Teil 6: Dorcas Meadows
Dorcas Meadows! Eine Frau, die man am Besten nicht reizen sollte. Wenn es doch jemand versuchen sollte und es gab genug Dummköpfe, die es gewagt hatten, werden es nie wieder tun. Eine Dorcas Meadows, wollte niemand zum Feind, schon gar nicht, wenn sie auch noch wütend war. In solchen Fällen ging man ihr am Besten aus dem Weg, ließ sie einfach in Ruhe und redete sie am Besten nicht an, wenn man von ihren Worten nicht in der Luft zerfleischt werden wollte.
Dorcas gehörte zu der Kategorie Frau, bei der man nicht wusste wo man war. Sie konnte zwar auch lustig sein und verstand Humor, doch es kam auch oft vor, wo sie die Strenge in Person war.
In letzter Zeit dachte sie oft über ihr Leben, ihren Beruf und eigentlich das Leben im Allgemeinen nach. Seit sie mit Benjy bei diesem Einsatz war, wo er entführt wurde und sie noch rechtzeitig hatte gerettet werden können.
Als sie mit Benjy kämpfte, versuchte sie ihm auch zu helfen, doch als sie sah, dass die Todesser ihn beinahe eingekesselt hatten, wolle sie ihm helfen, doch hinter ihr hatten die Todesser das zu vereiteln gewusst und sie immer wieder mit Flüchen bombardiert.
Dann hörte sie ein Geräusch, was ihr bekannt war und mit einer schlimmen Vorahnung wandte sie sich schnell um und konnte sehen, wie ein Portschlüssel herauf beschworen wurde. Benjy hatte alle Hände voll zu tun und er hatte nicht schnell genug reagiert. Der Portschlüssel hatte ihn berührt und weg war er und mit ihm zwei Todesser.
Wo bleibt den die Nachhut, dachte sie sich. Sie und Benjy hatten die Zentrale informiert, dass hier das absolute Chaos herrschte und sie das, so sehr sie es auch versuchten, wahrscheinlich nicht alleine schaffen konnten.
Dorcas hatte sich wieder komplett auf die Todesser konzentriert, die noch auf sie fixiert waren. Sie musste hier lebend rauskommen, alleine schon deswegen, um in der Zentrale bei der Suche nach Benjy zu helfen. Sie wusste was passiert war und konnte den genauen Ablauf erklären, vielleicht konnte man ja daraus irgendwelche Schlüsse ziehen und so Benjy finden, doch leider hatte das nicht funktioniert.
Kurz nach dem Benjy verschwunden war, tauchten vier Auroren auf und konnten die zwei Todesser überwältigen.
„Wo ward ihr so lange?", fauchte Dorcas ihre Kollegen an.
„Wir konnten nicht schneller kommen."
„Ja und deswegen haben sie jetzt Benjy mitgenommen", giftete sie weiter. Sie war nicht bester Laune und das konnte jeder sehen und erkennen.
„Benjy? Sie haben ihn?", fragte ein Auror überrascht.
„Ja, leider", gab sie verbissen zurück.
Sie hatte sich selbst Vorwürfe gemacht, dass sie nicht mit einem Fluch geholfen hatte. Doch je länger sie darüber nachdachte, desto mehr wurde ihr bewusst, dass sie hätte nichts tun können, auch wenn sie es versucht hätte. Im schlimmsten Fall wäre sie auch noch in die Hände der Todesser gelangt und nicht nur Benjy.
So grausam es auch klingen mag, aber sie war froh, dass es nur Benjy erwischt hatte und nicht sie auch noch. Sie mochte Benjy gerne, sie waren gute Freunde. Vielleicht waren sie auch mehr als das, doch ihren Gefühlen gegenüber waren sie nicht ehrlich.
Es war schon schlimm, wenn es ein einen Auroren erwischte, aber wenn es gleich zwei gab? Benjy hatte nichts gesagt, dass wusste sie, sonst hätten die Todesser bereits mehrere ihre Pläne zerstört, aber das war nicht passiert … zum Glück konnte man sagen!
