Kapitel 3

Es war gewiss nicht leicht für Ginny. Jedoch blieb ihr nichts anderes übrig, als Harry zu vertrauen, dass er sein Versprechen für einmal wirklich einhielt und mit ihr redete. Immer noch unter Tränen stürmte sie aus der großen Halle, mit dem Ziel sich so schnell wie möglich unter ihrer Bettdecke zu verkriechen. Malfoy aber, der wie immer ein hämisches Grinsen auf den Lippen hatte, sah, als er ihren Weg kreuzte, wie sie sich hastig die Tränen wegwischte. Sich bei solch einer Situation einen Kommentar zu verkneifen, wäre so ziemlich das untypischste für Draco gewesen. Plump stellte er sich ihr in den Weg und hielt die 16jährige einwenig grob an den Oberarmen fest. "Sag bloß, da verdrückt die Ginny ein Tränchen!" "Lass mich in Ruhe, du Arsch!", sagte Ginny und entwich seinem Griff. Malfoy setzte ein gespielt betroffenes Gesicht auf und schaute sie von oben herab an. "Oh... War der kleiner Potti nicht brav? Tz, tz... Ich begreife bis Heute noch nicht, wie es dieser Schwachkopf schafft, solch schöne Frauen um den kleinen Finger zu wickeln!" - Das saß! Nicht nur die Sache von wegen, schöne Frauen, sondern auch das Vorurteil, Harry spiele mit ihr, berührten Ginny zutiefst. "Halt die Klappe, Malfoy! Du hast keine Ahnung!"

"Oh doch, glaub mir!", sein Grinsen wurde immer breiter, während Ginny immer mehr mit weiteren Tränen kämpfte. "Ich bin schließlich auch nur ein Mann!" Ginny wollte gerade den Mund öffnen um Harry zu verteidigen, doch seltsamerweise brachte sie kein Wort raus. Seine starren, fast grauen Augen musterten sie einwenig spöttisch und doch, glaubte sie, noch nie in solch warme Augen gesehen zu haben. "Lass mich!", sagte sie schließlich, nachdem sie sich nochmals einreden musste, dass dies vor ihr Draco Malfoy war und lief ihm davon.

Die Geschichte, dass Harry mit seinen beiden Freunden noch zu Hagrid gehen müsse, war so gut wie erfunden. Er konnte es einfach nicht mehr. Er konnte sie seinetwegen nicht mehr weinen sehen, er konnte diesen traurigen Blick in ihren sonst so strahlenden Augen nicht mehr ertragen.

Es war Frühling. In nur wenigen Tagen würden die Schüler des 7. Jahres mit den letzten Prüfungen ihre Schulzeit beenden, und somit auch Harry. Deshalb sammelte er seine Bücher, die er über dem ganzen Tisch verstreut hatte, rasch zusammen und verließ in Eile das Schloss, mit dem Ziel endlich allein zu sein. Hoffnungsvoll hielt er Ausschau nach seinem Lieblingsplatz unten am See, ob dieser noch frei war. Als er sah, dass unter der großen Eiche niemand saß, beschleunigte er seine Schritte und kam schließlich leicht verschwitzt, wegen der doch eher zu warmen Aprilsonne dort an, und lehnte sich sogleich gegen den festen Stamm. Doch kaum hatte Harry sein Geschichtsbuch in die Hände genommen, sah er rechts von sich zwei Beine. Einbisschen erschrocken blickte er auf. "Hermine?"

"Ich habe mir gedacht, dass du hier bist!", sagte sie mit sanfter Stimme und setzte sich neben in an den Stamm. Harry versuchte nicht nervös zu werden, als sich ihre Beine für einen kurzen Augenblick berührten und verwarf sogleich alle Gedanken, die hier nicht hingehörten. "Und? Was tust du hier?"

"Keine Ahnung...", sagte sie mit dem Blick auf dem grünen Gras. Ihre Hände fummelten in dem kleinen Loch auf dem Knie ihrer Jeans. "Vorhin hab ich Ginny gesehen!"

Einwenig irritiert von dem, was seine Freundin soeben gesagt hatte, runzelte Harry die Stirn und meinte: "Ja und? Ist nicht unüblich, wenn man auf die selbe Schule geht, oder?"

"Mir ist nicht nach Spaßen zumute!", erwiderte Hermine mit fester Stimme und sah Harry verärgert in die Augen, doch kaum hatten sie die Wärme und Liebe erreicht, die von seinen Augen ausgestrahlt wurden, wurde sie schwach. "Sie... Sie", sie scheiterte kläglich daran, mit ihrer Moralpredigt fortzufahren und wand ihren Blick so schnell wie möglich von seinen fesselnden Augen. "Sie sah so unglücklich aus!"

"Tatsächlich?", Harry schien total kühl zu bleiben, obwohl er im Inneren darauf brannte, seine Gegenüber für immer in seine Arme zu schließen, zu wissen, wie sich ihre Lippen anfühlen, und am allermeisten wollte er ihr in die wunderschönen Augen sehen, ohne dabei ein schlechtes Gewissen zu haben.

"Du weißt, was ich meine...", irritiert von seiner aufgesetzten Gelassenheit begann Hermine einzelne Gräser auszureißen und häufte sie neben sich zu einer Pyramide. "Du bist der Grund für ihre Unglücklichkeit."

"ICH? Sonst noch was?"

"Verdammt, Harry!" Wütend drehte sie den Kopf zu Harry und funkelte ihn an, dieser jedoch war durch diesen plötzlichen Ausbruch und durch ihren Blick dazu gezwungen seine Maske endlich fallen zu lassen. "Du kannst mir doch nicht erzählen, dass es dir gut geht in deiner Beziehung!"

"Na und? Was soll ich machen?"

"Vielleicht setzt du dem ganzen ein Ende!", sagte sie schärfer, als beabsichtigt. "Ihr scheint ja beide nicht gerade vor Glück zu sprühen!"

"Ich kann dem kein Ende mehr setzen! Nicht nach allem, was passiert ist, Hermine!"

Es herrschte eine eiserne Stille zwischen den beiden, die sonst schon angespannt waren. Harry sah sie reuevoll und traurig an, während Hermine stumm zu Boden blickte, und versuchte das zu verstehen, was Harry soeben zu ihr gesagt hatte.

You look into my eyes

I go out of my mind

I can't see anything cause this Love's got me blind

I can't help myself

I can't break this spell

I can't even try

"Hör mal- ich..." Die Worte blieben in Harrys Hals stecken, als er vorsichtig seine Hand auf ihren Oberschenkel legte und sie zwang aufzusehen.

"Lass mich das von dir hören, was ich mir wünsche, zu hören, Harry. Bitte!", flehte Hermine mit Tränen in den Augen. "Ich fürchte, das kann ich nicht!", antwortete er genauso traurig, weil er vieles bereute, das er nun nicht mehr rückgängig machen konnte. Er liebte die eine, war aber an die andere quasi gefesselt.