten Baum. Schattenmagische Kraft erschien und Thomas baute sich vor Harry auf. Ein Zischen ging durch die Luft und Thomas parierte die magische Druckwelle kaum einen Meter vor Harry. Die Gebäude neben ihnen wurden zerfetzt und Ron und Hermine konnten sich gerade so durch einen Sprung vom Dach retten.

Als der Staub sich gelegt hatte, war die Aura von Voldemort verschwunden. Das Abbild kniete an der Stelle, an der es vorher gestanden hatte und regte sich nicht. Die Nadel war noch immer im Brustkorb des Wesens.

Thomas verschwand von Harry Seite und seine Aura schien sich zu vervielfältigen.

Es krachte und knirschte um Harry herum. Steine in den zusammengestürzten Häusern begannen zu rollen. Mit kleinen Knallen schnappten sie zusammen, bis sich Beine formten. Mit erschreckender Agilität sprangen sie aufeinander und wieder knallte es, als sie zusammensprangen. Harry wich zurück als pferdgroße steinerne Spinnen aus den Häusern herauskrochen und mit knirschenden Schritten in Richtung des Abbildes liefen.

„Thomas hat einen eigenartigen Geschmack.", kommentierte Caroline und suchte Deckung, ehe sie einen Flammenzauber beschwor, der wie eine Welle in Richtung des Abbildes rollte.

Das Abbild parierte den Zauber mit einer magischen Barriere, ohne sich zu regen. Die Spinnen waren noch einige Meter entfernt.

Es hat sich einen Körper geschaffen, doch das eigentliche Problem bleibt bestehen, sprach die Stimme.

Harry sah es auch. Ein vager Schimmer, der schon verschwunden war, wenn er zu sehr hinsah.

Die Seele, die nun in dem Abbild hauste, benötigte einen Körper – einen menschlichen Körper. Doch sie hatte sich nun in diesem Abbild eingeschlossen, obwohl es einfach kein gutes zu Hause war.

Hätte das Abbild nicht viele Menschen auf grausame Weise getötet, hätte Harry fast Mitleid.

Als die erste Spinne das Abbild erreichte und es mit einem Beinhieb angriff, war es auch schon aufgestanden und ergriff das Bein der Spinne. Mit einer unmenschlichen Wucht warf es die Spinne auf einige Andere, welche alle zerbarsten.

Der Körper muss zerstört werden., sprach die Stimme in Harrys Kopf.

Mit einer bescheuerten Idee im Kopf rief Harry seinen Patronus. Der Hirsch erschien vor ihm aus dem Nichts und sah ihn aufmerksam an. Mit einem kurzem, starken Glücksgefühl im Bauch, übermittelte Harry seine Intention in den Patronus, welcher verpuffte.

Das Geräusch von aufeinanderkrachenden Steinen wurde lauter, als Harry weitere Steinspinnen animierte, diesmal getrieben von weißer Magie.

Das Abbild hatte die nächste Spinne gepackt und war dabei, sie zu vernichten, als Emilia in einer erhöhten Position auftauchte und das Abbild mit einem Fluch aus dem Konzept brachte.

Das gab Harry ein paar kostbare Sekunden, um zu versuchen, den Zustand seiner restlichen Mitstreiter zu prüfen. Doch wo waren sie?!

Luna geht es gut., sprach die Stimme, Ron und Hermine sind bewusstlos. Caroline bringt sie in Sicherheit.

Die Stimme kannte nicht wirklich die Position seiner Freunde – sie interpretierte nur die magische Umgebung für Harry. Das beruhigte Harry ein wenig, aber Bewusstlosigkeit war kein Zuckerschlecken – nicht einmal für Zauberer. Doch Heilen hatte geringere Priorität. Wenn sie das Abbild nicht vernichteten, waren alle tot.

Ein Blitz erschien, als die erste von Harrys Spinnen das Abbild erreichte und das spitze steinerne Bein in den Körper stach. Es hatte die Spinnen unterschätzt und nicht die Fähigkeit, entsprechend zu reagieren.