„Dorcas", hörte sie Amelia. Sie wandte sich um und konnte eine ihre Vorgesetzten sehen. An Amelias Blick konnte man erkennen, dass etwas passiert sein musste oder ein wichtiger Einsatz wartete, auf den Amelia sie schicken wollte.
Es war schwer ein passendes Team zusammen zu stellen, denn jeder Auror war in etwas anderem besser als ein anderes. Sie hatten zwar alle dieselbe Grundausbildung, doch wie es immer war, hatten alle ein Spezialgebiet. Das bereitete ihr für die Dienstpläne meistens Kopfzerbrechen. Für die Einsatzpläne war eigentlich nur Moody zuständig, aber beide mussten sich absprechen, was manchmal ein wenig schwierig werden konnte und auch zu Eskapaden führte. Nichts Schlimmes, doch so Gezanke war wirklich des Öfteren zu hören, aber schließlich und endlich wurden sich diese Beiden auch einig.
Dorcas verließ sich überhaupt nicht mehr auf ihr Bauchgefühl oder ihre Intuition. Das hatte sie vor Jahren getan und würde es nie wieder machen. Aber diesen Vorsatz konnte sie nicht ganz in die Tat umsetzen, denn immer wieder hatte sie ein Bauchgefühl, was sie dann kaum im Stich ließ. Sie wusste, nein sie spürte was die Menschen von ihr wollten und so stellte sie sich immer auf die schlimmsten Nachrichten ein, die sie dann ein wenig besser aufnahm als andere.
„Schließe bitte die Türe hinter dir", meinte Amelia und setzte sich hinter ihren Schreibtisch. Mit einer einzigen Gestik wies sie Dorcas an sich ebenfalls zu setzen.
Amelia wirkte müde. Unter ihren Augen befanden sich dunkle Augenringe. Aus ihrem Haar, das sie immer zu einem Knoten gebunden hatte, lösten sich einzelne Strähnen und hingen ihr ins Gesicht. Dorcas beobachtete sie einen Moment und fragte sich wirklich, ob Amelia in dieser Woche überhaupt ein Auge zu gemacht hatte. In so einem Zustand hatte sie sie wirklich noch nie gesehen. Amelia Bones gehörte auch zu jenen Menschen, die egal wie früh es war, immer ausgeschlafen und putzmunter waren.
Vielleicht hing es auch mit dem Vorfall mit Edgar zusammen, dass Amelia so aussah. Dorcas vermutete eben letzteres, was sich nicht als falsch herausstellen sollte. Doch Amelia sprach nicht darüber. Immer wenn jemand dieses Thema anschnitte, lenkte sie die Konversation geschickt in eine andere Richtung.
Der Tod und Verlust ihres Bruders und seiner Familie gingen ihr sehr nahe, vor allem, weil sie mit allen ein gutes Verhältnis hatte. Sie wusste, dass zum Beruf des Auroren der Tod praktisch ein stetiger Begleiter war, aber wenn dann doch jemand stirbt, der einem Nahe steht, dann nimmt es einen mit, egal ob man gelernt hat seine Gefühle zu verbergen und nicht zu zeigen. Solche starken Gefühle, konnte man zwar versuchen zu verstecken, aber sie waren dennoch sichtbar. Sichtbar für jene, die sich darauf konzentrierten, sich um diese Person Sorgen machten und wissen wollten, wie es ihr ging. Achtete man nicht genau darauf, dann viel es eigentlich niemandem auf, dass Amelia ziemlich unter diesem Verlust litt.
Dorcas versuchte diesen Gedanken wieder los zu werden. In letzter Zeit hatte sie wirklich oft über den Tod nachgedacht, vor allem, weil sehr viele ihrer Kollegen auf grausame Weise ums Leben gekommen sind und die Todesser nicht einmal vor Kindern halt gemacht hatten. Sie wollte sich nicht einmal ausmalen, was die Todesser wirklich mit den Eltern machten, wenn sie den Kindern schon so was antun konnten.
