Nach der Fahrt schlenderten sie noch etwas weiter, unter anderem an einem Süßigkeitenstand vorbei, den Mac gar nicht bemerkte, weil sie viel zu sehr damit beschäftigt war, spielenden Kinder zuzusehen. Harm aber bemerkte den Stand, vor allem eine Süßigkeit. Er fasste den Entschluss, diese zu kaufen, aber Mac durfte davon nichts merken. Ihm würde schon etwas einfallen.

Langsam begann Mac zu frieren.

"Du zitterst ja!", war es Harm nicht entgangen.

"Ja, es ist doch etwas kühl..."

Er zog seinen Mantel aus, und sie wollte gerade protestieren, aber als sie die wohlige Wärme seiner Jacke um sich hatte, ließ sie es bleiben. Und der Mantel roch so gut nach ihm...

"Danke, aber ist dir dann nicht kalt?"

"Nein, ich denke nicht. Und sollte ich doch frieren, dann müssen wir eben halbe-halbe machen", grinste er.

Etwas später fragte Harm:

"Hast du Lust, auf etwas Warmes zu trinken?"

"Au ja, solange es kein Glühwein ist..."

Er sah sie erstaunt an, aber da ihre Augen fröhlich leuchteten, ging er nicht weiter darauf ein, dass sie so plötzlich ihre unglückliche Vergangenheit erwähnt hatte.

"Okay, was hältst du von einem heißen Kakao?"

"Das ist eine gute Idee!", grinste sie.

Also bestellte er ihnen zwei Tassen Kakao, die sie dann leise schlürften. Harm war zuerst fertig. Er bat Mac, kurz auf ihn zu warten.

"Was hast du denn vor?", wollte sie wissen.

"Warte einfach, okay?"

"Na gut", gab sie nach, als sie in seinen Augen sah, dass er nichts verraten würde.

Er versprach "Ich bin gleich zurück" und verschwand.

Am Süßigkeitenstand angekommen hielt Harm Ausschau nach dem Objekt seiner Begierde. Er wurde unruhig, als er es nicht entdeckte, also fragte er die Verkäuferin. Diese antwortete:

"Eins habe ich noch, da haben Sie aber Glück!"

Er nickte, bezahlte und machte sich dann wieder auf den Weg zu Mac, die gerade dabei war, ihre leeren Kakaotassen wegzubringen. Sie sah, dass Harm etwas hinter seinem Rücken versteckt hielt. Sofort war ihre Neugier geweckt.

"Was hast du da?"

"Eine Überraschung", war seine simple Antwort.

Jetzt wurde sie ungeduldig:

"Was denn? Zeig mal!"

"Na gut, aber du musst die Augen zu machen."

"Aye, aye, Commander!", scherzte sie und schloss ihre Augen. Sie spürte, wie er ihr etwas um den Hals hängte, es war aber zu schwer für eine Kette. 'Was kann das wohl sein?'

"Darf ich jetzt wieder gucken?", bat sie.

"Ja."

Sie öffnete ihre Augen wieder und blickte auf ein großes Lebkuchenherz herab. Es trug die Aufschrift "Du bist etwas ganz Besonderes für mich" und war überall mit kleinen Rosen aus Zucker verziert.

Sie stotterte "Ähm... Danke, Harm...das...das ist echt süß von dir."

Er lächelte nur, legte seinen Arm um sie und führte sie weiter über den Markt.

Sie kamen zur Hauptattraktion des Weihnachtsmarktes, dem Riesenrad. Es streckte über 40 Meter in die Höhe und war beleuchtet mit unzähligen kleinen Lampen in allen Farben. Macs Augen leuchteten auf, als sie dieses gewaltige Rad erblickte, und Harm, der dies sah, führte sie ohne ein Wort zur Kasse und kaufte zwei Tickets. Kurz darauf nahmen sie in einer roten Gondel Platz, die sie für sich ganz alleine hatten. Das Rad setzte sich in Bewegung. Als sie das erste Mal den höchsten Punkt erreicht hatten, atmete Mac laut aus.

"Wow, Harm, guck doch mal! Man kann das Weiße Haus sehen!"

"Sieht man auch den Rosengarten?", fragte er und spielte damit auf ihre erste Begegnung an.

"Das nun nicht. Aber die Aussicht ist phänomenal."

Inzwischen waren sie wieder ganz unten angelangt und es begann eine neue Runde, die sie schweigend verbrachten, beide in Gedanken. Mitten in der dritten Runde, gerade zwischen der niedrigsten und der höchsten Stelle, wurde das Riesenrad langsamer und blieb schließlich stehen, als sie wieder ganz oben waren.

"Ist das normal, dass wir einfach so stehen bleiben?"

"Ich denke schon", antwortete Harm, "es geht sicher gleich weiter."

Er hatte sich getäuscht, denn nach fünf Minuten stand das Rad immer noch still. Es wurden Rufe aus anderen Gondeln laut, die meinten, dass Riesenrad sei kaputt und müsste repariert werden. 'Ob das stimmt?' fragte Mac sich. Sie hatte nicht etwa Angst, denn große Höhe machte ihr nichts aus und außerdem war sie bei Harm, er würde sie vor allem beschützen, aber die Aussicht, wohlmöglich die ganze Nacht dort oben zu verbringen, war auch nicht gerade reizvoll. 'Obwohl, mit Harm...' Sie schüttelte den Kopf bei diesem Gedanken.