Es zischte extrem laut, als das Abbild von weißer Magie durchstoßen wurde. Ein kleines Stückchen Schattenmagie wurde aus dem Abbild herausgerissen und verpuffte.

Das machte Harry aber hauptsächlich klar, dass das nicht genug sein würde. Es war zu wenig. Als hätte er einen Eimer Wasser aus dem Meer entfernt.

Die Spinnen schienen das Abbild allerdings zu paralysieren, vielleicht konnte Harry-

Eine Schockwelle ging von dem Abbild aus, ein Zischen ging durch die Luft, und die Spinnen zersprangen in kleine Steinsplitter.

Harry riss sein Schild hoch, dass die Steinsplitter kaum einen Meter um ihn umlenkte. Der Staub krachte gegen das Schild und Harry reagierte einen Moment zu spät, und ein Steinsplitter schoss direkt auf ihn zu.

Harry spürte den Durschuss beinahe sofort und der Schock nahm ihm kurz alles Gefühl weg. Das war ein glatter Bauchdurchschuss.

Die Welle zog vorbei und Harry ließ sein Schild sinken. Thomas war auf einem der Gebäude zu sehen und parierte Angriffe des Abbildes.

Damit war nur noch Harry da. Das Abbild wusste das ebenfalls, denn Harry war bisher der Einzige, der Schaden angerichtet hatte.

Im Bruchteil einer Sekunde war das Abbild hinter Harry. Harry machte einen Satz nach vorn und drehte sich in der Luft um. Mit seinem Zauberstab in der Hand zischte Harry einen Flammenzauber. Eine gierige Feuerklaue griff nach dem Abbild. Es wich aus und fixierte Harry mit schwarzen Augen.

Der nächste Hieb mit dem Arm ergriff Harry in der Seite und schleuderte ihn gegen eine Hauswand. Es krachte. Seine Sicht verschwamm für einen Moment.

Beinahe aus Reflex löste Harry die Bande um die zweite Präsenz. Ein brennendes Gefühl macht sich in Harrys Körper breit. Es unterdrückte den Schmerz im Bauch und im Rücken.

Wie von selbst schnellte Harrys Arm nach Vorn und ein Kreischen von hellen Stimmen gellte durch das Dorf.

Das Abbild verschwand. Harry hatte ein vages Gefühl dafür, wie es sich bewegte, und wohin es wollte. Allerdings verhielt es sich unvorhergesehen.

Als Harry die Aura das nächste Mal spürte, begann das Kreischen wieder und in dem Moment, in dem das Abbild auftauchte, sackte es zu Boden und hielt sich die Ohren zu.

Harry wusste, dass es kein physikalisches Geräusch war.

Das Abbild verschwand wieder. Harry sah, dass sowohl Thomas als auch Emilia ebenfalls verschwanden. Ihre Auren waren aber viel zu schnell, als dass Harry sie hätte verfolgen können.

Wenn du ihnen folgen möchtest, kannst du, alleine, einen Schritt durch die andere Welt nehmen, und wieder eintreten., kommentierte die Stimme.

Wenn Harry das nur direkt gewusst hätte.

Magie durchfloss ihn. Er würde es vermutlich nie erklären können, wie es sich anfühlte. Vielleicht würde er mit dem Brennen auf der Haut anfangen. Oder das Gefühl, jemand würde hinter einem Stehen. Die Ahnung, wo sich Seelen tummelten, war befremdlich.

Harry löste sich von der physischen Ebene – nicht durch Schattenmagie, sondern in Richtung des verschwindenden Punktes, zu dem die Seelen verbunden waren, und machte einen halben Schritt in die Richtung.

Was Folge, war wohl die seltsamste Erfahrung, die er je durchgemacht hatte. Die Physische Welt trat aus seinem Sichtfeld und er hatte das Gefühl, alles wäre auf einmal an einem Punkt.