Eltern litten alleine dadurch, dass sie sahen, wie ihre Kinder gefoltert oder vor ihren Augen einfach getötet wurden. Sie konnte sich nie vorstellen, wie es sein würde, jemanden leiden zu sehen, der ihr lieb und teuer war, so jemanden hatte sie nicht. Freunde hatte sie, aber es gab niemanden, bei dem sie sagen könnte, es hätte ihr das Herz gebrochen.
Gewiss war jeder Tod schmerzhaft, wenn man einen Menschen mochte, aber wenn man jemanden von Herzen liebte, dann war der Schmerz viel größer. Dadurch konnte sie leider auch nicht verstehen, wie sich Amelia momentan fühlte.
Genug dieser Gedanken … aber sie konnte sie nicht loswerden, egal was sie versuchte. Sie waren immer bei ihr und zeigten, wie schnell ein Leben einfach ausgelöscht werden konnte und wie sinnlos manche Morde einfach waren.
„Ich möchte, dass du nach Hogsmeade gehst und dort einfach nur einen Kontrollgang machst. Madam Rosmerta hat gemeldet, dass sich im Dorf immer wieder komische Gestalten herum laufen und ich möchte, dass irgendjemand der Sache nachgeht", erklärte Amelia den Sachverhalt. „Ich möchte auch niemand hinschicken, der noch ein Frischling hier ist, sondern jemanden, der sich im Notfall auch zu verteidigen weiß und da viel meine Wahl eben auf dich."
Dorcas überlegte noch ein wenig. Sie war schon lange nicht mehr in Hogsmeade gewesen und es bot sich ihr eine Gelegenheit dieses Dorf wieder einmal zu sehen, auch wenn es nur aus beruflichen Gründen war. Sie hatte dieses Dorf geliebt und war von morgens bis abends dort geblieben, als sie die Wochenenden hatten.
„In Ordnung", meinte Dorcas. „Was soll ich genau machen?"
„Dich einfach umsehen … nebenbei auch noch sehen, ob Hogsmeade mit irgendwelchen Flüchen versehen ist, die irgendjemandem noch schaden könnten. Zauberer und Hexen befragen, ob sie etwas Verdächtiges gesehen hätten." Amelia hielt kurz inne. „Du musst nicht fragen, sondern einfach nur beobachten, ob sich nicht jemand verdächtig verhält … du verstehst?"
„Natürlich", antwortete Dorcas und war bereit zum Gehen. „Bis später dann!"
„Bis später."
Dorcas ging mit sicheren, schnellen Schritten auf die Apparationsräume zu.
Es dauerte kaum eine Minute, da stand sie schon vor den „Drei Besen". Sie beschloss sich erst im Dorf so umzusehen, bevor sie in die einzelnen Geschäfte ging, um dort nach irgendetwas Merkwürdigem zu suchen.
Merkwürdig war in den letzten Jahren vieles gewesen. Niemand konnte mehr genau sagen, was genau er oder sie damit meinte. Die lächerlichsten Dinge wurden gemeldet und als gefährlich eingestuft, was aber mit einem leichten Zauber zu regeln war. Über so ein Verhalten konnte Dorcas einfach nur die Augen rollen und den Kopf schütteln. Manche Leute waren eben zu überängstlich und sahen hinter jeder Ecke Voldemort oder einen Todesser.
Viele Auroren, die schon lange im Dienst waren und es tatsächlich geschafft hatten in Rente zu gehen, litten unter Verfolgungswahn, aber das war eben auch ein Teil des Berufsrisikos. Wenn man Feinde hatte und wusste, dass dieser noch irgendwo war, dann war man immer noch vorsichtig.
Der Beruf des Auroren war nicht nur für acht Stunden, sondern rund um die Uhr, an jedem Tag und die Ausbildung und der Beruf selbst wirkten sich auch auf das Privatleben aus. Viele Dinge waren so tief in den Auroren verankert, zum Beispiel, dass man seine Augen immer überall hatte und immer wachsam war. Es waren Dinge, die kein Auror jemals verlernen würde.
