„Hast du Billy auch jeden Tag gefüttert, B.A.?"
„Halt's Maul! Hast kein Hund!"
Hannibal sah vom Tisch aus lachend B.A. und Murdock zu.
Face kniete neben dem Schrank um aus Murdocks Tasche seine Jacke und das Cap zu holen.
B.A. hatte darauf bestanden, an Murdocks Bett sitzen zu dürfen, natürlich nur, weil ihm die Stühle zu unbequem waren.
„Keine Angst, Murdock. Ich hab ihn gefüttert."
„Face!", drehte sich B.A. wütend um.
Manche Dinge ändern sich eben nie, dachte Hannibal lächelnd.
„So, da." Face trat ans Bett und setzte dem Captain das Basecup auf.
„Danke, Facey."
Murdock fühlte sich körperlich wieder einigermaßen gut. Besonders aber von innen heraus.
Bei der Visite gleich würde alles gut gehen. In ungefähr einer halben Stunde würden sie wieder im Van sitzen, Richtung Flugplatz.
Hannibal sah aus dem Fenster.
Die Sache zu Ende zu bringen war riskanter den je. Doch obwohl B.A. und Murdock verletzt waren, war der Colonel zuversichtlich. Ihre Stärke lag in ihrer Einheit. In diesem außergewöhnlichen, bedingungslosen Aufeinander – vertrauen – können.
„B.A.? Wo kommt die denn hierher?"
Murdock hielt eine schwere Goldkette von B.A. in der Hand. Es war die Kette mit dem riesigen Herz als Anhänger, die er selbst B.A. letztes Weihnachten geschenkt hatte.
„Weiß ich doch nicht, man!", giftete der Schwarze ihn an.
„Wo war die denn?" Face stand auf und sah zum Bett rüber.
„Lag unter meinem Kopfkissen." Murdock wollte grinsen, aber es wurde ein warmes Lächeln.
„Na sieh an." Face ging zum Bett und klopfte B.A. auf die Schulter.
„Was sieh an!", erwiderte der Irokese verärgert.
„Ah nichts, nichts."
„Hier, Großer." Murdock drückte B.A. die Kette in die Hand. Dann ergriff er die duzend anderen Ketten und zog B.A. zu sich herab.
„Und danke", flüsterte er ihm ins Ohr.
Auch wenn Face und Hannibal nicht gehört hatten, was der Pilot gesagt hatte, wussten sie, was er gesagt hatte. Das kurze Lächeln auf B.A.'s Lippen sagte ihnen alles.
„Wer fährt den Van?", versuchte der starke Mann das Thema zu wechseln.
„Ich tue das gern für dich, B.A. Da du deinen Fuss noch schonen musst", grinste Face herausfordernd.
„Oh nein! Du nicht, Faceman! Vergiss es!" B.A. hob seine Faust.
„Oh warte, Baby, warte", unterbrach ihn Murdock.
„Der Wagen würde sich sehr freu'n, wenn Face ihn mal fährt. Besonders der Stoßdämpfer."
„Erstens bin ich nicht dein Baby, man! Und zweitens freut der sich auch, wenn ich fahre!"
„Ja, er fällt vor Freude ab", kommentierte Face trocken und fing sich dafür ein unheilverkündendes Knurren ein.
„Nicht knurren, mein Großer. So wie du unsren Van immer folterst."
„Unsren Van? Das ist MEIN Van! Verstanden!"
„Okay, okay." Murdock hob abwehrend die Hände.
Hannibal schüttelte lächelnd den Kopf. Diese Jungs.
„Also Männer, wir haben einiges vor uns", versuchte er sie doch langsam aufs Thema zu lenken.
Face reagierten sofort.
„Wie sieht der Plan aus, Hannibal?", fragte er, während er sich aufs Bett neben B.A. setzte.
„Hey, ich seh' nix mehr!", maulte Murdock und kniff Face in die Seite.