Zum Glück war er mittlerweile etwas auf Thomas und Emilia abgestimmt und konnte sie unter dem Gewirr an Informationen leicht ausfindig machen.

Er schritt wieder aus der kleinen Ebene hinaus und gelangte auf die Insel, auf der sie die Welt betreten hatten. Das Abbild war hier und Harry wusste auch wieso. Es wollte weg.

Es knallte, als ein Fluch von Thomas von dem Abbild pariert wurde, auf Thomas zurückgeschleudert wurde, wo wiederrum Emilia die Energie abfing.

Das Abbild war jedoch überhaupt nicht mit Thomas und Emilia beschäftigt. Es wollte fliehen, doch der Übergang zwischen den Welten war ihm verborgen.

Es ist erstaunlich, welche Türen einem verborgen bleiben, wenn die Seele nicht heil ist., kommentierte die Stimme.

Harry starrte das Abbild an und es schien einfach nicht zu verstehen, dass etwas falsch war.

Kann ich irgendwie helfen?, dachte darauf.

In diesem Fall leider nicht., sprach die Stimme darauf.

Resigniert versuchte sich Harry zu erinnern, was Emilia mit den Todessern gemacht hatte, als sie für Thomas die Energie sammeln wollte. Dasselbe funktionierte vermutlich nicht, aber die Todesser waren wohl etwas fester mit ihren Seelen verbunden, als das Abbild es war.

Harry riskierte einen Seitenblick auf Thomas, welcher seinen Plan zu verstehen schien – er hatte ja auch einen sechsten Sinn für solche Dinge.

Thomas schlug seine Hände zusammen und schattenmagische Energie erfüllte seine Handflächen. Er rammte seine Hand in den Boden hinein und ein Krachen ertönte unter der Erde. Als er seine Hand wieder nach oben zog, folgte etwas, was wie ein Gnom aussah. Vollkommen aus Erde bestehend mit dunklen Fäden versäht.

Bevor das Abbild etwas unternehmen konnte, beschwor Harry einen Flammenzauber, um das Abbild anzugreifen. Zeitgleich rief Harry wieder seinen Patronus, welcher aus seiner Handfläche galoppierte und in den Erdelementar hinein.

Die Kreatur rannte mit schweren Schritten auf das Abbild zu und Harry zog seinen Silberdolch. Das Abbild wandte sich um und versuchte, den Elementar mit einem Kraftstoß zu töten. Die Welle riss dem Elementar ein Bein ab, doch es holte zum Schlag aus.

Ein Blitz entstand als die Patronusenergie von Harry mit dem Abbild kollidierte.

Harry rannte auf das Abbild zu und holte mit dem Dolch aus. Die nächste Sekunde war entscheidend. Das Silber kollidierte mit etwas erstaunlich Festem und glitt in das Abbild hinein.

Ein heller Schrei ertönte und Harry spürte und sah den Schimmer der Seele genau. Harry erschuf einen Tunnel mit Schattenmagie und zwang das Seelenbruchstück in den Dolch.

Thomas war mit einem Mal neben Harry und stieß mit seiner Handfläche auf das Gesicht des Abbildes.

Das Verpuffen der Umrisse war mit einem leisen Zischen verbunden. Im Gegensatz zu dem vorherigen Tumult war es praktische unhörbar.

Emilia lief Harry zur Seite, „Du warst verletzt, wie sieht es jetzt aus?"

Harry schüttelte den Kopf und versuchte sich kurz zu orientieren. „Ich weiß nicht, ich spüre gerade nichts."

Emilia nickte, „Ich sehe dann kurz nach den Anderen, kommt mit.", und verschwand. Thomas und Harry nickten sich zu und verschwanden ebenfalls beide.

„Wir haben zwei verletzte!", rief Caroline, als sie ihr entgegenliefen, „Hermine und Ron sind beide stabil, haben aber einen ganz schönen Aufprall hinter sich. Emilia, schnell!"