Dorcas ging gemütlich den kleinen Waldpfad entlang auf die heulende Hütte zu. Es gab viele Gerüchte, doch ob eines davon stimme, dass wusste sie nicht. Aber die Menschen glaubten sowieso immer das, was sie glauben wollten.
Ihre Sinne hatten sich geschärft. Sie nahm ihre Umgebung klar war. Ihre Augen sahen jedes Detail, sie hörte den leisesten Ast brechen, sie hörte Schritte … Schritte?
Sie zog ihren Zauberstab und wandte sich langsam um, doch sie konnte niemanden sehen. Vielleicht war es auch Paranoia, aber sie fühlte sich beobachtet und sie sollte Recht behalten.
Plötzlich trat eine hoch gewachsene Person, die in einen schwarzen Umhang gehüllt war, auf sie zu. Mit langsamen Schritten bewegte sie sich vor. Dorcas Augen verengten sich zu Schlitzen, als sie sah, wer es war.
Das weiße Gesicht, die roten Augen und eine Nase wie bei einer Schlange, spiegelten das Grauen in Persona wider. Voldemort stand vor ihr und lächelte sie gehässig an, wenn man das als Lächeln bezeichnen konnte was er tat.
„Dorcas Meadows", zischte er leise. Seine Stimme glich einer Schlange, die versuchte zu sprechen. „So sieht man sich also wieder?"
„Ich bin nicht gerade erfreut dich zu sehen", meinte Dorcas ehrlich. Sie wusste wer vor ihr stand, doch sie ließ sich nicht von ihm einschüchtern und es wäre auch das Letzte was sie je tun würde.
„Hmm … vorlaut wie immer, nicht wahr?"
Dorcas sagte nichts, auch er schwieg.
Doch plötzlich zog er seinen Zauberstab und hatte bereits einen Fluch abgeschossen. Sie konnte noch schnell zur Seite weg springen und ebenfalls einen Fluch auf ihn hetzen.
Mit einer Leichtigkeit wehrte er ihn ab und Dorcas sah ihn einfach nur verwirrt an. Doch diese Verwirrtheit blieb nur einen kurzen Moment. Schon stand sie wieder auf den Beinen und war bereit.
Ein roter Lichtblitz schoss aus ihrem Zauberstab hervor und streifte Voldemort am Umhang. Wütend blickte er sie an.
Er begann in schneller Geschwindigkeit Flüche auf sie abzufeuern. Dorcas hatte Schwierigkeiten mit ihm mitzuhalten. Sie konnte zwar die meisten Flüche abwehren, doch sie konnte keinen Angriff starten … Voldemort ließ ihr einfach keine Gelegenheit dazu und das würde er auch nicht tun.
In einem unachtsamen Moment, hatte sie einen Fluch von ihm übersehen. Nein, kein unachtsamer Moment, denn Voldemort hatte zwei Flüche gleichzeitig gesprochen Dorcas hatte nur einen mitbekommen, so dass sie der eine mitten in die Brust traf.
Sie rutschte ein paar Meter über den Boden. Ihren Zauberstab hatte sie dabei fallen gelassen und wollte ihn mit einer Handbewegung zurückholen, doch sie spürte kein Holz in ihrer Hand.
Plötzlich stand Voldemort über ihr und hatte seinen Zauberstab auf sei gerichtet. Sie konnte sehen, dass er ihren Zauberstab in der Hand hielt und sie hinterhältig angrinste.
Ihr Herz schlug ihr bis zum Hals. Ihr gesamtes Leben rannte noch vor ihrem inneren Auge ab.
Ich habe mein Bestes gegeben. Ich habe gekämpft, doch das Beste war wohl nicht gut genug, dachte sich Dorcas, ehe sie den grünen Lichtblitz sah, der auf sie zuflog.
Dorcas Meadows – ein Name, der sich einen Ruf gemacht hatte. Ein Name, hinter dem viel Kraft und Mut steckte. Eine Frau, die in ihrem Leben was erreicht hatte und vielen Menschen, durch ihr Handeln, einen kleinen Hoffnungsschimmer gab.