Plötzlich hörte sie das Geräusch von explodierenden Feuerwerkskörpern. Direkt neben ihnen hatte das Feuerwerk begonnen. Auch Harm beobachtete das Schauspiel. Langsam wurde ihm kalt, aber er wollte es Mac nicht zeigen, die ja immer noch seine Jacke trug. Wie konnte es auch anders sein, sie bemerkte es doch und rutschte näher zu ihm. Er legte seinen Arm um ihre Hüfte und zog sie an sich, sodass sie schließlich ganz dicht nebeneinander saßen. Nun war beiden warm, um genauer zu sein wurde ihnen sogar ziemlich heiß. Dann war das Feuerwerk vorbei, genauso plötzlich wie es angefangen hatte. Mac und Harm begannen, sich zu unterhalten, erst über die Arbeit im Allgemeinen und speziell über einzelne Fälle, dann drehte sich ihre Konversation aber schnell um privatere Dinge.

"Wie geht's Chloe?", wollte er wissen.

"Gut. Sie fühlt sich sehr wohl bei ihrem Vater. Und er ist unheimlich froh, dass er von ihr erfahren hat. Sonst hätte er nie gewusst, dass er eine Tochter hat!"

Mac war immer noch entsetzt über diese Vorstellung.

"Und wie steht's mit Mattie?", fragte sie im Gegenzug.

"Ihr geht es auch gut. Sie lernt fleißig für die Schule und ihr Vater kümmert sich inzwischen liebevoll um sie..."

"Du vermisst sie, nicht wahr?", sie konnte das fühlen.

"Ja, aber es ist besser so."

Einen Moment lang schwiegen sie, dann beschloss Harm, sich einem anderen Thema zuzuwenden.

"Ist Brumby eigentlich immer noch hinter dir her?"

Sie antwortete mit einem lang gezogenen "Jaaaa...", worauf er sie fragend ansah.

"Stört es dich, Mac?"

"Nicht wirklich. Und dich?", neckte sie. Er zog die Augenbrauen hoch und entgegnete:

"Wieso sollte es?"

"Ach, nur so... Mic ist wirklich nett, und er lässt einfach nicht locker. Das ist sehr schmeichelhaft. Aber irgendwie stimmt die Chemie zwischen uns nicht. Vielleicht entwickelt sich das ja noch."

Mac wunderte sich darüber, dass sie Harm all das erzählte - ausgerechnet Harm.

"Denkst du denn, das mit euch könnte etwas werden?"

Sie meinte, einen Schimmer von Unsicherheit zu hören, und noch von etwas Anderem. War es Angst? 'Ach was, das redest du dir bloß ein! Warum sollte Harm Angst davor haben, dass du mit Mic zusammen kommst?'

"Ich weiß es nicht", antwortete sie ehrlich, "aber wie sieht es denn mit Renee und dir aus?"

"Ach, da läuft nichts mehr. Sie ist zu ihrem Ex zurückgegangen, einem Bestattungsunternehmer..."

Mac konnte trotz aller Mühe ein Lachen nicht unterdrücken.

"Oh, das tut mir Leid, Harm."

"Nein, tut es nicht."

Sie seufzte: "Stimmt, ich fand sie unausstehlich! Sie hat so gar nicht zu dir gepasst."

"Und das sagst du mir erst jetzt?", rief er mit gespieltem Entsetzen.

Beide lachten. Sie waren immer noch aneinander gekuschelt, sodass es erst nicht ausfiel, dass sich ihre Köpfe aufeinander zu bewegten. Doch dann wurde ihnen beiden bewusst, was sie taten, doch keiner von ihnen brach den intensiven Blickkontakt ab. Kurz bevor sie seinen Mund mit ihrem berühren konnte, ging ein Ruck durch die Gondel und das Riesenrad setzte sich wieder in Bewegung. Sofort zog Mac ihren Kopf wieder zurück und rutschte sogar ein Stück von Harm weg. Doch er sagte nur "Diesmal nicht!" und zog sie wieder heran.

Sie küssten sich erst langsam und zärtlich, doch dann immer leidenschaftlicher. In diesem Kuss wurden alle unterdrückten Gefühle frei, die sich in so langer Zeit angesammelt hatten.

Nach einer Weile trennten sich atemlos.

"Danke", hauchte Harm.

"Wofür?"

"Dass du mitgekommen bist."

Mac lächelte warm, ihre Augen strahlten und er wollte sie am liebsten sofort wieder küssen. Er hätte es wohl auch getan, wenn nicht genau in diesem Moment das Riesenrad erneut anhielt, diesmal, damit sie aussteigen konnten. Damit war der intime Moment verstrichen, doch dieses Gefühl blieb. Keiner von beiden konnte es beschreiben, es war einfach nur wunderbar.

Sie waren sich darüber einig, langsam nach Hause zu fahren, also machten sie sich auf den Weg zum Auto.

Während der Fahrt und auch danach erwähnten sie den Kuss mit keinem Wort, obwohl ihre Gedanken unablässig darum kreisten. Somit bestand ihr Gespräch nur aus kurzen Sätzen und unpersönlichen Themen.