Kapitel 6

Hermine musste unwillkürlich lächeln, als Harry seine Hand über ihren Bauch wandern liess. Mit einem wohligen Gefühl im Magen legte sie ihren Kopf an seine Brust und atmete glücklich seinen Duft ein. Sie erinnerte sich, wie sie sich vor nur wenigen Tagen gewünscht hatte, diesen Duft zu riechen und jetzt konnte sie das. So oft sie wollte.
"Was tust du da?" Harry bemerkte stirnrunzelnd, wie sie an ihm schnüffelte.
"Ich präge mir deinen Duft ein!", lächelte sie von unten schleimisch zu Harry hoch. Langsam fuhr Harry durch ihr gelocktes Haar und dann mit den Fingerspitzen über ihr Gesicht. Sie lächelte nun noch breiter und atmete die kühle Luft genießend in ihre Lungen. Ebenfalls lächelnd beugte er sich über sie und küsste sie noch einmal. Ganz langsam und zärtlich- und überhaupt nicht überstürzt. Hermine legte ihre Hände um seinen Nacken und kraulte ihn, während Harry vorsichtig ihre Bluse nach oben rollte, und ihren Bauchnabel kitzelte.
"Es ist spät!", bemerkte Hermine nach einiger Zeit mit dem Blick auf ihre Uhr. "Vielleicht gehen wir besser hoch, bevor wir Ärger kriegen..." Harry sprang grinsend auf die Beine und zog Hermine zu sich hoch. "Das ist einfach typisch für dich!", lachte er, legte seinen Arm um ihre Schultern, zog sie an sich und wuschelte ihr kumpelhaft durchs Haar.

Als sie die menschenleeren Gänge durchstreift hatten, und nun Arm in Arm vor dem Bild der fetten Dame standen, zog Hermine Harry am Hemd noch mal zurück. "Harry?"
"Was ist?"
"Sollen es die anderen erfahren, dass wir- nun ja..."
Harry schien zu überlegen. Dann liess er seine Hand nach unten gleiten und schüttelte bedacht den Kopf. "Vielleicht noch nicht. Vor allem wegen Ron. Er scheint mit der Situation wegen Ginny noch nicht ganz klarzukommen. Lassen wir ihm noch ein bisschen Zeit, einverstanden?"
"Wie viel Zeit? Ich meine, das Schuljahr ist in weniger als zwei Monaten zu Ende."
"Glaub mir, es wird sich alles von selbst regeln."

Ginny stand mit zittrigen Händen vor dem Spiegel im Mädchenklo und stützte sich am Waschbecken. Ihr Gesicht wirkte müde, schlaff und erschöpft. Sie liess das eiskalte Wasser aus dem Wasserhahn fließen und hielt ihre bleichen Hände darunter. Die einzelnen Tropfen blieben an ihrer Haut hängen, als sie die Hände wieder zurückzog. Die Tropfen erinnerten sie an die Tränen die sie seinetwegen weinte. Ginny biss sich schmerzhaft auf die Lippen um den Schmerz im Innern zu übertreffen. Unwillkürlich glitten ihre Gedanken weiter... Tränen, Schmerz, Einsamkeit. Dann kam er... seine kalten Augen, fast grau und dennoch so überzeugend, dass sie darauf reinfiel. Seine Hände. Überall... überall an ihrem Körper. Noch fester biss sich Ginny auf die Lippen, bis sie merkte, dass ihre Lippen bluteten. Mit verzerrtem Gesicht sah sie in ihr Spiegelbild. Ihre schmalen Finger fuhren sich über die Lippen und wischten das Blut weg. Noch einmal sah sie seine kalten Augen vor sich, dann sein hämisches Grinsen und schließlich sich selbst, wie sie vor ihm zusammenbricht. Hör auf damit! Lass diesen Unsinn! Schnell drehte sie sich vom Spiegel ab, nur um sich selbst nicht mehr sehen zu müssen.

Die Wochen verstrichen unheimlich schnell. Obwohl Hermine und Harry ihre Maske ziemlich gut aufrecht halten konnten, dämmerte es bei einigen ihren Mitschülern. So auch Ron. Er wusste zwar nicht, was da im Busch war, konnte sich aber nicht erklären, warum sein bester Freund ihm nichts sagen wollte. Das war aber nicht sein einziges Problem, denn Ginny schien in ihrem Leben zu leiden, wie nie zuvor und das bereitete ihrem Bruder selbstverständlich Sorgen. Immer öfters brach sie im Gemeinschaftsraum zusammen, ass immer appetitlos und seit neustem war sie immer allein unterwegs.