„Aua! Hey!" Der blonde Mann sprang ruckartig auf.
„Schon besser", grinste Murdock. B.A. und Hannibal konnten sich ein Lächeln nicht verkneifen. Alles wie früher.
„Kommt, Leute", versuchte Hannibal es ein zweites Mal.
Face streckte Murdock die Zunge raus und setzte sich neben Hannibal.
Murdock grinste zurück.
„Hör auf, zu grinsen!", sagte B.A. und zog Murdock das Basecup in die Augen.
„B.A.!", Murdock schubste die Hand weg.
„Kommt Kinder, es ist wirklich wichtig."
„'tschuldigung", sprachen die 2 Männer wie aus einem Mund.
Lächelnd fuhr der Colonel fort.
„Der Plan ist simple, aber nicht ganz einfach."
„Oh, wie logisch", war Face' Kommentar.
„Also Lieutenant, passen Sie auf."
„Ja", antworte Face kleinlaut und räusperte sich.
„Also", begann der Colonel zum 4 Mal.
„Fest steht, wie müssen die Truppe dort vor Ort kaltstellen. Aber damit ist es nicht getan. Denn wir scheinen hier eine größere Organisation zu haben. Mein Vorschlag wäre also, wir dringen noch einmal in die Hauptzentrale ein, nehmen uns die Jungs zur Brust und holen uns die Papiere mit den Namen und Adressen der Schweine, die die Frauen kaufen. Den Rest erledigt unser Deckerchen."
„Aber ihr seit grad mal zu zweit, Hannibal." In Murdocks Stimme lag Besorgnis.
„Na und? Wir sind ein Team und wir machen das!"
„Genau B.A." Hannibal nickte.
„So ist es Murdock. 'Team' steht doch nicht umsonst für 'Toll Ein Anderer Machts'."
Alle sahen Face an, der grinsten mit den Schultern zuckte.
„Ist doch so, oder?"

„Sieht gut aus. Ihr könnt gehen."
Maggie betrat das Wartezimmer, in das sie die 3 geschickt hatte, während sie Murdock noch einmal untersucht hatte.
„Auch wenn ich dich gern noch etwas hier behalten würde", lachte sie und hakte sich bei Hannibal ein.
„Tja, ich hoffe ja, ich kann dich bei Gelegenheit mal wieder besuchen kommen.
„Du hoffst? Na also, ich möchte doch sehr bitten."
Der weißhaarige Mann lachte und drückte Maggie an sich.
„Ich mach den Wagen klar."
„Ja und ich muss die Tickets noch mal überprüfen."
B.A. drehte sich blitzartig zu Face.
„Ich meine, ähm die Tickets für, ähm...hör auf B.A.!" Face rannte zur Tür, der schwarze Mann ihm nach.
„Du hast tolle Jungs", lachte die Ärztin.
„Ich weiß." Hannibal sah lächelnd auf die offene Tür.
„Also dann, ich muss los. Ich hol' Murdock. Ich ruf dich an."
Mit einer herzlichen Umarmung verabschiedete er sich von der Ärztin, die lächelnd und mit einer winzigen Träne allein im Zimmer zurückblieb.

„So, alles Startklar, Captain?"
Hannibal steckte den Kopf durch die halbgeöffnete Tür.
„Murdock?" Verwundert musste der Colonel feststellen, dass der Pilot noch immer auf den Bett lag und völlig versunken aus dem Fenster sah.
„Irgendwas nicht in Ordnung?"
Murdock reagierte nicht. Hannibal trat ein, schloss die Tür hinter sich und setzte sich an den Bettrand.
„Na was ist denn los? Hm?", und während er dies sagte, musste er daran denken, dass es das zweite Mal, in den letzten Tagen war, das er in dieser Vaterrolle steckte.
Erst jetzt drehte Murdock sich zu ihm um und sah ihn mit nachdenklichen, braunen Augen an.