Emilia eilte vor und kniete sich neben Harrys Freunde. Während sie ihre Arbeit kommentierend mit der Heilung begann, machte Thomas eine Prüfung der Lage.

„Jason und Alexander sind noch nicht zurück. Ich habe sie auch nicht mehr gespürt. Harry, schnapp dir Caroline und durchsucht die Palastumgebung und die Anhöhen.", sprach Thomas darauf.

Harry nickte. Er winkte Caroline zu sich und sie verließen die anderen, um durch die Palastgebäude zu suchen.

Besonders instabil war der Innenraum des Palastes. Alter Kalkstein war herabgestürzt, als die Magie in diesem Gebäude nachgegeben hatte. Wenn zwei Generationen nach dem Zerfall diese Insel noch über zehntausend Einwohner hatte, konnte sich Harry überhaupt nicht vorstellen, wie viele Menschen hier ursprünglich gelebt haben mussten, und wie groß die Insel gewesen sein musste.

Der Palast war allerdings leer. Er war nicht nur leer – die Abwesenheit von Einrichtung oder auch nur irgendeinem Hinweis, dass hier mal jemand gelebt hatte, wirkte auf Harry ein wenig seltsam.

„Glaubst du die haben sich irgendwo verschanzt?", fragte Caroline nun.

Harry schüttelte den Kopf, „Ich bin mir unsicher, wieso sie nicht geschafft haben, sie einzukesseln."

Caroline zuckte mit den Schultern, „Es ist ja nicht so als wäre das das normale Vorgehen beim Angriff durch Menschen. Es kann sein, dass sie in einer unschönen Position waren, und das dann nicht konnten. Eigentlich hat man beim Angriff durch instinktgesteuerte Wesen nur die Möglichkeiten nach oben oder nach unten, sozusagen."

In der Ferne war nichts mehr zu hören. Es war seltsam still auf der Insel. Harry fragte sich, wieso. Die Bewohner mussten so sehr mit ihrer Umgebung verschmolzen sein, dass sie nun komplett Stein und Lehm waren. Die Nadel hatte sie wohl auf seltsame Art geschützt.

„Lass uns als nächstes die Anhöhe versuchen.", sagte Caroline darauf.

Dort war es auch viel klarer, was geschehen war. Es sah aus als wäre fast die Hälfte der Anwohner irgendwo hier verstreut. Harry fragte sich, ob sie vielleicht ursprünglich bei der Arbeit gewesen waren.

Ein paar der Menschen waren gestorben, als andere sie zertrampelt hatten. Weitere waren durch Versteinerung gestorben. Man konnte sehen, dass die Transformation sie hat lahmen lassen.

Am Ende war ein Mineneingang. Hinter dem Eingang war es schnell dunkel, und voll mit versteinerten Einwohnern.

Caroline lief etwas voran und fand einen Speicherkristall auf dem Boden.

Harry sah sich den Kristall für einen Moment genauer an. Leichte Magieflüsse waren noch zu verzeichnen, doch die meiste Kraft hatte den Stein verlassen. Leichte Schimmer eines Feldzaubers waren zu sehen – vermutlich ein Schutzzauber.

Mit einem Seitenblick auf Caroline war Harry klar, dass das nicht gerade gut aussah. Sie beschworen beide Lichter mit ihren Zauberstäben, als sie die Mine betraten, die am Eingang teilweise unter den Explosionsflüchen von Voldemort gelitten hatte.

Alexander war nicht schwer aufzuspüren, gerade einmal vierzig Meter in die Mine herein, an einer Gabelung, bei der einer der Gänge eingestürzt war. Seine Leiche war scheinbar das Zentrum des Ansturmes an transformierten Einwohnern. Ihm war mit einer starken Gewalt der Brustkorb zerdrückt worden.

Harry wandte seinen Blick ab und sah Caroline an, die ebenfalls lieber die Umgebung erkundete.

