Am nächsten Tag sahen sich die Beiden überhaupt nicht, weil Harm am Vormittag eine Untersuchung in Norfolk durchführen musste und Mac die zweite Hälfte des Tages im Gericht festsaß. Diese Tatsache störte sie viel mehr, als sie es je zugeben würden.

Den Samstag verbrachte Mac wie geplant mit Chloe, sie gingen ins Kino. Anschließend machten sie noch einen kleinen Spaziergang, auf dem Mac ihrer Schwester von ihrer Verabredung mit Harm erzählte.

"Ihr habt ein Date?", fragte Chloe aufgeregt.

"Es ist kein 'Date'! Nur ein Treffen unter Freunden."

"Ja sicher..."

Aber Mac wollte sich auf keine Diskussion einlassen, nicht schon wieder. Sie hatten diese Art von Gespräch einfach zu oft geführt. Und immer endete es damit, dass Chloe sagte:

"Ihr solltet unbedingt zusammen ausgehen!"

Diesmal hatte sie absolut keine Lust darauf, sich von ihrer kleinen Schwester Ratschläge darüber geben zu lassen, mit wem sie sich treffen sollte und mit wem nicht. Mac war auch so schon nervös genug, wenn sie an den kommenden Tag dachte. Warum, dass wusste sie selbst nicht genau. Also wandten sie sich wieder anderen Themen zu.

Zur gleichen Zeit saß Harm bei sich zu Hause und versuchte, nur durch seine Willenskraft den Tag schneller verstreichen zu lassen. Aber es gelang ihm nicht. Er dachte einen Moment darüber nach, joggen zu gehen, verwarf diese Idee aber fast sofort wieder, da es viel zu kalt draußen war. Dann nahm er ein Buch zur Hand, konnte sich aber nach einer Seite schon nicht mehr auf den Inhalt konzentrieren, denn ständig sah er ihr Gesicht, hörte ihr Lachen. "Ach verdammt!", rief er und zwang sich, ein paar Akten durchzusehen, die er aus dem Büro mitgebracht hatte. Doch auch das gab er nach kurzer Zeit wieder auf. Endlich war es doch langsam Zeit, ins Bett zu gehen, aber selbst da kam er nicht zu Ruhe. Er konnte sich nicht erklären, warum er so aufgeregt war, immerhin hatten Mac und er sich schon oft außerhalb des Büros getroffen. Schließlich schlief er ein. Mac verfolgte ihn sogar bis in seine Träume, allerdings war die Nacht eine Zeit, in der er sich nicht gegen Gedanken an sie wehren wollte.

Sonntag, 17. Dezember, 15:42 Ortszeit
Macs Apartment
Georgetown

'Was ziehe ich denn bloß an?' Diese Frage schwirrte in ihrem Kopf umher seitdem sie am Morgen unter die Dusche gestiegen war. Mac wühlte in ihrem Kleiderschrank und als sie sich endlich entschieden hatte, lagen fast alle ihre Anziehsachen im Raum verteilt, auf dem Bett, auf dem Nachttisch und auf dem Boden. Da sie noch genug Zeit hatte, räumte sie noch schnell alles wieder ein und begann dann, sich fertig zu machen.

Genau eine Stunde später stand Mac in ihrem Wohnzimmer, bereit zum Ausgehen. Sie war noch einmal mit Jingo draußen gewesen, und nun füllte sie ihm etwas Futter in seinen silberfarbenen Napf.

Sie lief ein paar Mal durch die Wohnung, nicht in der Lage sich ruhig hinzusetzen, als es dann um punkt 17 Uhr klopfte. Mac öffnete die Tür und war ehrlich erstaunt, Harm vor sich zu sehen.

"Wow, das ist das erste Mal, dass du pünktlich bist!"

"Tja, diese Seite von mir kennst du noch gar nicht, oder?", neckte er.

Sie nickte vergnügt. Beide sahen sich einen Moment lang an, dann legte Harm seine Hand auf Macs Arm und fragte:

"Bist du bereit?"

Als Antwort nahm sie seine Hand und zog ihn ins Treppenhaus. Ein paar Minuten darauf saßen sie bereits in seinem Auto.

"Hast du schon gegessen?", wollte Harm wissen.

"Nein, und ich sterbe gleich vor Hunger!"

Er lachte, dieser Dialog kam ihm sehr bekannt vor.

Ihre Gespräche blieben den ganzen Weg über so unbeschwert.

Als sie am Festplatz ankamen, suchte Harm einen Parkplatz. Am Eingang waren sie überrascht, da ein großes Schild verkündete, dass das Feuerwerk, das eigentlich am Tag zuvor stattfinden sollte, aufgrund technischer Probleme einen Tag nach hinten verschoben werden musste. Mac kommentierte dies mit den Worten:

"Siehst du, jetzt bekommst du doch noch dein Feuerwerk!"

Damit stürzten sich die Beiden in die Massen.