„Hältst du mich für verrückt?" Die Frage rutschte ihm einfach so raus, obwohl Murdock eigentlich eine bessere Einleitung hätte sagen wollen, war er doch froh, dass es draußen war.
„Das kommt darauf an, wie du normal und verrückt definierst."
„Wenn ich dir etwas erzählen würde, würdest du mich dann für bescheuert halten?"
Hannibal hob die Hände.
„Murdock. Was ist passiert? Erzähl's mir einfach."
Der Captain räusperte sich.
„Eigentlich wollte ich dir danke für alles sagen."
„Wofür?"
„Naja, es ist verrückt." Murdock musste selbst über diesen Satz lachen, aber es war ein nervöses Lachen.
„Erklär es mir."
„Also", auf einmal kam ihm das Bett furchtbar unbequem vor.
„Es ist absurd, aber ich habe euch gehört. Face und dann dein Gespräch mit ihm."
Murdock brach ab und sah Hannibal fragend an, als erwarte er von ihm Antworten.
Der weißhaarige Colonel runzelte die Stirn.
„Erzähl genauer."
Murdock antworte nicht. Es fiel ihm schwer, Worte zu finden. Im Nachhinein wirkte es so irreal, so unglaubwürdig.
„Versuch es einfach." Hannibal strich ihm kurz über das wirre, braune Haar.
„Ich war bei euch, die ganze Zeit. Irgendwie. Ich hab Face gehört, als er bei mir saß und als du dazu kamst, na ja, da war es wieder anders. Ah, es war vielleicht auch nur ein Fiebertraum."
Aber so sehr Murdock versuchte sich das einzureden, die Erinnerungen blieben greifbar real.
„Nein, Face war tatsächlich bei dir. Er ist keine Sekunde von deiner Seite gewichen."
Diese Antwort ließ ihn erschrecken.
„Aber kann das denn sein?"
Hannibal zuckte mit den Schultern.
„Erzähl doch einfach weiter."
Die ruhige Stimme des Colonels half ihm sich selbst etwas zu fassen.
„Also, ich konnte euch nicht sehen. Am Anfang, ich glaube, ihr wart alle im Zimmer und die vielen Stimmen waren ein solches Wirrwarr, dass ich nichts verstehen konnte. Dann war es wie ein rhythmischer Wechsel. Ich fiel immer wieder zurück, wie in einen tiefen Brunnen und wachte wieder auf. Das heißt, also nicht wirklich aufwachen."
Frustriert schlug Murdock mit der Faust aufs Bett.
„Na, na, na. Lass dir Zeit."
Der Pilot seufzte.
„Es ist so...verwirrend, Hannibal. Ich bin ein Spinner, wie B.A. sagt." Dieses Mal lachte er nicht.
„Murdock, du weißt, dass er es anders meint. Erzähl einfach weiter, danach wirst du dich besser fühlen."
Ein erneuter Seufzer vom Bett.
„In Ordnung. Ich bin immer hin und her geschwankt zwischen diesem Brunnen, indem nichts als schwarze Träume waren und einer so komischen Ebene, aus der ich euch wahrnahm und auch wieder nicht. Kannst du mir folgen?"
Hannibal nickte.
„Ja, ich denke du meinst, einmal hat deine Seele mit deinem Körper geschlafen und einmal war sie wach und frei im Raum."
Murdock sah Hannibal verblüfft an. Der Colonel hatte das gesagt, als lese er den Wetterbericht der Woche vor.
„Aber kann das denn sein?", wiederholte der Captain die Frage von eben.
„Weißt du Murdock, nur weil die Mehrheit etwas verurteilt, das sie nicht versteht und weil es ihr Angst macht, deswegen kann es trotzdem richtig sein. Schau dir Galileo an. Jeder Idiot damals dachte, die Welt ist eine Scheibe. Aber war es deswegen richtig, nur weil alle es sagten?"