„Glaubst du wir sollten…", setzte Harry an. Dann räusperte er sich. „Glaubst du wir sollten seinen Körper mitnehmen?"

Caroline war in dem Moment eher auf die neuen Schäden in der Mine konzentriert. Nach einigen Momenten antwortete sie, „Erstmal ist es wichtig, herauszufinden, wo Jason ist."

Harry zwang sich nochmals, zu der Leiche zu sehen. Runen auf dem Boden. Speicherkristalle. Irgendein Transportzauber. Von Jason war keine Spur zu sehen. Wenn Harry die Kleidung von Alexander genauer betrachtete, fehlte dessen Abzeichen.

„Caroline?", fragte Harry zaghaft.

Ein Seufzten war zu hören, ehe sie antwortete, „Ja?"

„Sein… Sein Abzeichen fehlt.", erklärte Harry.

Caroline wandte sich um. Sie kniete sich neben Alexander und stellte wohl dasselbe fest.

„Na Gott sei Dank.", sagte sie. Auf dem Boden hockend fuhr sie sich durch die Harre und rieb an ihren Augen. „Er hat es Jason mitgegeben. Er hat sein Bestes gegeben, Jason in Sicherheit zu bringen und kannte die Kosten."

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Jason war allein. Es war nicht das erste Mal, dass er in der Krankenstation war. Einmal kam er aus einer Mission in Italien, verletzt und an der Grenze zum Tod. Diesmal war er nicht verletzt – jedenfalls nicht so, dass es die Einsatzheiler nicht hatten heilen können.

Doch die Stille im Raum erdrückte ihn. Wie ein Rauschen im Ohr, und jede leise Regung auf dem Gang brachte einen kleinen Moment an Erleichterung.

Die Desorientierung hatte sich gelegt. Das war sehr positiv. Jason mochte es nicht, nicht ganz klar im Kopf zu sein.

Er richtete sich auf und ein dumpfer, unterdrückter Schmerz stieg in seinem Rücken nach oben. Das Rascheln der Bettdecke war willkommen in seinem Ohr.

Er griff nach dem Glas an der Seite und trank einen Schluck. Es half etwas, gegen den Kloß im Hals.

Unsägliche starben ständig. Drei Eingreifteams haben im letzten Monat ein Mitglied verloren.

Vierzehn Unsägliche waren seit Anfang des Jahres im Einsatz gestorben.

Der Hauptgrund dafür war außerdem einfach Pech. In den meisten Fällen war niemand schuld – plötzliche Angriffe oder große Gegnerzahlen. Man könnte die Ursache bei den Entscheidungen der Unsäglichen genauso suchen, wie man eine Maus dafür verantwortlich machen konnte, in eine Falle getappt zu sein.

Schritte ertönten im Gang, die irgendwie extrem laut wirkten. Das konnte auch daran liegen, dass eine der Personen Schuhe mit harten und glatten Sohlen trug. Die andere Person hatte eine formale Robe an. Vielleicht auch ein wenig zu formal.

Eine der Personen sah es auch garnicht ein, erst zu klopfen. Jason kannte den Namen, aber sein Kopf war im Moment noch ein wenig zu schwammig, um diesen Namen zuordnen zu können.

„Moin Jason.", sprach die Person in der Robe, „Du weißt wie das läuft. Gaston hier wird für die nächsten paar Minuten die PVA vertreten und ich bin für die interne Ermittlung hier."

Der andere Mann, etwas älter, ließ sich die Haare vom Friseur färben, nickte Jason nur kurz zu und richtete das Pergament und die Feder. Altmodischer Mann. Festangestellt bei der Abteilung für psychologischer Verhaltensaufsicht.

Der Typ der stand hieß Frank. Stellte sich selbst mit einem ausgedehntem A im Namen vor, obwohl er überhaupt kein Deutscher war.

Wenn Jason sie jetzt entwaffnen musste, dann wäre das sicher nicht schwierig. Töten vermutlich schwieriger. Wenn er es sich aussuchen müsste, würde er Frank wohl zuerst angreifen.