Schon nach ein paar Metern erspähte Mac den ersten Bratwurst-Stand und sofort machte sich die Leere in ihrem Magen durch ein Grummeln bemerkbar, dass Harm natürlich nicht überhören konnte. Leise in sich hinein lachend bahnte er sich, ihre Hand in seiner, einen Weg zum Essen. Kurz darauf stürzte sich Mac förmlich auf ihre Bratwurst, während Harm sich mit etwas Vegetarischem begnügte.

"So, was machen wir jetzt?", fragte Mac ungeduldig, nachdem sie fertig geworden war.

"Was du willst!"

"Okay, dann will ich..." Sie dachte einen Moment darüber nach, was sie von ihm verlangen könnte. "...erstmal nur ein Stück laufen, vielleicht fällt mir ja noch etwas ein."

Darauf einigten sie sich.

An der Schießbude hielt Harm plötzlich an.

"Harm, was ist?"

"Soll ich dir zeigen, wie toll ich schießen kann?", lachte er.

Sie lachte mit und er nahm das als ja.

Er ließ sich ein Gewehr geben und bezahlte für drei Schüsse, von denen jeder ein Treffer war. Der Standbetreiber war beeindruckt und gewährte Harm die freie Auswahl.

Er betrachtete kurz die Möglichkeiten, und gerade als er sich entscheiden wollte, fiel sein Blick auf einen kleinen Teddy mit einem blauen T-Shirt, das die Aufschrift "Navy" trug. So war seine Wahl natürlich gefallen. Er ließ sich den Bär geben und reichte ihn dann Mac.

"Ein Navy-Bär?", fragte diese skeptisch.

"Ja, genau. Dann hast du was, dass dich immer an mich erinnert."

"Ich würde dich auch so nie vergessen." Sie sah ihn einen Augenblick ernst an, doch dann lächelte sie wieder.

"Danke, Harm."

Ihr Spaziergang über den Markt ging weiter.

"Oh, jetzt weiß ich, was ich machen will!", rief Mac aufgeregt.

"Was denn?"

"Guck mal, da!"

Sie zeigte auf die Geisterbahn. Harm war zwar nicht ganz so begeistert, aber sie hatte nunmal entschieden.

Also machten sie sich auf den Weg zur dorthin. Sobald sie in einem Wagen saßen, tat er so, als hätte er schreckliche Angst und klammerte sich an Mac. Diese fand das etwas albern, aber da sie selbst so gute Laune hatte, ließ sie sich doch auf das Spiel ein. Von der Fahrt durch die Dunkelheit an sich bekamen sie nicht viel mit, da sie sehr damit beschäftigt waren, sich gegenseitig zu ärgern.

"Harm, diese Seite von dir kenne ich aber auch noch nicht, du Angsthase!"

Für diese Gemeinheit beschloss er, sich zu rächen, und fing an, sie zu kitzeln. Bald lagen sie sich laut lachend in der Armen. Plötzlich baute sich eine ungeheure Spannung zwischen ihnen auf, die man schon fast mit Händen hätte greifen können. Sie sahen sich an und ihre Gesichter waren auf einmal nur noch Zentimeter von einander entfernt. Gerade wollte er seine Lippen auf ihre legen, da - war die Fahrt vorbei und sie wurden aufgefordert, auszusteigen. Beide waren nicht besonders glücklich darüber, doch Mac setzte sofort wieder ein Lächeln auf. Harm hingegen murmelte noch etwas, das gar nicht für Macs Ohren bestimmt war. Sie hörte aber doch die Worte sowie seinen enttäuschten Ton:

"Das war wohl Schicksal..."

Über das musste Mac nachdenken. Hieß das etwa, er wollte sie küssen? Oder war er froh, dass das 'Schicksal' es verhindert hatte? Sie dachte an ihren ersten Kuss und inwieweit das Schicksal dort mitgespielt hatte. Damals hatte er sie nur geküsst, weil sie ihn so an seine große Liebe Diane erinnert hatte. Aber obwohl sie das gewusst hatte, hatte sie den Kuss erwidert. Seitdem hatte sie jedes Mal ein Kribbeln im Bauch, wenn sie ihn ansah.

Harm dachte über genau das Gleiche nach: 'Warum mussten wir bloß genau dann stoppen? Warum nur? Aber vielleicht ist es ja besser so...' Überzeugt war er aber keineswegs.

Als die Stille langsam unangenehm wurde, wies Mac Harm auf eine weitere Attraktion hin, die Walzerbahn. Er erklärte sich natürlich bereit dazu. Sobald die Fahrt begonnen hatte, rutschten beide näher aneinander heran, in der Hoffnung, der andere würde nichts davon bemerken. Aber schon bald wurden sie durch die Geschwindigkeit, mit der sich die Gondel drehte, sowieso fest zusammengedrückt. Das machte selbstverständlich weder Harm noch Mac etwas aus, im Gegenteil, sie genossen es.