"Das war's dann wohl...", meinte Hermine, als die drei zum allerletzten Mal in den Hogwartsexpress stiegen und auf das Schloss hochblickten. Den Blick, den Hermine dabei Harry zuwarf, bemerkte Ron nicht, der damit beschäftigt war, Ausschau nach Ginny zu halten. Als die drei nach einem freien Abteil suchten, stiessen sie auf Ginny, die ganz allein in einem Abteil sass und stumm aus dem Fenster blickte. Sie war bleich- so wie immer in letzter Zeit. Ron warf fragende Blicke zu seinen Freunden, und als diese wenig begeistert nickte, zogen sie die Glastür auf und traten ein.
"Ich nehme an, hier ist noch frei?", sagte Ron und hievte seinen Koffer mühsam hinter sich her. Ginny nickte, ohne den Blick aus dem Fenster zu wenden. Als die drei ihre Koffer sicher verstaut hatten, sagte Ron: "Hermine und ich müssen noch mal ins Vertrauensschülerabteil!" Auch Hermine machte Anstalten zu gehen, wobei sich Harry schmerzlich wünschte, nicht mit Ginny allein gelassen zu werden. Stumm setzte er sich Ginny gegenüber und versuchte sie nicht blöd zu mustern, was ihm aber schwer fiel- denn diese Ginny war kaum wiedererkennbar... Dass konnte doch nicht alles daran liegen, dass er Schluss gemacht hatte?
"Na, wie geht's dir?", er versuchte möglichst gelassene Stimmung aufzubauen, was ihm aber deutlich missfiel. Ginny wand ihre müden Augen weg vom Fenster und blickte Harry mit einem unentschlüsselbaren Blick an. Es schien eine ganze Eiszeit zwischen den beiden Blicken zu liegen, als sie sich einige Momente stumm ansahen. "Harry... Ich muss etwas wissen."
"Was?"
"Die Wahrheit!"

I want the truth from you
Give me the truth even if it hurts me
I know that this will break me
I know that this might make me cry
You got to say what´s on your mind
I know that this will hurt me
And break my heart and soul inside


Harry war verunsichert. Was meinte sie? "Was genau-?"
"Du weisst es Harry!" Sie fesselte ihn mit ihrem Blick. Harry rutschte auf seinem Sitz herum und überlegte, was genau sie wissen wollte. Etwa warum er sie damals verlassen hat? "Ich habe dir doch schon gesagt, dass ich dich nicht mehr geliebt habe..."
"Das mag ja sein...", sagte Ginny und erst jetzt liefen ihr Tränen über die Wangen. "Aber glaubst du, ich habe dein Spielchen nicht durchschaut? Ihr mögt Ron täuschen können... Aber haltet bitte nicht die ganze Welt für so blöd und naiv!"
"Ok... Hör zu Ginny-!"
"Was willst du mir jetzt sagen? Etwa, dass sich deine Gefühle für Hermine erst viel später entwickelt haben? Ach komm schon Harry... Sei wenigstens einmal ehrlich!"
"Na schön... Du hast Recht." Harry hob die Hände wie ein kleiner Junge, der gerade dabei erwischt wurde, wie er ein Eis von seinem Bruder geklaut hatte. "Das tut aber nichts zur Sache. Ich habe dich geliebt. Wirklich geliebt!"
"Auch zu dem Zeitpunkt, als du mit mir geschlafen hast?"
Harry schwieg. Sein Herz schlug ihm bis zum Hals, und Schweiß brach ihm aus, während er in die traurigen Augen sah, die ihn klagend festhielten. Er wollte ´ja´ sagen, doch jedes mal wenn er den Mund öffnete, kam nichts raus. "Keine Antwort ist auch eine Antwort!", flüsterte Ginny nach einiger Zeit und starrte wieder aus dem Fenster, wobei ihr dieses mal aber Tränen unaufhaltsam die Wangen runterkullerten. Harry wollte irgendwas aufmunterndes sagen, weil er sich seiner Schuld vollkommen bewusst war, aber stattdessen sagte er nur: "Was würde es dir bringen, wenn ich es dir sage?"
Ein weiteres mal wand sie ihren Blick zu Harry und starrte ihn ungläubig an. "Was es mir bringen würde? Soll das ein schlechter Witz sein?" Harry schüttelte betroffen den Kopf. "Verdammt Harry... Ich- Ich bin schwanger!"