„Muss ich buchstabieren, was meine Anwesenheit bedeutet, oder geht das so?", fragte Frank nun salopp. Vielleicht nicht der Beste für solche Gespräche. Jason schüttelte in jedem Fall den Kopf. Buchstabieren konnte er selber.

Gaston hob etwas die Hand und schnitt ein, „Dieses Gespräch ist niemals ein schönes Gespräch. Allerdings ist das bei solchen Erlebnissen meist so, dass es besser ist, sofort sich daran zu setzen, was geschehen ist. Wir entnehmen ja auch meist sofort Beweise."

Jason nickte nur. Wenn die Herren mal zum Punkt kommen würden, wär das auch ganz schnell wieder vorbei.

„Da wir den groben Ablauf der Geschehnisse bereits von den anderen Unsäglichen kennen, reden wir mal nicht um den heißen Brei herum. Den Rest kannst du nachher im Bericht nachtragen. Wieso seid ihr in eine Mine geflüchtet, statt die Bewohner einzukesseln?", fragte Frank nun.

Jason atmete einmal tief ein, „Die Mine selbst war magisch verstärkt und der Hang sowie die Anhöhe davor waren es ebenfalls. Ich hätte vor Ort dort nichts ausrichten können."

„Ein Angriff auf die Anwohner?", hakte Frank nun weiter nach.

Jason schüttelte den Kopf, „Hat denen nichts ausgemacht."

„Na dann…", murmelte Frank darauf, „Die Erkundung durch Unsäglicher Harry Potter und Unsägliche Caroline Moore wurde durchgeführt und sie haben durchstoßene Schutzzauber vorgefunden. Du hast die Speicherkristalle verwendet, um eine Blockade zu errichten, sehe ich das korrekt?"

Jason nickte.

„Alle Speicherkristalle?", fragte Frank nun. Wohlwissend, dass dem nicht so war. Er wusste, dass es nicht so war. Jason öffnete kurz den Mund. Kein Ton kam heraus. Der Klos in seinem Hals verstopfte seine Lunge und für einen Moment dachte er, er müsse nach Luft ringen.

„Wir müssen einen Schritt zurück machen.", kommentierte Gaston sachlich.

Jason wusste, was sie taten. Gaston war als Berater für Frank da und nichts Anderes.

„Was kannst du mir über die Feldzauber erzählen, die auf der Insel lagen?", fragte Frank darauf.

Jason räusperte sich, „Eine Art von Transportzauber, aber ich weiß nicht genau, wie sie gestaltet waren. Aber ich glaube auch garnicht, dass dieser Effekt der Zauber so viel mit der Intention zu tun hatte, Transport zu verhindern. Aber ihr wisst ja auch, dass Emilia davon mit Abstand am meisten Ahnung hat. Sie hat ja einen IQ von fünf tausend oder so."

Frank lächelte zwar, doch für den Bruchteil einer Sekunde hob er die rechte Augenbraue und zog den Kopf nach hinten. Kaum bemerkbar, aber Jason hatte den Anflug von Hohn nicht verpasst.

„Bei so etwas ist es doch sicher schwierig, zu arbeiten.", kommentiert Frank dann wie beiläufig.

„Das ist es.", murmelte Jason darauf. Das Webmuster auf dem Bettlaken war ein wenig gröber, als er es in Erinnerung hatte.

„Sowas steht in den Kampfeinsatzprotokollen nicht drin, oder?", fragte Frank dann.

Ach du meine Güte. Jason war ein wenig zu weit weg, um den Mann um seine Schneidezähne zu erleichtern.

Noch einmal ein tiefer Atemzug. So lange konnte es sicher nicht dauern. „Doch, das steht da drin. Hinten bei den Leitfäden."

Frank legte seine Beine übereinander und machte einen Gesichtsausdruck, der definitiv ins Verhöhnen abglitt.