Murdock sah Hannibal stumm an. Er dachte an letzte Woche im Va als B.A. ihn abgeholt hatte. Da hatte er genau den selben Gedanken gehabt. Er wollte Hannibal danken, aber ihm fielen keine passenden Worte ein.
„Na und? Hatten sie deswegen recht, Captain?"
Murdock schüttelte den Kopf und lächelte.

„Ich steig' in kein Flugzeug, man!"
B.A. fuhr ruckartig an den Straßenrand.
„Musstest du das jetzt erwähnen, Murdock?", beschwerte sich Faceman bei dem grinsenden Piloten.
„Na aber, B.A." Hannibal suchte nach beschwichtigenden Worten und gab gleichzeitig Face ein Zeichen.
„Ich steig in kein Flugzeug, man!"
„Das wissen wir doch, Großer."
„Murdock!", zischte Face.
„Jetzt entspann dich einfach, B.A.", klopfte ihm Hannibal auf die Schulter, als Face die Spritze in B.A.'s Nacken presste.
Leider war B.A. dieses Mal schneller. Face konnte nur die Hälfte injizieren, als B.A. sich auf dem Fahrersitz umdrehte und nach hinten langte. Der blonde Mann wisch erschrocken aus und drängte sich an Murdock.
„Was soll das denn, B.A.!"
„Facey! Du brichst mir gleich..."
„Komm hierher, Faceman!"
„Nein, ich bin doch nicht lebensmüde!"
„Runter von mir, Face!"
„Komm her Face! Na warte!"
Hannibal saß gelassen auf dem Beifahrersitz, während seine Jungs sich auf der Rückband rumwälzten.
Er schaute beifällig auf die Uhr, als auch schon ein erleichterndes Aufatmen vom Rücksitz kam.
„Da schläft der kleine Teddybär."
„Na klasse. Dein kleiner Teddybär hät' mich fast erwürgt, Murdock!"
„Ja, ja, der große böse Teddy."
Face schüttelte nur den Kopf.
„Hannibal. Wieso hast du ihn nicht aufgehalten!"
„Wieso sollte ich, Face? Kinder soll man spielen lassen. Welpen soll man beim Balgen ja auch nicht stören."
Lächelnd rutsche der weißhaarige Mann auf den Fahrersitz und startete wieder den Motor.
Murdock platzierte B.A. zwischen sich und Face.
„Ich freu mich schon, wenn er wieder aufwacht", grinste er zu Face hinüber.
„Ja, das wird klasse", kam trocken die Antwort.

„Danke fürs Abholen, Mr. Sanders."
„Das war das mindeste, was wir tun können. Aber wirklich ein bemerkenswerter Wagen, ihr Van!"
Er hörte das Gespräch im Halbschlaf.
Als er die Augen öffnete, überkam ihn wieder dieser schreckliche Kopfschmerz. B.A. wusste, was das bedeutet.
„Ich geh schon mal zum Wagen!"
Face verließ fluchtartig das Wohnzimmer der Sanders.
„Morgen, Großer!"
„Wie gehst dir, B.A.?" Hannibal räusperte sich.
„Hannibal! Das war das allerletzte Mal, dass ihr mich so verarscht!"
„Das hast du schon 9.999 Mal gesagt", grinse Murdock ihn provozierend an.
B.A. sprang auf und packte ihn am Kragen.
„Ruhig, ruhig Großer!"
„Nix mit ruhig, ruhig Großer! Du bist totes Fleisch man, verstanden!"
„Lass das B.A.", mischte sich Hannibal ein bevor die Situation eskalieren konnte.
„Also", Hannibal erhob sich, „Face wartet schon im Wagen. Lasst uns losfahren. Dieses Mal sind dir Gebrüder Grimm dran!"
„Viel Glück!", rief Mrs. Sanders ihnen nach.


Das große Finale kommt im Abschlusskapitel:)