Frank zog seine Mundwinkel kurz nach unten und blickte dann satirisch verwirrt drein, „Aber nichts über… Transportssperren und Fluchtwege?"

Jason atmete noch einmal tief ein. Einmal durch musste er, „Wenn wir ganz technisch sein wollen, dann obliegt die Verantwortung dafür Thomas. Die Anweisung war das Sichern der Umgebung."

„Unsäglicher Thomas war zu der Zeit… Wo?"

„Im Gefecht mit Voldemort.", erwiderte Jason darauf.

„Man kann ihn damit also als Gebunden bezeichnen.", kommentierte Frank darauf.

„Wenn ihr mir Vorsatz nachweisen wollt, könnt ihr das gerne durch den hohen Rat drücken. Wenn ihr mir Dummheit nachweisen wollt, könnt ihr das auch gerne machen, dafür könnt ihr mich aber nicht belangen. Und wir kauen das jedes Mal durch. Jedes verdammte Mal, dass ich von irgendetwas zurückkomme, was nicht ganz nach Plan verlaufen ist. Jedes Mal muss ich euch daran erinnern, dass es Regeln und Grenzen davon gibt, was die interne Ermittlung tun darf.", zischte Jason, dankbar für den kurzen Kraftschub.

Frank lehnte sich kurz zurück und antwortete, „Die Leben unserer Angestellten sind uns sehr wichtig, Unsäglicher Green, und wir wollen nur klären, was wir in Zukunft tun können, um die Sicherheit unserer Angestellten zu erhöhen."

„Einen Scheiß gebt ihr.", zischte Jason zurück, „Alexander und ich sind in eine Mine gelaufen. Das war dumm das weiß ich auch. Wir sind da nicht rausgekommen. Er hat die restlichen Speicherkristalle verwendet um mich zu retten. Er hat Code 23 aktiviert. Und nächste Woche hast du die siebte Dienstaufsichtsbeschwerde in deinem Postfach liegen."

Frank nickte, „Ich werde drauf warten. Gaston, hast du alles?"

Die Puppe, die sich als PVA Angestellter tarnte, nickte und stand auf. Mit einer Handgeste ließ er die Tintenflecken verschwinden, die er mit seinem altmodischen Schreibutensil verursacht hatte und verschwand mit Frank den Gang hinunter.

Die Schritte der beiden tönten noch einige Minuten nach.

Jason war nun wieder allein. Ein paar Mal atmete er geräuschvoll ein und aus. Damit die Stille nicht wiederkam. Jason wusste nicht, wieso er es nicht viel früher bemerkt hatte. Als er Ron unterrichtet hatte, hatte er ihm sogar gesagt, dass es für Jason ja okay wäre, in Wutanfällen aufzugehen, wenn etwas nicht stimmte, aber Ron musste ja besser sein.

Bei Merlin, Ron war ja auch besser geworden. Ausgeglichener als es Jason jemals gewesen war.

Nach dem nächsten Atemzug hatte Jason das Atmen irgendwie satt. Konnte man von seiner eigenen Lunge genervt sein?

Vielleicht mangelte es Jason auch nur an Geduld. Vielleicht sollte er einfach aussprechen, was ihm schon seit mindestens einem Jahr durch den Kopf ging. Das klirren des Abzeichens. Die Lautsprecher in den Gängen, das Warnsignal, das Adrenalin, weil man nicht wusste, was der Disponent als nächstes sagen würde. Die Angst, etwas falsch zu machen. Fehler zu machen, die Menschen das Leben kosten konnten.

„Ich kann nicht mehr.", flüsterte Jason in die Stille hinein.

Weil es beim ersten Mal nicht geklappt hatte, sagte er es nochmal. Dann nochmal. Jason atmete nochmal ein und nochmal aus. Diesmal kam ein lautes Schluchzten mit heraus.

„Ich kann nicht mehr."


A/N: Wir sind im Endspurt.